Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Grundsteuerbefreiung wegen unmittelbarer Benutzung für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke kommt erst in Betracht, wenn der Steuergegenstand dem steuerbegünstigten Zweck tatsächlich zugeführt worden ist.
Normenkette
GrStG § 4/3/b, § 6 Abs. 1; GrStDV § 24
Tatbestand
Streitig ist, ob ein Grundstück des Revisionsklägers von der Grundsteuer zu befreien ist.
Der Revisionskläger, ein Verein, der anerkanntermaßen ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt, erwarb im Jahre 1961 von der Gemeinde X Ackerland. Der Verkauf erfolgte unter der Auflage, innerhalb von zwei Jahren darauf ein Altersheim zu errichten. Bei Nichterfüllung dieser Auflage wäre der Revisionskläger zur Rückgabe des Grundstücks verpflichtet gewesen. Das vom Revisionskläger errichtete Altersheim wurde im März 1963 bezugsfertig.
Der Revisionsbeklagte (FA) stellte den Einheitswert des Grundstücks auf den 1. Januar 1962 mit 4.400 DM fest; den Grundsteuermeßbetrag setzte er auf denselben Stichtag fest. Der Revisionskläger legte Einspruch mit der Begründung ein, er sei von der Grundsteuer zu befreien. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Berufung machte der Revisionskläger geltend, er sei ein gemeinnütziger Verein. Das Grundstück sei entsprechend der vertraglichen Auflage innerhalb von zwei Jahren mit einem Altersheim bebaut worden. Aber schon vor Baubeginn sei es für gemeinnützige Zwecke unmittelbar benutzt worden, da sofort nach Erwerb mit der Bauplanung für das Altersheim begonnen worden sei. Die bürgerlich-rechtliche Auflage, das Grundstück mit einem Altersheim zu bebauen, müsse steuerlich von vornherein beachtet werden.
Das FG wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte aus, das Grundstück habe zum 1. Januar 1962 nicht unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gedient. Der Ausdruck "unmittelbar dienen" setze voraus, daß mit dem Dienen bereits begonnen sei. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG komme daher frühestens in Betracht, wenn das Grundstück dem begünstigten Zweck zugeführt sei. Die Absicht, es diesem Zweck zuzuführen, reiche nicht aus. Auch der Beginn der Herrichtung des Grundstücks für den gemeinnützigen Zweck oder der Beginn der Bebauung schaffe noch keinen Befreiungsgrund, wie auch der RFH im Urteil III 258/38 vom 8. Februar 1939 (RStBl 1939, 499) entschieden habe. Da im Grundsteuerrecht das Stichtagsprinzip gelte, sei es auch unbeachtlich, daß das Grundstück vom 29. März 1963 an dem begünstigten Zweck tatsächlich diente. Wegen grundsätzlicher Bedeutung des Rechtsstreits hat das FG die Rb. zugelassen.
Mit der Rb. rügt der Revisionskläger das FG hätte eine Ortsbesichtigung durchführen müssen, um zu erkennen, daß das Grundstück nicht erst zur Benutzung zugunsten gemeinnütziger oder mildtätiger Zwecke hätte vorbereitet oder eingerichtet werden müssen. Ein Verfahrensmangel sei es auch, daß das FG nicht festgestellt habe, ob das Grundstück, solange es im Eigentum der Gemeinde stand, von der Grundsteuer befreit war. Im übrigen habe sich für die Gemeinde die Schaffung eines Altersheimes als notwendig erwiesen. Sie habe sich zur Erfüllung dieser Aufgabe der Revisionsklägerin bedient; die Revisionsklägerin habe also im Auftrag der Gemeinde gehandelt. Ein solcher übergang von Aufgaben sei nach § 4 Nr. 5 GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Entsprechend müßten bei der Grundsteuer die subjektiven Momente beachtet werden. Der Fall müsse so behandelt werden, als habe die Gemeinde das Altersheim selbst erbaut. Auch dürfe die Revisionsklägerin nur für gemeinnützige Zwecke bauen, wie sich aus ihrer Satzung ergebe. Es sei ihr mithin vom Tage des Grundstückskaufs an verwehrt gewesen, ein Gebäude zu erstellen, für das eine Grundsteuerbefreiung nicht in Betracht käme. Es verstoße gegen den Sinn des GrStG, wenn man für die kurze übergangszeit zwischen Kauf des Bauplatzes und Beginn des Baues eine Grundsteuerpflicht annehmen wollte.
