Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Strähnen aus Seidengarn mit Kreuzhaspelung, die durch einen oder mehrere Filzfäden in ungleiche Gebinde geteilt sind, gelten nicht als Aufmachungen für den Einzelverkauf.
Zolltarifnr. 5003, 5006, Allgemeine Anmerkungen 4 A b, 4 A c zu Abschn. XI des Zolltarifs,
Normenkette
GZT Allgemein
Tatbestand
Streitig ist, ob die als "Japanseide, roh, gezwirnt, aufgemacht im Strang mit Kreuzhaspelung" bezeichnete Ware, als Seidengarn in Aufmachungen für den Einzelverkauf der Tarifnr. 5006 (Zollsatz: autonom 12 % des Wertes, vertragsmäßig-roh, abgekocht oder gebleicht, in gefilzten Strähnen mit Kreuzhaspelung-frei; Umsatzausgleichsteuer 6 % des Wertes) oder ob sie als rohes gezwirntes Seidengarn, nicht in Aufmachungen für den Einzelverkauf der Tarifnr. 5003 (autonom zollfrei; Umsatzausgleichsteuer 4 % des Wertes) zuzuweisen ist.
Die verbindliche Zollauskunft und der Einspruchsbescheid haben die Ware als "rohes Seidengarn, in Aufmachungen für den Einzelverkauf, in gefitzten Strähnen mit Kreuzhaspelung" der Tarifnr. 5006 A zugewiesen.
Diese Tarifierung hat der Beschwerdeführer (Bf.) beanstandet. Seine Rechtsbeschwerde (Rb.) stützt sich ebenso wie sein Einspruch in der Hauptsache darauf, daß ein gefilzter Strang (Strähne) mit Kreuzhaspelung nicht als Aufmachung für den Einzelverkauf gelten könne. Er vertritt ferner die Auffassung, die Allgemeine Anmerkung 4 A des Abschn. XI des Zolltarifs gelte nur für nicht gefitzte Strähnen. Das sei zwar nicht aus ihr selbst zu entnehmen, ergebe sich aber im Zusammenhang mit der nachfolgenden Allgemeinen Anmerkung 4 A c und insbesondere aus der französischen Fassung dieser Anmerkung im Brüsseler Zolltarifschema 1949. Er hebt besonders hervor, "es könne nicht der Wille des Gesetzgebers gewesen sein, Seidengarne, die eindeutig nur für Fabrikationszwecke bestimmt sind und auch nur ihnen dienen können, zollmäßig als Garne in Aufmachungen für den Einzelverkauf zu betrachten".
Entscheidungsgründe
Die Rb. hatte Erfolg.
Es handelt sich bei der vorliegenden Ware um Seidengarn in gefitzten Strähnen (= Strängen) mit Kreuzhaspelung. Strähnen mit Kreuzhaspelung bestehen aus Fadenschlingen, die infolge der Art der Haspelung nicht parallel nebeneinander liegen, sondern sich kreuzen. Sie enthalten zwei oder mehrere Fitzfäden. Deshalb spricht man von gefitzten Strähnen (Strängen) mit Kreuzhaspelung. Die gefitzten einzelnen Garnsträhnen haben ein geringeres Gewicht als 125 g. Dieser Tatbestand ist unbestritten.
Als Garne in Aufmachungen für den Einzelverkauf gelten nach der Allgemeinen Anmerkung 4 A b zum Abschn. XI des Zolltarifs (Spinnstoffe und Waren daraus) "Garne in Strähnen bis höchstens 125 g" und nach der Allgemeinen Anmerkung 4 A c a. a. O. "Garne in Strähnen von beliebigem Gewicht, wenn diese durch einen Fitzfaden in gleiche Gebinde von je höchstens 125 g abgeteilt sind". Die Auslegung dieser Vorschriften ist streitig. Die Vorschrift der Anmerkung 4 A b ist nach Auffassung des Senats dahin auszulegen, daß nach ihr als Garne in Aufmachungen für den Einzelverkauf nur solche Garne in Strähnen bis höchstens 125 g anzusehen sind, die nicht durch Fitzfäden in Gebinde abgeteilt sind. Das ergibt sich aus der Anmerkung 4 A c, nach der - im Gegensatz zu der Anmerkung 4 A b - Garne in Strähnen von beliebigem Gewicht, also auch im Gewicht bis 125 g, wenn diese durch einen Fitzfaden in gleiche Gebinde von je höchstens 125 g abgeteilt sind, als Garne in Aufmachungen für den Einzelverkauf anzusehen sind. Garnsträhnen im Gewicht bis 125 g, die durch einen Fitzfaden in ungleiche Gebinde eingeteilt sind, gelten danach nicht als Garne in Aufmachungen für den Einzelverkauf.
