Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen als Betriebsausgaben im Zweikontenmodell/Dreikontenmodell
Leitsatz (amtlich)
Der X.Senat legt dem Großen Senat des BFH gemäß § 11 Abs. 4 FGO folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vor:
a) Läßt sich ein Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben allein dadurch erreichen, daß der Steuerpflichtige planmäßig betriebliche Einnahmen und Ausgaben über formell getrennte Bankkonten leitet und von dem Einnahmenkonto Beträge für Investitionen im privaten Bereich entnimmt und Ausgaben zu Lasten des Kreditkontos bestreitet (sog. Zwei-/Dreikontenmodell)?
b) Für den Fall, daß die Frage zu a) zu bejahen ist:
Ändert sich die Zuordnung, wenn der Steuerpflichtige die bereits früher vereinbarte Finanzierung für eine Investition im privaten Bereich in der Weise ersetzt, daß
- er den privaten Kredit durch vom betrieblichen Einnahmenkonto entnommene Mittel ablöst und
- mit dem "neuen", zu im wesentlichen inhaltsgleichen Bedingungen wie bisher vereinbarten Kredit die auf dem betrieblichen Kreditkonto ausgewiesene Verbindlichkeit umschuldet?
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1; FGO § 11 Abs. 4
Tatbestand
I. Sachverhalt
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt in A einen Blumeneinzelhandel. Er bewohnt zusammen mit seiner Ehefrau ein in H belegenes Einfamilienhaus. Ein Raum des Hauses wird als Büro genutzt. Der Kläger und seine Ehefrau haben das Haus im Jahre 1981 erworben. Der Kauf wurde weitgehend fremdfinanziert. Im Jahre 1983 wurde ein Kredit der Kreissparkasse S durch zwei Darlehen der X-Lebensversicherung (X) über 150 000 DM bzw. 50 000 DM abgelöst (Vertragsnummern ...529/0 bzw. ...529/1). Darlehensnehmer waren die Eheleute. Die Zinssätze von 7 bzw. 7,5 v.H. waren bis zum 31. März 1993 fest. Die Darlehen waren gesichert durch eine Buchgrundschuld und durch Lebensversicherungen. Sie waren frühestens zum 31. März 1993 kündbar und durch Lebensversicherungen zu tilgen; laufende Tilgungen waren nicht vorgesehen.
Im Jahre 1988 wollte der Kläger die Darlehen vorzeitig zurückzahlen. Die X stimmte einer vollständigen Rückzahlung der Darlehen gegen eine Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 2 v.H. zu. Ende 1988 und in der ersten Jahreshälfte 1989 wurden die Darlehen in der folgenden Weise zurückgezahlt: Der Kläger verfügte bei der B-Bank über ein betriebliches Girokonto (Nr. ...30), das einen erheblichen Schuldsaldo auswies. Am 18. Oktober 1988 eröffnete der Kläger ein weiteres betriebliches Girokonto (Nr. ...31) bei der B-Bank. Seit diesem Zeitpunkt wurden die Betriebseinnahmen auf diesem Konto erfaßt, während die Betriebsausgaben weiterhin von dem Konto Nr. ...30 gezahlt wurden. Beide Konten wurden getrennt geführt. Eine Zinskompensation fand nicht statt. Am 28. November 1988 entnahm der Kläger 50 000 DM vom Konto Nr. ...31. Die Summe wurde zur Tilgung des Darlehens ...529/1 verwendet.
Am 4. Januar 1989 nahm der Kläger als Alleinschuldner ein neues Darlehen über 50 000 DM bei der X auf (Nr. ...529/2; Darlehenszusage vom 13. Dezember 1988). Der Zinssatz betrug 7 v.H. und war festgeschrieben bis zum 30. März 1993. Das Darlehen wurde gesichert durch eine Buchgrundschuld und Lebensversicherungen bei der X. Es sollte getilgt werden durch Auszahlung der Lebensversicherungen. Die Darlehenssumme wurde am 31. Januar 1989 auf das betriebliche Girokonto Nr. ...30 überwiesen. Der negative Kontostand verringerte sich dadurch auf 112 308 DM.
Am 24. April 1989 entnahm der Kläger dem betrieblichen Konto Nr. ...31 den Betrag von 150 000 DM und tilgte das Darlehen ...529/0 über 150 000 DM. Aufgrund einer am 18. Mai 1989 erteilten Zusage schloß der Kläger mit der X einen weiteren Darlehensvertrag (Nr. ...529/3) über 150 000 DM. Der bis zum 31. März 1993 festgeschriebene Zinssatz betrug 7 v.H.; das Darlehen war durch eine Buchgrundschuld über 150 000 DM und durch Lebensversicherungen bei der X gesichert und frühestens zum 31. März 1993 kündbar. Die Tilgung war durch die genannten Lebensversicherungen vorgesehen. Die Darlehenssumme wurde auf das betriebliche Girokonto Nr. ...30 bei der B-Bank mit Wertstellung 6. Juni 1989 überwiesen. Der Sollsaldo dieses Kontos verringerte sich dadurch auf 57 236 DM.
Das betriebliche Girokonto Nr. ...31 wurde am 18. Mai 1989 aufgelöst. Das restliche Guthaben von 337,80 DM wurde auf das betriebliche Girokonto Nr. ...30 überwiesen.
