Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaßantrag bei bestandskräftigem Haftungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Voraussetzung für die Feststellung, daß die Verwaltungsbehörde ermessensfehlerhaft die Möglichkeit der Rücknahme oder des Widerrufs eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes nach den §§ 130, 131 AO 1977 nicht berücksichtigt hat, ist, daß der Antragsteller die Gründe, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Festsetzung ergeben soll, schlüssig darlegt oder diese offensichtlich sind. Die Verwaltungsbehörde ist nicht verpflichtet, bestandskräftige Haftungsbescheide von sich aus auf Fehlerhaftigkeit zu untersuchen.
2. Kein Ermessensfehler bei Ablehnung eines Erlaßantrages, wenn die Behörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgeht, weil sie auf einen unzutreffenden Sachvortrag des Antragstellers vertraut hat.
Normenkette
AO 1977 §§ 130-131, 227; FGO § 102
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) als Geschäftsführer einer in Konkurs geratenen GmbH für Lohn- und Umsatzsteuerschulden der Gesellschaft in Haftung genommen. Der Haftungsbescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben . . . beantragte der Kläger den Erlaß der noch nicht getilgten Umsatzsteuerhaftungsschuld, die er mit . . . DM bezifferte, zuzüglich Säumnis- und Verspätungszuschlägen. Zur Begründung seines Antrags führte der Kläger aus, daß er den größten Teil seiner Haftungsschulden getilgt habe und die Restschuld aufgrund seines derzeit niedrigen Einkommens niemals würde tilgen können. Da der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung seine Vermögensverhältnisse nicht dargelegt hatte, lehnte das FA den Erlaßantrag hinsichtlich der Umsatzsteuer ab. Über den Antrag auf Erlaß der Säumniszuschläge ist noch nicht entschieden worden.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) kam im Beschwerdeverfahren zu dem Ergebnis, bei zutreffender Verrechnung der Tilgungsleistungen des Klägers auf seine Haftungsschuld bestehe nur noch eine Restschuld von . . . DM. Sie wies die Beschwerde gegen die Ablehnung des Erlaßantrags mit der Begründung zurück, der Kläger habe sachliche Billigkeitsgründe nicht vorgetragen und einer rechtlichen Überprüfung des Haftungsbescheids stehe auch entgegen, daß er den Bescheid habe unanfechtbar werden lassen. Die allein vorgetragenen persönlichen Billigkeitsgründe würden keinen Erlaß rechtfertigen, da der Kläger nach seinen Angaben Forderungen anderer Gläubiger in Höhe von . . . DM ausgesetzt sei und unter diesen Umständen der Erlaß der Haftungsschuld durch die Finanzverwaltung in Höhe von etwa . . . DM lediglich den übrigen Gläubigern zugute käme, die sich - bisher - an der Sanierung nicht beteiligt hätten.
Die Klage vor dem Finanzgericht (FG) hatte teilweise Erfolg.
Das FG lehnte zwar die beantragte Verurteilung des FA zur Erteilung des begehrten Erlasses ab, hob den Ablehnungsbescheid des FA sowie die Beschwerdeentscheidung der OFD jedoch wegen Ermessensfehler auf.
Es hat ausgeführt: Nach Art. 97 § 9 Sätze 1 und 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO 1977) sei im Streitfall die Vorschrift des § 130 der Abgabenordnung (AO 1977) - wonach rechtswidrige Verwaltungsakte auch nach ihrer Unanfechtbarkeit zurückgenommen werden können - anwendbar, obwohl der bestandskräftige Haftungsbescheid bereits vor dem 1. Januar 1977 erlassen worden sei. Da die im Ermessen der Verwaltung liegende Entscheidung über die Rücknahme eines Verwaltungsakts (§ 130 AO 1977) der Entscheidung über das Erlaßbegehren ,,logisch vorangehe", liege eine fehlerhafte Ermessensentscheidung (Ermessensunterschreitung) vor, wenn ein Erlaßantrag abgelehnt werde, nachdem zuvor ein Antrag auf Rücknahme oder Widerruf des Verwaltungsakts zu Unrecht, d. h. ermessensfehlerhafterweise, abgelehnt oder übersehen worden sei.
Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 130 AO 1977 lägen vor, weil das FA bei Erlaß des Haftungsbescheids den Grundsatz der anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Juli 1985 I R 205/80, BFHE 144, 329, BStBl II 1985, 702, und vom 12. Juni 1986 VII R 192/83, BFHE 146, 511, BStBl II 1986, 657) nicht berücksichtigt habe, so daß die Haftungssumme möglicherweise zu hoch bemessen sei. Außerdem enthalte der Haftungsbescheid keine nachprüfbaren Ermessenserwägungen. Die Voraussetzungen einer (Teil-)Rücknahme des Haftungsbescheids seien zudem von Amts wegen zu untersuchen. Dem Kläger könne auch nicht entgegengehalten werden, daß er es verabsäumt habe, den Haftungsbescheid anzufechten; denn - wie nunmehr bekannt geworden sei - habe er den Haftungsbescheid deshalb nicht angefochten, weil er geglaubt habe, die Steuerschulden mit Mitteln der GmbH tilgen zu können. Diese Erwartung sei durch den Brand des Betriebsgebäudes zunichte gemacht worden. Schließlich sei die OFD von einem falschen Sachverhalt ausgegangen, da sie entsprechend dem früheren Vorbringen des Klägers unterstellt habe, daß der Erlaß nur anderen Gläubigern zugute komme. Nach Berichtigung des Sachvortrags durch den Kläger, es handele sich bei der Grundschuld von . . . DM nicht um eine Fremd-, sondern um eine Eigentümergrundschuld, die Einziehung einer Forderung von . . . DM durch die Gläubigerbank sei kaum mehr zu erwarten, müsse das FA erneut prüfen, ob der Erlaß aus persönlichen Billigkeitsgründen gerechtfertigt sei. Selbst für den Fall der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides sei die Entscheidung ermessensfehlerhaft, weil das FA den nach § 131 AO 1977 möglichen Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsakts nicht geprüft habe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht das FA geltend: Das Urteil beruhe auf der Verletzung materiellen Rechts (§§ 130, 227 AO 1977). Das FG sei fehlerhaft von einer Verpflichtung des FA ausgegangen, im Erlaßverfahren im Rahmen der Prüfung der sachlichen Billigkeit einen unter § 130 AO 1977 fallenden Verwaltungsakt auch nach Eintritt der Bestandskraft regelmäßig auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Diese Rechtsauffassung widerspreche dem Einführungserlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) zur AO 1977 (BStBl I 1976, 576 und 599). Die Vorschrift des § 131 AO 1977 gelte nur für Verwaltungsakte mit Dauerwirkung, zu denen ein Haftungsbescheid nicht zu zählen sei.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Er beruft sich im wesentlichen auf die Vorentscheidung. Ferner macht er geltend, die Ablehnung des Erlasses aus persönlichen (wirtschaftlichen) Billigkeitsgründen sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die OFD von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei. Zwar komme es für die Beurteilung einer Ermessensentscheidung nach der Rechtsprechung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung an. Die Sachlage habe sich aber seit der Beschwerdeentscheidung der OFD nicht geändert. Auf seiten des FA hätten sich lediglich neue Erkenntnisse über die Sachlage im maßgeblichen Zeitpunkt ergeben. Diese Erkenntnisse seien daher schon im vorliegenden Verfahren zu berücksichtigen (Hinweis auf BFH-Urteil vom 31. März 1976 I R 51/74, BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499).
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 227 AO 1977 können Steuern erstattet oder erlassen werden, wenn ihre Einziehung nach Lage des Einzelfalles unbillig wäre. Die Unbilligkeit kann dabei in der Sache selbst oder in der Person des Steuerpflichtigen begründet liegen. Da die Entscheidung über die Gewährung oder Versagung von Billigkeitsmaßnahmen eine Ermessensentscheidung ist (Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603), können Gegenstand der richterlichen Kontrolle nur diejenigen für die Verwaltungsentscheidung maßgebenden tatsächlichen Verhältnisse sein, die der Finanzbehörde im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (ständige Rechtsprechung, Urteil in BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499).
2. Nach diesen Grundsätzen läßt die Verwaltungsentscheidung über die Ablehnung des beantragten Erlasses durch FA und OFD wegen sachlicher Unbilligkeit keinen Ermessensfehler erkennen.
