Leitsatz (amtlich)
Wird die Wirksamkeit einer Erklärung, die das Revisionsgericht als Revisionszurücknahme beurteilt hat, bestritten, so ist das Verfahren zunächst nur zur Entscheidung dieser Frage fortzusetzen. Verbleibt der Senat bei seiner ursprünglichen Auffassung, so spricht er durch Urteil aus, daß die Revision zurückgenommen wurde und überbürdet dem Revisionskläger die Kosten.
Normenkette
FGO §§ 95, 121, 125
Tatbestand
Der Senat hat mit Beschluß vom 29. Mai 1967 das Verfahren über die Revision des Klägers und Revisionsklägers (Stpfl.) gegen das klageabweisende Urteil des FG eingestellt, weil die Rechtsanwälte A. H. und M. in G., die bereits vor dem FG als Bevollmächtigte des Stpfl. aufgetreten waren, die Revision mit Schriftsatz vom 16. Mai 1967 zurückgenommen hatten. Mit Schreiben vom 20. Mai 1967 beantragte der Kläger mit der Behauptung, die Revision sei nicht wirksam zurückgenommen worden, den Rechtsstreit fortzusetzen. Er macht hierzu geltend: Rechtsanwalt A. H. sei von ihm zwar zur Einlegung der Revision, nicht aber zur Zurücknahme des Rechtsmittels ermächtigt gewesen. Auf Grund der von ihm unterschriebenen Prozeßvollmacht habe der Rechtsanwalt vor jeder erheblichen Prozeßhandlung sein (des Stpfl.) Einverständnis einholen müssen. Das Einverständnis zur Revisionszurücknahme sei nicht erteilt worden. Er genehmige auch dei Zurücknahme nicht.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der Antrag des Stpfl. ist unbegründet; das Revisionsverfahren kann in der Sache selbst nicht fortgesetzt werden, da die Revision wirksam zurückgenommen wurde. Der Senat kann nur noch durch Urteil aussprechen, daß das Verfahren durch Zurücknahme der Revision beendigt wurde. Dieser Entscheidung liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Durch die ordnungsmäßige Zurücknahme der Revision wird die Rechtshängigkeit im Rechtsmittelverfahren von Anfang an beseitigt; das angefochtene Urteil wird rechtskräftig (§ 125 Abs. 2 FGO). Das Revisionsgericht ist daher nicht mehr in der Lage, über die Revision durch Prozeß- oder Sachurteil zu entscheiden. Es hat nunmehr in der Regel gemäß §§ 121, 72 Abs. 2 Satz 2 FGO das Verfahren einzustellen und gemäß §§ 143 Abs. 1, 136 Abs. 2 FGO eine Kostenentscheidung zu treffen. Die Einstellung des Verfahrens hat dabei lediglich den Charakter einer Deklaration; der Ausspruch enthält jedoch keine Entscheidung über die Zulässigkeit oder Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme selbst (vgl. dazu Eyermann-Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Aufl., Rdnr. 19 zu § 92). Wird nachträglich die Unwirksamkeit der Revisionsrücknahme geltend gemacht, so entsteht ein Zwischenstreit, der im Fall der Bejahung der Revisionsrücknahme durch ein diesen Vorgang feststellendes Endurteil und im Fall der Verneinung entweder durch Zwischenurteil oder mit dem die Revisionsentscheidung enthaltenden Endurteil erledigt wird (vgl. Eyermann-Fröhler, a. a. O., Rdnr. 23). Der früher ergangene Einstellungs- und Kostenbeschluß ist dann gegenstandslos, ohne daß es eines Ausspruchs hierüber bedarf. Da der Stpfl. die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme leugnet, ist nach diesen Grundsätzen zu verfahren.
Die Revisionsrücknahme durch den Schriftsatz des Rechtsanwalts A. H. vom 16. Mai 1957 war rechtlich wirksam, da der Anwalt nach den gemäß § 155 FGO im Steuerprozeß sinngemäß anzuwendenden Vorschriften der ZPO zur Vertretung des Stpfl. im anhängigen Verfahren uneingeschränkt (vgl. § 83 Abs. 2 ZPO) bevollmächtigt und seine Vollmacht gemäß § 80 Abs. 1 ZPO durch eine zu den Akten des FG gebrachte Urkunde nachgewiesen war. Diese Prozeßvollmacht trägt das Datum vom 10. März 1964 und wurde vom Rechtsanwalt A. H. mit der Berufungsschrift vorgelegt. Im Text der Vollmacht heißt es ausdrücklich: "Die Vollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozeßhandlungen, insbesondere auch zur ... Zurücknahme von Rechtsmitteln." Bis zur Zurücknahme der Revision durch den Schriftsatz des Rechtsanwalts A. H. vom 16. Mai 1967 wurde diese Vollmacht weder eingeschränkt noch aufgekündigt. Erst durch Schreiben vom 16. Oktober 1967 an den BFH hat der Anwalt erklärt, daß er und Rechtsanwalt M. den Stpfl. nicht mehr verträten.
Allerdings hat der Stpfl. selbst dem FG am Tage der mündlichen Verhandlung seines Rechtsstreits, dem 24. November 1966, eine weitere Prozeßvollmacht vorgelegt, die - soweit hier wesentlich - folgenden Wortlaut hat: "In meiner Gewerbe- und Umsatzsteuerangelegenheit ist Herr Rechtsanwalt A. H. ...., bzw. sein Herr Vater, Herr Dr. H., bevollmächtigt, mich vor dem Finanzgericht in ... zu vertreten." Nach dem Protokoll über die erwähnte mündliche Verhandlung war an diesem Tage für den Kläger nicht der ursprünglich bevollmächtigte Anwalt A. H., sondern "Rechtsanwalt Dr. H. H." erschienen. Bei diesem handelt es sich offenbar um den in der Vollmachtsurkunde vom 24. November 1966 erwähnten Vater, weil im Protokoll nach dem Namen Dr. H. H. auf diese Urkunde Bezug genommen wird. Dies hat auch der Stpfl. in seinem Schriftsatz vom 15. Oktober 1967 bestätigt.
Nach den weiteren Angaben des Stpfl. in diesem Schriftsatz kam es deshalb zur Vorlage der zweiten Prozeßvollmacht, weil Dr. H. H. aus G. zum Termin in K. ohne jede Vollmacht erschienen war und das FG den Stpfl., der in K. wohnt, fernmündlich gebeten hatte, so bald wie möglich eine auf Dr. H. H. lautende Vollmacht zu überbringen.
Nach diesem Sachverhalt hat der Stpfl. durch die Vollmachtsurkunde vom 24. November 1966 nicht etwa die dem Rechtsanwalt A. H. am 10. März 1964 erteilte Prozeßvollmacht auf Handlungen vor dem FG eingeschränkt; aus der neuen Vollmacht und den ihrer Erteilung zugrunde liegenden Umständen kann vielmehr nur der Wille des Stpfl. entnommen werden, unter Aufrechterhaltung des bisherigen Vertretungsverhältnisses mit Rechtsanwalt A. H. den in der mündlichen Verhandlung aufgetretenen Mangel der Untervollmacht des für A. H. handelnden Dr. H. H. sofort zu heilen.
Rechtsanwalt A. H. war deshalb zur Zurücknahme der Revision bevollmächtigt. Die mit Schriftsatz vom 16. Mai 1967 vorgenommene Prozeßbeendigung war deshalb wirksam.
Fundstellen
BStBl II 1968, 96 |
BFHE 1968, 339 |