Leitsatz (amtlich)
Lassen die Mitglieder einer Vereinbarung über eine Marktstatistik diese durch eine Kapitalgesellschaft erstellen, an der die Mehrzahl der Mitglieder der Vereinbarung als Gesellschafter beteiligt ist, so sind die laufenden Leistungen der Gesellschafter an die Gesellschaft zur Finanzierung der Statistik weder Pflichtbeiträge i. S. des § 2 Nr. 2 noch freiwillige Leistungen i. S. des § 2 Nr. 4 KVStG 1959, wenn diese Leistungen nach den gemeldeten Umsätzen der Gesellschafter bemessen wurden und insgesamt das angemessene Maß nicht übersteigen.
Normenkette
KVStG 1959 § 2 Nrn. 2, 4
Tatbestand
Im Jahre 1957 hatten die maßgeblichen deutschen Hersteller bestimmter Erzeugnisse eine Vereinbarung über Marktstatistik und Preisinformation für diese Erzeugnisse (Vereinbarung von 1957) geschlossen. Zweck der Vereinbarung waren die Erstellung einer Marktstatistik und die Bekämpfung der Ausspielung im Wettbewerb. Die Unterzeichner bestellten A als "neutrale Dokumentenstelle", der die Unterzeichner des Abkommens von 1957 die wesentlichen Bedingungen der von ihnen abgeschlossenen Geschäfte über Vertragswaren zu melden hatten. Die Dokumentenstelle hatte in bestimmten Zeitabständen die verkauften Mengen der einzelnen Vertragswaren und die erzielten Preise und Rabatte zu ermitteln. Den Unterzeichnern waren bei berechtigtem Interesse Auskünfte über konkrete Geschäftsvorgänge aus den Unterlagen der Dokumentenstelle zu erteilen.
Ab 1962 wurden die Aufgaben der Dokumentenstelle von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) übernommen, an der sich die Mehrzahl der Unterzeichner der Vereinbarung von 1957 als Gesellschafter beteiligt hatten.
Die der Klägerin entstandenen Unkosten wurden durch Umlagen gedeckt, die die Unterzeichner der Vereinbarung von 1957 aufzubringen hatten. Die Umlagen wurden so berechnet, daß die Unkosten der Klägerin gedeckt wurden, aber keine Gewinne entstanden. Die Aufteilung der Umlagen auf die einzelnen Unterzeichner der Vereinbarung 1957 erfolgte nach den jeweils erfaßten Werkumsätzen der Unterzeichner. Gesellschafter und Nichtgesellschafter wurden gleichbehandelt. Während der einzelnen Geschäftsjahre waren Vorauszahlungen zu entrichten, die nach Abschluß des Geschäftsjahres und Aufstellung der Bilanz abgerechnet wurden. 1964 legte die Gesellschafterversammlung die Grundsätze über die Berechnung der Umlagen (Beiträge und Unkostenvergütungen) ausdrücklich fest.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in den von den Gesellschaftern der Klägerin geleisteten Beiträgen zur Deckung der Unkosten der Klägerin Leistungen i. S. des § 2 Nr. 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes 1959 (KVStG 1959) und setzte wegen der einzelnen, 1962 bis 1966 erbrachten Leistungen durch einen zusammengefaßten Steuerbescheid vom 1. Februar 1968 Gesellschaftsteuer nach dem ermäßigten Steuersatz von 1 v. H. fest.
Der Einspruch der Klägerin führte zur Verböserung nach vorheriger Ankündigung. In der Einspruchsentscheidung erhöhte das FA die Gesellschaftsteuer unter Anwendung des Regelsteuersatzes.
Mit ihrer Klage begehrte die Klägerin die Aufhebung des Steuerbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung. Sie machte vor allem geltend, daß die Beiträge der Gesellschafter nicht der Gesellschaftsteuer unterlägen, da es sich um einen der Umsatzsteuer unterliegenden Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und ihren Gesellschaftern (sowie den übrigen Unterzeichnern des Vertrages von 1957) gehandelt habe.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Es lägen Leistungen vor, die im Gesellschaftsverhältnis begründet gewesen seien. Sie gingen auf Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zurück. Ein Leistungsaustausch, der die Festsetzung der Gesellschaftsteuer hätte hindern können, liege nicht vor, weil durch die Tätigkeit der Klägerin die Marktposition der Gesamtheit der Gesellschafter gefördert worden sei und nicht nur Leistungen zugunsten der einzelnen Gesellschafter erbracht worden seien.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin, mit der sie ihren Klagantrag weiterverfolgt, ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und des angefochtenen Steuerbescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung.
