Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Die Vermittlung von Zeitcharterverträgen fällt unter die nach § 28 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB 1951 begünstigten Leistungen der Schiffsmakler.

 

Normenkette

UStG § 4/2; UStDB § 28 Abs. 1 Ziff. 4; UStG § 8/1/3; UStG § 8/1/8

 

Tatbestand

Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur noch streitig, ob die Beschwerdeführerin (Bfin.) für die in den Veranlagungszeiträumen 1950 bis 1952 vereinnahmten Entgelte für die Vermittlung von Charterverträgen Steuerfreiheit nach § 28 Abs. 1 Ziff. 4 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 (§ 27 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB 1938) beanspruchen kann. Die Vorinstanzen haben dies verneint.

Unstreitig handelt es sich bei den von der Bfin. vermittelten Verträgen um sogenannte Zeitcharterverträge über Rundreisen nach Spanien / Portugal, die etwa vier bis fünf Wochen je Reise dauerten, und um Charterabschlüsse von drei Monaten über jeweils ein Schiff im ganzen. Die Vorinstanzen sind der Auffassung, daß derartige Verträge dem Charterer eine umfassende wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Schiff einräumten und deshalb wie Schiffsverkäufe beurteilt werden müßten. Dem aus der überschrift zu § 28 UStDB 1951 (§ 27 UStDB 1938) "Umschlagverkehr in Seehäfenplätzen" ersichtlichen Zweck des Gesetzes sei nicht entsprochen; der Vertrag diene nicht unmittelbar dem Umschlagverkehr für ein bestimmtes Schiff; es werde vielmehr ein Vertrag vermittelt, durch den die tatsächliche Verfügung über ein Schiff für einen bestimmten Zweck festgelegt werde.

 

Entscheidungsgründe

Die gegen die Versagung der Steuerfreiheit gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Zeitcharterverträge gehören, wie auch die zuständige Oberfinanzdirektion in übereinstimmung mit der Auffassung der beteiligten Wirtschaftskreise festgestellt hat, zu dem üblichen Aufgabenkreis der Schiffsmakler. Die hier streitigen Vermittlungsleistungen sind in einem Seehafenplatz bewirkt worden. Sie betreffen zur See ankommende oder abgehende oder auf einer Seereise befindliche Schiffe für deren Ladung, Besatzung oder Reisende. Die Tätigkeit der Bfin. entspricht somit dem Wortlaut des § 28 Abs. 1 Ziff. 4 a. a. O. Es kann auch nicht gesagt werden, daß sie dem Zweck der Befreiungsvorschrift zuwiderliefe, die in erster Linie der Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Seehafenplätze dient (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 262/54 U vom 8. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 306, Bundessteuerblatt - BStBl - 1955 III S. 117). Es ist wohl zutreffend, daß bei Vermittlung von Schiffsverkäufen diesem Zweck nicht gedient ist. Um Zweifel in dieser Hinsicht auszuschließen, ist, wie die Bfin. zutreffend ausführt, § 19 UStDB 1934 bei der Neufassung (§ 27 UStDB 1938) entsprechend formuliert worden (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 20. Januar 1939 S 4114 - 1 III unter Ziff. 3, Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 191/192. Charterverträge können aber nicht in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung den Kaufverträgen gleichgestellt werden. Es ist nicht einzusehen, warum ein Chartervertrag nicht auch dem Umschlagverkehr von Waren für ein bestimmtes Schiff dient. Ohne Zweifel gilt dies für Raumfrachtverträge im Sinne des § 556 Ziff. 1 HGB, auch wenn sie sich auf das Schiff im ganzen beziehen, die Frachtverträge und damit Werkverträge im Sinne der §§ 631 ff. BGB darstellen (vgl. Wüstendörfer, Neuzeitliches Seehandelsrecht, 2. Aufl. Tübingen 1950 S. 229). Der Vertragscharakter des Zeitchartervertrags ist umstritten (vgl. Wüstendorfer a. a. O. S. 116, 118). Diese Frage hat jedoch entscheidende Bedeutung nur für die Haftung und die Passivlegitimation für Ansprüche Dritter, z. B. bei Schiffshavarien. Andererseits steht aber auch für Zeitcharterverträge fest, daß es sich, wenn nicht gleichfalls um Werkverträge, so doch um gemischte Verträge handelt, die auch Elemente des Frachtvertrages enthalten und dem Charterer jedenfalls nicht die uneingeschränkte Verfügungsmacht über das Schiff verschaffen. Fest steht vor allem auch, daß sie dem Vercharterer (Reeder) eines bestimmten Schiffes u. a. die günstige Ausnutzung des Laderaums ermöglichen und damit unmittelbar dem Umschlagverkehr dienen. Ob dies auch für die im amerikanischen Recht "Bare boat-Charter" (vgl. Wüstendörfer a. a. O. S. 117) genannten Vertragsart zutrifft, bei der ein unausgerüstetes Schiff vermietet wird und der Charterer selbst für Ausrüstung und Bemannung zu sorgen hat, kann im Streitfalle offen bleiben. Für die hier in Betracht kommende Zeitcharter, deren Abgrenzung zum Raumfrachtvertrage im Einzelfall ohnehin oft schwierig sein kann, trägt der Senat jedenfalls keine Bedenken, sie noch als mit dem Zweck der Befreiungsvorschrift vereinbar anzusehen. Solchenfalls aber verbietet sich eine vom Wortlaut abweichende Auslegung (vgl. das oben angeführte Urteil des erkennenden Senats vom 8. Februar 1955 und die dort zur Frage der Auslegungsfähigkeit weiterhin angeführte Rechtsprechung). Der Inhalt der Charterverträge zwingt auch nicht dazu, sie als Verträge "über" ein Schiff, nicht "für" ein Schiff, anzusehen. Wollte man hierauf entscheidend abstellen, so könnten auch Raumfrachtverträge als "über" ein ganzes Schiff abgeschlossen gelten, wenn sie sich auf das Schiff im ganzen beziehen (vgl. § 556 Ziff. 1 HGB). Entscheidend kann aber bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nur sein, daß auch die Vermittlung eines Zeitchartervertrages genauso wie der Raumfrachtvertrag "über" ein ganzes Schiff dem Umschlagverkehr durch restlose Ausnutzung des Laderaums oder der Schiffskabinen dient und daß sich die seehandelsrechtlichen Unterschiede beider Vertragstypen nur auf bürgerlich-rechtliche Streitfragen auswirken, die für die umsatzsteuerliche Beurteilung des Streitfalles ohne Bedeutung sind.

Hiernach war die Vorentscheidung wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Bfin. ist von der Umsatzsteuer für die streitigen Entgelte freizustellen.

Für 1950 betrugen die streitigen Entgelte 5.506,68 DM. 3 % hiervon sind von der auf 1.702,16 DM festgesetzten Steuer abzusetzen. Die Umsatzsteuer 1950 beträgt somit 1.536,95 DM.

Für I/1951 betrugen die streitigen Entgelte 6.020,47 DM, für II/1951: 565,21 DM. 3 % bzw. 4 % hiervon waren von der festgesetzten Steuer von 3.025,63 DM abzusetzen. Die Umsatzsteuer 1951 beträgt somit 2.822,45 DM.

Für 1952 betrugen die streitigen Entgelte 1.590,80 DM. 4 % von 1.590,80 DM waren von der auf 6.123,09 DM festgesetzten Steuer abzusetzen. Die Steuer für 1952 beträgt somit 6.059,45 DM.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408551

BStBl III 1956, 311

BFHE 1957, 299

BFHE 63, 299

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