Leitsatz (amtlich)
Macht ein Hersteller die von einem Vertragshändler erbetene Gewährung von Vergünstigungen (hier: erhöhter Rabatte) für die Belieferung von Großkunden des Händlers von der Bekanntgabe der betreffenden Kunden abhängig, so ist der hierdurch begründete indirekte Zwang zur Offenbarung von Kundendaten nicht gleichzusetzen mit einer Vertragspflicht des Händlers zur Überlassung seines Kundenstamms als Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89 b HGB.
Die Einlegung der Revision hemmt den Eintritt der Rechtskraft auch für die Teile des Berufungsurteils, die der Revisionskläger nicht angefochten hat und mangels Beschwer nicht anfechten kann (Bestätigung von BGH, Urteil vom 12. Mai 1992 – VI ZR 118/91 = NJW 1992, 2296 = BGHR ZPO § 705 Rechtskraft 1). Insoweit tritt Teilrechtskraft ein, sobald der Revisionsbeklagte die Möglichkeit verloren hat, sich der Revision anzuschließen.
Normenkette
HGB § 89b; ZPO § 556 Abs. 1, § 705
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 15. Januar 1993 aufgehoben, soweit zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Krefeld vom 12. Februar 1992 wird auch insoweit zurückgewiesen, als die auf Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen gerichtete Hilfswiderklage abgewiesen worden ist.
Im übrigen wird die Sache im Umfang der Aufhebung zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin handelt mit Hartmetallwerkzeugen und Rohlingen für Wendeschneideplatten, sogenannten Blanks. Aufgrund einer mündlichen Absprache der Parteien vertrieb der Beklagte diese Produkte seit Anfang 1982 im eigenen Namen in einem ihm von der Klägerin zugewiesenen, durch eine sogenannte Gebietsschutzkarte festgelegten Gebiet. Seit Mai 1983 verkaufte der Beklagte darüber hinaus nachgeschliffene Blanks im gesamten Bundesgebiet. Die Klägerin ging seit Herbst 1989 dazu über, Kunden des Beklagten direkt zu beliefern, und kündigte das Vertragsverhältnis schließlich zum 30. Juni 1991.
Mit der Klage macht die Klägerin eine nach Entstehung und Höhe unstreitige Kaufpreisforderung in Höhe von 130.784,14 DM nebst Zinsen geltend. § 6 Nr. 2 der Verkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin, die nach deren Behauptung den Kaufverträgen der Parteien zugrundelagen, erklärt die Aufrechnung mit Gegenforderungen nur insoweit für zulässig, als diese von der Klägerin anerkannt und zur Zahlung fällig oder rechtskräftig festgestellt sind. Der Beklagte hat sich gegenüber der Klageforderung auf einen Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB sowie auf Provisions- und Schadensersatzansprüche in einer Gesamthöhe von zuletzt rd. 1,5 Mio. DM berufen. In erster Instanz hat er mit einem erstrangigen Teil des Ausgleichsanspruchs aufgerechnet und im Wege der Widerklage die Feststellung begehrt, daß ihm wegen des Direktvertriebs der Werkzeuge der Klägerin in dem ihm zugewiesenen Gebiet ein Ausgleichsanspruch nach § 89 b HGB zustehe. Ferner hat er mit der Widerklage Auskunft und Rechnungslegung sowie die Feststellung begehrt, daß die Klägerin ihm für Direktlieferungen in einem näher umgrenzten Umfang Provision schulde. Hilfsweise hat er mit der Widerklage schließlich die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen beantragt.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Aufrechnung gegen die Klageforderung in zweiter Linie auf den geltend gemachten Provisionsanspruch, im Rang nachfolgend auf den Schadensersatzanspruch und schließlich letztrangig auf einen Zahlungsanspruch in Höhe von 31.881,24 DM für bei ihm eingelagerte, von der Klägerin zurückzunehmende Ware gestützt. Wegen der weiterverfolgten Ansprüche auf Rechnungslegung, Auskunft und Bucheinsicht hat er darüber hinaus Zurückbehaltungsrechte geltend gemacht. Der Beklagte hat beantragt, das landgerichtliche Urteil zu ändern, die Klage abzuweisen und auf die Widerklage die Klägerin zur Auskunft und Rechnungslegung über näher umschriebene Direktgeschäfte zu verurteilen (Widerklageanträge zu a und b), ferner festzustellen, daß ihm gegen die Klägerin ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB (Widerklageantrag zu c) sowie für näher umschriebene Direktgeschäfte Provision (Widerklageantrag zu d) und Schadensersatz (Widerklageantrag zu e) zustehe. Hilfsweise zu den Widerklageanträgen zu a – c hat er wiederum die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von 200.000 DM nebst Zinsen beantragt (Widerklageantrag zu f).