Die Bewegungen auf den Konten Nr. ...30 und ...31 vollzogen sich wie folgt:
Girokonto Girokonto
Nr. ...30 Nr. ...31
28. November 1988
vor Darlehenstilgung ./. 86 711 DM 67 193 DM
nach Darlehenstilgung
./. 86 711 DM 17 193 DM
31. Januar 1989
vor Darlehensaufnahme
./. 162 308 DM 82 563 DM
nach Darlehensaufnahme
./. 112 308 DM 82 563 DM
24. April 1989
vor Darlehenstilgung
./. 196 368 DM 153 754 DM
nach Darlehenstilgung
./. 196 368 DM 3 754 DM
5. Juni 1989
vor Darlehensaufnahme
./. 207 236 DM aufgelöst
nach Darlehensaufnahme
./. 57 236 DM
Die im Jahre 1989 aufgenommenen Darlehen ...529/2
und ...529/3 behandelte der Kläger als
Betriebsschulden. Die Schuldzinsen in Höhe von 5
833,34 DM (1989), 14 250 DM (1990) und 14 000 DM
(1991) zog er als Betriebsausgaben ab.
Nach einer Außenprüfung erkannte der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) nur den
Teil der Zinsen (8 v.H.) als Betriebsausgaben an,
der auf den Arbeitsraum im Einfamilienhaus
entfiel. Nach seiner Auffassung waren die Darlehen
zur Finanzierung von Entnahmen aufgenommen worden.
Die gegen die geänderten Feststellungsbescheide
eingelegten Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung u.a. ausgeführt:
Die Entnahmen von Girokonto Nr. ...31 und die Aufnahme der Darlehen seien als zusammenhängende Vorgänge zu beurteilen. Der "auslösende Vorgang" für die Schulden habe "nicht in vollem Umfang" im betrieblichen Bereich gelegen. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mittlerweile klargestellt, daß der bloße Umweg eines in die Privatsphäre gerichteten Zahlungsstroms über ein zweites betriebliches Konto an der privaten Veranlassung nichts ändere. Im Streitfall ergebe sich aus dem Zusammenhang der Zahlungen, daß die Schuldzinsen nur dann Betriebsausgaben sein könnten, wenn der negative Saldo auf dem betrieblichen Konto durch spätere betriebliche Aufwendungen entstanden sei. Entstehe oder erhöhe sich ein Sollsaldo auf einem betrieblichen Kontokorrentkonto durch eine Entnahme, so seien damit die Voraussetzungen eines sog. gemischten Kontos gegeben (Bezugnahme auf BFH-Urteil vom 5. März 1991 VIII R 93/84, BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516). Auch beim sog. Zweikontenmodell sei die tatsächliche Verwendung des Darlehens zu prüfen. Dabei sei isoliert auf das einzelne Kontokorrent abzustellen. Der die Schuldzinsen verursachende Kontokorrentkredit müsse allein für betriebliche Ausgaben verwendet werden. Danach könne der Steuerpflichtige nur in begrenztem Umfang im Betrieb vorhandene Mittel entnehmen und gleichzeitig weitere (nicht bereits getätigte) betriebliche Aufwendungen über Betriebsschulden bestreiten. Die Grenze für die hiernach zulässige Gestaltung werde durch § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) gezogen. Ob hier eine Umgehung des Steuergesetzes im Sinne dieser Vorschrift vorliege, brauche nicht geprüft zu werden.
Wenn die vorhandenen Mittel bereits im Betrieb eingesetzt seien und der neue Finanzierungsbedarf nur dadurch entstehe, daß Gelder entnommen würden, seien die Darlehensmittel nicht für betriebliche Zwecke aufgenommen und eingesetzt, sondern für eine Entnahme (Urteil in BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516). Der Umstand, daß die Kreditmittel nicht unmittelbar, sondern auf dem Umweg über das Einnahmenkonto in die Privatsphäre überführt würden, ändere nichts an der tatsächlichen Verwendung für private Zwecke. Dabei könne nicht allein auf die zeitliche Reihenfolge abgestellt werden. Solange es sich bei den Privatentnahmen um betriebliche Einnahmen handele und der im Ausgabenkonto entstehende Negativsaldo von Betriebsausgaben bzw. betrieblichen Anschaffungen herrühre, liege ein für den Schuldzinsenabzug unschädlicher sukzessiver Austausch von Eigen- durch Fremdmittel vor. Anders verhalte es sich, wenn die Entnahmen und die Aufnahme von Darlehen zusammenhängende Vorgänge seien. Das sei der Fall, wenn die vorhandenen Mittel bereits für den Betrieb eingesetzt seien und der neue Finanzierungsbedarf nur dadurch entstehe, daß Gelder entnommen werden sollen; dann würden die Darlehen für eine Entnahme verwendet.