Die Klägerin hat weder den Tatbestand der Nummer 2 noch den der Nummer 4 des § 2 KVStG 1959 verwirklicht.
1. Bei den Zahlungen der Gesellschafter der Klägerin an diese handelt es sich i. S. des § 2 Nr. 2 KVStG 1959 nicht um Leistungen, die aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt worden sind. Vielmehr ergeben sich die Zahlungen aus Umständen, die außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses liegen.
a) Welche Verpflichtungen durch das Gesellschaftsverhältnis begründet werden, ergibt sich vornehmlich aus dem Gesellschaftsvertrag oder der Satzung. Darüber hinaus hat der Senat im Gesellschaftsverhältnis begründete Verpflichtungen auch bei der Übernahme von Verlusten aufgrund eines Ergebnisübernahmevertrages angenommen (Urteil vom 8. November 1967 II 176/61, BFHE 91, 172, BStBl II 1968, 213). Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß auch andere Abmachungen außerhalb des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung, die die Gesellschafter zu Leistungen an die Kapitalgesellschaft verpflichtete, als Verpflichtungen im Gesellschaftsverhältnis zu beurteilen sind. Dies gilt nicht einmal für alle Verpflichtungen, die durch den Gesellschaftsvertrag oder die Satzung selbst begründet werden. So können z. B. zu den Nebenleistungs- und Sonderpflichten i. S. des § 3 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) auch Leistungen gehören, die außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses liegen (z. B. Verpflichtungen der Gesellschafter zur Lieferung von Waren an die GmbH gegen Entgelt oder zur Lieferung von Waren durch die GmbH an die Gesellschafter gegen Entgelt). Derartige außerhalb des Gesellschaftsverhältnisses liegende Geschäfte führen trotz ihrer Festlegung im Gesellschaftsvertrag nicht zu Verpflichtungen der Gesellschafter innerhalb des Gesellschaftsverhältnisses (anders noch das Urteil des Senats vom 11. Februar 1976 II R 76-78/67, BFHE 122, 545, 548, BStBl II 1977, 772).
Leistungen aufgrund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung liegen danach vor allem vor, wenn durch die Leistungen der Kapitalgesellschaft neues Kapital zugeführt wird, ihr Kapital somit verstärkt wird. Werden dagegen Leistungen der Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter leistungsgerecht vergütet, liegen keine im Gesellschaftsverhältnis begründeten Leistungen der Gesellschafter vor. Hieran ändert sich auch dann nichts, wenn es im Einzelfall schwierig, unter Umständen sogar unmöglich ist, die Leistungen der Kapitalgesellschaft an die einzelnen Gesellschafter zu individualisieren. Auch in einem solchen Fall wird die Kapitalgesellschaft mit ihr nicht identischen Dritten gegenüber tätig. Es genügt, daß die Tätigkeit den wirtschaftlichen Belangen der Gesellschafter dient und für den einzelnen Gesellschafter, wenn auch nur mittelbar, von Vorteil sein kann, auch wenn bei einzelnen Leistungen ein solcher Vorteil im Einzelfall nicht erkennbar ist. Ein Indiz für eine Tätigkeitsvergütung an die Kapitalgesellschaft durch ihre Gesellschafter ist darin zu sehen, daß die Leistungen der Gesellschafter an die Kapitalgesellschaft nicht nach der Beteiligung an dieser, sondern nach leistungsbezogenen Kriterien bestimmt werden, wie z. B. nach der Höhe der Umsätze, die der einzelne Gesellschafter der Kapitalgesellschaft für Dokumentationszwecke meldet.
b) Der mit der Erhebung der Gesellschaftsteuer verfolgte Zweck, die Zusammenfassung von Kapital innerhalb einer Kapitalgesellschaft zu erfassen, darf auch dann nicht außer acht gelassen werden, wenn es sich um Rechtsbeziehungen innerhalb eines Kartells handelt. Der Senat hat bereits in seinem Urteil in BFHE 122, 545, BStBl II 1977, 772 ausgesprochen, daß auch bei Syndikaten die Heranziehung zur Gesellschaftsteuer nicht losgelöst vom gesetzlichen Tatbestand erfolgen darf. Für Kartelle gilt nichts anderes. Der Senat vermag deshalb nicht der Auffassung des FG zu folgen, daß bei Kartellen immer dann eine der Gesellschaftsteuer unterliegende Leistung anzunehmen sei, wenn die Beiträge, die die Gesellschafter leisten, für eine den Belangen der Gesamtheit der Gesellschafter dienende Tätigkeit der Kapitalgesellschaft erbracht werden. Es ist vielmehr von dem Grundsatz auszugehen, daß auch die Tätigkeit, die eine Kapitalgesellschaft gegenüber ihren Gesellschaftern ausübt, zu vergüten ist (vgl. hierzu z. B. § 354 Abs. 1 HGB, § 612 Abs. 1, § 632 Abs. 1 BGB, ferner §§ 311, 317 des Aktiengesetzes - AktG -).
