Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Strafverteidigungskosten eines Steuerpflichtigen, der ein Export-Importagenturgeschäft betreibt, sind Betriebsausgaben, wenn er von der Anklage einer Devisengenehmigungserschleichung freigesprochen wird.
Rückstellung von Strafverteidigungskosten können vor Beendigung des Strafprozesses auch dann nicht gebildet werden, wenn die Strafverteidigungskosten unter der Voraussetzung zu 1. Betriebsausgaben wären. Das gleiche gilt für den Abzug der vor Beendigung des Strafprozesses bereits bezahlten Kosten als Betriebsausgaben.
Wird ein Steuerpflichtiger wegen eines Deliktes verurteilt, wegen eines damit in Tateinheit stehenden anderen Deliktes jedoch nicht, so sind die Kosten für die Verteidigung wegen des zweiten Deliktes Betriebsausgaben. Sie sind der Höhe nach gegebenenfalls nach § 217 AO zu schätzen.
Normenkette
EStG § 4/4, § 6/1/3
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung einer Rückstellung in Höhe von 12 000 DM in der Bilanz des Bf. zum 31. Dezember 1956. Mit der Bildung der Rückstellung hat es folgende Bewandtnis: Der Bf. betreibt ein Import- und Exportagenturgeschäft. Er ist durch Urteil des Amtsgerichts wegen fortgesetzter gewinnsüchtiger Urkundenfälschung zu Gefängnis und 10 000 DM Geldstrafe (i. U. zu weiteren 100 Tagen Gefängnis) verurteilt worden. In der Berufung gegen diese Entscheidung, die sowohl von dem Bf. als auch von der Staatsanwaltschaft eingelegt wurde, geht es weiter um die Frage, ob der Bf. in Tateinheit mit Urkundenfälschung auch gegen die Strafbestimmungen des Art. 6 Abs. 2 a des Gesetzes der Alliierten Hohen Kommission Nr. 33 in Verbindung mit Art. 3 Ziff. 5 des Gesetzes der Alliierten Hohen Kommission Nr. 14 (wissentliche Lieferung falscher oder irreführender Urkunden bzw. Auskünfte usw.) verstoßen hat.
Wegen der in diesem Strafverfahren zu erwartenden Anwaltshonorare für seine Strafverteidigung hatte der Bf. in seiner Bilanz auf den 31. Dezember 1956 eine Rückstellung in Höhe von zunächst 4 000 DM eingesetzt. Auf Grund einer am 15. März 1958 erfolgten Zahlung von 5 000 DM und im Hinblick auf die inzwischen eingelegte Berufung erhöhte er die Rückstellung in einer berichtigten Bilanz um 8 000 DM auf 12 000 DM. Um die Anerkennung dieser Rückstellung geht es im Streitfall. Der Bf. will die Strafverteidigungskosten wenigstens insoweit, als sie auf die nicht die Urkundenfälschung betreffende ihm zur Last gelegte Straftat entfallen, als Betriebsausgaben anerkannt wissen. Er macht hierzu geltend, das Kernproblem seines Strafverfahrens liege auf der betrieblichen Ebene und betreffe besonders die überprüfung des Importverfahrens. Hier herrsche eine Unsicherheit für den Betrieb. Da es auf dem Gebiet der überprüfung des Importverfahrens keinerlei Rechtsprechung gebe, habe der Anwalt, auch um die teilweise noch aus der Zeit der Militärregierung stammenden Rechtsgrundlagen zu finden, erhebliche Mühe aufwenden müssen. Unter normalen Umständen wären für die rein strafrechtliche Seite des Prozesses niemals derartig hohe Kosten erforderlich gewesen. Da die Anwaltskosten lediglich durch den Betrieb verursacht und keinesfalls Ausgaben im Sinne eines Strafprozesses seien, sei nicht einzusehen, daß sie nicht als Betriebsausgaben gewertet werden könnten. Zumindest sei ein Teil von ihnen als Betriebsausgaben anzusehen. Nach einer von seinem Rechtsanwalt abgegebenen Erklärung entfalle auf die Strafverfolgung wegen der Urkundenfälschung von den Kosten ein Betrag von 572 DM, der Rest des Honorars, auf das 10 000 DM geleistet seien, sei ausschließlich durch den weiteren Fragenkomplex bedingt, der die Weitergeltung der besatzungsrechtlichen Devisenvorschriften betreffe. Aus diesen Gründen müßte die Rückstellung in voller Höhe als betriebsbedingt anerkannt werden.
