Entscheidungsstichwort (Thema)
Erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG; Grundstücksgeschäfte neben Vermögensverwaltung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG (erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags) findet nicht auf Unternehmen Anwendung, die Tätigkeiten ausüben, die als solche gewerbesteuerpflichtig sind und nicht zu den unschädlichen Nebentätigkeiten gehören (Anschluß an das BFH-Urteil vom 28.Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688).
2. Errichtet und veräußert ein Steuerpflichtiger neben der Verwaltung eigenen Grundbesitzes Eigentumswohnungen und übt er nur damit der Sache nach eine gewerbliche Tätigkeit aus, wird die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG gewährt.
Orientierungssatz
§ 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG (erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags) ist nicht anzuwenden, wenn ein Wohnungsunternehmen eine der Sache nach gewerbliche Tätigkeit ausübt, die nicht nur in der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen besteht. Ob der Sache nach eine gewerbliche Tätigkeit gegeben ist, beurteilt sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eines mehrjährigen Zeitraums (vgl. BFH-Urteil vom 9.10.1974 I R 23/73).
Normenkette
GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
Tatbestand
Seit 1966 führte die damals neu gegründete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) die Geschäfte der Einzelfirma A fort. Sie weitete die bisherige Tätigkeit wesentlich aus, indem sie dazu überging, Bauvorhaben in eigener Regie zu erstellen.
Gegenstand der Klägerin war u.a. die Erstellung von Hochbauten für fremde Auftraggeber, die Errichtung und der Verkauf von Eigentumswohnungen sowie von Bauten für eigene Rechnung.
In der Zeit von 1969 bis 1974 wurde Grundbesitz gekauft, umgebaut, errichtet etc. Die Zugänge an Betriebsgrundstücken betrugen rd. 6,1 Mio DM. Für private Zwecke des Gesellschafters A wurden sieben Häuser errichtet.
Ab 1.Januar 1975 wurden die für die Bautätigkeit erforderlichen Wirtschaftsgüter von der Klägerin veräußert. Geschäftszweck der Klägerin war nunmehr die Verwaltung eigenen Grundbesitzes. Eine dem neuen Gesellschaftszweck entsprechende Tätigkeit hat die Klägerin erst ab 1978 betrieben. Bis dahin fielen noch erhebliche Erträge und Aufwendungen aus der früheren Tätigkeit an.
Die verschiedenen Grundstücksankäufe und -verkäufe der Klägerin ab 1975 gestalteten sich wie folgt: Im Jahre 1976 wurden eine Eigentumswohnung und ein unbebautes Grundstück, im Jahre 1977 zwei Eigentumswohnungen und in den Jahren 1978 und 1979 je eine Eigentumswohnung veräußert.
Im Streitjahr 1981 wurden sechs im Jahre 1973 von der Klägerin erbaute Eigentumswohnungen veräußert. Die Käufer waren vorher nicht Mieter der Wohnungen.
In den folgenden Jahren wurden Grundstücke und Eigentumswohnungen veräußert, die sich über zehn Jahre im Eigentum der Klägerin befanden. Zuletzt wurde im Jahre 1986 ein 1974 errichtetes Teileigentum veräußert.
In den Jahren 1975 bis 1980 erwarb die Klägerin sechs Grundstücke zum Zwecke der Vermietung, die sie bis November 1987 nicht verkauft hatte.
Der Gewinn aus der Veräußerung der sechs Eigentumswohnungen in Höhe von 364 391,49 DM wurde im Streitjahr in eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gemäß § 6b Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) eingestellt.
Bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags kürzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) den Ertrag statt um den beantragten Betrag von 640 672 DM lediglich um einen Betrag von 69 852 DM.
Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Das FA habe es zu Recht abgelehnt, an Stelle der Kürzung nach § 9 Nr.1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) eine Kürzung nach § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG vorzunehmen.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG.
Sie beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und den Gewerbesteuermeßbetrag unter Abänderung des Bescheides vom 15.Juli 1983 auf 220 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben. Die Sache war an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden.