Entscheidungsgründe
Die seit dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. kann keinen Erfolg haben.
I. - Die Verfahrensrügen sind nicht begründet. Das FG hat den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen (§ 243 Abs. 1 AO a. F., § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), soweit es der Rechtsstreit gebietet. Die Vorinstanz brauchte im Streitfall keine Ortsbesichtigung durchzuführen. Der Revisionskläger hat in der Berufungsinstanz keinen Antrag auf Ortsbesichtigung gestellt, so daß das FG insoweit keinen Beweisantrag übergangen hat. Andererseits bestand für das FG keine Veranlassung, von Amts wegen das Grundstück zu besichtigen, da der Sachverhalt - Kauf von Ackerland und anschließende Bebauung mit einem Altersheim - klar und unstreitig war. Das FG hatte auch keine Veranlassung, darüber Beweis zu erheben, ob das Grundstück beim Voreigentümer von der Grundsteuer befreit war. Abgesehen davon, daß einer solchen Prüfung möglicherweise § 22 AO entgegengestanden hätte, ist es für den Streitfall ohne Belang, wie das Grundstück beim Voreigentümer grundsteuerlich behandelt wurde, worauf unter II., 3. noch näher eingegangen wird.
II. - Die Befreiung von der Grundsteuer nach § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG hängt von zwei Voraussetzungen ab:
Subjektiv muß der Grundbesitz einer inländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gehören, die nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dient.
Objektiv muß der Grundbesitz von dem Eigentümer unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt werden.
Das FG brauchte nicht näher darauf einzugehen, ob der Revisionskläger die subjektiven Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG erfüllt; denn jedenfalls waren zum 1. Januar 1962 die objektiven Erfordernisse nicht gegeben. Der Grundbesitz des Revisionsklägers ist an diesem Stichtag nicht unmittelbar für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt worden.
§ 6 Abs. 1 GrStG betont für die in § 4 des Gesetzes enthaltenen Steuerbefreiungen - für § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG an sich überflüssig, weil dort selbst schon ausgesprochen - die Befreiung trete nur ein, wenn der Steuergegenstand unmittelbar für die bezeichneten Zwecke benutzt werde. Nach § 24 GrStDV, der zu § 6 GrStG erging, wird ein Steuergegenstand unmittelbar für steuerbegünstigte Zwecke erst von dem Zeitpunkt an benutzt, in dem er dem Benutzungszweck tatsächlich zugeführt worden ist. Ist die Benutzung des Steuergegenstandes für steuerbegünstigte Zwecke in Aussicht genommen, so ist die Voraussetzung für die Steuerbefreiung noch nicht erfüllt.
Die auf den früheren § 12 AO gestützte Bestimmung des § 24 GrStDV ist rechtsgültig entstanden; denn der Reichsminister der Finanzen (RdF) war nach § 12 AO u. a. berechtigt, zur Durchführung und Ergänzung der Steuergesetze Rechtsverordnungen zu erlassen. § 12 AO gestattete ihm dagegen nicht, Gesetze zu ändern oder Steuerbefreiungen einzuschränken. Das ist im Falle des § 24 GrStDV auch nicht geschehen; diese Bestimmung legt nur den im Gesetz verwendeten Begriff "unmittelbar" in einem dem allgemeinen Sprachgebrauch entsprechenden Sinn aus.