Bei Anwendung dieser Grundsätze seien die Entnahmen vom Einnahmenkonto und die Darlehensaufnahmen im Jahre 1989, die zur Minderung des Schuldsaldos auf dem Konto Nr. ...30 geführt hätten, als zusammenhängende Vorgänge zu werten. Die Darlehensmittel hätten wirtschaftlich der Entnahmefinanzierung gedient. Dies folge aus einer Gesamtwürdigung der im Zeitraum zwischen der Einrichtung und Auflösung des Kontos Nr. ...31 und parallel dazu auf dem Konto Nr. ...30 im Zusammenhang mit den Darlehenszuflüssen festzustellenden Kontenbewegungen. Die Valuta der aufgenommenen Darlehen hätten nur bei vordergründiger Betrachtung einer Umschuldung des auf dem betrieblichen Girokonto entstandenen Negativsaldos gedient.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Er trägt u.a. vor:
Ob die von ihm aufgenommenen, zur Ablösung der auf dem Betriebsausgabenkonto entstandenen Kontokorrentverbindlichkeit aufgenommenen X-Darlehen Betriebsschulden und die darauf entfallenden Zinsen in vollem Umfang Betriebsausgaben seien, richte sich nach dem tatsächlichen Verwendungszweck der Darlehen. In Anwendung der vom Großen Senat des BFH im Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) und der Folgerechtsprechung aufgestellten Grundsätze führten die X-Darlehen zu betrieblichen Zinsaufwendungen. Denn die durch sie abgelöste Kontokorrentverbindlichkeit sei ausschließlich durch betriebliche Aufwendungen entstanden. Die Darlehen hätten der Umschuldung der betrieblich veranlaßten Kontokorrentverbindlichkeit gedient. Es habe keine Zahlungen von dem Betriebsausgaben- auf das Betriebseinnahmenkonto gegeben. Entgegen der Darlegung des FG könne die betriebliche Veranlassung der Umschuldung nicht dadurch in Frage gestellt werden, daß er das Betriebseinnahmenkonto allein zum Zwecke der Umschuldung eingerichtet habe. Er habe sich zulässigerweise des Zweikontenmodells bedient. Die Auffassung des FG, daß die Minderung der betrieblichen Liquidität durch Privatentnahmen mittels der beiden Darlehen aufgefangen worden sei, sei nicht haltbar. Ein möglicher "enger zeitlicher Zusammenhang" zwischen Entnahme und Darlehenszufluß sei unbeachtlich.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Gewinnfeststellungsbescheide vom 2. März 1992, vom 26. März 1993 und vom 3. Mai 1993, alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Juli 1993, in der Weise zu ändern, daß weitere Betriebsausgaben in Höhe von 5 833,34 DM (1989), 14 250 DM (1990) und 14 000 DM (1991) anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Rechtsauffassung des vorlegenden Senats
Der Senat möchte die Revision als unbegründet zurückweisen. Ungeachtet der "Umschuldung" bleibt der ursprüngliche private Finanzierungszweck (Erwerb eines Einfamilienhauses) maßgebend. Bei wertender Betrachtung verbleibt es bei dieser Zuordnung, weil die vereinbarten Kreditbedingungen ihrer Art nach typischerweise auf die Finanzierung eines Hauskaufs hinweisen. Auch kann das für die steuerrechtliche Wertung maßgebende ursprüngliche "auslösende Moment" der Finanzierung nicht infolge planmäßiger Kombination von formaler Aufhebung und zeit- sowie inhaltsgleichem Neuabschluß entfallen. Die Anwendung des Zwei-/Dreikontenmodells rechtfertigt keine andere Auffassung.
III. Der Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 und die hierzu ergangene Folgerechtsprechung
1. Der Große Senat des BFH hat in diesem Beschluß entschieden:
a) Schuldzinsen sind abziehbar, wenn sie durch das Erzielen von Einkünften veranlaßt sind, mithin in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Einkunftsart des EStG stehen (§ 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG). Maßgebend dafür, ob ein für die Veranlassung durch eine Einkunftsart ausreichender wirtschaftlicher Zurechnungszusammenhang besteht, ist "zum einen die --wertende-- Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen 'auslösenden Moments' ..., zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre". Ergibt diese Prüfung, daß die Aufwendungen nicht oder in nur unbedeutendem Umfang auf privaten, der Lebensführung des Steuerpflichtigen zuzurechnenden Umständen beruhen, so sind sie als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuerkennen und --vorbehaltlich einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung-- abziehbar. Danach sind Schuldzinsen "anhand des tatsächlichen Verwendungszwecks der Erwerbs- oder Privatsphäre zuzuordnen" (in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2. b bb). Schuldzinsen können nicht allein kraft einer Willensentscheidung des Steuerpflichtigen zu Betriebsausgaben werden (a.a.O., C. II. 3. a).
Aus dem für die Zurechnung von Schulden und Schuldzinsen zur Einkunftssphäre maßgeblichen Kriterium des tatsächlichen Verwendungszwecks ergibt sich, daß es für das Vorliegen eines solchen Zusammenhangs unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige mit Darlehen finanzierte Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können oder ob der Betrieb über aktives Betriebsvermögen oder stille Reserven verfügt, die zur Deckung der Betriebsschulden herangezogen werden könnten. Dementsprechend ist der betriebliche Charakter von Schulden auch dann anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige "zunächst Barmittel dem Betrieb entnimmt und im Anschluß hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanziert" (a.a.O., unter C. II. 3. e).
b) Nimmt der Steuerpflichtige ein Darlehen auf, um damit eine Kreditverbindlichkeit abzulösen, entscheidet die tatsächliche Verwendung des abgelösten Kredits darüber, ob es sich bei dem Darlehen um eine Betriebsschuld handelt und die Darlehenszinsen Betriebsausgaben sind (a.a.O., unter C. II. 3. d; Urteil in BFHE 164, 46, 49, BStBl II 1991, 516).