a) Es kann dahinstehen, ob eine ermessensfehlerhafte Ablehnung eines Erlaßantrags vorliegen kann, wenn die Verwaltung bei ihrer Ermessensentscheidung die Möglichkeit einer Rücknahme oder eines Widerrufs eines bestandskräftigen Verwaltungsakts nach den §§ 130, 131 AO 1977 nicht berücksichtigt hat (vgl. zu § 94 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung - AO - Urteile des BFH vom 26. Juli 1977 VII R 99/74, BFHE 122, 440, BStBl II 1977, 855; vom 4. Juli 1972 VII R 103/69, BFHE 106, 268, BStBl II 1972, 806; vom 18. Januar 1977 VII R 94/73, BFHE 121, 246). Denn Voraussetzung für die Feststellung, daß die Verwaltungsbehörde bei einem Erlaßantrag eine Rücknahmemöglichkeit nach § 130 AO 1977 ermessensfehlerhaft übergangen hat, ist jedenfalls, daß für die Verwaltungsbehörde Veranlassung für eine Prüfung des Bescheides auf eine etwaige Fehlerhaftigkeit hin bestand. Eine derartige Veranlassung liegt aber nur vor, wenn der Antragsteller die Gründe, aus denen sich die Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Festsetzung ergeben soll, schlüssig dargelegt hat oder diese offensichtlich sind (BFH-Urteil vom 9. März 1989 VI R 101/84, BFHE 157, 1, 5, BStBl II 1989, 749). Diese Voraussetzung ist aber im Streitfall nicht erfüllt.
aa) Der Erlaßantrag war lediglich damit begründet worden, daß der Kläger die Haftungsschulden überwiegend getilgt hat und mit der Tilgung der Restsumme in Anbetracht seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht mehr gerechnet werden könne. Die schlüssige Darlegung der Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids fehlte aber, so daß die Finanzverwaltung keine Veranlassung hatte, diesen auf seine Richtigkeit hin zu überprüfen.
bb) Die Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheides, die sich nach der heutigen Rechtsauffassung möglicherweise aus der Rechtsprechung des BFH zur anteiligen Tilgung der Umsatzsteuer (Urteile vom 26. April 1984 V R 128/79, BFHE 141, 443, BStBl II 1984, 776; vom 26. Juli 1988 VII R 83/87, BFHE 153, 512, BStBl II 1988, 859) ergeben könnte, war auch nicht offensichtlich, denn im maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens des Haftungsbescheids sowie im Zeitpunkt der Ermessensausübung der OFD war diese Rechtsprechung noch nicht bekannt. Der Umstand allein, daß eine bestandskräftige Steuerfestsetzung im Widerspruch zu einer später entwickelten Rechtsprechung steht, rechtfertigt noch nicht den Erlaß der Steuer- und Haftungsschuld (Urteile des BFH vom 22. September 1976 I R 68/74, BFHE 120, 200, BStBl II 1977, 15; vom 17. September 1986 II R 556/83, BFH/NV 1988, 217). Das FG hat außerdem die Herabsetzung der Umsatzsteuerhaftungsschuld aus den genannten Rechtsgründen lediglich als möglich angesehen.
b) Das FG hat die Möglichkeit eines Ermessensfehlers ebenfalls zu Unrecht auch in der Nichtanwendung des § 131 AO 1977 gesehen. Hierbei kann offenbleiben, ob diese Vorschrift lediglich auf Dauerverwaltungsakte Anwendung findet (so Kühn / Kutter / Hofmann, Abgabenordnung / Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 131 AO 1977 Tz. 1; zum Begriff vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 118 AO 1977 Tz. 21) oder auch auf andere Verwaltungsakte, solange diese noch nicht - wie im Streitfall - ganz oder teilweise vollzogen sind (so Woerner / Grube, Die Aufhebung und Änderung von Steuerverwaltungsakten, 8. Aufl., S. 35). Für einen Widerruf des (rechtmäßigen) Haftungsbescheids nach § 131 AO 1977 bestand jedenfalls im Zeitpunkt der Ermessensentscheidung der Verwaltung - ebenso wie für die Anwendung des § 130 AO 1977 - nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers im Erlaßverfahren kein Anlaß.
c) Allerdings läge - wie das FG zutreffend ausgeführt hat - ein Ermessensfehler dann vor, wenn die Finanzbehörde eine Überprüfung des Bescheides in sachlicher Hinsicht von vornherein unter Hinweis auf die Bestandskraft des Haftungsbescheids abgelehnt hätte, denn ein Ermessensfehler kann auch darin liegen, daß die Behörde in Verkennung der Reichweite ihrer Ermessensbefugnis angenommen hat, ihr stünde keine Ermessensbefugnis zu (Urteil des BFH vom 17. September 1987 IV R 31/87, BFHE 151, 64, 66, BStBl II 1988, 20). Entgegen der Ansicht des FG trifft dies aber nicht zu, denn ansonsten wäre der Hinweis der OFD in der Beschwerdeentscheidung, der Kläger habe keine Gründe dafür vorgetragen, daß der Bescheid geltendem Recht widerspreche oder den Wertungen des Gesetzes zuwiderlaufe, überflüssig gewesen, ebenso wie der Hinweis auf die Urteile des BFH vom 3. März 1970 II 135/64 (BFHE 99, 8, BStBl II 1970, 503) und vom 30. April 1981 VI R 169/78 (BFHE 133, 255, BStBl II 1981, 611), in denen trotz Bestandskraft der Steuerfestsetzungen ein Billigkeitserlaß nicht ausgeschlossen wird. Ein Erlaß aus sachlichen Billigkeitsgründen kam demnach nicht in Betracht.
