Leitsatz (amtlich)
1. Für die Beurteilung, ob ein geschiedener Ehegatte gegenüber dem früheren Ehegatten im Sinn des § 12 Nr. 2 EStG eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person ist, ist der Schuldspruch im Scheidungsurteil allein maßgebend.
2. Zuwendungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person sind nach § 12 Nr. 2 EStG selbst dann nicht abziehbar, wenn sie auf einer vor Eintritt der gesetzlichen Unterhaltspflicht getroffenen besonderen Vereinbarung beruhen.
Normenkette
EStG § 12 Nr. 2
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger sind Eheleute. Der steuerpflichtige Ehemann (künftig: Steuerpflichtiger) ist auf die Klage seiner ersten Ehefrau vom 17. Juni 1963 durch rechtskräftiges Urteil vom 15. Januar 1964 geschieden worden. Nach dem Scheidungsurteil fällt ihm die Alleinschuld zu.
Bereits am 11. Juni 1963 hat der Steuerpflichtige mit seiner ersten Ehefrau einen notariellen Unterhaltsvertrag geschlossen, wonach er sich für den Fall der rechtskräftigen Scheidung und unabhängig davon, wem die Schuld für die Scheidung zugesprochen wird, verpflichtet, seiner ersten Ehefrau Unterhaltsleistungen in bestimmter Höhe zu erbringen. Bei der Einkommensteuerveranlagung 1964 beantragte der Steuerpflichtige, die Zahlungen an die frühere Ehefrau in Höhe von rd. 11 000 DM als Sonderausgaben zum Abzug zuzulassen. Das FA erkannte lediglich den Freibetrag von 1 200 DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33a Abs. 1 EStG an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG wies die Klage im wesentlichen aus folgenden Gründen ab: Nach § 12 Nr. 2 EStG dürften unbeschadet der Vorschrift des § 10 EStG Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigte Person weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden, auch wenn die Zuwendungen auf einer besonderren Vereinbarung beruhten. Die frühere Ehefrau des Steuerpflichtigen sei gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigt. Nach § 12 Nr. 2 EStG könne der Steuerpflichtige als Unterhaltspflichtiger die steuerliche Abzugsfähigkeit der von ihm zu erbringenden Leistungen nicht durch Abschluß eines Unterhaltsvertrags erreichen.
Mit der Revision rügt der Steuerpflichtige die Verletzung materiellen Rechts. Er trägt vor: Die von ihm geleisteten Zahlungen beruhten nicht auf der gesetzlichen Unterhaltspflicht gemäß § 58 des Ehegesetzes, sondern ausschließlich auf der notariellen Vereinbarung vom 11. Juni 1963. Daß er noch aus § 58 des Ehegesetzes zum Unterhalt verpflichtet werde, sei bei Abschluß des notariellen Vertrags nicht abzusehen gewesen, weshalb er die vertragliche Verpflichtung unabhängig vom Ausgang des Scheidungsprozesses eingegangen sei. Das FG habe auch das Urteil des BFH VI 298/65 vom 7. Dezember 1966 (BFH 87, 610, BStBl III 1967, 245) nicht richtig angewandt. Bei Verträgen auf Gegenseitigkeit - hier: Erhebung der Scheidungsklage gegen Gewährung der Unterhaltsansprüche - greife das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG nicht ein.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
Nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende Renten und dauernde Lasten als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Das wird jedoch durch § 12 Nr. 2 EStG insoweit eingeschränkt, als Zuwendungen an eine gegenüber dem Steuerpflichtigen gesetzlich unterhaltsberechtigte Person nicht abziehbar sind, selbst wenn diese Zuwendungen auf einer besonderen Vereinbarung beruhen. Das FG hat zutreffend die Voraussetzungen des § 12 Nr. 2 EStG im Streitfall als gegeben angesehen.
