Leitsatz (amtlich)
1. Stellen Nacherben, die zugleich von dem Vorerben als seine Erben eingesetzt worden sind, den Antrag gem. § 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1950, so ist für die Bestimmung des Steuersatzes der Erwerb der Nacherben durch Eintritt der Nacherbfolge nicht mit ihrem Erwerb durch Erbfolge nach dem Vorerben zusammenzurechnen (Abweichung vom Urteil des Reichsfinanzhofs vom 8. Juli 1937 III e A 78/36, RStBl 1037, 974).
2. Eine unselbständige Anschlußrevision ist unzulässig, wenn sie sich nicht gegen einen Beteiligten richtet, der Revision eingelegt hat.
Normenkette
ErbStG 1959 § 7 Abs. 2 S. 2, § 13
Tatbestand
Am 20. Dezember 1925 war die Mutter des Privatiers B, Frau A, verstorben. Über die dadurch eingetretene Erbfolge hat das Finanzgericht folgendes festgestellt:
„Ihre Erben wurden zu gleichen Teilen ihre Töchter C, D und ihr Sohn B, den sie jedoch nur als befreiten Vorerben einsetzte. Als Nacherben bestimmte sie seine gesetzlichen Erben. Außdem ordnete sie Testamentsvollstreckung an.”
Weiter hat das Finanzgericht festgestellt:
„Am 29. September 1963 verstarb der Privatier B. Da er keine Nachkommen hatte, wurden seine gesetzlichen Erben und damit Nacherben der Frau A seine Schwester D zu 1/6 und die drei Töchter der vorverstorbenen C, nämlich die Klägerinnen E, F und G zu je ⅛ des Nachlasses der Mutter des Vorerben B.” B selbst hatte zu seinen Erben die während des Revisionsverfahrens verstorbene F, E und G, die späteren Klägerinnen dieses Verfahrens, zu je einem Drittel eingesetzt und seiner langjährigen Betreuerin H ein Vermächtnis in Höhe von 10 000 DM ausgesetzt. F war zugleich seine Testamentsvollstreckerin. Hinsichtlich des Nacherbschaftsvermögens ist der Antrag nach § 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1959 gestellt worden.
Am 20. September 1966 hat das beklagte Finanzamt nach mehreren vorangegangenen vorläufigen Steuerbescheiden einen weiteren vorläufigen Erbschaftsteuerbescheid erlassen, in dem es die Steuer für die Erwerbe aufgrund des Testamentes des B und des Eintritts der Nacherbfolge nach seiner Mutter A, der Großmutter der späteren Klägerinnen dieses Verfahrens, einheitlich festsetzte. Für den Erwerb der Nacherbinnen hat es die Steuer nach ihrem Verwandtschaftsverhältnis zu der Mutter des B festgesetzt (Steuerklasse 1 bzw. II) und die entsprechenden Freibeträge zugebilligt. Die Höhe der Steuersätze hat das Finanzamt auf der Grundlage des Gesamterwerbes einer jeden der späteren Klägerinnen ermittelt und die so ermittelten Steuersätze jeweils auf den Erwerb von B (Steuerklasse III) und auf den Erwerb von dessen Mutter (Steuerklasse II) angewendet. Dadurch haben sich höhere Steuersätze als bei einer getrennten Behandlung der Erbfälle ergeben.
Der Einspruch, mit dem geltend gemacht wurde, daß für die Höhe der Steuersätze nicht die für jeden Erbbeteiligten zusammengerechneten Erwerbe von B und dessen Mutter maßgebend seien, sondern vielmehr die Höhe der einzelnen Erwerbe, und daß das Vermächtnis nach § 18 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG 1959 steuerfrei sei, hat keinen Erfolg gehabt.
Die von den Erbinnen nach B erhobene Klage ist im wesentlichen ohne Erfolg geblieben. Nachdem das Finanzgericht die Vermächtnisnehmerin zum Verfahren beigeladen hatte, hat es den Erwerb der Vermächtnisnehmerin von der Erbschaftsteuer freigestellt, die Klage im übrigen aber abgewiesen.
Mit ihrer Revision haben die Erbinnen des B die Klageanträge weiterverfolgt, soweit das Finanzgericht sie abgewiesen hatte. Das Finanzamt hat nach Ablauf der Revisionsfrist Anschlußrevision eingelegt und Wiederherstellung des angefochtenen Steuerbescheides beantragt.
