Steuerpflichtige Vermittlungsleistungen
Diese Vermittlungsleistung ist nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen ist gem. § 4 Nr. 5 Buchst. a UStG u.a. die Vermittlung der unter die Nr. 2 fallenden Umsätze steuerfrei. Gemäß § 4 Nr. 2 UStG sind insbesondere die Umsätze für die Seeschifffahrt (§ 8) steuerfrei. In § 8 Abs. 1 UStG ist im Einzelnen geregelt, was unter den Umsätzen für die Seeschifffahrt gemäß § 4 Nr. 2 UStG zu verstehen ist.
Sachverhalt: An Schiffsmakler gezahlte Vermittlungsprovisionen
Die Klägerin, eine GmbH, betrieb eine Seehafen-Spedition. Sie erbrachte Leistungen im Zusammenhang mit der Klarierung (Schiffsabfertigung und -versorgung) von Seeschiffen. Hierfür beauftragten die Reedereien oder die Schifffahrtsgesellschaften einlaufender Seeschiffe (Schifffahrtsgesellschaften) einen – auch als Schiffsmakler bezeichneten – Klarierungsagenten. Im Namen und für Rechnung der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft beauftragte der jeweilige Klarierungsagent seinerseits die Klägerin, schiffs- und besatzungsbezogene Dienstleistungen zu erbringen, die der Klarierung des jeweiligen Seeschiffes dienten. Hierbei informierte er die Klägerin per E-Mail über die bereits von der Schifffahrtsgesellschaft beauftragten Leistungen. Teils beauftragten die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft oder Schiffsbesatzung während der Liegezeit weitere Leistungen. Bei jedem Schiffseinlauf erbrachte die Klägerin bis zu 70 unterschiedliche Leistungen.
Die Klägerin rechnete, getrennt nach steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen, gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft ab, wobei sie die Rechnungen an den Klarierungsagenten sandte. Die Rechnungen wurden Bestandteil der Hafenkostenabrechnung, mit welcher der Klarierungsagent gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft sämtliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Klarierung abrechnete.
Der Klarierungsagent erhielt von der Klägerin eine Vermittlungsprovision, die sich nach einem prozentualen Anteil an dem Entgelt berechnete, das die Klägerin für die von ihr gegenüber der Schifffahrtsgesellschaft erbrachten Leistungen in Rechnung stellte. Über diese Provision erteilte die Klägerin dem Klarierungsagenten, wiederum getrennt nach den erbrachten steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen, Gutschriften und wies dabei Umsatzsteuer aus, auch soweit die Provision auf die Erbringung steuerfreier Umsätze berechnet wurde.
Das Finanzamt (FA) versagte den Vorsteuerabzug aus den Vermittlungsleistungen zu etwa 25 %, da die Klägerin die Vermittlungsleistungen insoweit zur Erbringung von Leistungen verwendet habe, die gem. § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 UStG steuerfrei gewesen seien, und erließ für die Streitjahre geänderte Umsatzsteuerbescheide.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Ein Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe nicht, da die Vermittlungsleistungen gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei seien, soweit sie sich auf vermittelte steuerfreie Leistungen gemäß § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 UStG bezögen. Auch wenn der jeweilige Klarierungsagent nur jeweils einen Auftrag vermittelt habe, liege keine einheitliche Leistung vor.
Im Revisionsverfahren trägt die Klägerin vor, dass der Anspruch auf Vorsteuerabzug auch für den Provisionsanteil, der auf die Erbringung steuerfreier Leistungen entfalle, bestehe. Die Klarierungsagenten hätten eine einheitliche Vermittlungsleistung erbracht, die sich auf die Vermittlung steuerpflichtiger und steuerfreier Umsätze bezogen habe und daher insgesamt steuerpflichtig sei.
Entscheidung: BFH hebt das Urteil des FG auf
Die vom FG vorgenommene Vorsteuerkürzung erweist sich als unzutreffend. Der jeweilige Klarierungsagent erbrachte bezogen auf das jeweilige Seeschiff nur eine Vermittlungsleistung, nicht aber mehrere Vermittlungsleistungen. Diese einheitliche Vermittlungsleistung ist steuerpflichtig.
