Leitsatz (amtlich)

Der Streit zwischen Schuldner und Verwalter über die Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse ist vor dem Prozessgericht und nicht vor dem Insolvenzgericht auszutragen.

 

Normenkette

InsO § 35 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 14.10.2015; Aktenzeichen 43 T 713/15)

AG Kempten (Entscheidung vom 23.02.2015; Aktenzeichen IK 666/13)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Kempten (Allgäu) vom 14.10.2015 wird auf Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.

Der Antrag der Schuldnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 700 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I.

Rz. 1

In dem über das Vermögen der D. (nachfolgend: Schuldnerin) am 26.11.2013 eröffneten Verbraucherinsolvenzverfahren wurde der weitere Beteiligte zum Treuhänder bestellt.

Rz. 2

Durch Schreiben vom 11.2.2014 gab der weitere Beteiligte für die Mietwohnung der Schuldnerin gegenüber deren Vermieter F. die Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 InsO ab. Nachfolgend kündigte der Vermieter das Mietverhältnis gegenüber der Schuldnerin wegen Eigenbedarfs zum 31.12.2014. Die von der Schuldnerin geleistete Kaution i.H.v. 700 EUR kehrte er an den weiteren Beteiligten aus. Die Schuldnerin vereinbarte am 20.12.2014 einen Mietvertrag über eine neue Wohnung, durch den sie sich zur Zahlung einer Kaution i.H.v. ebenfalls 700 EUR verpflichtete. Diesen Betrag konnte die Schuldnerin nur aus den Mitteln eines ihr gewährten Privatdarlehens aufbringen.

Rz. 3

Die Schuldnerin hat beantragt, das Kautionsguthaben i.H.v. 700 EUR zzgl. Zinsen freizugeben, hilfsweise, das Guthaben zum Zwecke der Stellung einer Kaution bei ihrer neuen Vermieterin freizugeben. Die Vordergerichte haben dieses Begehren abgelehnt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihre Anträge weiter.

II.

Rz. 4

Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft, weil bereits die sofortige Beschwerde gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO unzulässig war.

Rz. 5

1. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO) ist für das Rechtsbeschwerdegericht nicht bindend, wenn die Rechtsbeschwerde gegen die angefochtene Entscheidung nicht statthaft ist (BGH, Beschl. v. 17.10.2005 - II ZB 4/05, NJW-RR 2006, 286 Rz. 4). Das gilt erst recht, wenn schon das Rechtsmittel zum Beschwerdegericht nicht zulässig war (BGH, Beschl. v. 23.10.2003 - IX ZB 369/02, NJW 2004, 1112, 1113 m.w.N.; vom 17.10.2005, a.a.O.; Beschl. v. 14.12.2005 - IX ZB 54/04, NZI 2006, 239 Rz. 4; v. 25.6.2009 - IX ZB 161/08, WM 2009, 1582 Rz. 5; v. 21.1.2016 - IX ZB 24/15, WM 2016, 425 Rz. 6). War die Ausgangsentscheidung unanfechtbar, fehlt es an einer Grundlage für das Rechtsbeschwerdeverfahren; ein gültiges und rechtswirksames Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht ist nur möglich, solange das Verfahren nicht rechtswirksam beendet ist (BGH, Beschl. v. 21.1.2016, a.a.O.). Eine Entscheidung, die vom Gesetz der Anfechtung entzogen ist, bleibt auch bei - irriger - Rechtsmittelzulassung unanfechtbar. § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO steht dem nicht entgegen, weil die Vorschrift nicht dazu dient, gesetzlich nicht vorgesehene Rechtsmittel zu schaffen (BGH, Beschl. v. 21.1.2016, a.a.O.; v. 25.2.2016 - IX ZB 61/15, Rz. 4 jeweils m.w.N.).

Rz. 6

2. Die Rechtsbeschwerde ist nicht eröffnet, weil die sofortige Beschwerde gegen die Ausgangsentscheidung unstatthaft war.

Rz. 7

Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde einräumt (BGH, Beschl. v. 26.10.2006 - IX ZB 163/05, WM 2007, 169 Rz. 6). Der Streit zwischen Schuldner und Verwalter über die Zugehörigkeit einer Forderung zur Masse ist vor dem Prozessgericht und nicht vor dem Insolvenzgericht auszutragen (BGH, Urt. v. 10.1.2008 - IX ZR 94/06, WM 2008, 415 Rz. 7; Beschl. v. 16.7.2009 - IX ZB 166/07, NZI 2009, 824 Rz. 2). Darum kann die Schuldnerin nur durch eine Klage vor dem Streitgericht eine Klärung herbeiführen, wem das Kautionsguthaben nach Beendigung des Mietvertrages zusteht. Soweit das Insolvenzgericht fehlerhaft über den Antrag der Schuldnerin entschieden hat, sieht § 6 Abs. 1 Satz 1 InsO für beide Seiten kein Rechtsmittel vor (vgl. BGH, Beschl. v. 16.7.2009, a.a.O.). Hat das Beschwerdegericht - wie hier - auf eine unzulässige sofortige Beschwerde die unanfechtbare Entscheidung in der Sache bestätigt, ist die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde selbst dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (vgl. BGH, Beschl. v. 25.6.2009 - IX ZB 161/08, WM 2009, 1582 Rz. 5; vom 21.1.2016, a.a.O.).

Rz. 8

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach den vorstehenden Erwägungen abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

 

Fundstellen

Haufe-Index 9349688

DB 2016, 7

NJW 2016, 9

NJW-RR 2016, 907

NZM 2016, 519

WM 2016, 985

ZIP 2016, 988

DZWir 2016, 535

JZ 2016, 412

NZI 2016, 607

ZInsO 2016, 1075

InsbürO 2016, 296

InsbürO 2016, 348

StX 2016, 335

ZVI 2016, 241

MK 2016, 169

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