Während des Revisionsverfahrens hat das Finanzamt den angefochtenen vorläufigen Steuerbescheid aufgehoben und durch vorläufige Teilsteuerbescheide gegen die einzelnen Erbberechtigten ersetzt. Die Klägerinnen haben beantragt, die gegen sie und die Vermächtnisnehmerin ergangenen Teilsteuerbescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Das Finanzamt (Beklagter) ist diesem Antrag entgegengetreten, soweit er den gegen die Vermächtnisnehmerin erlassenen Teilsteuerbescheid betraf, weil diese nicht als Klägerin am Rechtsstreit beteiligt sei. Insoweit sieht der Beklagte den Rechtsstreit als in der Hauptsache erledigt an.
In der Folgezeit sind die gegen die ursprünglichen Klägerinnen erlassenen vorläufigen Teilsteuerbescheide verschiedentlich berichtigt worden, zuletzt durch die endgültigen Teilsteuerbescheide vom 18. Juni 1976, für die ebenfalls ein Antrag nach § 68 FGO gestellt worden ist.
Während des Revisionsverfahrens ist die Klägerin F verstorben und von ihren Mitklägerinnen je zur Hälfte beerbt worden.
Entscheidungsgründe
1. Die unselbständige Anschlußrevision des Beklagten ist unzulässig. Sie richtet sich nicht gegen einen Beteiligten, der selbst Revision eingelegt hat (vgl. RGZ 46, 415). Revision eingelegt haben nur die drei streitgenössisch verbundenen ursprünglichen Klägerinnen wegen der gegen sie jeweils festgesetzten Erbschaftsteuer. Das Finanzamt wollte vielmehr erreichen, daß das Urteil des Finanzgerichts insoweit aufgehoben wird, als es den Erwerb der Beigeladenen von der Erbschaftsteuer freistellte. Dies hätte der Beklagte nur durch eine selbständige Revision erreichen können. Eine unselbständige Altschließung an die Revisionen der Klägerinnen, die nur deren eigene Erbschaftsteuer betrafen, ist nicht zulässig.
Da danach das Urteil des Finanzgerichts mangels rechtzeitig eingelegter Revision insoweit rechtskräftig geworden ist, als es die Beigeladene von der Erschaftsteuer freistellte, und da die Rechtssache insoweit nicht mehr in die Revisionsinstanz gelangt ist, konnte der im Widerspruch zu § 110 Abs. 1 FGO während des Revisionsverfahrens gegen die Beigeladene ergangene Teilsteuerbescheid nicht durch einen Antrag nach § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens werden. Seine Aufhebung kann in diesem Verfahren nicht begehrt werden.
2. Die Revisionen der Klägerinnen sind begründet.
Der Beurteilung des erkennenden Senats unterliegen die gegen diese und gegen die während des Revisionsverfahrens verstorbene Mitklägerin gerichteten endgültigen Teilsteuerbescheide, die antragsgemäß Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden sind. Diese Bescheide sind rechtswidrig, weil das Finanzamt § 7 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 13 ErbStG 1959 dadurch verletzt hat, daß es für die Bestimmung der jeweils maßgebenden Steuersätze den Erwerb der Klägerinnen durch Nacherberfolge und durch Erbfolge nach B zusammengerechnet hat. Diese Berechnung entsprach zwar der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil vom 8. Juli 1937 III e A 78/36, RStBl 1937, 974). Der erkennende Senat vermag sich dieser Rechtsprechung jedoch nicht anzuschließen.
Im Falle der Einsetzung von Vor- und Nacherben unterliegen sowohl der Erwerb des Vorerben als auch der Erwerb des Nacherben der Erbschaftsteuer (§ 7 Abs. 1 Abs. 2, § 14 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. h ErbStG 1959). Die Nacherben haben das bei Eintritt der Nacherbfolge auf sie übergehende Vermögen als vom Vorerben stammend zu versteuern (§ 7 Abs. 2 Satz 1 ErbStG 1959), obwohl auch die Nacherben Erben des Erblassers und nicht der Vorerben sind.