3. Die Ablehnung des allein aus persönlichen Gründen begehrten Erlasses ist nach den der Verwaltungsbehörde im maßgeblichen Zeitpunkt bekannten und erkennbaren Umständen ebenfalls ermessensfehlerfrei.
a) Wenn die OFD nach dem Vortrag des Klägers davon ausgegangen ist, daß der Kläger nicht nur den Forderungen des FA, sondern in erheblichem Umfang auch Forderungen anderer Gläubiger ausgesetzt war und den Erlaß mit der Erwägung abgelehnt hat, daß dieser unter den gegebenen Umständen lediglich den übrigen Gläubigern zugute gekommen wäre, so ist dies nicht zu beanstanden und entspricht der Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteil vom 11. Mai 1965 I 390/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 483; Beschluß vom 24. Oktober 1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 285).
b) Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des BFH in BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499, wonach eine Rechtsverletzung auch in einer unzureichenden Feststellung der für die Prüfung der Erlaßfrage bedeutsamen Tatsachen liegen kann, geht fehl. Zwar setzt eine fehlerfreie Ermessensausübung voraus, daß die Finanzbehörden ihre Ermessensentscheidung aufgrund einer einwandfreien und erschöpfenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts getroffen und alle für die Ermessensausübung wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art spätestens im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung berücksichtigt haben (Gräber / von Groll, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 102 Rz. 15 m. w. N.), denn hier gilt das Amtsermittlungsprinzip (Urteil des BFH vom 17. Oktober 1961 I 181/60 S, BFHE 74, 151, BStBl III 1962, 57). Deshalb hat auch das FG bei seiner Überprüfung der Ermessensentscheidung der Verwaltung den Sachverhalt ebenfalls für den Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung selbst festzustellen und zu würdigen (BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499). Im Streitfall sind die Finanzbehörden nach den Feststellungen des FG auch für diesen maßgeblichen Zeitpunkt hinsichtlich der persönlichen Billigkeitsgründe von einem falschen Sachverhalt ausgegangen (Bestehen noch anderer erheblicher Verbindlichkeiten), so daß hierin nach den obigen Ausführungen eine Rechtsverletzung - fehlerhafte Feststellung der für den Erlaß bedeutsamen Tatsachen - gesehen werden könnte, die die Ermessensentscheidung fehlerhaft macht. Jedoch wird der Untersuchungsgrundsatz begrenzt durch die dem Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO 1977 auferlegten Mitwirkungspflichten. Die Finanzbehörde genügt ihrer Ermittlungspflicht regelmäßig dadurch, daß sie den Steuerpflichtigen auffordert, die für die Entscheidung des Antrags sachdienlichen Unterlagen vorzulegen. Kommt der Steuerpflichtige dieser Aufforderung nicht nach, so handelt die Behörde nicht rechtswidrig, wenn sie den Erlaßantrag ablehnt (BFHE 118, 537, BStBl II 1976, 499; Beschluß vom 4. Februar 1987 II B 116/86, BFH/NV 1988, 328).
Der Kläger hat vorliegend gegenüber dem FA die angeforderten Unterlagen über seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt und gegenüber der OFD unzutreffende Angaben über seinen Schuldenstand gemacht. Bei dieser Sachlage war die OFD nicht zu weiteren Ermittlungen verpflichtet; sie konnte sich vielmehr auf die Angaben des Steuerpflichtigen verlassen. Der Kläger kann der Verwaltung nicht vorhalten, sie sei von einer falschen Entscheidungsgrundlage ausgegangen, wenn er dies selbst durch seinen unrichtigen Sachvortrag verursacht hat. Unter diesen Umständen kann die Ermessensentscheidung der OFD somit nicht beanstandet werden. Wie die Finanzbehörde entschieden hätte, wenn ihr der richtige Sachverhalt im maßgeblichen Zeitpunkt bekannt gewesen wäre, ist für die richterliche Nachprüfung der Ermessensentscheidung unerheblich.
Fundstellen
Haufe-Index 417422 |
BFH/NV 1991, 509 |