Entscheidungsstichwort (Thema)
Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen
Leitsatz (redaktionell)
1. Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas” i.S.v. § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter die Aufwendungen für diese Steuern erspart. Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einen durch die Tat beim Täter tatsächlich eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft. Im Hinblick auf den Charakter der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer ergibt sich ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils.
2. Ein Spediteur der ausschließlich pro durchgeführter Transportfahrt entlohnt wird, hat durch die Verletzung der ihn gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG als Steuerschuldner treffenden Pflicht, für die Tabakwaren eine Steuererklärung abzugeben, keinen über die Entlohnung hinaus gehenden wirtschaftlichen Vorteil durch die Hinterziehung von Tabaksteuer erzielt, weil sich die Steuerersparnis nicht in seinem Vermögen widerspiegelt.
Normenkette
StGB § 73 Abs. 1, § 73c S. 1; AO § 373; TabStG §§ 19, 21
Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 08.12.2017; Aktenzeichen 5 KLs 4424 Js 11790/12) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 8. Dezember 2017 im Ausspruch über die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen dahin abgeändert, dass (lediglich) 8.000 Euro der Einziehung unterliegen.
2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in 14 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit gewerbsmäßiger strafbarer Kennzeichenverletzung, und wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei als Mitglied einer Bande in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit gewerbsmäßiger strafbarer Kennzeichenverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Ferner hat es 2.460.000 Zigaretten und als Wertersatz von Taterträgen einen Betrag von 5.962.921,29 Euro eingezogen. Die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten erzielt mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Nach den Urteilsfeststellungen führte der Angeklagte als Spediteur mittels von ihm eingesetzter Fahrer im Zeitraum Juni 2012 bis März 2013 im Auftrag unbekannter Hintermänner in zwölf Fällen LKW-Transporte von Tabakfeinschnitt aus der Tschechischen Republik über das Bundesgebiet in die Niederlande durch. Dort wurden in einer Produktionsstätte aus dem Tabakfeinschnitt ohne Erlaubnis gefälschte Markenzigaretten hergestellt. Im Dezember 2012 und im März 2013 verbrachte der Angeklagte durch seine LKW-Fahrer aus den Niederlanden 12.300 bzw. 26.988 Stangen dieser gefälschten Zigaretten in das Bundesgebiet. In letzterem Fall transportierte er die Zigaretten nach Österreich weiter. In zwei weiteren Fällen ließ der Angeklagte im Februar 2013 die bereits in die Bundesrepublik Deutschland verbrachten Zigaretten durch von ihm beauftragte Fahrer innerhalb des Bundesgebiets zu den unbekannten Hintermännern transportieren, die sie gewinnbringend verkauften.
Rz. 3
2. In keinem der Fälle wurden Steuererklärungen abgegeben, auch nicht vom Angeklagten. Steuerzeichen für die transportierten Zigaretten wurden ebenfalls nicht verwendet. Der Verkürzungsumfang an hinterzogener Tabaksteuer belief sich auf etwa sechs Millionen Euro. Der Angeklagte erhielt von den Hintermännern für jeden durchgeführten Transport mindestens 500 Euro als Entlohnung, mithin insgesamt 8.000 Euro, ausbezahlt. In einem Fall wurden 2.460.000 gefälschte Zigaretten sichergestellt, in zwei weiteren Fällen wurden Zigaretten bzw. Tabakfeinschnitt sichergestellt und vernichtet.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 4
1. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
Rz. 5
2. Der Schuld- und Strafausspruch sowie die Entscheidung über die Einziehung der sichergestellten Zigaretten haben Bestand. Soweit das Landgericht bei den Taten der Steuerhinterziehung durch Unterlassen und der gewerbsmäßigen strafbaren Kennzeichenverletzung statt Tatmehrheit Tateinheit angenommen hat, beschwert dies den Angeklagten nicht, weil dies den Unrechts- und Schuldgehalt der Taten unberührt lässt.
Rz. 6
3. Die Entscheidung über die Einziehung des Wertersatzes von Taterträgen hat hingegen lediglich im Umfang der Tatentlohnung des Angeklagten in Höhe von 8.000 Euro Bestand. Der übersteigende Betrag, der die ersparten Aufwendungen für die jeweils hinterzogenen Tabaksteuern zum Gegenstand hat, ist vorliegend nicht einzuziehen, weil der Angeklagte insoweit durch die Verletzung der ihn gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 TabStG als Steuerschuldner treffenden Pflicht, für die Tabakwaren eine Steuererklärung abzugeben, nichts im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB nF erlangt hat.