Auf Antrag ist der Versteuerung jedoch das Verhältnis des Nacherben zum Erblasser zugrunde zu legen (§ 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1959). Für eine einschränkende Auslegung dieser Vorschrift dahin, daß die Steuer für den Erwerb des Nacherbschaftsvermögens nach der dem verwandtschaftlichen Verhältnis des Nacherben zum Erblasser entsprechenden Steuerklasse zu berechnen sei, daß dieses Verwandtschaftsverhältnis auch bei Anwendung der Vorschriften maßgebend sei, in denen die Steuerklasse für die Steuerberechnung eine Rolle spiele, daß aber der Nacherbe im übrigen trotz des Antrages nach § 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1959 weiter so behandelt werde, als ob er das Nacherbschaftsvermögen vom Vorerben geerbt hätte (vgl. hierzu das Urteil des Reichsfinanzhofs vom 9. März 1939 III e 4/39, RFHE 46, 247, im Anschluß an die Urteile vom 21. September 1928 V e A 437/28, RFHE 24, 113, vom 30. November 1928 V e A 599/28, RFHE 24, 246, und vom 8. Juli 1937 III e A 78/36, RStBl 1937, 974), können dem Wortlaut und dem Wortsinn der Vorschrift keine ausreichenden Anhaltspunkte entnommen werden. Mag der Grund für die Einführung dieser Vorschrift die Überlegung gewesen sein, daß dem Nacherben keine Nachteile dadurch erwachsen sollen, daß er mit dem Vorerben nicht so nahe verwandt ist wie mit dem Erblasser, so spricht doch nichts dafür, den nicht eng gefaßten Wortlaut in einer dem Gesetzeszweck widersprechenden Weise auszulegen. Eine solche dem Gesetzeszweck widersprechende Auslegung aber lag dem Urteil des Reichsfinanzhofs vom 8. Juli 1937 III e A 78/36 (RStBl 1937, 974) zugrunde.
Durch § 13 ErbSG 1959 soll verhindert werden, daß die Erbschaftsteuer durch Zerlegung einer beabsichtigten Zuwendung in mehrere Einzelzuwendungen vermieden oder ermäßigt wird (vgl. hierzu Gutachten des Reichsfinanzhofs vom 7. Januar 1921 I D 3/20, RFH 4, 243, 251, zu § 38 ErbStG 1919, einer Vorgängervorschrift des späteren § 13 ErbStG 1959). Durch die auf 10 Jahre begrenzte Zusammenrechnungsvorschrift wird erreicht, daß ein Freibetrag nicht gewährt wird und der Progressionstarif sich voll auswirkt. Diesem Zweck entspricht es, Zuwendungen nur dann zusammenzurechnen, wenn sie von dem Willen einer und derselben Person getragen werden. Dieser Zweck wird im Falle der Einsetzung von Vor- und Nacherben nur dann erreicht, wenn der Erwerb durch Eintritt der Nacherbfolge mit anderen Zuwendungen des Erblassers, nicht aber mit Zuwendungen des Vorerben zusammengerechnet wird. Denn der Nacherbe ist durch den Willen des Erblassers und nicht durch den Willen des Vorerben berufen worden.
Diese mit dem durch § 13 ErbStG 1959 verfolgten Gesetzeszweck im Einklang stehende Auslegung des § 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1959 wird durch seinen Wortlaut voll gedeckt. Wird der Erwerb des Nacherben durch Eintritt der Nacherbfolge mit anderen Zuwendungen des Erblassers zusammengerechnet, so ist damit im Einklang mit dem Wortsinn des § 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1959 der Besteuerung des Nacherben sein Verhältnis zum Erblasser zugrunde gelegt worden. Wird der Antrag gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 ErbStG 1959 gestellt, so sind danach nur vom Erblasser herrührende Zuwendungen zusammenzurechnen (so auch Zimmermann, Erläuterungsbuch zum Erbschaftsteuergesetz nach dem Stande vom 1. 7. 1924, § 7 Anm. 6, dieser auch für den Fall des Satzes 1; Kipp, Kommentar zum Erbschaftsteuergesetz, § 7 Anm. 6; Finger, Erbschaftsteuergesetz, 4. Aufl. 1932, § 7 Anm. 4 Abs. 5).
Daß § 6 Abs. 2 Sätze 3 f. ErbStG 1974 diese Fragen in einem anderen Sinne entschieden hat, ist für die Auslegung des Erbschaftsteuergesetzes 1959 ohne Bedeutung. Das Erbschaftsteuergesetz 1974 gilt nur für Erwerbe nach dem 31. Dezember 1973.
Die Revisionen der Klägerinnen sind danach begründet. Das angefochtene Urteil des Finanzgerichts ist insoweit aufzuheben, als das Finanzgericht die Klagen der Klägerinnen abgewiesen hat. Die Sache wird wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen über den Umfang der Nachlässe zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückverwiesen, damit dieses prüfen kann, ob alle übrigen Einwendungen, die die Klägerinnen geltend gemacht haben, in den endgültigen Teilsteuerbescheiden ihre Erledigung gefunden haben.
Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das Finanzgericht folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Die Übertragung betrifft auch die Kosten der als unzulässig verworfenen unselbständigen Anschlußrevision des Finanzamtes (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 14. Juni 1972 I B 16/72, BFHE 106, 19, BStBl II 1972, 707).
Fundstellen