Das Berufungsgericht hat das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise geändert und neu gefaßt. Die Widerklageanträge zu a – e hat es abgewiesen, den Widerklageantrag zu c als unzulässig. „Hinsichtlich des zur Aufrechnung gegen die Klageforderung gestellten Ausgleichsanspruchs und hinsichtlich des Hilfswiderklageantrags zu f” hat es festgestellt, daß dem Beklagten dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch analog § 89 b HGB zustehe, und die Sache „wegen der Entscheidung über die Klageforderung, über die Höhe des Ausgleichsanspruchs, ggf. über die weiter hilfsweise erklärten Aufrechnungen gegen die Klageforderung und über die Kosten des Rechtsstreits” an das Landgericht zurückverwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt:
Eines Grundurteils über die Klageforderung bedürfe es nicht, da diese unstreitig sei. Gegenüber dieser Forderung könne der Beklagte mit einem Ausgleichsanspruch analog § 89 b HGB aufrechnen. Das in § 6 Nr. 2 der Verkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin geregelte Aufrechnungsverbot stehe der Zulässigkeit der Aufrechnung nicht entgegen, weil die Klägerin ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen „in bezug auf § 6 Nr. 2 nicht zum Gegenstand ihres Vortrags gemacht” und darüber hinaus auch ihre Einbeziehung in die von den Parteien geschlossenen Kaufverträge nicht nachvollziehbar dargelegt habe. Der von dem Beklagten zur Aufrechnung gestellte Ausgleichsanspruch bestehe dem Grunde nach. Der von den Parteien mündlich geschlossene Eigenhändlervertrag sei wirksam; das Schriftformerfordernis des § 34 GWB gelte nur für die dem Beklagten auferlegte Wettbewerbsbeschränkung, nicht aber für den übrigen Vertragsinhalt. Eine ergänzende Vertragsauslegung führe zu dem Ergebnis, daß die Parteien den Händlervertrag auch bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Wettbewerbsbeschränkung geschlossen hätten. Die von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen einer analogen Anwendung des § 89 b HGB auf Vertragshändlerverhältnisse seien erfüllt, da der Beklagte einem Handelsvertreter vergleichbar in die Absatzorganisation der Klägerin eng eingegliedert und aufgrund der durch die Korrespondenz belegten Handhabung der Parteien vertraglich verpflichtet gewesen sei, der Klägerin seinen Kundenstamm schon während der laufenden Geschäftsbeziehung zu überlassen. Der Beklagte habe neue Kunden geworben, und die Klägerin ziehe aus den von ihm geschaffenen Geschäftsverbindungen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile. Offen sei lediglich noch die Höhe des Ausgleichsanspruchs, weil der Beklagte seine Gewinnspanne nicht in nachprüfbarer Weise dargetan habe. Deshalb sei über den Ausgleichsanpruch durch Grundurteil gemäß § 304 ZPO zu entscheiden und die Klärung der Höhe dieses Anspruchs gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dem Landgericht zu übertragen. Der Widerklageantrag zu c sei unzulässig, weil der Beklagte den Ausgleichsanspruch abschließend beziffern und infolgedessen Leistungsklage erheben könne. Die Widerklageanträge zu a, b, d und e seien unbegründet. Gegenstand des Hilfswiderklageantrags zu f sei ein durch die Aufrechnung nicht verbrauchter Teilbetrag des Ausgleichsanspruchs in Höhe von 200.000 DM. Da der Ausgleichsanspruch dem Grunde nach bestehe, sei auch insoweit durch Grundurteil zu entscheiden und die Sache wegen der Höhe des Anspruchs an das Landgericht zurückzuverweisen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung und den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Ob das Berufungsgericht über den Ausgleichsanspruch des Beklagten ein Grundurteil (§ 304 ZPO) erlassen durfte, bedarf keiner Entscheidung. Das Berufungsurteil kann jedenfalls deswegen keinen Bestand haben, weil dem Beklagten, wie noch darzulegen sein wird, ein Ausgleichsanspruch gegen die Klägerin nicht zusteht.
