Leitsatz (amtlich)
Sind bei der Bewertung der Anteile an einer Organgesellschaft die aufgrund einer Gewinnabführungsvereinbarung an den Organträger abzuführenden Gewinne als eigene Gewinne der Organgesellschaft zu berücksichtigen, so bedürfen diese gegebenenfalls der Korrektur, wenn ihre Höhe wesentlich durch ungewöhnliche Verhältnisse beeinflußt worden ist, die ohne die Gewinnabführungsverpflichtung keinen Bestand hätten haben können.
Normenkette
BewG 1965 § 11 Abs. 2; BewG 1974 § 11 Abs. 2; BewG 1965 § 9 Abs. 2; BewG 1974 § 9 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin (eine GmbH) ist Organgesellschaft einer Einzelfirma (Organträger) und aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an den Organträger abzuführen. Ihr ist das gesamte Betriebsvermögen von dem Organträger unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden.
Bei den früheren Feststellungen der gemeinen Werte der GmbH- Anteile hat das beklagte Finanzamt (FA) den Wert der Anteile jeweils mit 150 v.H. angesetzt. Auf den 31.Dezember 1973 schätzte es den gemeinen Wert der Anteile erstmals unter Zugrundelegung des sog. Stuttgarter Verfahrens. Bei der Schätzung der Ertragsaussichten ging es von den an den Organträger abgeführten Gewinnen aus.
Die Klägerin legte gegen die Feststellungsbescheide betreffend die Bewertungsstichtage 31.Dezember 1973, 31.Dezember 1974 und 31.Dezember 1975 Einspruch ein und machte vor allem geltend, daß die abgeführten Gewinne nicht dem betriebswirtschaftlichen Ergebnis entsprächen, da für die von dem Organträger überlassenen Anlagen keinerlei Entgelte verrechnet worden seien.
Das FA gab den Einsprüchen nur zu einem geringen Teil statt. Eine Korrektur der abgeführten Gewinne um eine angemessene Gegenleistung für die kostenlos überlassenen Betriebsanlagen lehnte es ab.
Die Klägerin hat Klage erhoben und beantragt, die gemeinen Werte wie bisher auf jeweils 150 v.H. festzustellen.
Das Finanzgericht (FG) hat den Alleingesellschafter der Klägerin zum Verfahren beigeladen und der Klage zum Teil stattgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgt, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Der erkennende Senat folgt dem FG darin, daß auch bei Bestehen eines Organschaftsverhältnisses mit einer Gewinnabführungsvereinbarung bei der Schätzung der Werte der GmbH-Anteile grundsätzlich vom Stuttgarter Verfahren auszugehen ist und dabei die von der Organgesellschaft erzielten Gewinne (ohne Berücksichtigung der Gewinnabführungsverpflichtung) als ihre eigenen Gewinne im Rahmen der Berücksichtigung der Ertragsaussichten anzusetzen sind (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25.Oktober 1974 III R 128/73, BFHE 113, 531, BStBl II 1975, 83).
Es ist jedoch nicht in jedem Falle davon auszugehen, daß der vor Berücksichtigung der Gewinnabführungsverpflichtung ausgewiesene Gewinn die Ertragsaussichten der Organgesellschaft zureichend zum Ausdruck bringt. Dies ist vor allem dann nicht der Fall, wenn in dem nicht zu berücksichtigenden Aufwandsposten "Gewinnabführung" verdeckt eine "Gegenleistung" für eine wesentliche, anderweitig nicht abgegoltene Leistung des Organträgers an die Organgesellschaft enthalten ist. Ein solcher Fall liegt z.B. dann vor, wenn das gesamte Anlagevermögen der Organgesellschaft von dem Organträger unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. Dann steht die Überlassung der Betriebsanlagen in einem so engen Zusammenhang mit der Gewinnabführungsverpflichtung, daß der gedachte Wegfall der Gewinnabführungsverpflichtung zwingend auch zur Annahme des Wegfalls der unentgeltlichen Überlassung der Betriebsanlagen führen muß. Denn der Organträger könnte ohne die eine verdeckte Gegenleistung enthaltende Gewinnabführungsverpflichtung die ständigen Leistungsabflüsse, die in der unentgeltlichen Überlassung der Betriebsanlagen liegen, wirtschaftlich nicht tragen. Für die Frage der Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Organgesellschaft folgt hieraus, daß der gedachte Wegfall des Aufwandspostens "Gewinnabführung" durch den Einsatz eines fiktiven Aufwandspostens "Betriebspacht" ersetzt werden muß. Nur dadurch ist es möglich, die eigenen Ertragsaussichten der Organgesellschaft unter Ausschaltung ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse zutreffend zu würdigen.
Diese Auffassung des Senats widerspricht nicht seinem Urteil vom 12.März 1980 II R 28/77 (BFHE 130, 198, BStBl II 1980, 405). Der dortige Fall lag anders. Es ging um die Bewertung der Anteile an der Betriebsgesellschaft bei einer Betriebsaufspaltung. Für die Überlassung der Grundstücke und der Betriebseinrichtung war eine Pacht vereinbart worden. Lediglich für die Überlassung der Erfahrungen, der Alleinvertriebsrechte usw. war keine besondere Gegenleistung ausbedungen worden. Wesentlich ist, daß auch keine Gewinnabführungsverpflichtung bestand, in der etwa eine verdeckte Gegenleistung hätte enthalten sein können. In diesem mit dem Fall einer Organschaft (verbunden mit einer Gewinnabführungsvereinbarung) nicht vergleichbaren Fall hat der Senat die Auffassung vertreten, daß die besonderen Umstände bei der Ausgestaltung der Verhältnisse der Betriebsgesellschaft die Bewertung der Anteile an der Betriebsgesellschaft beeinflussen, ohne daß hierin ungewöhnliche Verhältnisse i.S. des § 9 BewG zu sehen wären.
Anders liegt jedoch der vorliegende Fall, bei dem die Ergebnisabführung für die Beurteilung der Ertragsaussichten bei der Anteilsbewertung nicht berücksichtigt und es damit ungewöhnlich wird, daß für die Überlassung der Betriebsanlagen überhaupt keine Gegenleistung vereinbart worden ist.
Nach allem muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden; denn die Klägerin hat vorgetragen, daß das gesamte Anlagevermögen einschließlich der Gerätschaften von dem Organträger kostenlos zur Verfügung gestellt worden sei und daß auch die Abschreibungen sowie der Kapitaldienst für die Anschaffungskredite von dem Organträger getragen worden seien. Die nicht spruchreife Sache geht an das FG zurück, damit dieses unter Beachtung der Ausführung des Senats erneut den gemeinen Wert der Anteile unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten schätzt.
Der Senat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, daß eine jederzeit mögliche Änderung der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Organträger nicht ohne weiteres dazu berechtigt, bei der Bewertung entsprechende Abschläge zu machen (vgl. die BFH-Urteile vom 17.Dezember 1982 III R 92/80, BFHE 137, 367, BStBl II 1983, 192, und vom 16.April 1984 III R 82/81, BFHE 141, 172, BStBl II 1984, 547).
Fundstellen
Haufe-Index 60967 |
BStBl II 1985, 653 |
BFHE 144, 274 |
BFHE 1986, 274 |
BB 1985, 2032-2032 (ST) |
DB 1986, 2658-2659 (ST) |
HFR 1986, 50-50 (ST) |