c) Der Aufteilung einer durch betriebliche und private Vorgänge entstandenen "gemischten" Kontokorrentschuld und der entsprechenden Zinsen anhand der Zinsstaffelmethode bedarf es nicht, wenn der Steuerpflichtige "zwei (oder mehr) Kontokorrentkonten" unterhält und er "die betrieblich sowie die außerbetrieblich veranlaßten Auszahlungen über unterschiedliche Konten" abwickelt. In diesem Fall ist jedes Kontokorrentkonto grundsätzlich ein selbständiges Kontokorrent. Das der Abwicklung der außerbetrieblichen Zahlungen dienende Kontokorrentkonto gehört dann regelmäßig zum Privatvermögen, während das dem betrieblichen Zahlungsverkehr gewidmete Kontokorrentkonto dem Betriebsvermögen zuzuordnen ist. "Unter dieser Voraussetzung" sind die auf dem betrieblichen Kontokorrentkonto anfallenden Schuldzinsen regelmäßig auch dann Betriebsausgaben, wenn Beträge vom betrieblichen auf das private Schuldkonto überwiesen werden, dadurch auf dem privaten Kontokorrentkonto Verbindlichkeiten getilgt werden und ein negatives betriebliches Kontokorrentkonto entsteht. Bei den Überweisungen "vom betrieblichen auf das private Kontokorrentkonto" handelt es sich um Entnahmen aus dem Betriebsvermögen. Die betriebliche Veranlassung des dadurch ausgelösten Mittelbedarfs bleibt unberührt (a.a.O., unter C. II. 5. i).
d) Diese Auslegung trägt sowohl den Aussagen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in dessen Entscheidungen vom 13. März 1979 2 BvR 72/76 (BVerfGE 50, 386, BStBl II 1979, 322) und vom 13. Juni 1988 1 BvR 68/88 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 316) als auch dem Gesichtspunkt der Praktikabilität Rechnung.
2. Die vom Großen Senat aufgestellten Rechtssätze sind von der Folgerechtsprechung wie folgt konkretisiert worden:
a) Schuldzinsen können nur dann Betriebsausgaben sein, wenn der negative Saldo auf dem betrieblichen Konto durch spätere betriebliche Aufwendungen entstanden ist (Urteil in BFHE 164, 46, 48 f., BStBl II 1991, 516; vgl. auch BFH-Urteile vom 15. November 1990 IV R 97/82, BFHE 162, 557, 561, BStBl II 1991, 226, und vom 27. Januar 1993 IX R 229/87, BFH/NV 1993, 603). Dabei ist dann unerheblich, daß dieser negative Saldo unmittelbar auch dadurch verursacht wurde, daß der Steuerpflichtige zuvor durch seine Entnahmen "dem betrieblichen Konto" Guthaben entzogen hat (vgl. auch Urteil in BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226, unter II. 2.). Entsteht oder erhöht sich dagegen ein Sollsaldo "auf einem betrieblichen Konto" durch eine Entnahme, sind die Voraussetzungen eines sog. gemischten Kontos gegeben.
Nach der Rechtsprechung des VIII.Senats des BFH ist die Verwendung der Darlehensmittel zur Tilgung der privaten Kaufpreisschuld eines Gesellschafters eine Entnahme des Gesellschafters, wobei die banktechnischen Modalitäten der Überweisung der Darlehensvaluta ohne steuerrechtliche Bedeutung sind. Die Ersetzung einer Gesellschaftereinlage durch Fremdmittel kann betrieblich veranlaßt sein. Entzieht der Gesellschafter z.B. durch Entnahme der Gesellschaft liquide Mittel, die sie später benötigt und sich dann durch ein Darlehen beschafft, ist das Darlehen betrieblich veranlaßt, es sei denn, Entnahme und Darlehensaufnahme seien zusammenhängende Vorgänge. Es steht dem Kaufmann grundsätzlich frei, so der VIII.Senat, Ausgaben durch eigene oder fremde Mittel zu tätigen. Seien die vorhandenen Mittel aber bereits für den Betrieb eingesetzt und "entstehe der neue Finanzierungsbedarf nur dadurch, daß Gelder entnommen werden", seien die Darlehensmittel nicht für betriebliche Zwecke aufgenommen und eingesetzt, sondern für die Entnahme (Urteil in BFHE 164, 46, 48 ff., BStBl II 1991, 516).
b) Das Urteil des IV.Senats des BFH vom 21. Februar 1991 IV R 46/86 (BFHE 163, 551, 553, BStBl II 1991, 514) hat --bei Abwicklung des Zahlungsverkehrs über ein einziges Kontokorrentkonto-- angesichts eines engen zeitlichen Zusammenhangs zwischen dem Eingang von Darlehensmitteln und der Begleichung einer privaten (Einkommensteuer-)Schuld und angesichts einer nahezu vollständigen Übereinstimmung der Beträge eine wirtschaftliche Verbindung zwischen diesen Vorgängen angenommen. Die Überweisung der Darlehensmittel auf das Kontokorrentkonto ist als durch die Zahlung von Einkommensteuer veranlaßt angesehen worden.
3. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich in seinem Schreiben vom 10. November 1993 (BStBl I 1993, 930; s. auch Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1993 R 13 Abs. 15 Sätze 8 und 9) auf die Entscheidung in BFHE 163, 551, 553, BStBl II 1991, 514 bezogen und ausgeführt:
Unterhält der Steuerpflichtige für den betrieblich veranlaßten Zahlungsverkehr mehrere rechtlich selbständige Kontokorrentkonten, sind Umbuchungen von einem auf ein anderes Konto auf ihren Zusammenhang mit einer Entnahme hin zu prüfen (a.a.O.). Entsteht oder erhöht sich ein Sollsaldo auf einem betrieblichen (Schuld-)Konto durch Umbuchungen auf ein anderes betriebliches Konto (Guthabenkonto), sind die sich aus der Umbuchung (Darlehensaufnahme) ergebenden Schuldzinsen nur als Betriebsausgaben abziehbar, soweit die Umbuchung zu Lasten des Schuldkontos nicht der Finanzierung einer Entnahme dient (Bezugnahme auf das Urteil in BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516). In letzterer Hinsicht kommt es auf die wirtschaftliche Verbindung zwischen Umbuchung und Entnahme an. Von einer wirtschaftlichen Verbindung ist --so das BMF-- stets auszugehen, wenn zwischen Umbuchung und Entnahme ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht und beide Vorgänge auch betragsmäßig völlig oder nahezu völlig übereinstimmen. Dient die Umbuchung der Finanzierung einer Entnahme, ist der Sollsaldo insoweit nicht betrieblich veranlaßt (Bezugnahme auf die BFH-Urteile vom 15. November 1990 IV R 63/88, BFHE 162, 562, BStBl II 1991, 238; in BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516).