2. Zu Unrecht zieht die Revision allerdings die Zulässigkeit der Aufrechnung in Zweifel. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der in § 6 Nr. 2 der Verkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin geregelte Aufrechnungsausschluß in die Kaufverträge der Parteien einbezogen worden ist. Denn die Ausschlußklausel ist unwirksam. Sie läßt die Aufrechnung nur mit solchen Gegenforderungen zu, die von der Klägerin anerkannt und zur Zahlung fällig oder rechtskräftig festgestellt sind. Eine so weit gehende formularmäßige Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeit hält der Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand.
Gemäß § 11 Nr. 3 AGBG sind in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Aufrechnungsverbote unwirksam, die dem Vertragspartner des Verwenders die Befugnis nehmen, mit einer unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Forderung aufzurechnen. Diese Bestimmung findet zwar auf Kaufleute keine unmittelbare Anwendung (§ 24 AGBG); sie stellt aber eine konkretisierte Ausgestaltung des Benachteiligungsverbots des § 9 AGBG dar, da es sich bei dem Ausschluß der Aufrechnung in den genannten Fällen um eine besonders schwerwiegende Verkürzung der Rechte des Vertragspartners handelt, die auch im Geschäftsverkehr zwischen Kaufleuten nicht hingenommen werden kann (BGHZ 92, 312, 316; Graf v. Westphalen, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Vertragsrecht/Aufrechnungsklauseln Rdnr. 9).
Der danach inhaltlich an § 11 Nr. 3 AGBG auszurichtenden Inhaltskontrolle hält das in § 6 Nr. 2 der Verkaufs- und Zahlungsbedingungen der Klägerin geregelte Aufrechnungsverbot nicht stand, denn es macht die Zulässigkeit der Aufrechnung auch mit unbestrittenen Gegenforderungen von deren Anerkennung durch die Klägerin abhängig. Die Klausel stellt es damit in das Belieben der Klägerin, selbst unbestrittenen Gegenforderungen ihrer Vertragspartner die Anerkennung zu versagen und deren Aufrechnungsbefugnis im Ergebnis auf rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen zu beschränken. Eine derartige empfindliche Verkürzung der Gegenrechte ihrer Vertragspartner benachteiligt diese entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist daher unwirksam (§ 9 Abs. 1 AGBG). Der Verstoß gegen § 9 AGBG hat zur, Folge, daß die Klausel insgesamt unwirksam ist; eine geltungserhaltende Reduktion des Aufrechnungsverbots auf ein inhaltlich noch zulässiges Maß kommt nicht in Betracht (BGHZ 92, 312, 315; 115, 324, 326).
3. Die danach zulässige erstrangige Aufrechnung bleibt aber deswegen ohne Erfolg, weil dem Beklagten entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ein Ausgleichsanspruch analog § 89 b HGB gegen die Klägerin nicht zusteht.
a) Rechtlich zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, wonach ein Vertragshändler in entsprechender Anwendung von § 89 b HGB Ausgleich verlangen kann, wenn das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten derart ausgestaltet ist, daß es sich nicht in einer bloßen Verkäufer-Käufer-Beziehung erschöpft, sondern ihn so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingliedert, daß er wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hat, und er verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten bei Vertragsende seinen Kundenstamm zu übertragen, so daß dieser sich die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt Urteil vom 6. Oktober 1993 – VIII ZR 172/92, z. V. b., m. w. Nachw.).
b) Zu Unrecht sieht das Berufungsgericht diese Voraussetzungen aber im Streitfall als erfüllt an.
Ob es schon an der einem Handelsvertreter vergleichbaren Eingliederung des Beklagten in die Absatzorganisation der Klägerin fehlt, wie die Revision meint, bedarf keiner Entscheidung. Dem Berufungsgericht kann jedenfalls nicht gefolgt werden, soweit es auch die weitere Voraussetzung eines Ausgleichsanspruchs bejaht.