Diese Auslegung entspricht auch der Entstehungsgeschichte dieser Vorschriften, die - worauf der Bf. mit Recht hinweist - aus dem Brüsseler Zolltarifschema 1949 entnommen sind. Dort heißt es in der Allgemeinen Anmerkung (Note generale) 8 A vor Abschn. XI (Section XI): "Sont consideres comme conditionnes pour la vente au detail les fils en tous textiles disposes:
en echevettes d'un poids maximum de 125 g;
en echeveaux d'un poids quelconque lorsqu'ils sont subdivises, au moyen d'un fil diviseur, en echevettes d'un poids uniforme ne depassant pas 125 g".
Es wird also im französischen Text des Brüsseler Zolltarifschemas in der "Note generale" 8 A c von "echeveau" und "echevette" gesprochen, also von einer Strähne (= Strang = echeveau), die durch Fitzfäden in Gebinde (= Lagen = echevettes) geteilt ist, während die Anmerkung 8 A b nur von "echevettes" (Gebinden, Lagen) spricht. Ein Gebinde (echevette) im Sinne der Anmerkung 8 A b wie der Anmerkung 8 A c ist der Teil einer Strähne, der selbst nicht mehr durch Fitzfäden abgeteilt wird. Einen solchen Teil einer Strähne kann man im Deutschen auch selbst als Strähne bezeichnen, wie es in der Allgemeinen Anmerkung 4 A b des deutschen Zolltarifs von 1951 geschehen ist. Ursprünglich stand in dem Entwurfe des Zolltarifs in der Anmerkung 4 A b an Stelle des Wortes Strähnen das Wort Lagen (vgl. den Entwurf des Zolltarifs, herausgegeben im Bundesministerium für Wirtschaft 1950, sogenannter brauner Entwurf, und den Entwurf eines Zolltarifs, herausgegeben vom Bundesministerium für Wirtschaft im Mai 1950, sogenannter blauer Entwurf). Es ergibt sich also aus dem französischen Text deutlich, daß unter Strähnen im Sinne der Anmerkung 4 A b des deutschen Zolltarifs nicht Strähnen fallen, die durch Fitzfäden im Gebinde geteilt sind, sondern nur gewöhnliche Lagen (= Strähnen).
Diese Auslegung der Anmerkung 4 A b stimmt auch mit der modernen Beschreibung der Herstellung von Garnsträhnen überein (zu vgl. hierzu Warenkunde und Industrielehre von Dr. Rust, III. Teil, Textilwaren, von Dr. Max Schoch, Professor an der Kantonalen Handelsschule Zürich, Rascher-Verlag Zürich 1951 S. 57: "Es werden auf dem Garnhaspel gleichzeitig 20 - 60 Stränge (Strähnen, Schneller, Zähler französisch echeveaux, englisch hanks) hergestellt, die durch Unterbindung oder Fitzfäden in kleinere Abteilungen (Gebinde, französisch echevettes, englisch leas) geteilt sind.").
Diese Auslegung entspricht endlich den Erläuterungen zum Zolltarif zur Tarifnr. 5006, in denen es in Ziff. 4 u. a. heißt: "Strähnen mit Kreuzhaspelung kommen nur dann als Aufmachungen für den Einzelverkauf in Betracht, wenn sie in gleiche Gebinde abgeteilt sind."
Die Vorinstanz hat die Ware nach der Anmerkung 4 A b als Garne in Aufmachungen für den Einzelverkauf angesehen. Sie geht dabei von der nicht zutreffenden Auffassung aus, daß bei einer in Kreuzhaspelung eingehenden Strähne die Fitzfäden die Strähne nicht in Einzelgebinde unterteilen können. Die Entscheidung der Vorinstanz war infolgedessen aufzuheben. Da weder die Zollauskunft noch der Einspruchsbescheid darüber Feststellungen enthalten, ob die vorliegenden Strähnen in ungleiche Gebinde abgeteilt sind - es steht dies nur in einem Vermerk -, war die Sache als nicht spruchreif an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 318 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO); die Entscheidung über die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 320 Abs. 3 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 407734 |
BStBl III 1953, 301 |
BFHE 1954, 28 |
BFHE 58, 28 |