Einheitliche Leistung
Bei einem Umsatz, der ein Bündel von Einzelleistungen und Handlungen umfasst, ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen, ob zwei oder mehrere getrennte Umsätze vorliegen oder ein einheitlicher Umsatz. Dabei sind unter Berücksichtigung der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die charakteristischen Merkmale des Umsatzes zu ermitteln. Insoweit darf einerseits eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden. Andererseits sind mehrere formal getrennt erbrachte Einzelumsätze als einheitlicher Umsatz anzusehen, wenn sie nicht selbständig sind.
Dabei liegt zum einen eine einheitliche Leistung vor, wenn eine oder mehrere Einzelleistungen eine Hauptleistung bilden und die andere Einzelleistung oder anderen Einzelleistungen eine oder mehrere Nebenleistungen bilden, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist insbesondere dann Neben- und nicht Hauptleistung, wenn sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Zum anderen kann sich eine einheitliche Leistung daraus ergeben, dass zwei oder mehrere Handlungen oder Einzelleistungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden, dessen Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre.
Ein einziger Vermittlungsakt durch Klarierungsagenten
Die Einheitlichkeit der Vermittlungsleistung ergibt sich im Streitfall aus dem von allen Beteiligten verfolgten Zweck, die Klarierung innerhalb der geplanten Liegezeit eines Seeschiffes durchzuführen und in dieser Zeit Schiff und Besatzung für die Weiterfahrt mit allen hierfür erforderlichen Leistungen zu versorgen. Da ein Seeschiff einen Seehafen erst wieder verlassen kann, nachdem alle Pflichten im Zusammenhang mit dem Ein- und Auslaufen erfüllt, notwendige Reparaturen abgeschlossen sind und sich die Besatzung verproviantiert hat, kam es dem jeweiligen Klarierungsagenten, der hierfür gegenüber der jeweiligen Schifffahrtsgesellschaft verantwortlich war, gerade darauf an, durch einen einzigen Vermittlungsakt dafür zu sorgen, dass alle erforderlichen Leistungen, für deren Erbringung ein bestimmter Hafendienstleister in Betracht kommt, erledigt wurden.
Welche Leistungen infolge der Vermittlung im Einzelnen zu erbringen waren, war im Zeitpunkt der Vermittlung nicht nur überwiegend unklar, sondern vor dem Hintergrund des Zwecks der Vermittlungsleistung – die Gewährleistung einer reibungslosen Klarierung des Seeschiffes – für den Klarierungsagenten zudem von nachrangiger Bedeutung. Die im Zeitpunkt der Vermittlung fehlende Konkretisierung der vermittelten Leistungen war geradezu typisch für diese Dienstleistung.
Quotale Preisgestaltung
Hiergegen spricht nicht, dass die dem jeweiligen Klarierungsagenten zustehende Provision nicht pauschal berechnet wurde, sondern vom Wert der infolge der Vermittlung erbrachten Leistungen abhängig war. Eine solche quotale Preisgestaltung ist nicht nur typisch für Provisionen, sondern im Streitfall dem Umstand geschuldet, dass aufgrund der Unwägbarkeiten, mit denen die Klarierung eines Seeschiffes behaftet ist, im Zeitpunkt der Vermittlung noch nicht absehbar war, welche Leistungen die jeweilige Schifffahrtsgesellschaft tatsächlich in Auftrag geben würde. Die Provisionsabrede war somit keine gesonderte Entgeltvereinbarung für verschiedene Leistungselemente, sondern eine Absprache über den variablen Preis einer (einzigen) Vermittlungsleistung.
Eine steuerpflichtige Vermittlungsleistung
Es liegt daher eine – jeweils auf die Abfertigung eines Schiffes bezogene – steuerpflichtige Vermittlungsleistung des Klarierungsagenten vor.
Im Streitfall informierte der jeweilige Klarierungsagent die Klägerin, dass die Schifffahrtsgesellschaft sie mit der Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Klarierung eines von ihm der Klägerin benannten einlaufenden Seeschiffes beauftragen werde. Die Klägerin erbrachte sodann bis zu 70 einzelne steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen, deren Bedarf teilweise bereits feststand, als sie über den Schiffseinlauf informiert wurde, und die teilweise nachträglich – auch durch die Schiffsbesatzung – in Auftrag gegeben wurden. Dass der Klarierungsagent die Klägerin bei Gelegenheit der Vermittlung über einzelne, von der Schifffahrtsgesellschaft bereits angeforderte Leistungen informierte, steht der Einheitlichkeit des einen Vermittlungsvorgangs nicht entgegen. Er stellte den Kontakt zu einem bestimmten Kunden her, sodass nur eine Vermittlungsleistung vorlag.