c) Die hiervon abweichende Auffassung des Reichsfinanzhofs - RFH - (vgl. u. a. die Urteile vom 29. Oktober 1934 II A 320/34, Mrozek-Kartei, Kapitalverkehrsteuergesetz 1934, § 2 Nr. 2, Rechtsspruch 1; vom 17. Mai 1935 II A 153/34, RFHE 37, 352; vom 17. Mai 1935 II A 304/33, RFHE 38, 23; vom 2. April 1937 II A 89/36, RFHE 41, 162, und vom 18. Dezember 1941 II 69/40, RFHE 51, 158) führt im Endergebnis zu einer Sonderumsatzsteuer auf die laufende Tätigkeit der Kartelle und Syndikate, die im Kapitalverkehrsteuergesetz keine Grundlage hat (so schon Veiel, Kapitalverkehrsteuergesetz 1934 S. 103f.). Der erkennende Senat vermag sich dieser Rechtsprechung nicht anzuschließen.
d) Im vorliegenden Fall haben die Gesellschafter der Klägerin an diese Leistungen für eine Tätigkeit erbracht, die die Klägerin im Dienste der Mitglieder der Vereinbarung von 1957 entfaltete, und zwar in gleicher Weise für Gesellschafter wie für Nichtgesellschafter. Es steht außer Frage, daß die Dokumentation für die Klägerin nicht Selbstzweck war. Sie diente den wirtschaftlichen Belangen aller Mitglieder der Vereinbarung von 1957. Diese Tätigkeit wurde von den Mitgliedern der Vereinbarung nach einem Schlüssel vergütet, der von den Umsätzen der Mitglieder in Vertragswaren ausging und so den Umfang der Tätigkeit in Ausmaß und Gewichtung angemessen berücksichtigte, die das einzelne Mitgliedsunternehmen verursachte. Bei dieser Sachlage wurde die laufende Tätigkeit der Klägerin sowohl von ihren Gesellschaftern als auch von den Nichtgesellschaftern, die der Vereinbarung von 1957 angehörten, vergütet, und zwar letztlich nicht in anderer Weise, als wenn die Dokumentation durch einen unabhängigen Dritten vorgenommen worden wäre, wie dies in den ersten Jahren des Bestehens der Vereinbarung von 1957 der Fall war. Da die Klägerin keinen Gewinn erzielen sollte, könnte allenfalls die Frage aufgeworfen werden, ob die Leistungen der Gesellschafter zu niedrig waren, und deshalb eine verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin anzunehmen war (vgl. hierzu das Urteil des I. Senats vom 3. Juli 1968 I 83/65, BFHE 93, 514, BStBl II 1969, 14).
2. Aus den vorstehenden Ausführungen zu § 2 Nr. 2 KVStG 1959 ergibt sich, daß auch keine Leistungen i. S. des § 2 Nr. 4 KVStG 1959 vorliegen. Auch bei Leistungen aufgrund freiwillig eingegangener, nicht im Gesellschaftsverhältnis begründeter Verpflichtungen tritt Steuerpflicht gemäß § 2 Nr. 4 KVStG 1959 nur dann ein, wenn die Leistungen außerhalb einer angemessenen Vergütung der Tätigkeit der Kapitalgesellschaft dem Gesellschafter gegenüber liegen (vgl. den Wortlaut des § 2 Nr. 4 Buchst. c und d KVStG 1959). Darüber hinaus müssen die Leistungen geeignet sein, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn die Gesellschafter sich darauf beschränken, die Tätigkeit der Kapitalgesellschaft ihnen gegenüber angemessen zu vergüten. Dafür, daß die Vergütung der Tätigkeit der Klägerin unangemessen hoch gewesen sein könnte, fehlen Anhaltspunkte. Die Leistungen der Gesellschafter und der Nichtgesellschafter reichten nicht einmal aus, um Gewinne zu erzielen.
3. Ohne Bedeutung ist im vorliegenden Fall, ob die Leistungen der Gesellschafter der Klägerin umsatzsteuerrechtliches Entgelt darstellten. Es gibt keinen Rechtssatz, daß die Verneinung der Umsatzsteuerpflicht zwingend zur Bejahung der Gesellschaftsteuerpflicht führt.
Fundstellen
Haufe-Index 73658 |
BStBl II 1980, 752 |
BFHE 1981, 403 |