Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf Entstrickung einbringungsgeborener Anteile gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 grundsätzlich nicht widerrufbar
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag auf Entstrickung einbringungsgeborener Anteile nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 kann im Regelfall nicht widerrufen oder zurückgenommen werden.
Normenkette
UmwStG 1995 § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind im Streitjahr 1998 zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Der Kläger brachte 1996 seine Steuerberater-Einzelpraxis zu Buchwerten in eine Steuerberatungsgesellschaft mbH gegen Gewährung von Gesellschafterrechten zum Nennwert in Höhe von 10 000 DM ein. Für diese einbringungsgeborenen Anteile beantragte er am 30. Oktober 1998 die Entstrickung gemäß § 21 Abs. 2 des Umwandlungssteuergesetzes (UmwStG 1995). Diesen Antrag nahm er mit Schreiben vom 17. November 1998 zurück. Am 3. Dezember 1998 stellte er erneut einen Antrag auf Entstrickung der Anteile.
In ihrer am 23. Februar 2000 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt ―FA―) eingereichten Einkommensteuererklärung 1998 erklärten die Kläger einen Veräußerungsgewinn des Klägers aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von insgesamt 1 601 426 DM. Dieser setzte sich zusammen aus einem Gewinn aus der Veräußerung der Steuerberatungspraxis in Höhe von unstreitig 629 490 DM und einem Gewinn gemäß § 21 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 UmwStG 1995 in Höhe von 971 936 DM. Das FA setzte die Einkommensteuer 1998 hiernach mit Bescheid vom 20. Juli 2000 auf 401 865 DM fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Die Kläger legten dagegen am 17. August 2000 Einspruch ein und nahmen darin den Antrag auf Entstrickung der einbringungsgeborenen Anteile zurück. Demzufolge sei im Streitjahr kein Entstrickungsgewinn entstanden. Hilfsweise sei ein Entstrickungsgewinn in Höhe von nur 527 884 DM der Besteuerung zugrunde zu legen. Bei der ursprünglichen Berechnung sei fälschlicherweise ein Faktor von 1,5 auf den Durchschnittsumsatz der letzten Jahre angewandt worden. Richtig sei es, einen solchen von 0,8 anzuwenden. Das FA folgte dem nicht.
Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf gab der anschließenden Klage statt. Sein Urteil vom 11. Februar 2004 7 K 2917/02 E ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1175 veröffentlicht.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen tatsächliche Feststellungen lassen eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht zu.
1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Antrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 jederzeit bis zum Eintritt der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides zurückgenommen werden kann.
Wird ein Betrieb, ein Teilbetrieb oder ein Mitunternehmeranteil in eine Kapitalgesellschaft eingebracht und erhält der Einbringende dafür neue Anteile an der Kapitalgesellschaft, so sind gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 die auf die neuen Anteile (sog. einbringungsgeborene Anteile) übertragenen und ggf. auch die in ihnen künftig entstehenden stillen Reserven im Falle ihrer Realisierung als Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu versteuern. Gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 sind die stillen Reserven auch dann zu versteuern, wenn der Anteilseigner dies beantragt. In diesem Falle tritt der gemeine Wert der Anteile an die Stelle des Veräußerungspreises (§ 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG 1995). Dem UmwStG 1995 lässt sich unmittelbar nichts zu den Verfahrensmodalitäten der Antragstellung entnehmen, insbesondere auch nicht dazu, ob der einmal beim FA gestellte Antrag wieder zurückgenommen werden kann. Die Vorinstanz hat daraus geschlossen, dass die Antragsrücknahme bis zum Eintritt der Bestandskraft des Einkommensteuerbescheides jederzeit möglich bleibe. Dem ist nicht beizupflichten (ganz einhellige Auffassung, vgl. z.B. Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 21 UmwStG Rz. 207; Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 3. Aufl., § 21 UmwStG Rz. 48; Klingberg in Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 21 UmwStG Rz. 47; Herrmann in Frotscher/ Maas, Körperschaftsteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, § 21 UmwStG Rz. 44; Patt in Dötsch/Eversberg/Jost/Pung/Witt, Körperschaftsteuer, § 21 UmwStG n.F. Rz. 148; Merkert in Bordewin/ Brandt, Einkommensteuergesetz, § 21 UmwStG 1995 Rz. 35; Haritz in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 21 Rz. 195).
§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 steht in systematischem Zusammenhang mit Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 bis 4. Danach führt in erster Linie die Veräußerung der einbringungsgeborenen Anteile zur Realisierung der in ihnen gespeicherten stillen Reserven. Darüber hinaus treten die Rechtsfolgen des § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 mit der Verwirklichung der in Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift genannten Sachverhalte ein. Sowohl im Falle des Haupttatbestandes der Veräußerung der Anteile als auch in den gesetzlich bestimmten Ersatztatbeständen, bei deren Vorliegen die Gewinnrealisierung ausgelöst wird, handelt es sich um tatsächliche Vorgänge, die nach ihrer Verwirklichung prinzipiell nicht rückgängig gemacht werden können. Indem das Gesetz den Antrag des Anteilseigners, die Rechtsfolgen des § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 eintreten zu lassen, diesen tatsächlichen Vorgängen tatbestandlich gleichstellt, wird verdeutlicht, dass auch dieser Realisationstatbestand ―abweichend von der Ausübung "echter" steuerlicher Wahlrechte― mit seiner Verwirklichung grundsätzlich irreversibel ist. Dass dies im Gesetz nicht explizit, etwa durch die tatbestandliche Erwähnung der Unwiderruflichkeit des Antrages, klargestellt wird, widerspricht dem in Anbetracht der systematischen Regelungszusammenhänge (und deswegen abweichend von der Regelungskonstellation, über welche der Bundesfinanzhof in den Urteilen vom 17. Januar 1995 IX R 37/95, BFHE 177, 58, BStBl II 1995, 410, sowie vom 15. Oktober 1996 IX R 10/95, BFHE 181, 316, BStBl II 1997, 178, zu befinden hatte) nicht. Ob es sich ggf. anders verhalten kann, wenn der Anteilseigner seinen Antrag von vornherein unter einen Widerrufsvorbehalt oder bezogen auf einen erst in der Zukunft liegenden Zeitpunkt stellt, ist im Streitfall nicht zu entscheiden.
2. Die Vorinstanz hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war deswegen aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Denn die Kläger haben hilfsweise beantragt, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung eines Entstrickungsgewinns von nur 527 884 DM festzusetzen. Sie haben vorgetragen, der Gewinn sei niedriger als ursprünglich vom Kläger ermittelt.
Das FG hat sich mit diesem Hilfsantrag bisher nicht befasst, da es dem Hauptantrag entsprochen hat. Die Ermittlung des Entstrickungsgewinns ist deswegen im 2. Rechtsgang nachzuholen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass abweichend von der vom Kläger vorgenommenen Berechnung Stichtag für die Ermittlung des gemeinen Werts der einbringungsgeborenen Anteile der 30. Oktober 1998 ist, also der Tag, an dem der erste Antrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG 1995 per Telefax beim damals für die Besteuerung des Klägers zuständigen FA einging.
Fundstellen
Haufe-Index 1385317 |
BFH/NV 2005, 1733 |
BStBl II 2005, 643 |
BFHE 2005, 545 |
BFHE 209, 545 |
BB 2005, 1667 |
DB 2005, 1668 |
DStRE 2005, 984 |
DStZ 2005, 543 |
HFR 2005, 896 |