Die beA-Nutzungspflicht für anwaltliche Insolvenzverwalter
In einem erst jetzt bekannt gewordenen Beschluss hat der BGH entschieden, dass die Pflicht der Rechtsanwälte, Schriftsätze bei Gericht gemäß § 130d ZPO elektronisch einzureichen, auch die Tätigkeit in der Insolvenzverwaltung erfasst.
Gericht reduzierte die beantragte Insolvenzverwaltervergütung
Der als Rechtsanwalt zugelassene Beteiligte des Beschwerdeverfahrens war durch Beschluss des Insolvenzgerichts im Juli 2019 zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin bestellt worden. Im August 2021 beantragte er die Festsetzung seiner Vergütung auf rund 24.000 Euro. Die Festsetzung durch das Insolvenzgericht belief sich auf den deutlich reduzierten Betrag von knapp 10.000 Euro.
Insolvenzverwalter hält beA-Pflicht für nicht einschlägig
Die Beschwerde des Anwalts gegen die aus seiner Sicht zu niedrige Gebührenfestsetzung verwarf das Insolvenzgericht mit der Begründung, die Beschwerdeschrift sei lediglich in Papierform (per Fax sowie im Original) bei Gericht eingegangen. Die Beschwerde sei damit unzulässig, da sie nicht auf dem vorgeschriebenen elektronischen Wege bei Gericht eingereicht worden sei.
Sofortige Beschwerde erfolglos
Mit seiner hiergegen eingereichten sofortigen Beschwerde hatte der Anwalt beim LG keinen Erfolg. Seine Auffassung, in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter sei er zur Nutzung des elektronischen Übermittlungsweges nicht verpflichtet, teilte das LG nicht und wies die Beschwerde zurück.
BGH: Die beA-Nutzungspflicht gilt auch für anwaltliche Insolvenzverwalter
Auch der gegen die Beschwerdeentscheidung beim BGH eingelegten Rechtsbeschwerde blieb der Erfolg versagt. Nach Auffassung des BGH entsprach die gegen die Vergütungsfestsetzung eingelegte Beschwerde nicht der gemäß § 130d Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Form. Die Vorschrift gilt nach der Rechtsauslegung des BGH gemäß § 4 Satz 1 InsO auch für Insolvenzverwalter entsprechend, wenn sie zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind. Dies gelte zumindest in den Fällen, wenn im Insolvenzverfahren Rechtsmittel eingelegt werden.
Subsidiäre Geltung der ZPO im Insolvenzverfahren
§ 4 Satz 1 InsO bestimmt für das Insolvenzverfahren die Geltung der Vorschriften der ZPO, soweit die Insolvenzordnung nichts anderes bestimmt. Das bedeutet nach der Auslegung des BGH, dass sämtliche Vorschriften der ZPO im Insolvenzverfahren subsidiär anzuwenden sind, soweit
- die Insolvenzordnung keine anderslautenden abschließenden Bestimmungen enthält und
- die konkret anzuwendende zivilprozessuale Norm mit den Anforderungen und den Besonderheiten des Insolvenzverfahrens vereinbar ist.
Diese Vereinbarkeit sei bezogen auf § 130d ZPO zumindest bei der Einlegung von Rechtsmitteln des anwaltlichen Insolvenzverwalters wie der Einreichung einer Beschwerdeschrift gemäß § 569 Abs. 2 Satz 1 ZPO gegeben. Inwieweit dies auch für andere Schriftsätze wie beispielsweise die Einreichung von Prüfberichten oder Tabellen im Insolvenzverfahren gilt, ließ der Senat dahinstehen.
Die beA-Nutzungspflicht verstößt nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz
Das in der juristischen Literatur häufig vertretene Argument, die Anwendung der Vorschriften zum elektronischen Rechtsverkehr auf anwaltliche Insolvenzverwalter führe zu einer Ungleichbehandlung gegenüber nicht zur Anwaltschaft zugelassenen Insolvenzverwaltern, die dieses Erfordernis nicht zu beachten hätten, ließ der BGH nicht gelten. Nach der Bewertung des Senats ist die Pflicht zur Nutzung des beA kein Nachteil, denn jeder Anwalt sei ohnehin verpflichtet, die erforderlichen technischen Voraussetzungen vorzuhalten. Die Nutzung dieser für jeden Anwalt obligatorischen technischen Möglichkeit biete dem anwaltlichen Insolvenzverwalter im Gegenzug auch eine Reihe von Erleichterungen und Vorteilen bei der Übermittlung und dem Empfang von Schriftsätzen.
Gesetzeswortlaut spricht für beA-Nutzungspflicht auch im Insolvenzverfahren
Für dieses Ergebnis spricht nach Auffassung des BGH auch der Wortlaut des Gesetzes. Die amtliche Überschrift des § 130d ZPO postuliere eine uneingeschränkte beA-Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, der Wortlaut des § 130d Satz 1 ZPO umfasse sämtliche Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden. Eine Beschränkung in dem Sinne, dass die Vorschrift nur für Fälle gelten solle, in denen der Rechtsanwalt als Vertreter einer Partei agiere, sei dem Gesetzestext nicht zu entnehmen.
Eigenständiges Berufsbild des Insolvenzverwalters ändert nichts am Anwaltsstatus
Auch das Argument des eigenständigen, vom Rechtsanwalt unterschiedenen Berufsbildes des Insolvenzverwalters (BGH, Beschluss v. 8.12.2005, IX ZB 308/04) überzeugte den BGH nicht. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf einem eigenständigen Berufsfeld ändere nichts an dem grundsätzlichen anwaltlichen Status.
Normzweck spricht für Nutzungspflicht
Schließlich verwies der BGH auf den Zweck der der Norm, der darin bestehe, eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten zu etablieren. Dem Gesetzgeber sei es darauf angekommen, die Kommunikation zwischen Rechtsanwälten und Justiz durch einen einheitlichen elektronischen Standard zu vereinfachen und zu beschleunigen. Diese „ratio legis“ lasse es als konsequent erscheinen, Rechtsanwälte auch im Rahmen der Insolvenzverwaltung als verpflichtet anzusehen, zumindest ihre Rechtsmittelschriften elektronisch bei Gericht einzureichen.
Kommunikation mit Gerichten am besten generell über das beA
Im Ergebnis war die Rechtsbeschwerde des Insolvenzverwalters damit erfolglos. In seiner Entscheidung hat der BGH die Pflicht zur Nutzung des beA durch den anwaltlichen Insolvenzverwalter zwar explizit nur für die Einlegung von Rechtsmitteln im Insolvenzverfahren statuiert, jedoch spricht die Begründung des BGH dafür, dass Rechtsanwälte, die als Insolvenzverwalter oder auch auf sonstigen Feldern tätig werden, gut beraten sind, wenn sie grundsätzlich den Schriftverkehr mit Gerichten elektronisch über ihr beA abwickeln.
BGH, Beschluss v. 24.11.2022, IX ZB 11/22
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