Das FA hat es zu Recht abgelehnt, den Gewerbeertrag der Klägerin gemäß § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG zu kürzen. Nach § 9 Nr.1 Satz 1 GewStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung werden die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 v.H. des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden Grundbesitzes gekürzt, soweit er nicht zu Betriebsstätten im Sinne des § 2 Abs.6 Satz 1 GewStG gehört. Anstelle der Kürzung nach § 9 Nr.1 Satz 1 GewStG tritt auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes, auf die Betreuung von Wohnungsbauten und die Veräußerung von Eigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen entfällt (§ 9 Nr.1 Satz 2 GewStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung). Die Voraussetzungen des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG lagen bei der Klägerin nicht vor. Die Vorschrift findet nicht auf Unternehmen Anwendung, die Tätigkeiten ausüben, die als solche gewerbesteuerpflichtig sind, sofern die Tätigkeiten nicht zu den unschädlichen Nebentätigkeiten gehören (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28.Juni 1973 IV R 97/72, BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688). Die von der Klägerin ausgeübte Tätigkeit war unabhängig von der Rechtsform der Klägerin als solche eine gewerbliche Tätigkeit. Sie wäre es auch, wenn sie von einer natürlichen Person betrieben worden wäre. Im Streitfall hätte keine private Vermögensverwaltung vorgelegen, wenn die Klägerin eine natürliche Person gewesen wäre. Die Veräußerung der Eigentumswohnungen in dem Streitjahr war bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Geschäftsvorfall eines in der Vergangenheit begründeten und im Streitjahr fortbestehenden Gewerbebetriebs. Die Tätigkeit der Klägerin war jedenfalls bis zum Ende des Jahres 1974 der Sache nach ein gewerblicher Betrieb. Geschäftsgegenstand der Klägerin war bis dahin u.a. die Erstellung von Hochbauten für fremde Auftraggeber, die Errichtung und der Verkauf von Eigentumswohnungen sowie von Bauten für eigene Rechnung. Wäre die Klägerin eine natürliche Person gewesen, hätte im Jahre 1975 keine Betriebsaufgabe vorgelegen, die die gewerbliche Tätigkeit beendet hätte. Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin ab Januar 1975 die für die Bautätigkeit erforderlichen Wirtschaftsgüter veräußert hat und ihr Geschäftszweck nurmehr die Verwaltung eigenen Grundbesitzes war. Die Klägerin hat entsprechend ihrer ursprünglichen Absicht noch nach Ende 1974 Eigentumswohnungen veräußert und ihren Gewerbebetrieb jedenfalls insoweit fortgesetzt. Sie hat darüber hinaus unbebaute Grundstücke veräußert, die sie im Zusammenhang mit dem bis zum Ende des Jahres 1974 bestehenden Geschäftszweck erworben hatte.
Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Rechtsprechung berufen, die einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erwerb, Bebauung und Verkauf von Wohnungen für die Annahme einer gewerblichen Tätigkeit verlangt und eine solche jedenfalls dann für gegeben erachtet, wenn die Zeitspanne zwischen der Errichtung und dem Verkauf der Wohnungen nicht mehr als fünf Jahre beträgt (BFH-Urteil vom 23.Oktober 1987 III R 275/83, BFHE 151, 399, BStBl II 1988, 293). Die Rechtsprechung betrifft nicht den Fall, in dem es darum geht, ob ein auf die Errichtung und den Verkauf von Eigentumswohnungen gerichteter Gewerbebetrieb als aufgegeben anzusehen ist, wenn nach dem Zeitpunkt, für den die Betriebsaufgabe geltend gemacht wird, noch Eigentumswohnungen veräußert werden.