Wie die Revision zu Recht beanstandet, ist dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen, daß der Beklagte vertraglich verpflichtet war, der Klägerin seine Kundendaten zu überlassen. Der Umstand allein, daß er ausweislich der im Prozeß vorgelegten Korrespondenz gezielte Anfragen der Klägerin beantwortet und ihr zumindest seine wichtigen Kunden benannt hat, rechtfertigt nicht den Schluß, der Beklagte sei zur Überlassung seiner Kundendaten vertraglich verpflichtet gewesen. Zwar hatte die Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit ihrem Schreiben vom 6. Februar 1990 auch wegen der vollständigen Adressen um die Vorlage von Rechnungskopien von 23 Kunden des Beklagten gebeten. Dieser Bitte der Klägerin und ihrer Erfüllung durch den Beklagten kann indessen für eine verträgliche Pflicht des Beklagten zur Bekanntgabe der aus den Rechnungskopien ersichtlichen Kundenadressen nichts entnommen werden. Wie sich aus dem Inhalt des erwähnten Schreibens der Klägerin ergibt und im übrigen unstreitig ist, war der Beklagte zuvor – wie bereits mit seinem Schreiben vom 13. September 1988 – an die Klägerin mit dem Wunsch herangetreten, ihm für bestimmte von ihm aufgelistete (Groß-) Kunden erhöhte Rabattsätze einzuräumen. Nur in diesem Zusammenhang forderte die Klägerin zwecks Überprüfung der Angaben des Beklagten die Bekanntgabe der Kundenadressen (und der jeweiligen Umsätze). Der Beklagte hätte das Ansinnen der Klägerin daher ablehnen können, ohne sich vertragswidrig zu verhalten, dabei allerdings in Kauf nehmen müssen, daß die Klägerin sich zur Einräumung der angestrebten höheren Rabatte nicht bereitgefunden hätte. Dieser vornehmlich durch das eigene geschäftliche Interesse des Beklagten begründete indirekte Zwang zur Offenbarung von Kundendaten kann indessen nicht mit einer vertraglichen Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms gleichgesetzt werden.
Entgegen der in der Revisionserwiderung vertretenen Auffassung des Beklagten läßt sich eine Vertragspflicht zur Bekanntgabe von Kundendaten auch nicht aus dem Umstand herleiten, daß die Klägerin ebenfalls ein Interesse daran hatte, sich über die Großkunden des Beklagten Informationen zu verschaffen. Richtig ist, daß es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unerheblich ist, welchen Zweck der Hersteller mit einer vertraglich begründeten Verpflichtung des Händlers zur Offenbarung – seiner Kundendaten verfolgt (Senatsurteile vom 10. Februar 1993 – VIII ZR 47/92 = WM 1993, 1464 = NJW-RR 1993, 678 unter II 2 b und vom 6. Oktober 1993 a.a.O. unter II 1 b aa). Das rechtfertigt indessen nicht den vom Beklagten gezogenen Schluß, allein das Interesse des Herstellers an der Bekanntgabe von Kundendaten begründe die Pflicht des Händlers zu deren Offenbarung. Zu weit geht auch die Auffassung des Beklagten, im – wie hier – schriftlich nicht fixierten Vertragsverhältnis sei als vertraglich vereinbart schon zu werten, was die Klägerin als der wirtschaftlich dominierende Partner von dem Beklagten erbeten und der Beklagte, um die Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht zu gefährden, erfüllt habe. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, daß die Zusammenarbeit mit der Klägerin gefährdet gewesen wäre, wenn der Beklagte ihrer Bitte um Bekanntgabe von Kundenadressen nicht entsprochen hätte. Übergangenen Sachvortrag des Beklagten hierzu zeigt die Revisionserwiderung nicht auf.
Für eine konkludent vereinbarte Vertragspflicht des Beklagten zur Überlassung seines Kundenstamms läßt sich auch nichts aus den vom Berufungsgericht weiter angeführten Tatsachen herleiten, daß die Klägerin Kopien aller Rechnungen über nachgeschliffene Blanks erhalten und in zahlreichen Eilfällen auf Wunsch des Beklagten dessen Kunden direkt beliefert hatte. Daß sie auch auf diesen Wegen Kenntnis von Kunden des Beklagten erhielt und danach ausreichende Informationen hatte, um den wesentlichen Kundenstamm des Beklagten nach dessen Ausscheiden aus ihrer Absatzorganisation für sich nutzbar zu machen, reicht für die analoge Anwendung des § 89 b HGB nicht aus.