4. Das FG Bremen (Urteil vom 18. August 1992, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1993, 139) hat für den Fall der "Umschuldung" durch neu aufgenommene Darlehensmittel bei zeit- und betragsgleicher Entnahme für private Zwecke die Auffassung vertreten, ein enger zeitlicher Zusammenhang und die weitgehende betragsmäßige Übereinstimmung zwischen den Darlehen und den getätigten Entnahmen indizierten die private Veranlassung der Darlehensaufnahme. Allein im Hinblick auf eine getrennte Verbuchung der Darlehensmittel dürfe ein Steuerpflichtiger nicht besser gestellt werden als ein Unternehmer, der nur ein einziges (Kontokorrent-)Konto unterhalte. - Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ist vom BFH durch Beschluß vom 10. März 1993 VIII B 105/92 (nicht veröffentlicht --NV--) mit der Begründung zurückgewiesen worden, das Urteil weiche nicht vom Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 ab.
Das Hessische FG hatte in seinem nichtrechtskräftigen Urteil vom 13. Dezember 1994 14 K 4147/91 (NV) den Fall zu beurteilen, daß die Finanzierung eines Einfamilienhauses durch Sondertilgungen mittels Entnahmen vom betrieblichen Kontokorrentkonto abgelöst und ein weiteres Kontokorrentkonto eröffnet wurde, für das die Hausbank einen Zwischenkredit einräumte. Von diesem Konto beglich der Kläger Miet-, Gehalts- und Warenforderungen bis zu einem Betrag von ca. 250 000 DM. Letzteres Konto wurde aufgelöst, nachdem der Kläger den Passivsaldo durch neu aufgenommene langfristige und durch Grundpfandrechte auf dem Einfamilienhaus gesicherte Darlehen sowie --zu einem geringeren Teil-- durch Überweisungen von dem betrieblichen Guthabenkonto abgelöst hatte. Das Hessische FG hat den beantragten Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben unter Hinweis auf § 42 AO 1977 versagt. Der Kläger habe sein betriebliches Konto lediglich für einen vorübergehenden Zeitraum in zwei betriebliche Konten aufgeteilt und anschließend das im Soll stehende betriebliche Ausgabenkonto "in zwei langfristige Darlehen umgewandelt". Ursprüngliches wirtschaftliches Ziel des Klägers sei die Finanzierung eines privaten Hauskaufs gewesen. Obwohl der private Kreditbedarf zunächst gedeckt gewesen sei, habe der Kläger mit seiner Hausbank lediglich aus steuerlichen Gründen Vereinbarungen getroffen, die vorübergehend zur Errichtung eines zusätzlichen Kontos und im Ergebnis eine Umschuldung des ursprünglichen Hypothekenkredits mittels zwei (neuer) Darlehensverträge bewirkt hätten. Verständige Parteien hätten den ursprünglichen Hypothekenkredit weitergeführt.
Das Urteil des FG München vom 17. Juni 1993 9 K 3321/90 (NV) betrifft den Fall, daß ein mittels eines Zweikontenmodells in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang mit der Finanzierung eines Hauskaufs entstandener Schuldsaldo durch hypothekarisch gesicherte, nach Baufortschritt auszuzahlende Annuitäten-Hausbaudarlehen abgelöst wurde. Das FG vertrat die Auffassung, die hierauf zu zahlenden Schuldzinsen stünden in unmittelbarem Zusammenhang mit der Errichtung des privaten Einfamilienhauses. Sie dürften den Gewerbeertrag auch dann nicht mindern, wenn ein Unternehmer "zur Verschleierung des eigentlichen Schuldgrundes dem Betrieb Mittel zum Erwerb eines privaten Einfamilienhauses entnehme, die auf einem Einnahmenkonto erfaßt seien, um zeitgleich auf dem Ausgabenkonto entsprechende Schulden mit dem zur Errichtung des Hausbaus beantragten Kredit abzudecken". Die Finanzierung der Betriebsausgaben über Darlehen finde ihre Grenze im Wert des Unternehmens selbst. Das Darlehen sei nach den vereinbarten Konditionen nicht als Geschäftsdarlehen gewährt worden.
Demgegenüber hat es das FG Düsseldorf als unschädlich angesehen, wenn ein durch Wareneinkäufe entstandener kurzfristiger Überziehungskredit (Betriebsmittelkredit) durch ein langfristiges Darlehen abgelöst wird; dies auch dann, wenn zeitgleich zum Aufbau des entsprechenden Schuldsaldos vom betrieblichen Einnahmenkonto Mittel zur Finanzierung eines Hauskaufs entnommen worden sind (Urteil vom 9. November 1994 2 K 1140/93 E, NV).
IV. Begründung für die Rechtsauffassung des vorlegenden Senats
1. Der Senat hält die Annahme des FG, die im Januar und Mai 1989 aufgenommenen Darlehen stünden in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Finanzierung des Eigenheimes, für zutreffend.
