Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Prozeßvollmacht
Leitsatz (NV)
Blankovollmachten stellen grundsätzlich, auch wenn sie für einen ungewöhnlich langen Zeitraum ausgestellt wurden, eine ausreichende Legitimation i.S. des §62 FGO dar.
Normenkette
FGO § 62
Tatbestand
I. Im Namen der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte der Prozeßbevollmächtigte formularmäßig Klage gegen die Einkommensteuerbescheide für 1990 und 1991 erhoben und sich hierbei -- ebenso wie in zahlreichen anderen beim Finanzgericht (FG) anhängig gewordenen Fällen -- durch eine undatierte, von den Klägern unterschriebene Vollmacht ausgewiesen, die sich in ihrem vorgedruckten Text u.a. darauf erstreckt, die Kläger in Steuerangelegenheiten zu vertreten sowie gerichtliche Rechtsbehelfe einzulegen und zurückzunehmen. Ergänzt ist die formularmäßige Umschreibung des Mandats durch einen Stempelaufdruck "für Einkommensteuer, Lohnsteuer-Jahresausgleich, Solidaritätszuschlag" sowie durch die handschriftliche, offensichtlich nicht von den Klägern stammende Eintragung "1986 bis 1996".
Nachdem der Prozeßbevollmächtigte schon zusammen mit der Eingangsbestätigung vergeblich um "Vorlage einer Prozeßvollmacht" gebeten worden war, "aus der sich ergibt, daß Sie mit der Durchführung dieses konkreten Verfahrens beauftragt wurden", erließ der Berichterstatter am 20. Februar 1997 eine Verfügung, in der er darauf hinwies, daß Blankovollmachten der im Streitfall eingereichten Art nach Ansicht des Senats den Anforderungen einer wirksamen Bevollmächtigung nicht genügten. Zugleich setzte er unter Berufung auf §62 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Heilung dieses Mangels eine Ausschlußfrist bis zum 20. März 1997 und belehrte über die Folgen der Fristversäumung.
Auch diese Aufforderung -- von der den Klägern eine Abschrift zur Kenntnis übersandt worden war -- blieb unbeantwortet.
Daraufhin wies das FG die Klage mit der Begründung ab, es sei keine wirksame Prozeßvollmacht vorgelegt worden. Die vom Prozeßbevollmächtigten eingereichte Vollmacht genüge den Wirksamkeitserfordernissen nicht. Es beständen nach wie vor "erhebliche Zweifel" an der konkreten Prozeßführungsbefugnis des Prozeßbevollmächtigten -- wegen der Textfassung, der offensichtlich nicht von den Klägern stammenden zeitlichen Erstreckung auf elf Jahre, aus der Erfahrung in einer Reihe von anderen Verfahren und schließlich auch "aus dem Verfahren selbst": Die Rechtsposition der Kläger könne sich wegen der Vorläufigkeit der angefochtenen Bescheide durch den Prozeß kaum verbessern.
Mit der (vom FG zugelassenen) Revision rügen die Kläger Verletzung von Bundesrecht (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 19 Abs. 4 und 103 Abs. 1 des Grundgesetzes sowie der §§62 Abs. 3 und 76 Abs. 2 FGO).
Die Kläger beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Das Urteil verletzt formelles Bundesrecht (§118 Abs. 1 Satz 1 FGO) und war daher aufzuheben; die Sache war -- wegen fehlender Spruchreife -- zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Zu Unrecht hat das FG die Klage mangels wirksamer Bevollmächtigung ohne Sachentscheidung abgewiesen.
1. Die zusammen mit der Klage vorgelegte Prozeßvollmacht genügte den Anforderungen, die gemäß §62 Abs. 3 Satz 1 FGO an den Nachweis der Bevollmächtigung zu stellen sind (s. dazu näher Urteil des Bundesfinanzhofs [BFH] vom 27. Februar 1998 VI R 88/97, BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445), so daß die Voraussetzungen für das Setzen einer Ausschlußfrist (§62 Abs. 3 Satz 2 und Satz 3 FGO) nicht gegeben waren und es auf die Wahrung dieser Frist nicht ankam.
2. Die Einwände des FG gegen die im Klageverfahren eingereichte Vollmacht greifen nicht durch:
a) Die Vollmacht genügt der Schriftform und läßt mit hinreichender Bestimmtheit und in konkretem Bezug zur Streitsache erkennen, wer wen wozu bevollmächtigt (BFH-Urteil in BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445, m.w.N.).
b) Berechtigte Zweifel an der Legitimation des Prozeßbevollmächtigten, in diesem Verfahren für die Kläger aufzutreten, lassen sich weder aus der langen Geltungsdauer (von hier elf Jahren) herleiten noch aus der Ergänzung des Vollmacht-Textes durch den Stempelaufdruck bzw. durch den handschriftlichen Eintrag oder daraus, daß beide Hinzufügungen wahrscheinlich nachträglich und nicht von den Klägern auf der Vollmachtsurkunde angebracht wurden (BFH in BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445).
c) Schließlich ergeben sich für dieses Verfahren keine ausreichenden konkreten Anhaltspunkte dafür, daß der rechtswirksam erbrachte Nachweis der Bevollmächtigung (ausnahmsweise) wegen Rechtsmißbrauchs unbeachtlich sein könnte (s. auch dazu näher BFH in BFHE 185, 126, BStBl II 1998, 445, unter 2. b) dd) und ee) nebst den dortigen Nachw.), weil die Kläger Gelegenheit hatten, sich selbst in das Klageverfahren einzuschalten, und von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht haben.
3. Im zweiten Rechtsgang wird das FG die -- aus seiner Sicht zu Recht -- bisher unterlassene Prüfung der Klage im übrigen nachzuholen haben.
Fundstellen
Haufe-Index 153974 |
BFH/NV 1999, 620 |