Entscheidungsgründe
Die Vorinstanzen haben das Begehren des Bf. abgelehnt.
Auch die Rb. des Steuerpflichtigen ist unbegründet. Dem Finanzgericht kann allerdings nicht beigepflichtet werden, wenn es grundsätzlich davon ausgeht, daß Strafprozeßkosten eines freigesprochenen Angeklagten nicht als Betriebsausgaben angesetzt werden könnten, weil bei einer Verurteilung des Angeklagten die Zahlung einer Geldstrafe ebenfalls nicht Betriebsausgabe sei. Der Senat hat in seiner Entscheidung IV 63/59 S vom 13. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 18, Slg. Bd. 72 S. 45) ausdrücklich ausgeführt, daß er an der bisherigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs in diesem Punkte nicht festhalte. Er hat Strafverteidigungskosten eines freigesprochenen Angeklagten als Betriebsausgaben unter der Voraussetzung anerkannt, daß die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat bei Anwendung eines strengen Maßstabes nur aus seiner betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit erklärbar sei. Die Kosten für eine erfolgreiche Strafverteidigung könnten nicht der Strafe im Falle der Verurteilung gleichgestellt werden.
Im Streitfall kommt es daher darauf an, ob der Vorwurf gegen den Bf., er habe sich gegen die devisenrechtlichen Genehmigungsbestimmungen des Importhandels vergangen, allein aus seiner betrieblichen Tätigkeit erklärbar ist. Soweit die Urkundenfälschung des Bf. in Frage kommt, kann nach Auffassung des Senats kein Zweifel bestehen, daß auch ein bloßer Vorwurf, eine Urkundenfälschung begangen zu haben, sich im Streitfall auf eine nicht ausschließlich oder weitaus überwiegend durch den Betrieb bedingte Straftat bezieht. Ob in anders gelagerten Fällen, in denen der Verkehr mit Urkunden den eigentlichen Inhalt der Berufstätigkeit eines Steuerpflichtigen ausmacht, eine hiervon abweichende Entscheidung im Sinn der Anerkennung von Betriebsausgaben getroffen werden kann, kann hier dahingestellt bleiben. Soweit daher der Bf. auch Aufwendungen zur Verteidigung gegen den Vorwurf der Urkundenfälschung gemacht hat, sind diese Aufwendungen auch dann nicht als Betriebsausgaben abziehbar, wenn der Bf. wegen dieses Delikts freigesprochen werden sollte.
Die dem Bf. weiter zur Last gelegte Tat besteht darin, daß er devisenrechtliche Genehmigungen über die Einfuhr von Traubensaft, die bestimmten Traubensaftverwertern erteilt worden sind, dazu benutzt hat, um für andere Abnehmer, die eine solche devisenrechtliche Genehmigung nicht aufzuweisen hatten, den Traubensaft einzuführen und an sie zu verkaufen. Dabei war das Ziel dieses Verfahrens, den eingeführten Traubensaft nicht der Einfuhrgenehmigung entsprechend als solchen zu verwenden, sondern durch die Abnehmer, die keine Einfuhrgenehmigung hatten, zu Weißwein vergären zu lassen. Es handelt sich hierbei um den Tatbestand einer sogenannten Genehmigungserschleichung und damit um ein gegen die Rechtssicherheit des Genehmigungsverfahrens gerichtetes Delikt ( Hocke, Devisenrecht, S. 135).