4. Da dem Beklagten der erstrangig zur Aufrechnung gestellte Ausgleichsanspruch nicht zusteht, hängt der Erfolg des Aufrechnungseinwandes zunächst vom Bestehen der Provisions- und Schadensersatzansprüche ab. Hierzu hat das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen getroffen. Gleichwohl steht bereits jetzt fest, daß die Aufrechnung auch insoweit keinen Erfolg haben kann. Die gegen die Klägerin erhobenen Schadensersatz- und Provisionsansprüche sind dem Beklagten nämlich durch die Abweisung der Widerklageanträge zu d und e rechtskräftig aberkannt.
a) Bei den Provisions- und Schadensersatzansprüchen, deren Feststellung der Beklagte mit den Widerklageanträgen zu d und e begehrt hat, handelt es sich um dieselben Ansprüche, mit denen er – jeweils in Höhe eines der Klageforderung entsprechenden erstrangigen Teilbetrages – in zweiter und dritter Linie gegen die Klageforderung aufgerechnet hat. Die Feststellungsklagen beschränken sich – anders als die auf Zahlung gerichtete Hilfswiderklage zu f hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs – nicht auf den Teil des Provisions- und des Schadensersatzanspruchs, der jeweils die Klageforderung übersteigt. Eine solche Beschränkung ist weder der Fassung der Widerklageanträge zu d und e noch dem sonstigen Berufungsvorbringen des Beklagten zu entnehmen. Sie folgt auch nicht zwingend aus der Interessenlage des Beklagten. Ging dieser nämlich davon aus, daß schon die erstrangige Aufrechnung mit dem Ausgleichsanspruch die Klage zu Fall bringen würde, so entsprach es nicht seinem Interesse, die Feststellung der für die Aufrechnung dann nicht mehr benötigten Provisions- und Schadensersatzansprüche auf den die Klageforderung jeweils übersteigenden Teil zu beschränken.
b) Das Berufungsgericht hat die mithin jeweils den Gesamtanspruch umfassenden Feststellungsanträge als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung ist rechtskräftig.
aa) Zwar wird der Eintritt der Rechtskraft durch die Einlegung eines Rechtsmittels gehemmt (§ 705 ZPO). Hat ein Urteil – wie im vorliegenden Fall – mehrere prozessuale Ansprüche zum Gegenstand, so erstreckt sich die Hemmungswirkung des Rechtsmittels grundsätzlich auf das gesamte Urteil. Sie erfaßt insbesondere auch diejenigen Teile, die ausweislich der Rechtsmittelanträge nicht angefochten worden sind (RGZ 56, 31, 34; BGHZ 7, 143, 144; BGH, Urteil vom 13. Dezember 1962 – III ZR 89/62 = NJW 1963, 444; Beschluß vom 4. Juli 1988 – II ZR 334/87 = NJW 1989, 170 BGHR ZPO § 705 Teilrechtskraft 1; Urteil vom 12. Mai 1992 VI ZR 118/91 = NJW 1992, 2296 unter II 1 = BGHR ZPO § 705 Rechtskraft 1) oder von der insoweit obsiegenden Partei mangels Beschwer von vornherein nicht angefochten werden können (BGH, Urteil vom 12. Mai 1992 a.a.O.).
