Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Verweigerung der Akteneinsicht durch den Generalbundesanwalt. Generalbundesanwalt. Akteneinsichtsrecht. Auskunftsanspruch. Ermittlungsverfahren
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Anspruch auf Akteneinsicht im Ermittlungsverfahren entsteht erst mit Beginn des Verfahrens, ggf. bereits bei Einleitung von Vorermittlungen durch die Staatsanwaltschaft.
2. Versagt die Staatsanwaltschaft die begehrte Akteneinsicht in einem begründeten Fall, ist deren ablehnende Entscheidung regelmäßig nicht anfechtbar.
Normenkette
StPO § 147 Abs. 2-3, 5, § 491; BDSG § 19 Abs. 4 Nr. 1, Abs. 5 S. 2
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
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Im Oktober 2007 erschien in der Zeitschrift „Stern” ein Artikel, nach dem das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundeskriminalamt zu einem nicht genau genannten Zeitpunkt vor dem Jahr 2001 eine „Rangliste der Tatverdächtigen” mit „Beschuldigten-Status im Hinblick auf die Anschläge der RAF von 1984 bis 1991” erstellt hätten. In dem Artikel wurde als eine der Personen auf dieser Rangliste eine Frau genannt, auf die mehrere personenbezogene Daten der Antragstellerin zutreffen. Diese wandte sich daraufhin über ihren Verfahrensbevollmächtigten im Januar 2008 an den Generalbundesanwalt und bat um Auskunft, ob gegen sie ein Ermittlungsverfahren geführt werde und gegebenenfalls um Mitteilung des Aktenzeichens. Der Generalbundesanwalt teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 18. Februar 2008 mit, dass er gemäß § 491 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG keine Auskunft erteilen könne. Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 15. April 2008 beantragte die Antragstellerin sodann Akteneinsicht gemäß § 147 StPO, weil sie aufgrund der erteilten Antwort davon ausgehe, dass ein Ermittlungsverfahren anhängig sei. Nachdem der Generalbundesanwalt mitgeteilt hatte, dass er auch das Gesuch vom April 2008 als Ersuchen um Auskunft aus dem bei ihm geführten Verfahrensregister ansehe und eine weitergehende Auskunft nicht erteilt werde, beantragte die Antragstellerin die gerichtliche Entscheidung gegen die Verfügungen des Generalbundesanwalts sowie diesen anzuweisen, ihr über ihren Verfahrensbevollmächtigten Akteneinsicht zu gewähren.
Entscheidungsgründe
II.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unzulässig.
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1. Nach § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO kann gerichtliche Entscheidung gegen die Versagung der Akteneinsicht durch die Staatsanwaltschaft beantragt werden, wenn diese den Abschluss der Ermittlungen in den Akten vermerkt hat, wenn sie die Einsicht in privilegierte Unterlagen nach § 147 Abs. 3 StPO versagt, oder wenn der Beschuldigte sich nicht auf freiem Fuß befindet. Im Übrigen ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Akteneinsicht verweigert, regelmäßig nicht anfechtbar (Laufhütte in KK 6. Aufl. § 147 Rdn. 25). Stets ist indes Voraussetzung, dass überhaupt ein Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten eingeleitet worden ist, denn erst mit Beginn des Verfahrens – gegebenenfalls auch bei der Einleitung von Vorermittlungen – entsteht ein Anspruch auf Akteneinsicht (Lüderssen/Jahn in LR 26. Aufl. § 147 Rdn. 119 f.; Wohlers in SK-StPO – 38. Lfg. Stand April 2004 – § 147 Rdn. 21).
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§ 491 Abs. 1 Satz 1 StPO gewährt demgegenüber einen Auskunftsanspruch für die Fälle, die in der StPO nicht besonders geregelt sind. Gegen eine ablehnende Entscheidung der Staatsanwaltschaft nach § 491 StPO kann sich der Betroffene gemäß § 491 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 19 Abs. 5 Satz 2 BDSG an den Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wenden (Weßlau in SK-StPO – 50. Lfg. Stand Oktober 2006 – § 491 Rdn. 27), worauf die Antragstellerin vom Generalbundesanwalt auch hingewiesen worden ist.
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2. Vorliegend hat der Generalbundesanwalt nicht Akteneinsicht nach § 147 Abs. 2 StPO verweigert, sondern ein Auskunftsbegehren der Antragstellerin nach § 491 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 19 Abs. 4 Nr. 1 BDSG abgelehnt. Dagegen ist ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung grundsätzlich nicht gegeben.
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Allenfalls, wenn in dieser Entscheidung auch eine – zumindest faktische (vgl. dazu Lüderssen/Jahn in LR aaO § 147 Rdn. 163 a) – Verweigerung des tatsächlich bestehenden Anspruchs auf Akteneinsicht der Antragstellerin als Beschuldigte zu sehen wäre, käme bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 147 Abs. 5 Satz 2 StPO ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 161 a Abs. 3 StPO als statthafter Rechtsbehelf in Betracht. Für das Vorliegen einer solchen Fallkonstellation bestehen hingegen – abgesehen von den Mutmaßungen der Antragstellerin – keinerlei Anhaltspunkte.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 161 a Abs. 3 Satz 3, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Unterschriften
Becker, Pfister, Hubert
Fundstellen