Da der mithin rechtsgültig entstandene § 24 GrStDV durch die Verordnung zur Durchführung des Grundsteuergesetzes für den ersten Hauptveranlagungszeitraum vom 1. Juli 1937 (RStBl I 1937, 781, RGBl I S. 733) eingeführt und seitdem - abgesehen von einer geringfügigen redaktionellen änderung - unverändert beibehalten worden ist (vgl. Neufassung der GrStDV vom 29. Januar 1952, BStBl I 1952, 87, BGBl I 1952, 79), hat er seine Rechtsgültigkeit auch für den hier maßgeblichen Stichtag 1. Januar 1962 nicht verloren.
Danach steht dem Revisionskläger zum 1. Januar 1962 die Grundsteuerbefreiung des § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG nicht zu. Die Bauplanung oder der Baubeginn reichten für die Steuerbefreiung noch nicht aus; es handelt sich insoweit noch um ein "Herrichten" eines Grundstücks für steuerbegünstigte Zwecke (vgl. § 24 Satz 2 GrStDV). Gesetz- und Verordnungsgeber wollten offensichtlich einen Grundstückseigentümer erst dann von der Grundsteuer befreien, wenn er das Grundstück den begünstigten Zwecken tatsächlich zugeführt hat. Unstreitig ist, daß das Grundstück zum genannten Stichtag noch nicht für steuerbegünstigte Zwecke benutzt werden konnte, weil das Altersheim seinerzeit noch nicht fertiggestellt war. Demgegenüber ist es ohne Belang, daß der Revisionskläger nach seiner Satzung ein Grundstück nur für gemeinnützige Zwecke herrichten darf, daß er dazu auch gegenüber der Verkäuferin des Grundstücks verpflichtet war, und daß er mit dem Bau noch zuwarten mußte, bis ihm die öffentlichen Mittel gewährt wurden. Die Absicht, ein grundsteuerbegünstigtes Gebäude zu erstellen und die Motive dafür, daß das noch nicht geschehen ist, spielen bei dem "Objektcharakter" der Grundsteuer keine Rolle.
Es ist allerdings zutreffend, daß dann, wenn ein Grundstück grundsteuerbefreit war und die Benutzung vorübergehend mit Rücksicht auf eine Herrichtung oder einen Umbau unterbrochen wird, die Grundsteuerbefreiung nach dem RdF-Erlaß L 1102 - 4/39 III vom 26. September 1939 (RStBl 1939, 1026) bestehenbleiben soll. Offenbar hält der Revisionskläger diesen Fall für gegeben, weil er geprüft haben will, ob das Grundstück schon vor der übereignung an ihn von der Grundsteuer befreit war. Abgesehen davon, daß der Bundesfinanzhof an den RdF-Erlaß nicht gebunden ist, ergibt sich aus seinem Wortlaut - und insbesondere aus den angeführten Beispielsfällen -, daß die Grundsteuerbefreiung nur erhaltenbleiben soll, wenn das steuerbefreite Grundstück von ein und demselben Eigentümer vor und nach dem Umbau zu steuerbegünstigten Zwecken benutzt wird. Findet jedoch - wie hier - ein Eigentümerwechsel statt, müssen beim Neueigentümer von vornherein die subjektiven und objektiven Voraussetzungen einer der Nummern des § 4 GrStG erfüllt sein, wenn Grundsteuerbefreiung eintreten soll.
Soweit der Revisionskläger Grundsteuerbefreiung mit dem Hinweis begehrt, im - nach seiner Meinung - ähnlich gelagerten Fall des übergangs von Aufgaben der Gemeinde auf ihn werde auch keine Grunderwerbsteuer erhoben, kann er damit keinen Erfolg haben. Die Befreiungsvorschriften im GrEStG und im GrStG decken sich nicht. Abgesehen davon, daß Ausnahmeregelungen - und um eine solche handelt es sich bei § 4 GrEStG - nicht erweiternd ausgelegt werden dürfen, dürfen sie insbesondere nicht von einem Gesetz auf ein anderes Gesetz übertragen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 424007 |
BStBl III 1967, 659 |
BFHE 1967, 390 |
BFHE 89, 390 |