Weder das Rechtsinstitut des Kontokorrents noch die grundsätzliche zivilrechtliche Selbständigkeit eines jeden Kontokorrentkontos nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kreditinstitute noch gar eine bestimmte buchmäßige Darstellung als solche rechtfertigen es, Verbindlichkeiten allein deswegen als Betriebsschulden anzusehen, weil sie buch- oder kontenmäßig in bestimmter Weise behandelt werden (vgl. Urteil in BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514). Maßgebend für die steuerliche Qualifikation sind vielmehr auch insoweit das Veranlassungsprinzip und die sich hieraus ergebenden Folgerungen (vgl. Großer Senat in BFHE 161, 290, 307 f., BStBl II 1990, 817, unter C. II. 4. b). Einer isolierten Beurteilung einzelner Rechts- bzw. Zahlungsvorgänge sind vor allem dadurch Grenzen gesetzt, daß die nach den Darlegungen des Großen Senats gebotene wertende Beurteilung als dem auslösenden Moment eine Gesamtwürdigung gebietet, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen (oben III. 1. d) Rechnung trägt.
2. Nach Auffassung des erkennenden Senats ergibt sich aus dem Beschluß des Großen Senats nicht der vom Kläger beanspruchte Rechtssatz zugunsten eines "Zweikontenmodells" der hier zu beurteilenden Art. Der Große Senat (in BFHE 161, 290, 316, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 5. i) befaßt sich ausdrücklich (nur) mit dem Fall, daß der Steuerpflichtige "zwei (oder mehr) Kontokorrentkonten unterhält und die betrieblich sowie die außerbetrieblich veranlaßten Auszahlungen über unterschiedliche Konten abgewickelt werden". Mit diesen und den oben (III. 1.) wiedergegebenen Ausführungen spricht der Große Senat nur den Fall an, daß neben dem privaten Konto ein einziges betriebliches Kontokorrentkonto besteht, über das der gesamte betriebliche Zahlungsverkehr --Betriebsausgaben und -einnahmen-- abgewickelt wird. Dies geht auch daraus hervor, daß er in anderem Zusammenhang Überweisungen "vom betrieblichen auf das private Kontokorrentkonto" erwähnt.
Nach Auffassung des Senats hat der Große Senat das im Schrifttum propagierte Zwei- bzw. Dreikontenmodell, wie auch im Streitfall offenbar praktiziert, nicht billigen wollen. Der Große Senat hat vielmehr an den Idealfall gedacht, daß "das" betriebliche Kontokorrentkonto einen Aktivsaldo ausweist bzw. der Saldo aller Betriebsmittelkonten positiv ist. Zu einer --vor allem planmäßigen-- Trennung der ihrer Rechtsnatur nach notwendigerweise betrieblichen Einnahme- und Auszahlungsvorgänge enthält der Beschluß keine Aussage. Eine solche kann dem Großen Senat auch nicht unterstellt werden. Der erkennende Senat sieht es als mit den Rechtssätzen des Großen Senats und ihren ausdrücklich genannten verfassungsrechtlichen Vorgaben unvereinbar an, daß --wie in Fällen der vorliegenden Art-- die betrieblichen Zahlungsvorgänge nur vorübergehend und damit künstlich aufgespalten werden, um einen privaten Finanzierungszweck aus der gebotenen Gesamtwertung herauszuhalten.
Zwar steht es dem Steuerpflichtigen frei, ob und wie --mit eigenen oder fremden Mitteln-- er das der Einkünfteerzielung dienende Vermögen finanziert. Diese "unternehmerische Finanzierungsfreiheit" besteht aber nur im Rahmen der steuerrechtlich relevanten Veranlassung (§ 4 Abs. 4 EStG). Grundsätzlich kann der Steuerpflichtige "im Betrieb vorhandene Mittel" für private Zwecke entnehmen und anschließend betriebliche Aufwendungen mit später aufgenommenen Darlehen bestreiten. Durch die formelle Aufspaltung in zwei oder mehrere betriebliche Kontokorrentkonten wird verdeckt, daß --gewöhnlich auf einem einzigen betrieblichen Kontokorrentkonto gebuchte-- Mittel, die für private Zwecke entnommen werden könnten, nicht oder jedenfalls nicht in dem erforderlichen Umfang "im Betrieb" vorhanden sind. Letzteres setzen aber der Große Senat und die Folgerechtsprechung voraus, um einen später entstandenen Finanzierungsaufwand eindeutig dem betrieblichen Bereich zuordnen zu können.