Die Klägerin kann nicht mit Erfolg geltend machen, daß hinsichtlich der Errichtung und Veräußerung der Eigentumswohnungen eine unschädliche Nebentätigkeit im Sinne des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG vorgelegen habe. Gemäß § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG wird die von der Klägerin begehrte Kürzung des Gewerbeertrags auch dann gewährt, wenn neben der Verwaltung des eigenen Grundbesitzes Eigentumswohnungen errichtet und veräußert werden. Die Klägerin könnte sich auf das Vorliegen einer unschädlichen Nebentätigkeit nur dann mit Erfolg berufen, wenn allein die Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen der Sache nach zu einer gewerblichen Tätigkeit geführt hätte. Zur Tätigkeit der Klägerin gehörte jedoch auch die Veräußerung unbebauter Grundstücke. Diese Auslegung der Vorschrift des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG ergibt sich aus deren Zweck. Die Ausdehnung der unschädlichen Nebentätigkeiten auf die Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen war notwendig, weil sonst ein Wohnungsunternehmen, das Kaufeigenheime, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen errichtet, allein wegen dieser Tätigkeiten die Vergünstigungen des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG nicht hätte in Anspruch nehmen können (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Steueränderungsgesetzes 1958, BTDrucks III/260, S.65, und BFH-Urteil in BFHE 109, 459, BStBl II 1973, 688). Die Nebentätigkeiten wurden vor allem deswegen als unschädlich eingestuft, weil sie der Sache nach gewerbliche Tätigkeiten sind und die Anwendung der Kürzungsvorschrift aus diesem Grunde bereits ausgeschlossen hätten (vgl. Regierungsentwurf des Steueränderungsgesetzes 1958, a.a.O.). Dementsprechend ist die Anwendung der Kürzungsvorschrift zu verneinen, wenn ein Wohnungsunternehmen eine der Sache nach gewerbliche Tätigkeit ausübt, die nicht nur in der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen besteht.
Dem steht nicht entgegen, daß es für die Frage, ob eine Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung im Sinne des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG vorliegt, auf den jeweiligen Erhebungszeitraum ankommt (BFH-Urteil vom 13.September 1972 I R 185/70, BFHE 106, 546, BStBl II 1972, 887). Auf die Verhältnisse im jeweiligen Erhebungszeitraum kommt es insoweit nur an, als die Voraussetzungen der Kürzungsvorschrift als solche gegeben sind, was gerade nicht der Fall ist, wenn ein Steuerpflichtiger eine gewerbliche Tätigkeit ausübt, die nicht nur in der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen besteht. Ob der Sache nach eine gewerbliche Tätigkeit gegeben ist, beurteilt sich nicht nach den Verhältnissen eines einzigen Erhebungszeitraums, sondern nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eines mehrjährigen Zeitraums (BFH-Urteil vom 9.Oktober 1974 I R 23/73, BFHE 113, 463, BStBl II 1975, 44). Auf die Verhältnisse des im Streit befindlichen Erhebungszeitraums wäre zur Bestimmung, ob eine Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung vorliegt, damit nur abzustellen, wenn die Klägerin eine Tätigkeit ausgeübt hätte, die bei einer natürlichen Person nicht gewerblich gewesen wäre oder die zwar bei einer natürlichen Person gewerblich gewesen wäre, jedoch lediglich in der Errichtung und Veräußerung von Kaufeigenheimen, Kleinsiedlungen und Eigentumswohnungen bestanden hätte.
Liegen die Voraussetzungen der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG nicht vor, kommt es nicht darauf an, ob die Nebentätigkeit von untergeordneter Bedeutung ist. Unerheblich ist auch, inwieweit die Inanspruchnahme der Vergünstigung des § 6b EStG Einfluß auf die Prüfung dieser Frage gehabt hätte.
Der Senat kann den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Die durch die Nichtanerkennung der Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr.1 Satz 2 GewStG entstehende Gewerbesteuer ist durch eine Rückstellung zu berücksichtigen, die ihrerseits den Gewerbeertrag mindert. Das Urteil des FG enthält insoweit keine Feststellungen.
Fundstellen
Haufe-Index 63133 |
BFH/NV 1990, 85 |
BStBl II 1990, 1075 |
BFHE 162, 111 |
BFHE 1991, 111 |
BB 1990, 2254 (L) |
DB 1990, 2454-2455 (LT1-2) |
DStR 1991, 31 (KT) |
HFR 1991, 227 (LT) |
StE 1990, 423 (K) |