1. Wann gesetzliche Unterhaltspflicht eintritt, richtet sich nach bürgerlichem Recht, d. h. im Falle der Ehescheidung nach dem Ehegesetz. Für die steuerrechtliche Beurteilung der Rechtsbeziehungen zwischen geschiedenen Eheleuten bildet das Scheidungsurteil als richterlicher Gestaltungsakt die Grundlage. Es ist nicht Aufgabe der Finanzverwaltungsbehörden oder der Steuergerichte, im Falle einer Konventionalscheidung, wie sie hier nach dem Vortrag des Steuerpflichtigen vorliegt, den "wahren" Umständen nachzugehen (vgl. die Urteile des BFH VI 8/65 vom 16. Juli 1965, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 10 Abs. 1 Nr. 1, Rechtsspruch 83; III 159/65 vom 4. Oktober 1968, BFH 94, 34, und die dort genannten Entscheidungen). Es ist deshalb im Streitfall nicht zu prüfen, wer die Ehescheidung des Steuerpflichtigen tatsächlich verschuldet hat. Das Scheidungsurteil ist maßgebend.
2. Nach dem Scheidungsurteil beruht die Ehescheidung des Steuerpflichtigen auf dessen alleinigem Verschulden. Die gesetzliche Folge hiervon ist, daß der Steuerpflichtige seiner ersten Ehefrau den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu gewähren hat, soweit die Einkünfte aus dem Vermögen der Frau und die Erträgnisse einer Erwerbstätigkeit nicht ausreichen (§ 58 Abs. 1 des Ehegesetzes). Für die konkrete Unterhaltspflicht sind also noch subjektive Umstände (Unterhaltsbedürftigkeit und Leistungsfähigkeit) von Bedeutung (vgl. Vogel in Soergel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, IV. Band, 9. Aufl., § 58 des Ehegesetzes, Anm. 7). Die geschiedene Ehefrau des Steuerpflichtigen gehört zu dem Kreis der gesetzlich potentiell Unterhaltsberechtigten und der Steuerpflichtige zu dem der gesetzlich potentiell Unterhaltsverpflichteten. Diese gesetzliche potentielle Unterhaltspflicht genügt dem Begriff der "gesetzlich unterhaltsberechtigten Person" im Sinne von § 12 Nr. 2 EStG. Es ist insoweit nicht erforderlich, daß auch die subjektiven (konkreten) Voraussetzungen einer Unterhaltspflicht gegeben sind. Auf die Frage, ob der Berechtigte bedürftig und der Verpflichtete leistungsfähig ist, kommt es also nicht an (vgl. die Urteile des BFH VI 84/60 U vom 24. Februar 1961, BFH 72, 515, BStBl III 1961, 188; VI 227/60 U vom 8. September 1961, BFH 73, 739, BStBl III 1961, 535, VI 192/61 vom 28. Juni 1963, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 33 a, Rechtsspruch 66). Der BFH kommt zu diesem Ergebnis u. a. deshalb, weil das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterhaltspflicht - ob und in welcher Höhe nach den subjektiven Verhältnissen der Beteiligten Unterhalt zu leisten ist - für Außenstehende kaum nachprüfbar ist, zumal wenn die Beteiligten - wie im Streitfall - ohne Prozeß eine vergleichsweise Unterhaltsregelung getroffen haben. In diesen Fällen entspricht es dem Wesen der Besteuerung als eines Massenverfahrens, den Weg der leichteren Abgrenzung zu beschreiten, die zugleich auch eine bessere Gewähr für die gleichmäßige Anwendung der Steuergesetze bietet.
