Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifierung von Tonwiedergabegeräten mit Laser-Tonabnehmersystem

 

Leitsatz (NV)

1. Zur Tarifierung eines Multifunktionsgeräts (Kap. 85).

2. Tonwiedergabegeräte mit Laser-Tonabnehmersystem gehören zu Unterpos. 8519 9910 KN (und ggf. Code-Nr. 8519 9910 0100 DGebrZT), und zwar selbst dann, wenn sie auch aus einem Plattenspieler bestehen bzw. die Funktion eines Plattenspielers (CD-Spielers) erfüllen.

3. Antidumping-Zoll-Regelungen sind für die zolltarifliche Einreihung nicht maßgebend.

 

Normenkette

KN Unterpos. 8519 9910, 8519 3900, Zusätzl. Anm. 1 zu Kap. 85, AV 1, 3c, 6; DGebrZT Code-Nr. 8519 9910 0100

 

Tatbestand

Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte der Klägerin eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) - Nr. ... vom 26. Februar 1992 - über einen CD-Wechsler ..., ein Multifunktionsgerät (mit 110/220 V Wechselstrom-Netzanschluß) mit Gehäuse (440x115x360 mm), Plattenteller für fünf CDs oder eine Schallplatte und Laser-Tonabnehmersystem und halbautomatischem Tonarm mit magnetischem Tonabnehmersystem zum Abspielen der Tonträger, unter Zuweisung zur Code-Nr. 8519 9910 0100 des Deutschen Gebrauchszolltarifs - DGebrZT - (andere Tonwiedergabegeräte mit Laser-Tonabnehmersystem ...). Die OFD führte zur Begründung aus, das Gerät bestehe aus einem anderen Plattenspieler der Unterposition 8519 3900 der Kombinierten Nomenklatur (KN) und einem CD-Spieler mit Laser-Tonabnehmersystem der Unterposition 8519 9910. Da eine das Ganze kennzeichnende Haupttätigkeit nicht feststellbar sei (vgl. Anm. 3 zu Abschn. XVI), sei das Gerät gemäß den Allgemeinen Vorschriften (AV) 6, 3c KN der zuletzt genannten Unterposition und, entsprechend seiner Beschaffenheit und Funktion (stand-alone; Funktionsmöglichkeit sowohl als Teil eines Rack-Systems als auch getrennt davon), der in der vZTA angewandten Codenummer des DGebrZT zuzuweisen (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 15. Juni 1992).

Hiergegen richtet sich die Klage, mit der im wesentlichen vorgebracht wird, als Multifunktionsgerät mit gleichberechtigter Plattenspielerfunktion werde das Erzeugnis nicht von der Unterposition 8519 9910 erfaßt. Es sei vielmehr als anderer Plattenspieler ohne Verstärker zum Abspielen von Analog- und Digitalplatten (CD) in die Unterposition 8519 3900 einzureihen. Diese Warenansprache sei zudem deutlicher und vollständiger als die eines anderen Tonwiedergabegeräts (AV 6, 3a). Im übrigen wäre die Auferlegung eines Antidumping-Zolls selbst bei Einreihung in die Unterposition 8519 9910 nicht gerechtfertigt, denn die Voraussetzungen für die Anwendung der Code-Nr. 8519 9910 0100 DGebrZT (Rack-System, Teil davon bzw. stand-alone) oder anderer Codenummern mit den Endziffern 0100 lägen nicht vor. Das Gerät sei vielmehr einer Codenummer mit den Endziffern 0900 zuzuordnen.

Die OFD führt aus, soweit das Gerät die Funktion eines CD-Spielers ausübe, sei es auf Grund der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 85 der Unterposition 8519 9910 zuzuweisen. CD-Spieler mit Laser-Tonabnehmersystem seien somit zolltariflich keine Plattenspieler. AV 3a sei im übrigen nicht anwendbar. Die Antidumping-Zoll-Regelung sei kein Kriterium für die Einreihung; sie erfasse allerdings das vorliegende Gerät (stand-alone).

 

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die der Senat trotz Wegfalls der seine Zuständigkeit begründenden Vorschrift (§ 37 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zu entscheiden hat (Art. 1 Nr. 5, Art. 7 des FGO-Änderungsgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I 1992, 2109, BStBl I 1993, 90), ist nicht begründet. Die OFD hat die Ware zutreffend in die Codenummer 8519 9910 0100 DGebrZT eingereiht, die die entsprechende, zur Zollnomenklatur i.S. von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1715/90 des Rates vom 20. Juni 1990 über die von den Zollbehörden der Mitgliedstaaten erteilten Auskünfte über die Einreihung von Waren in die Zollnomenklatur (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 160/1) gehörende TARIC-Nomenklatur wiedergibt.