Der Senat ist der Auffassung, daß der Vorwurf, ein solches Delikt begangen zu haben, im Streitfall gleichwohl ausschließlich die betriebliche Sphäre des Steuerpflichtigen betrifft. Mag es sich auch um eine Straftat handeln, die auch außerhalb einer betrieblichen oder sonstigen beruflichen Tätigkeit begangen werden kann, so kann bei einem Steuerpflichtigen, dem der Vorwurf allein im Hinblick auf seine geschäftliche Tätigkeit gemacht wird und gemacht werden kann, weil der Verkehr mit Einfuhrgenehmigungen eine typische geschäftliche Modalität eines Import- Exportagenturgeschäftes ist, die ausschließlich berufliche Veranlassung der zur Abwehr dieses Vorwurfs aufgewendeten Kosten nicht in Abrede gestellt werden. Die Strafverteidigungskosten, die der Steuerpflichtige bei einem Freispruch von dem Vorwurf der Genehmigungserschleichung gleichwohl selbst zu tragen hat, sind daher ihrem Wesen nach Betriebsausgaben.
Die Rb. kann gleichwohl keinen Erfolg haben. Im Zeitpunkt des Bilanzstichtags bzw. des Tages der Bilanzaufstellung war der Strafprozeß noch nicht beendet. Bei der steuerlichen Beurteilung der Frage aber, ob Strafverteidigungskosten, die durch den Prozeß bereits entstanden sind, oder noch entstehen werden, bereits vor Beendigung des Strafprozesses als Betriebsausgaben abgezogen oder durch Bildung einer Rückstellung berücksichtigt werden können, muß von der Tatsache ausgegangen werden, daß der Betriebsausgabencharakter dieser Aufwendungen noch nicht feststeht. Die Steuerbehörden können vor allen Dingen nicht abwägen, wie der Prozeß vermutlich ausgehen wird. Das aber führt dazu, daß die Bildung einer Rückstellung für Strafverteidigungskosten wegen Fehlens einer mit einiger Wahrscheinlichkeit drohenden Betriebslast unzulässig ist. Auch vor Beendigung des Prozesses bereits geleistete Zahlungen müssen zunächst erfolgsneutral behandelt werden, da sich ihre Eigenschaft als Betriebsausgaben erst auf Grund des Ausgangs des Strafprozesses herausstellt. Auch die Höhe der von einem freigesprochenen Angeklagten zu tragenden Kosten steht erst nach Beendigung des Strafprozesses fest. Die von Bf. begehrte Rückstellungsbildung wegen der Strafverteidigungskosten kann daher nicht anerkannt werden.
Verbleibt es im Streitfall bei der Verurteilung des Steuerpflichtigen wegen Urkundenfälschung, erfolgt jedoch keine Verurteilung wegen der Genehmigungserschleichung, so muß eine Trennung der Strafverteidigungskosten im Schätzungsweg nach § 217 AO vorgenommen werden.
In seinem Schriftsatz vom 18. Juni 1960 hat der Bf. in der Rb. noch eine Bilanzberichtigung bei den Rückstellungen für Zollnachforderungen per 31. Dezember 1956 begehrt. Eine solche Bilanzberichtigung ist jedoch in dem Verfahren der Rb. nicht mehr zulässig, da es sich in Wirklichkeit um eine Bilanzänderung handelt. Der vom Bf. vorgetragene Sachverhalt, den er zum Anlaß seines Begehrens einer Bilanzberichtigung nimmt, läßt nicht erkennen, daß die damalige Rückstellungsbildung auf Grund der Erkenntnisse im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung unrichtig war, d. h. gegen die Grundsätze einer ordnungsmäßigen Bilanzierung verstoßen hätte.
Dem vorsorglich gestellten Antrag des Bf. auf Aussetzung der Entscheidung, bis ein rechtskräftiges Strafurteil in dieser Sache ergangen sei, kann nicht entsprochen werden, da es für die begehrte Rückstellungsbildung auf die Verhältnisse am Bilanzstichtag bzw. am Tag der Bilanzaufstellung ankommt. Der spätere Ausgang des Strafprozesses hat hierauf keinen Einfluß.
Die Rb. war nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410580 |
BStBl III 1963, 5 |
BFHE 1963, 8 |
BFHE 76, 8 |
BB 1962, 1415 |
DB 1962, 1672 |
DStR 1962/63, 177 |