Rz. 7
a) Die strafrechtliche Vermögensabschöpfung richtet sich hier gemäß Art. 316h Satz 1 EGStGB nach den durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 (BGBl. I 2017, 872) eingeführten und am 1. Juli 2017 in Kraft getretenen neuen Regelungen der §§ 73 ff. StGB. Danach ist nach § 73 Abs. 1 StGB zwingend einzuziehen, was der Täter durch oder für die Tat erlangt hat. Ist die Einziehung des erlangten Gegenstandes nicht möglich, so ist nach § 73c Satz 1 StGB die Einziehung des Geldbetrages anzuordnen, der dem Wert des Erlangten entspricht. „Durch” die Tat erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist jeder Vermögenswert, der dem Tatbeteiligten durch die rechtswidrige Tat zugeflossen ist, also alles, was in irgendeiner Phase des Tatablaufs in seine tatsächliche Verfügungsgewalt übergegangen ist und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18, zum Abdruck in BGHSt bestimmt; vom 8. Februar 2018 – 3 StR 560/17 Rn. 10; vom 24. Mai 2018 – 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8; Beschluss vom 21. August 2018 – 2 StR 311/18 Rn. 8; BT-Drucks. 18/9525, S. 61). Der Umfang des „erlangten Etwas” im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB ist nach dem „Bruttoprinzip” zu bemessen, d.h. dass grundsätzlich alles, was der Täter durch oder für die Tat erhalten oder was er durch diese erspart hat, ohne gewinnmindernde Abzüge einzuziehen ist (vgl. BT-Drucks. 18/9525 S. 61, BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 und vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17 Rn. 25). Der Einziehung unterliegen damit nicht nur bestimmte Gegenstände wie bewegliche Sachen, Grundstücke oder dingliche und obligatorische Rechte, sondern auch geldwerte Vorteile, wie etwa Dienstleistungen oder ersparte Aufwendungen, sowie konkrete Chancen auf einen Vertragsabschluss bzw. die Verbesserung einer Marktposition (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 mwN). Beim „Erlangen” handelt es sich um einen tatsächlichen Vorgang; auf die zivilrechtlichen Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an (vgl. BGH aaO mwN).
Rz. 8
b) Beim Delikt der Steuerhinterziehung kann die verkürzte Steuer „erlangtes Etwas” im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB sein, weil sich der Täter Aufwendungen für diese Steuern erspart (st. Rspr.; BGH, Urteile vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18 mwN und vom 18. Dezember 2018 – 1 StR 36/17 Rn.18 mwN; Beschlüsse vom 4. Juli 2018 – 1 StR 244/18 Rn. 7; vom 11. Mai 2016 – 1 StR 118/16 Rn. 8; vom 13. Juli 2010 – 1 StR 239/10, wistra 2010, 406 und vom 28. November 2000 – 5 StR 371/00 Rn. 16 ff.; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 73 Rn. 20; Köhler, NStZ 2017, 497, 503 f.; Reh, wistra 2018, 414, 415). Dies gilt jedoch nicht schlechthin, weil die Einziehung an einem durch die Tat tatsächlich beim Täter eingetretenen Vermögensvorteil anknüpft und damit mehr als die bloße Tatbestandserfüllung voraussetzt (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18).
Rz. 9
c) Im Hinblick auf den Charakter der Tabaksteuer als Verbrauch- bzw. Warensteuer (dazu Seer in Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl., § 2 Rn. 47 mwN) ergibt sich ein unmittelbar messbarer wirtschaftlicher Vorteil nur, soweit sich die Steuerersparnis im Vermögen des Täters dadurch niederschlägt, dass er aus den Tabakwaren, auf die sich die Hinterziehung der Tabaksteuern bezieht, einen Vermögenszuwachs erzielt, beispielsweise in Form eines konkreten Vermarktungsvorteils (BGH, Urteil vom 11. Juli 2019 – 1 StR 620/18). Offene Steuerschulden begründen hingegen nicht stets über die Rechtsfigur der ersparten Aufwendungen einen Vorteil im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB. Maßgeblich bleibt immer, dass sich ein Vorteil im Vermögen des Täters widerspiegelt. Nur dann hat der Täter durch die ersparten Aufwendungen auch wirtschaftlich etwas erlangt.
Rz. 10
d) Gemessen an diesen Grundsätzen unterliegt daher vorliegend lediglich der Betrag, den der Angeklagte als Entlohnung für die Durchführung der Transportfahrten erlangt hat, mithin insgesamt 8.000 Euro der Einziehung. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat er durch die Taten keinen darüber hinaus gehenden wirtschaftlichen Vorteil durch die Hinterziehung von Tabaksteuer erzielt, weil sich die im Wert der Tabakwaren verkörperte Steuerersparnis nicht in seinem Vermögen in irgendeiner Form widerspiegelt.
Unterschriften
Jäger, Bellay, Cirener, Fischer, Pernice
Fundstellen
NStZ-RR 2019, 348 |
AO-StB 2020, 109 |
ZWH 2020, 81 |