Mit den Beteiligten ist davon auszugehen, daß das als Plattenspieler der Unterposition 8519 3900 KN und CD-Spieler der Unterposition 8519 99 arbeitende Gerät nicht unter Berücksichtigung einer das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit tarifiert werden kann (vgl. Anm. 3 zu Abschn. XVI). Es liegt ein Multifunktionsgerät vor, das sich - auch - als Tonwiedergabegerät mit Laser-Tonabnehmersystem (CD-Spieler; vgl. Erläuterungen Harmonisiertes System - ErlHS - zu Position 8519 Rz. 10.0 und 18.0) darstellt. Tonwiedergabegeräte mit Laser-Tonabnehmersystem sind jedoch auf Grund der Zusätzlichen Anmerkung 1 zu Kapitel 85, nach der entsprechende Geräte von den Unterpositionen 8519 10(00), 21(00), 31(00) und 39(00) ausgeschlossen und der Unterposition 8519 9910 zugewiesen sind, der zuletzt angeführten Unterposition zuzuordnen. Dasselbe würde gelten, wenn das Gerät praktisch nur eine Funktion, die eines Plattenspielers (wahlweise Analog- bzw. Digitalbetrieb), hätte. Dann gehörte es zwar grundsätzlich zu Unterposition 8519 3900 (Plattenspieler ohne Verstärker, ohne automatischen Plattenwechsler), doch wäre es nach der bezeichneten Anmerkung, die den gleichen Rang hat wie die achtstelligen Unterpositionen (Lux in Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F II 2 Rz. 12), gleichfalls der Unterposition 8519 9910 zuzuordnen. Tonwiedergabegeräte im Sinne dieser Anmerkung sind auch Plattenspieler, da dieser Begriff, wie aus der Warenbezeichnung der Position 8519 hervorgeht, offensichtlich der Oberbegriff ist. Damit ist diese Anmerkung ohne weiteres für das vorliegende Gerät einschlägig. Sinn der Anmerkung ist es, jedwedes Tonwiedergabegerät der angeführten (ausgeschlossenen) Unterpositionen zur Unterposition 8519 9910 zu ziehen, sofern ein Laser-Tonabnehmersystem vorhanden ist, d.h., es handelt sich bei der Anmerkung im Grunde um eine spezielle Zuweisung für die CD-Technik.

Der Antidumping-Zoll-Regelung kann, wie noch auszuführen ist, nichts Gegenteiliges entnommen werden. Schon aus diesem Grunde läßt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht annehmen, die Zusätzliche Anmerkung 1 zu Kapitel 85 sei infolge redaktionellen Versehens nicht angepaßt worden.

Im übrigen würde sich für die Einreihung eines Multifunktionsgeräts, wie es hier vorliegt, selbst dann nichts anderes ergeben, wenn die Anmerkung nicht anwendbar wäre. Dann müßte die zutreffende Unterposition gemäß AV 6 in sinngemäßer Anwendung von AV 3c bestimmt werden (ErlHS zu Abschn. XVI Rz. 58.0). Die vorrangigen AV 3 a und 3b scheiden aus, denn die Warenbezeichnung Plattenspieler ohne Verstärker ist nicht genauer als die Bezeichnung andere Tonwiedergabegeräte (gleichbedeutend mit der positiven Anführung sämtlicher Tonwiedergabegeräte ohne Plattenspieler ...), und ein charakterbestimmender Bestandteil liegt nicht vor. Bei Anwendung von AV 3c ergibt sich, daß die Unterposition 8519 99, weil in der Nomenklatur nach der (gleichrangigen) Unterposition 8519 3900 aufgeführt, einschlägig ist. Innerhalb der Position mit der höheren Ordnungsnummer (8519 99) gehört das Gerät entsprechend seiner Beschaffenheit - mit Laser-Tonabnehmersystem - zu der Unterposition 9910. Der Umstand, daß es auch als Plattenspieler funktioniert, führt nicht zum Ausschluß dieser Unterposition (und zur Anwendung der Unterposition 8519 9990). Erfaßt sind in Unterposition 8519 9910 (andere) Tonwiedergabegeräte mit Laser-Tonabnehmersystem, unabhängig von ihrer sonstigen Beschaffenheit. Die Einrichtung (auch) als Plattenspieler spielt im Rahmen der hier anzuwendenden Unterposition 8519 99 keine Rolle mehr.