3. Gestaltungsempfehlungen beziehen sich insbesondere auf die besondere buchmäßige Darstellungsweise des "Zwei- bzw. Dreikontenmodells" (vgl. zur "Technik" BFH-Urteil in BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226). Diese "Modelle" werden in der Literatur als Produkte kreativer "Gestaltungsintelligenz" (s. statt vieler Pfalzgraf/Meyer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1993, 1501, 1505) etwa an dem Beispiel vorgestellt, daß ein Freiberufler mit hohem Umsatz binnen kurzem die Fremdfinanzierung des eigengenutzten Einfamilienhauses dem betrieblichen Bereich zuordnen könne. Erklärtermaßen soll es darum gehen, entweder Schulden von vornherein im betrieblichen Bereich zu begründen oder --"sozusagen 'durch die Hintertür'" (Fuchs/ Schabe, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1992, 759)-- als betrieblich auszuweisen. Durch eine "rechtzeitige Planung und Steuerung der betrieblichen Zahlungsströme" soll es möglich sein "Kreditaufnahmen im Privatbereich" bzw. "bestehende private Verbindlichkeiten im Wege der Umschuldung" wirtschaftlich in den betrieblichen Bereich "zu verlagern" (vgl. Wagenknecht, DStR 1994, 1679, 1681; Pfalzgraf/Meyer, DStR 1993, 1501), wozu es freilich "einer gewissen Technik bedarf". Bereits dieser Sprachgebrauch zeigt, daß es hier nicht um die Anwendung des materiellen Steuerrechts und seiner verfassungsrechtlichen Vorgaben auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt geht, sondern --im weitesten Sinne-- um die Umgehung des § 4 Abs. 4 EStG. Dem Großen Senat kann nicht unterstellt werden, er habe hierfür eine Handhabe bieten wollen. Vielmehr hat er ausdrücklich ausgeführt (in BFHE 161, 290, 307, BStBl II 1990, 817, unter C II. 4. b): Weder das Rechtsinstitut des Kontokorrents noch seine buchmäßige Behandlung rechtfertigen es, Verbindlichkeiten deswegen als Betriebsschulden anzusehen, weil sie in eine solche Rechnung eingestellt werden.
4. In der steuerrechtlichen Literatur wird es nach wie vor als verfassungsrechtlich bedenklich angesehen, daß es vor allem Steuerpflichtigen mit erheblichen Betriebseinnahmen in größerem Umfang als anderen möglich sein soll, ihren Kreditbedarf in den betrieblichen Bereich zu verlagern (vgl. z.B. Kempermann, Der Betrieb --DB-- 1991, 669, 672; Drenseck, DB 1991, 416; derselbe in Festschrift für L. Schmidt, 1993, S.845 ff.; G. Winter in Festschrift für L. Schmidt, 1993, S.842 f.; Rudolph, DStZ 1991, 199, 202; Biergans, Neue Wirtschafts-Briefe --NWB-- Fach 3 S.8175, 8192; Seer, Finanz-Rundschau --FR-- 1993, 453, 458). Insbesondere vor diesem Hintergrund wird das "Zweikontenmodell" zum Teil als "trickreich" und deswegen anstößig empfunden. Wegen der Künstlichkeit der Trennung von betrieblichen Einnahmen und Ausgaben ist es ein Anwendungsfall jener "Modelle", die im Falle ihres Erfolgs bei breiten Bevölkerungskreisen, für die sich entsprechende Möglichkeiten nicht oder nur sehr eingeschränkt bieten (vgl. G. Winter, a.a.O., S.837, 843), die Akzeptanz des Steuerrechts beeinträchtigen. Dies wiederum birgt evidente Gefahren für den durch das Grundgesetz verfaßten Steuerstaat, weil der Abbau gemeinsamer Rechtsüberzeugungen die freiwillige Beachtung der Rechtsordnung in Frage stellt (vgl. R. Herzog, Von der Akzeptanz des Rechts, in: Festgabe zum 10jährigen Jubiläum der Gesellschaft für Rechtspolitik, 1984, S.127 ff., 133 ff.). Wenn ein Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen "durch die Hintertür" nicht durch Auslegung verhindert werden kann, müßte im Sinne der Entscheidungen des BVerfG (oben III. 1. d) nochmals die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der grundsätzlichen Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen gestellt werden.
5. Nach Auffassung des Senats gebietet die Anwendung des Merkmals "tatsächlicher Verwendungszweck" (Großer Senat) eine wertende Beurteilung des den Kreditbedarf "auslösenden Moments", d.h. des wirklichen, nicht des "konstruierten" Geschehensablaufs. Hierzu bedarf es --wie bei anderen steuerrechtlichen Zuordnungsentscheidungen-- einer objektiven Betrachtungsweise, bei der alle für die Entscheidung bedeutsamen Umstände zu berücksichtigen sind. Eine (subjektive) Erklärung des Steuerpflichtigen ist nur dann maßgebend, wenn sie mit objektiv nachweisbaren Tatsachen in Einklang steht.
a) Eine Darlehensaufnahme ist nicht betrieblich veranlaßt, wenn das Darlehen dazu dient, dem Steuerpflichtigen die Entnahme betrieblicher Mittel zu ermöglichen. Eine wirtschaftliche Verbindung zwischen Darlehen und Entnahme besteht insbesondere dann, wenn die Umschuldung eines betrieblichen Kredits wegen des Überschreitens des für Betriebsschulden kreditwirtschaftlich vertretbaren Rahmens notwendig wird und die vorhandenen Guthaben auf anderen betrieblichen Konten nicht nur zur Tilgung betrieblicher Schulden verwendet, sondern für private Zwecke entnommen werden.
b) Die Bestimmung des Merkmals "tatsächlicher Verwendungszweck" gebietet es, den wirtschaftlichen Sachzusammenhang zwischen Kreditbedarf und Kreditaufnahme zu ermitteln. Dieser Sachzusammenhang wird wesentlich bestimmt durch die aufgrund der Konditionen zu ermittelnde Art des Kredits. Insbesondere sind Laufzeit, Volumen, Kreditlinie, Sicherung, Kreditwürdigkeitsprüfung und Kreditüberwachung, Risikobeurteilung, Technik der Abwicklung auf der Kreditgeber- wie der Kreditnehmerseite zu würdigen (ähnlich Wacker, Betriebs-Berater --BB-- 1991, 248, 252).
