D&O-Versicherung: Kein sofortiges Vertragsende bei Insolvenz

In einer für Leitungspersonal in Unternehmen wie für Manager und Geschäftsführer bedeutsamen Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass die Mindestkündigungsfrist einer D&O-Versicherung von einem Monat auch im Fall des Eintritts der Insolvenz gilt. Eine Klausel, wonach der Versicherungsschutz mit Eintritt der Insolvenz automatisch endet, ist laut BGH unwirksam.
Insolvenzverwalter klagt gegen D&O-Versicherung
Der BGH hatte über die Klage eines Insolvenzverwalters nach Eröffnung der Insolvenz über das Vermögen einer AG zu entscheiden. Der Kläger nahm aus abgetretenem Recht die zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem früheren Vorstand unterhaltene D&O-Versicherung (Directors & Officers Liability Insurance) auf Zahlung von ca. 870.000 Euro in Anspruch. Die Versicherung sollte nach den Vertragsbedingungen das Privatvermögen der Organmitglieder der AG gegen die Inanspruchnahme aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen wegen einer Pflichtverletzung schützen.
AVB sahen automatische Beendigung des Versicherungsvertrages nach Insolvenzantrag vor
Die AVB des Versicherungsvertrages enthielten eine Bestimmung, wonach der Versicherungsvertrag mit Ablauf der jeweils ein Jahr dauernden Versicherungsperiode automatisch endete, sobald ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin gestellt würde. Im konkreten Fall wurde ein Insolvenzantrag im November 2015 gestellt. Aus der Insolvenzmasse wurde noch eine Prämie an den Versicherer gezahlt. Dieser wies im März 2016 darauf hin, dass die Versicherung mit Ablauf der Versicherungsperiode 2015 nach Stellung des Insolvenzantrages automatisch geendet habe.
Insolvenzverwalter nimmt D&O-Versicherung wegen Pflichtverletzung des Vorstandes in Anspruch
Im April 2019 nahm der Insolvenzverwalter die ehemaligen Vorstandsmitglieder auf Ersatz von Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife in Anspruch. Er erzielte mit diesen eine Einigung über Zahlungen an die Insolvenzmasse in Höhe von rund 870.000 Euro und zeigte gegenüber der beklagten Versicherung den Versicherungsfall an. Diese wies die seitens des Insolvenzverwalters aus abgetretenem Recht gestellten Ansprüche unter Hinweis auf die insolvenzbedingte Beendigung des Versicherungsvertrages zurück. Die sich anschließende gerichtliche Auseinandersetzung ging bis zum BGH.
Automatische Vertragsbeendigung widerspricht der gesetzlichen Mindestkündigungsfrist
Nach Auffassung des BGH hält die in dem Versicherungsvertrag enthaltene Beendigungsklausel einer Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB nicht stand. Die Klausel sei mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar. § 11 Abs. 1 und 3 VVG sehe zugunsten des Versicherungsnehmers im Fall der ordentlichen Kündigung grundsätzlich eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat vor. Von dieser gesetzlichen Regelung weiche die verwendete AVB ab.
Unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers
Die Abweichung enthält nach der Entscheidung des BGH eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers (BGH, Beschluss v. 18.3.2009, IV ZR 298/06). Nach dem Versicherungsvertrag sei den versicherten Personen Versicherungsschutz für den Fall zu gewähren, dass sie wegen einer Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen auf Ersatz eines Vermögensschadens in Anspruch genommen werden. Dieser Versicherungsschutz werde durch die Beendigungsklausel beschränkt. Diese Beschränkung der Hauptleistungspflicht der Versicherung in ihren AVB unterliege der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB.
Mindestkündigungsfrist von einem Monat
§ 11 Abs. 3 VVG findet nach der Entscheidung des Senats auf Versicherungsverträge Anwendung, deren Vertragslaufzeit sich – wie hier – automatisch bei nicht erfolgter Kündigung verlängert. Nach dieser Vorschrift sei dem Versicherungsnehmer im Fall der Vertragsbeendigung durch ordentliche Kündigung des Versicherers eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat zuzubilligen. Diese Mindestkündigungsfrist gelte auch bei einer vertraglich vereinbarten automatischen Beendigung des Vertrages im Fall des Eintritts bestimmter Ereignisse, wie dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens. Dies folge aus dem Schutzzweck der Vorschrift, die dem Versicherungsnehmer im Fall einer abrupten Beendigung des Versicherungsvertrages eine Mindestfrist gewähren soll, sich auf die Beendigung des Vertrages einzustellen. In dieser Mindestfrist bleibe der Versicherungsschutz bestehen.
Insolvenzantrag rechtfertigt keine abweichende Beurteilung
Die verwendete Beendigungsklausel weicht nach der Bewertung des Senats zum Nachteil des Versicherungsnehmers von diesem gesetzgeberischen Grundgedanken der Aufrechterhaltung eines Mindestschutzes ab. Die besondere Situation nach einem Insolvenzantrag rechtfertige eine Abweichung von diesem Grundgedanken nicht. Selbst wenn man die Stellung eines Insolvenzantrages als eine die Versicherung treffende Gefahrenerhöhung ansehen würde, sei zu berücksichtigen, dass gemäß § 23 ff VVG das Gesetz zugunsten des Versicherungsnehmers auch in Fällen der Gefahrerhöhung eine Mindestkündigungsfrist von einem Monat vorsehe. Auch hier solle dem Versicherungsnehmer eine zeitlich befristete Möglichkeit eingeräumt werden, sich auf die Beendigung des bisherigen Vertrages einzustellen und sich gegebenenfalls anderweitig um Versicherungsschutz zu bemühen.
Vorinstanz muss erneut entscheiden
Im Ergebnis beinhaltet die verwendete Beendigungsklausel nach der Entscheidung des BGH eine unangemessene Benachteiligung der Versicherungsnehmer. Da die Vorinstanz einige tatsächliche Fragen noch nicht hinreichend geklärt hatte, hat der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.
(BGH, Urteil v. 18.12.2024, IV ZR151/23)
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