Auch die weitere Einreihung, die die OFD auf Antrag der Klägerin vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Die in der vZTA angewandte Codenummer 8519 9910 0100 DGebrZT enthält die Warenbezeichnung einer Antidumping-Zoll-Regelung (Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 112/90 des Rates vom 16. Januar 1990, ABlEG L 13/21 - endgültiger Antidumping-Zoll -, später in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 819/92 - VO Nr. 819/92 - des Rates vom 30. März 1992, ABlEG L 87/1) Bestandteil der TARIC-Nomenklatur (Art. 2 Buchst. a mit Anhang II Nr. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif, ABlEG L 256/1) - für Einfuhren bestimmter CD-Spieler mit Ursprung in Japan und Korea. Diese Warenbezeichnung lautet, übereinstimmend mit der Gemeinschaftsregelung:

andere (Tonwiedergabegeräte) mit Laser-Tonabnehmersystem: Compactdisc-Spieler, das sind ,stand-alone-Tonwiedergabegeräte mit äußeren Abmessungen von mindestens 216x45x150 mm, ausgerüstet zur Aufnahme von höchstens 10 Compactdiscs, einschließlich Tonwiedergabegeräte, die Teil eines ,Rack-Systems sind, aber auch getrennt von dem ,Rack-System funktionieren können, einen eigenen Netzanschluß und eine eigene Bedienungsvorrichtung haben und mit Wechselstrom von normalerweise 110/120/220/240 V, nicht aber mit Gleichstrom von 12 V oder weniger funktionieren.

Das tarifierte Gerät entspricht dieser Beschreibung. Es stellt sich als stand-alone-Compactdisc-Spieler mit den erforderlichen Merkmalen dar. Seine Einrichtung auch als Plattenspieler vermag dies auf der Gliederungsstufe der TARIC-Nomenklatur ebensowenig in Frage zu stellen wie die vorangegangene Einreihung in die Unterposition 8519 9910 KN. Die tatsächliche oder wenigstens mögliche Zugehörigkeit zu einem Rack-System ist nicht Voraussetzung für die Bewertung als stand-alone-Tonwiedergabegerät, denn die Regelung erfaßt zwar auch (einschließlich), nicht aber nur Teile eines solchen Systems. Das Gegenteil folgt auch nicht aus den Erwägungsgründen der Verordnung (EWG) Nr. 2140/89 der Kommission vom 12. Juli 1989 (ABlEG L 205/5) - vorläufiger Antidumping-Zoll -. Auch insoweit ist nur von Geräten die Rede, die Teile sein, aber auch getrennt von dem System funktionieren können. Im übrigen trifft die VO Nr. 819/92 weder unmittelbar noch mittelbar eine Aussage über die zolltarifliche Einreihung von Multifunktionsgeräten der vorliegenden Art. Sie betrifft nur die Antidumping-Zoll-Belastung von bestimmten CD-Spielern (dazu Senat, Urteil vom 2. Juni 1992 VII K 2/91, BFH/NV 1992, 853) und gehört nicht zu den für die zolltarifliche Einreihung maßgebenden Vorschriften (vgl. AV 1 Satz 2). Ihr läßt sich auch kein tarifierungserheblicher Hinweis entnehmen. Die Gemeinschaftsregelung knüpft vielmehr an die zolltarifliche Einreihung an und ändert diese entgegen der Ansicht der Klägerin nicht ab. Inwieweit die Anführung auch der Positionen ex 8519 3100, 3900 berechtigt oder - wie von der OFD vertreten - systemwidrig ist, braucht nicht entschieden zu werden. Einfluß auf die Tarifierung hat sie jedenfalls ebensowenig wie etwa die Warenansprache in einer Zollaussetzungs-Verordnung (zu letzterer Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften - EuGH -, Urteil vom 3. Juni 1992 C-318/90, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern 1993, 14). Das Senatsurteil in BFH/NV 1992, 853 vermag die Auffassung der Klägerin nicht zu stützen. Soweit in dieser Entscheidung auf den Verwendungszweck als Tarifierungskriterium abgestellt wird, betrifft dies die Anwendung von AV 3b, die hier, worin die Beteiligten übereinstimmen, nicht in Betracht kommt. Die Frage, ob Einfuhren von Geräten der vorliegenden Art einem Antidumping-Zoll unterliegen, ist nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits.

Zweifel an der zolltariflichen Einreihung bestehen unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen nicht. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH ist somit nicht veranlaßt (vgl. dessen Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419432

BFH/NV 1994, 427

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