Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine erneute Unterbrechung der Verfolgungsverjährung bei Aufforderung oder Vernehmung durch die Steuerfahdung
Leitsatz (redaktionell)
Aufforderungen zur Stellungnahme oder die Vernehmung durch die Steuerfahndung führen nicht zu einer erneuten Unterbrechung der Verfolgungsverjährung, weil nach der Bekanntgabe der Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sämtliche in § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Unterbrechungstatbestände nicht zu einer nochmaligen Unterbrechung führen können. Alle in Nr. 1 aufgeführten Handlungen sind lediglich zur einmaligen Unterbrechung geeignet und stehen nur alternativ zur Verfügung (BGH, Beschluss vom 19.6.2008, 3 StR 545/07, BGHR, StGB § 78 Abs. 1 Tat 4). Erst eine Anklageerhebung hätte die Verjährung wieder unterbrechen können (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB).
Normenkette
AO § 370; StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4, § 78c
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern (Urteil vom 16.12.2013) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird
- das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern vom 16. Dezember 2013, soweit es den Angeklagten R. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben;
- das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO hinsichtlich Tat II.3 (Steuerhinterziehung im Jahr 2001) eingestellt; insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen.
2. Im verbleibenden Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt.
Rz. 2
Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten, die er auf eine Verfahrensbeanstandung und die ausgeführte Sachrüge stützt, führt auf Antrag des Generalbundesanwalts zur teilweisen Einstellung des Verfahrens wegen eingetretener Verjährung, im Übrigen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung, soweit die Entscheidung den Angeklagten betrifft.
I.
Rz. 3
1. Das Landgericht hat die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue darauf gestützt, dass er als Mitarbeiter des L. f. (L.) des Landes Rheinland-Pfalz als sogenannter K12-Prüfer Abschlagsrechnungen der Baufirmen für eine ab 1998 ausgeführte Baumaßnahme auf der Air Base in Ra. nicht um einen Betrag von jeweils 20 % gekürzt hatte, obgleich er wie auch alle anderen Beteiligten wusste, dass die Baugrubenvereisung gegenüber der ursprünglichen Bauplanung nur teilweise durchgeführt worden war, dennoch aber der in der Bauplanung vorgesehene Pauschalpreis abgerechnet wurde.
Rz. 4
2. Die Verurteilung wegen Steuerhinterziehung beruht zum einen darauf, dass der Angeklagte im Jahr 2001 auf Einladung der E. GmbH, welche Mitglied der ARGE zur Durchführung der vorgenannten Baumaßnahmen in Ra. war, mit einer Freundin an der „Kieler Woche” teilnahm und die dadurch erlangten Zuwendungen in Höhe von mindestens 1.385,59 EUR nicht in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 angab. Weiterhin hatte der Angeklagte bei der Firma S. GmbH, ebenfalls Mitglied der ARGE bei dem vorgenannten Bauvorhaben, im Jahr 2001 eine Erneuerung seiner privaten Heizungsanlage in Auftrag gegeben, ohne dass für die erbrachte Leistung mit einem Preis von 11.894,32 EUR eine Rechnung erteilt wurde, so dass nach der
Würdigung des Landgerichts auch dieser Betrag bei der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 hätte angegeben werden müssen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 5
1. Hinsichtlich der dem Angeklagten zur Last gelegten Steuerhinterziehung war das Verfahren gemäß § 206a Abs. 1 StPO wegen eingetretener Verfolgungsverjährung einzustellen.
Rz. 6
Die Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre, sofern – wie hier – § 376 Abs. 1 AO nicht zur Anwendung kommt. Die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2001 hatte der Angeklagte im November 2002 abgegeben, der Einkommensteuerbescheid erging dann am 12. Dezember 2002. Die mit Bekanntgabe des Bescheids (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) begonnene Verjährungsfrist wurde unterbrochen durch die am 24. August 2005 durchgeführte Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten, durch welche dieser infolge der hierbei hinterlassenen Dokumente über die Durchsuchung von den gegen ihn geführten Ermittlungen Kenntnis erlangte (§ 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Seine Kenntnis zeigt sich auch darin, dass der Angeklagte am 9. September 2005 einen Verteidiger in dieser Angelegenheit bestellte. Entgegen der Auffassung des Landgerichts konnten weitere Aufforderungen zur Stellungnahme oder die Vernehmung durch die Steuerfahndung im März 2009 nicht zu einer erneuten Unterbrechung der Verfolgungsverjährung führen, weil nach der Bekanntgabe der Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sämtliche in § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB genannten Unterbrechungstatbestände nicht zu einer nochmaligen Unterbrechung führen können. Alle in Nr. 1 aufgeführten Handlungen sind lediglich zur einmaligen Unterbrechung geeignet und stehen nur alternativ zur Verfügung (BGH, Beschluss vom 19. Juni 2008 – 3 StR 545/07, NStZ 2009, 205). Erst die Anklageerhebung am 30. September 2010 hätte die Verjährung wieder unterbrechen können (§ 78c Abs. 1 Nr. 6 StGB); die am 24. August 2005 aufgrund Unterbrechung neu angelaufene Verjährungsfrist von fünf Jahren war aber im September 2010 bereits abgelaufen.
Rz. 7
2. Die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat der Untreue ist demgegenüber nicht verjährt, wie der Generalbundesanwalt in seinem Antragsschreiben zutreffend dargelegt hat. Die der diesbezüglichen Verurteilung zugrunde liegende Beweiswürdigung des Landgerichts ist jedoch lückenhaft und auch die insoweit getroffenen Feststellungen belegen nicht, weshalb dem Angeklagten ein Gefährdungsschaden zugerechnet wird, obwohl zeitgleich mit dem Angeklagten auch der Sachgebietsleiter für Recht und Verträge des L. über die Änderung der vorgenommenen Baumaßnahmen informiert war und dieser die zuständige Bauleitung zu einer Vertragsänderung aufgefordert hatte, womit dann auch eine ggfs. entstandene Minderleistung festzustellen gewesen wäre. Eine entsprechende Feststellung war aber offenbar erst etwa zehn Jahre später im Juni 2009 durch ein dann vorliegendes Gutachten von … M. möglich, während die Kürzungen durch den Angeklagten bei Vorlage der Abschlagsrechnungen zwischen September 1999 und März 2000 hätten erfolgen sollen. Im Übrigen wird insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts verwiesen.
Rz. 8
Des Weiteren ist anhand der Gründe der Entscheidung nicht nachvollziehbar, worauf die vom Landgericht vorgenommene Schätzung des Minderungsbetrags in Höhe von 20 % beruht, welchen der Angeklagte hätte vornehmen sollen, zumal die Strafkammer darauf hinweist, dass der Angeklagte bei einem zu hohen Minderungsbetrag die von ihm vertretene L. der Gefahr ausgesetzt hätte, zivilrechtlich in Anspruch genommen zu werden sowie verzinste Nachzahlungen leisten zu müssen (UA S. 11).
Rz. 9
Das Urteil hat daher betreffend den Angeklagten auch hinsichtlich des Vorwurfs der Untreue keinen Bestand.
Unterschriften
Raum, Graf, Jäger, Cirener, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 7279430 |
BFH/NV 2014, 2030 |
wistra 2015, 17 |
NStZ-RR 2014, 340 |
StBp 2015, 351 |
AO-StB 2016, 89 |
NZWiSt 2016, 63 |
StV 2015, 111 |