3. Der Umstand, daß der Steuerpflichtige vor dem Ergehen des Scheidungsurteils eine vertragliche Unter haltsverpflichtung eingegangen ist, ändert an dem vorstehenden Ergebnis nichts. Denn § 12 Nr. 2 EStG läßt den Abzug der Zuwendungen selbst dann nicht zu, wenn sie auf einer besonderen Vereinbarung beruhen. Dabei ist es nach Auffassung des Senats gleichgültig, ob die besondere Vereinbarung nach der Feststellung der gesetzlichen Unterhaltspflicht im Scheidungsurteil oder - wie im Streitfall - vor dieser Feststellung getroffen worden ist. Eine verschiedenartige Beurteilung beider Fälle wäre sachlich nicht gerechtfertigt, zumal es sonst nur aus steuerlichen Gründen naheläge, Unterhaltsvereinbarungen jeweils kurz vor Ergehen eines Scheidungsurteils, wenn das voraussichtliche Ergebnis des Verfahrens sich abgezeichnet hat, zu treffen. Im übrigen würden Ehegatten, die sich im Wege der Konventionalscheidung scheiden lassen, gegenüber anderen, die eine Scheidung erst nach langem Rechtsstreit erreichten, steuerlich bevorzugt. Die ersten könnten, da sie von vornherein durch ihren gegenüber dem Gericht abgestimmten Vortrag den an der Scheidung Schuldigen bestimmen, ohne weiteres vertraglich vereinbaren, daß dieser Schuldige in bestimmter Höhe den Unterhalt des anderen zu tragen habe mit der Folge, daß dem Abzug der späteren Leistungen § 12 Nr. 2 EStG nicht entgegenstünde. Die letzteren müßten dagegen erst auf den Schuldspruch des Gerichts warten und könnten dann, wenn sie sich diesem Schuldspruch entsprechend auf eine bestimmte Höhe der Unterhaltszahlungen einigten, diese dennoch wegen § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehen.
Der Hinweis des Steuerpflichtigen, er erbringe die Unterhaltsleistungen nicht wegen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht, sondern als Gegenleistung für die Erhebung der Scheidungsklage durch seine frühere Ehefrau, kann keinen Erfolg haben. Es ist zwar möglich, daß zwischen Personen, von denen die eine gegenüber der anderen im obigen Sinne unterhaltsberechtigt ist, vertragliche Rechtsbeziehungen begründet werden, die unabhängig von der gesetzlichen Unterhaltspflicht eine Rentenvereinbarung zum Gegenstand haben. Das ist aber nur anzunehmen, wenn es sich um vertragliche Beziehungen handelt, die unabhängig von der Unterhaltsfrage begründet wurden, z. B. durch einen Kaufvertrag, wie er in gleicher Weise auch zwischen Fremden möglich wäre. Im vorliegenden Fall sieht der Steuerpflichtige die Gegenleistung der früheren Ehefrau für die ihr zugesagten Unterhaltszahlungen in ihrer Bereitwilligkeit, die Scheidungsklage zu erheben. Dieses Verhalten der geschiedenen Ehefrau gehört jedoch in den Bereich der Vorgänge, die zur Entstehung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs geführt haben (vgl. auch das Urteil des Senats VI 192/61, a. a. O.).
Aus dem Urteil des Senats VI 298/65 (a. a. O.) läßt sich demgegenüber nichts zugunsten des Steuerpflichtigen ableiten. In jenem Fall hat der Ehemann seiner Frau vor Ergehen des Scheidungsurteils eine Unterhaltsrente zugesagt, wenn sie seine Behauptungen im Prozeß anerkenne und die Alleinschuld übernehme. Tatsächlich ist die Ehe auch aus dem Alleinverschulden der Ehefrau geschieden worden. Die geschiedene Ehefrau war deshalb nicht gegenüber ihrem früheren Ehemann gesetzlich potentiell unterhaltsberechtigt (§ 58 Abs. 2 des Ehegesetzes). Die Zuwendungen des steuerpflichtigen Ehemanns waren also nicht an eine "gesetzlich unterhaltsberechtigte Person" erfolgt, weshalb § 12 Nr. 2 EStG insoweit nicht eingreifen konnte. Die genannte Vorschrift war aber auch insoweit nicht anwendbar, als sie "freiwillige" Zuwendungen nicht zum Abzug zuläßt. Die Freiwilligkeit hat der Senat in jenem Fall verneint, weil sich die Ehefrau zu einer Gegenleistung - Übernahme der Alleinschuld - verpflichtet hatte. Im Streitfall hat die geschiedene Ehefrau zwar auch eine Gegenleistung - Erhebung der Klage - erbracht. Da ihre Leistung jedoch, wie ausgeführt, mit der Unterhaltsfrage verquickt ist und zur Entstehung des gesetzlichen Unterhaltsanspruchs geführt hat, greift im Streitfall § 12 Nr. 2 EStG ein.
Fundstellen
Haufe-Index 68850 |
BStBl II 1970, 115 |
BFHE 1970, 303 |