Im Streitfall spricht gegen die Anerkennung der Schuldzinsen als Betriebsausgaben vor allem der Umstand, daß die für einen Betriebsmittelkredit ungewöhnlichen, hingegen für eine Baufinanzierung üblichen Konditionen nach wie vor den Hauskauf als tatsächlichen Verwendungszweck erscheinen lassen. Der Kläger hat Schuldbeträge auf einem betrieblichen Girokonto --im Regelfall ein Buchkredit in laufender Rechnung mit formal kurzfristigem Charakter-- durch einen langfristigen Kredit mit Versicherungsschutz abgelöst. Einen betrieblichen Grund für eine solche Ersetzung hat der Kläger weder vorgetragen noch ist er anderweitig ersichtlich.
Auch für die finanzierende Bank ist die Art des Kredits von wesentlicher Bedeutung. Während beispielsweise bei (kurzfristigen) Betriebsmittelkrediten eine Beziehung zwischen der bewilligten Kreditlinie und dem Umsatz besteht (vgl. Obst/ Hintner, Geld-, Bank-, Börsenwesen, 39. Aufl. 1993, S.415), gelten für die Gewährung langfristiger Personen- und Realkredite andere --jeweils unterschiedliche-- kreditwirtschaftliche und rechtliche Grundsätze. So dienen langfristige Investitionskredite unmittelbar der Finanzierung von bestimmten Sachanlagen, wobei Laufzeit und Tilgung in der Regel mit der Lebensdauer und der Abnutzung der finanzierten Investitionen abgestimmt sind (Obst/Hintner, a.a.O., S.452).
c) Den hier zu beurteilenden Sachverhalt kennzeichnet die Besonderheit, daß die Aufhebung und der Neuabschluß der Kreditverträge zu jeweils fast identischen Konditionen in sachlichem und zeitlichem Zusammenhang zueinander stehen. Der sachliche Zusammenhang mit dem Hauskauf ist nicht aufgehoben worden. Die Neuabschlüsse mit der X sind notwendig geworden, weil die ursprünglichen Hauskaufdarlehen zwar formell getilgt worden sind, der durch den Hauskauf ausgelöste Kreditbedarf aber fortbestand.
Bei der Rückführung der im Jahre 1983 aufgenommenen Kredite und der Aufnahme neuer Kredite mit gleichartigen Konditionen handelt es sich um ein steuerlich motiviertes, nach einem Gesamtplan gesteuertes "Hin und Her" von Zahlungen, welches den Zusammenhang zum ursprünglichen tatsächlichen Zweck des kontinuierlichen Finanzierungsbedarfs --Kauf des Einfamilienhauses-- unberührt läßt. Die Rechtslage ist nicht anders zu beurteilen als beim --regelmäßig untauglichen (BFH-Urteil vom 26. Juni 1991 XI R 22/88, BFH/NV 1992, 25)-- Versuch der bloßen "Umwidmung" einer Privatschuld in eine Betriebsschuld.
Für den offenbar aufgrund eines vorgefaßten Plans gesteuerten Geschehensablauf sind außersteuerliche Gründe nicht ersichtlich. Im Rahmen der gebotenen "wertenden Beurteilung des auslösenden Moments" ist es zulässig und geboten, durch die Künstlichkeit der Aufhebung und des Neuabschlusses jeweils im wesentlichen inhaltsgleicher Verträge durchzugreifen auf den unverändert weiterbestehenden Zweck des zur Finanzierung des Eigenheimkaufs aufgenommenen langfristigen Realkredits. Bei dieser Betrachtung erübrigt sich die Anwendung des § 42 AO 1977.
V. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen
Die Beantwortung der Vorlagefragen ist für die Entscheidung des X.Senats erheblich. Werden die Vorlagefragen verneint, ist die Revision nach den Ausführungen unter IV. unbegründet. Bejaht man die Vorlagefragen, ist die Revision des Klägers begründet, weil dann der begehrte Betriebsausgabenabzug gewährt werden müßte.
VI. Rechtsgrundlage der Vorlage
Der vorlegende Senat stützt die Anrufung des Großen Senats auf § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung. Die grundsätzliche Bedeutung der Vorlagefrage ergibt sich daraus, daß die Voraussetzungen der steuerrechtlich unbeachtlichen Entnahmefinanzierung nicht klar sind. Das BMF und die FG verfolgen die Tendenz, bei einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Entnahme und Kreditaufnahme deren betriebliche Veranlassung zu verneinen. Angesichts der aufgezeigten Meinungsverschiedenheiten im Schrifttum über die Tragweite des Beschlusses in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 erscheint es notwendig, daß der Große Senat seine Aussagen authentisch interpretiert.
Fundstellen
Haufe-Index 65579 |
BStBl II 1995, 882 |
BFHE 178, 405 |
BB 1995, 2566-2568 (T) |
DB 1995, 2502-2505 (T) |
DStR 1995, 1865-1867 (KT) |
DStZ 1996, 86-87 (K) |
HFR 1996, 122-124 (L) |
StRK, R.315 (LT) |
FR 1995, 898-901 (KT) |
Information StW 1996, 59-60 (KT) |
NJW 1996, 544 |
NJW 1996, 544 (L) |
GStB 1996, Beilage zu Nr 1 (L) |
KFR, 2/96, S 57-58 (H 3/1996) (LT) |
NWB, Fach 3 9792-9793 (35/1996) (KT) |
BRAK-Mitt 1996, 68 (L) |
BBK, Fach 17 1639-1641 (2/1996) (KT) |
IBR 1996, 46 (S) |
ZAP, EN-Nr 1075/95 (L) |
StBp 1996, 18 (K) |