Vermittlungsleistung steuerpflichtig
Diese Vermittlungsleistung ist nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a i.V.m. § 4 Nr. 2 und § 8 Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn es infolge der Vermittlung des geschäftlichen Kontakts zu einer Vielzahl verschiedener, zum Zeitpunkt der Vermittlung nach Art und Umfang noch nicht abschließend bestimmter Umsätze kommt, die sowohl steuerpflichtig als auch steuerfrei sein können.
Keine eigenständigen Vermittlungsleistungen
Aus dem Umstand, dass zeitlich nach einer Vermittlungstätigkeit auch steuerfreie Umsätze ausgeführt wurden, kann nicht geschlossen werden, dass insoweit eigenständige Vermittlungsleistungen vorliegen, die gesondert auf die Vermittlung dieser steuerfreien Leistungen gerichtet sind. Dies lässt unberücksichtigt, dass es die Vermittlungsleistung gerade ausmacht, nicht mit der vermittelten Leistung identisch zu sein, da die Vermittlung eine eigenständige Leistung ist, die sich hinsichtlich der Vertragsparteien und der wesentlichen Vertragsinhalte von der vermittelten Leistung unterscheidet, was sich im Streitfall daraus ergibt, dass es vorrangig um die Vermittlung eines geschäftlichen Kontakts zur Erbringung nicht abschließend bestimmter Leistungen ging.
Keine Aufteilung der Vermittlungsleistung
Die jeweils einheitliche Vermittlungsleistung ist auch nicht anteilig steuerfrei. Ebenso wie eine einheitliche Leistung z.B. einem einzigen Steuersatz unterliegen muss, kommt eine Aufteilung der Vermittlungsleistung in einen steuerpflichtigen und einen steuerfreien Teil grundsätzlich nicht in Betracht. Für die Annahme einer ausnahmsweise gegebenenfalls möglichen Aufteilung ergeben sich insbesondere aus dem Einleitungssatz von § 4 UStG, dem Wortlaut von § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG oder dem Normzusammenhang dieser Vorschrift keine Anhaltspunkte. Es war im Zeitpunkt der Erbringung der Vermittlungsleistungen weitgehend unklar, in welchem Umfang die Klägerin aufgrund der Vermittlung steuerfreie und steuerpflichtige Leistungen erbringen würde. Hierfür spricht im Streitfall auch, dass die von der Klägerin erbrachten Leistungen zu etwa 75 % und damit zu einem weit überwiegenden Anteil steuerpflichtig waren.
Klägerin steht Vorsteuerabzug zu
Der Klägerin steht der betragsmäßig zwischen den Beteiligten unstreitige Vorsteuerabzug aus den Gutschriften für Provisionen auf die Vermittlung steuerfreier Umsätze zu, da der Klarierungsagent für jeden Schiffseinlauf jeweils eine einzige – gemäß § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Inland steuerbare – Vermittlungsleistung erbrachte. Da diese Vermittlungsleistung nicht konkret auf die Vermittlung einzelner steuerfreier Leistungen gerichtet war, ist sie nicht gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG steuerfrei und unterliegt damit dem Regelsteuersatz (§ 12 Abs. 1 UStG). Damit weisen die Gutschriften im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG gesetzlich geschuldete Steuerbeträge aus.
Steuerfreie Ausgangsleistungen berechtigen gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG zum Vorsteuerabzug
Soweit die Klägerin die Vermittlungsleistung nicht nur zur Ausführung steuerpflichtiger, sondern auch für steuerfreie Ausgangsleistungen gegenüber den Schifffahrtsgesellschaften verwendete, kommt es nicht zu einem Ausschluss vom Vorsteuerabzug gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG, da insoweit nach § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 Abs. 1 UStG steuerfreie Ausgangsleistungen vorliegen, die gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG zum Vorsteuerabzug berechtigen. Sollte die Klägerin einzelne sonstige Leistungen nach Maßgabe von § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG im Ausland erbracht haben, ergibt sich dasselbe im Hinblick auf den dann anzuwendenden § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG aus § 15 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a UStG.
BFH, Urteil v. 18.1.2024, V R 4/22; veröffentlicht am 20.6.2024
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