Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensfehler
Leitsatz (NV)
Ein Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel (Verstoß gegen § 96 FGO), wenn das Gericht der Überprüfung der Entgeltberichtigung für das Streitjahr 1993 eine Aufstellung für das Jahr 1992 zugrunde legt.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1 S. 1, § 118 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung polnischen Rechts, soll in den Jahren 1992 und 1993 Bauumsätze ausgeführt haben; sie wurde deshalb zur Umsatzsteuer veranlagt.
Sie klagte zunächst wegen Umsatzsteuer 1992 und Umsatzsteuervorauszahlungen Januar und Februar 1993.
Während des Klageverfahrens gab sie die Umsatzsteuererklärung für 1993 ab, in der sie Umsätze in Höhe von 461 898 DM (Umsatzsteuer 69 284,70 DM) und Vorsteuerbeträge in Höhe von 89 708,57 DM erklärte. Dies ergab einen (Vorsteuer-)Überschuss zu ihren Gunsten von 20 424 DM.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) schätzte davon abweichend die Besteuerungsgrundlagen (Umsätze: 500 000 DM; Vorsteuer: 70 000 DM) und setzte die Umsatzsteuer auf 5 000 DM fest (Umsatzsteuerbescheid für 1993 vom 14. Oktober 1997).
Die Klägerin machte den Umsatzsteuerbescheid zum Gegenstand des Verfahrens.
Das Finanzgericht (FG) forderte die Klägerin mit Verfügungen vom 25. September 1997 und 11. September 2000 unter Setzung einer Frist nach § 79b der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf, bestimmte Unterlagen und Aufzeichnungen vorzulegen; u.a. sollten die Aufzeichnungen über die Entgelte für steuerpflichtige Leistungen "in den Jahren" (gemeint wohl: 1992) "und 1993" an die Klägerin bis zum 15. Oktober 2000 vorgelegt werden (Verfügung vom 11. September 2000).
In der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin dem FG eine Liste über Vorsteuern ("1993.Ausgaben.Soll-Basis") und Aufstellungen über ausgefallene Rechnungsbeträge für 1992 ("1992 Entgeltberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG") und 1993 ("1993 Entgeltberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG") vor.
Das FG gab der Klage wegen Umsatzsteuer 1992 teilweise statt. Die Klage wegen Umsatzsteuer 1993 wies es ab. Es meinte, die geltend gemachten Vorsteuern in Höhe von 89 708,57 DM könnten nach § 79b Abs. 3 FGO nicht berücksichtigt werden. Die von der Klägerin geltend gemachten Entgeltminderungen seien bereits deshalb nicht zu berücksichtigen, weil die diesbezügliche, in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Zusammenstellung nicht erkennen lasse, wann die einzelnen Forderungen uneinbringlich geworden seien.
Die Klägerin macht zur Begründung ihrer Revision geltend, das FG habe gegen § 96 FGO verstoßen, indem es der Überprüfung der streitigen Entgeltminderung im Streitjahr 1993 die von ihr vorgelegte Liste "1992 Entgeltberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG" (Summe brutto 346 301,08 DM = netto 321 316,74 DM; Umsatzsteuerminderung = 44 984,34 DM) statt der Liste "1993 Entgeltberichtigung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG" (Summe brutto 293 165,88 DM = netto 257 163,05 DM; Umsatzsteuerminderung = 36 002,83 DM) zugrunde gelegt habe. Bezüglich der streitigen Vorsteuerbeträge legt sie im Einzelnen dar, das FG habe § 79b FGO fehlerhaft angewendet und die ihm obliegende Sachaufklärungspflicht verletzt bzw. gegen den Inhalt der Akten verstoßen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des angefochtenen Umsatzsteuerbescheids, Berücksichtigung weiterer Vorsteuern von 89 708,57 DM und einer Entgeltminderung von 38 228,83 DM die Umsatzsteuer für 1993 auf ./. 20 424 DM festzusetzen, hilfsweise die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA hat in Anbetracht des Senatsbeschlusses vom 27. April 2001 (V B 16/01 zur Zulassung der Revision) auf eine Äußerung zur Revisionsbegründung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Das FG ist unter Verletzung dieser Vorschrift zur Abweisung der Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1993 gelangt, da es der Überprüfung der Entgeltberichtigung für das Streitjahr 1993 die von der Klägerin vorgelegte Aufstellung für das Jahr 1992 statt der Aufstellung für das Jahr 1993 zugrunde gelegt hat.
Da die Vorentscheidung bereits aus diesem Grunde aufzuheben war, braucht der Senat auf die weiteren von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmängel nicht mehr einzugehen.
Da die Klägerin ihre Revision ausschließlich auf Verfahrensmängel stützt, ist es dem Senat verwehrt, in der Sache zu entscheiden. Nach § 118 Abs. 3 Satz 1 FGO ist nur über die geltend gemachten Verfahrensmängel zu entscheiden, wenn die Revision auf Verfahrensmängel gestützt wird und nicht zugleich eine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO vorliegt.
Fundstellen