bb) Nach diesen Grundsätzen ist durch die Einlegung der Revision der Klägerin, die lediglich die Klage und die Hilfswiderklage zu f betrifft, der Eintritt der Rechtskraft zwar zunächst für das gesamte Berufungsurteil und damit auch hinsichtlich der der Klägerin günstigen Abweisung der Widerklageanträge zu a bis e gehemmt worden. Diese Hemmung ist indessen für die Abweisung der Widerklageanträge zu a bis e mit dem Ablauf der Frist für eine mögliche Anschlußrevision des Beklagten entfallen. Der Grundsatz, daß auch die Teilanfechtung eines Urteils den Eintritt der Rechtskraft für das gesamte Urteil hemmt, beruht auf der Erwägung, daß der ursprüngliche Umfang des Rechtsmittelangriffs sich im Laufe des Rechtsmittelverfahrens dadurch erweitern kann, daß einerseits der Rechtsmittelkläger das anfangs auf einen Teil des Urteils beschränkte Rechtsmittel auf den bisher nicht angefochtenen Teil ausdehnt oder daß andererseits sein Gegner sich dem Rechtsmittel anschließt und hierdurch Teile des vorinstanzlichen Urteils in das Rechtsmittelverfahren einbezogen werden, die der Rechtsmittelkläger nicht angefochten hat und mangels Beschwer auch nicht anfechten konnte (BGH, Beschluß vom 4. Juli 1988 und Urteil vom 12. Mai 1992 jeweils a.a.O.; Rosenberg/Schwab/Gottwald a.a.O., § 134 I 1 a; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O., § 705 Rdnr. 5; Zöller/Stöber a.a.O., S. 705 Rdnr. 11). Der nicht angefochtene Teil des Urteils wird daher – von dem hier nicht gegebenen Fall eines entsprechenden Rechtsmittelverzichts abgesehen – erst dann rechtskräftig, wenn er weder durch Erweiterung der Rechtsmittelanträge noch durch ein Anschlußrechtsmittel in das Rechtsmittelverfahren einbezogen werden kann und damit insoweit jede Möglichkeit einer Änderung im Rechtsmittelzug ausgeschlossen ist (RGZ 56, 31, 34; BGH, Urteil vom 12. Mai 1992 a.a.O.; Stein/Jonas/Münzberg a.a.O.; Rosenberg/Schwab/Gottwald a.a.O.). In der Revisionsinstanz ist das hinsichtlich derjenigen prozessualen Ansprüche, mit denen der Revisionskläger im Berufungsverfahren obsiegt hat, in dem Zeitpunkt der Fall, in welchem der Revisionsbeklagte infolge Fristablaufs die Möglichkeit verloren hat, sich der Revision anzuschließen (Stein/Jonas/Münzberg a.a.O.). Die hierfür maßgebliche Monatsfrist (§ 556 Abs. 1 ZPO) ist am 4. November 1993 – einen Monat nach der am 4. Oktober 1993 erfolgten Zustellung des Beschlusses vom 29. September 1993 über die Annahme der Revision – abgelaufen.
c) Die rechtskräftige Abweisung der vom Beklagten zur Aufrechnung gestellten Provisions- und Schadensersatzansprüche ist im Revisionsverfahren ungeachtet des Umstandes zu berücksichtigen, daß die Rechtskraft der Widerklageabweisung erst während des Revisionsverfahrens eingetreten ist (vgl. im einzelnen BGH, Urteil vom 5. Dezember 1984 – VIII ZR 87/83 = WM 1985, 263 unter II 3 m. w. Nachw.; Urteil vom 9. März 1993 – XI ZR 179/92 = WM 1993, 683 unter II).
d) Die rechtskräftige Abweisung der auf Feststellung von Provisions- und Schadensersatzansprüchen gerichteten Widerklageanträge zu d und e stellt das Nichtbestehen dieser Ansprüche rechtskräftig fest (BGH, Urteil vom 24. Juni 1969 – VI ZR 48/67 = NJW 1969, 2014 unter I 1 = LM § 638 BGB Nr. 12; vgl. auch BGH, Urteil vom 22. November 1988 – VI ZR 341/87 NJW 1989, 393 unter II 2; Stein/Jonas/Schumann a.a.O., 256 Rdnr. 167; Leipold ebenda, S. 322 Rdnr. 116; Zöller/Vollkommer a.a.O., § 322 Rdnr. 12; MünchKommZPO-Lüke, § 256 Rdnr. 73; Gottwald ebenda § 322 Rdnr. 168; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann a.a.O., § 322 Rdnr. 39; Thomas/Putzo a.a.O., S. 256 Rdnr. 24).
5. Da dem Beklagten ein Ausgleichsanspruch analog § 89 b HGB gegen die Klägerin nicht zusteht (oben II 3), erweist sich auch die Hilfswiderklage zu f als unbegründet.
6. Der Ausgang des Rechtsstreits hängt mithin allein noch davon ab, ob und in welcher Höhe die von dem Beklagten letztrangig erklärte Aufrechnung mit einem angeblichen Anspruch auf Vergütung eines von der Klägerin zurückzunehmenden Warenlagers Erfolg hat. Das Berufungsgericht hat zu diesem Anspruch – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht abschließend Stellung genommen, vielmehr nur angedeutet, zwischen den Parteien könne insoweit ein „Rückkaufvertrag” zustande gekommen sein. Damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werden können, war die Sache insoweit im Umfang der Aufhebung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
BB 1994, 241 |
NJW 1994, 657 |
ZIP 1994, 126 |