Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung von unverdienten Vorschüssen durch den Steuerberater. Beweislast für erbrachte Leistungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Steuerberater muß entsprechend § 667 BGB unverdiente Vorschüsse und Abschlagszahlungen zurückzahlen, da es um Geschäftsbesorgung geht.
2. Als Auftragnehmer hat der Steuerberater die Beweislast dafür, daß er die Vorschüsse durch geleistete Arbeit verdient hat. Dazu gehört auch die vertragsgemäße Abrechnung.
Normenkette
StBerG § 64; BGB §§ 614, 641, 667, 669, 812
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 02.07.1986; Aktenzeichen 13 U 104/85) |
LG Darmstadt (Urteil vom 01.03.1985; Aktenzeichen 1 O 166/84) |
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 13. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 2. Juli 1986 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als auf die Berufung des Beklagten die Klage auch hinsichtlich des Antrags auf Zahlung von 46.500 DM an die Klägerin zu 1) und von 16.087,39 DM an den Kläger zu 2), jeweils nebst Zinsen, abgewiesen worden ist.
In diesem Umfang wird die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 1. März 1985 zurückgewiesen; jedoch wird dieses Urteil zur Klarstellung wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin zu 1) 46.500 DM und an den Kläger zu 2) 16.087,39 DM, jeweils nebst 14% Zinsen seit dem 10. Februar 1983, zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 1/20 die Klägerin zu 1), zu 3/20 der Kläger zu 2) und zu 4/5 der Beklagte.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Kläger, eine GmbH und deren Geschäftsführer, haben an den Beklagten, der für sie von 1979 bis zum Januar 1983 als Steuerberater tätig war, in der Zeit von März 1981 bis Januar 1982 auf Anforderung des Beklagten in 14 Teilbeträgen insgesamt 65.250 DM gezahlt. Der Beklagte hat für den Kläger zu 2) die Bilanz für 1977 beim Finanzamt eingereicht. Nachdem der Beklagte innerhalb der Frist, die die Kläger zur Übergabe der noch ausstehenden Bilanzen gesetzt hatten, weitere Arbeiten nicht vorgelegt hatte, forderten die Kläger mit Schreiben vom 17. Januar 1983 Abrechnung der „Honorarvorauszahlungen” und Rückzahlung zuviel gezahlter „Vorschüsse”.
Im Laufe der ersten Instanz hat der Beklagte eine nach Stundenzahlen bemessene Abrechnung vorgelegt. Dabei ist er auf einen nach Abzug der geleisteten Zahlungen noch zu begleichenden Betrag von über 100.000 DM gekommen. Die Kläger haben die Richtigkeit der Abrechnung, insbesondere die Berechtigung der Abrechnung nach Stundensätzen bestritten. Dennoch haben die Parteien den im Wege der Stufenklage zunächst geltend gemachten Anspruch auf Vorlage einer vertragsgemäßen Abrechnung für erledigt erklärt.
Die Kläger meinen, die Leistungen des Beklagten seien nach der hier maßgeblichen Gebührenordnung nur 2.662,61 DM wert gewesen. Sie fordern Rückzahlung von insgesamt 62.587,39 DM, nämlich in Höhe von 46.500 DM an die Klägerin zu 1) und in Höhe von 16.087,39 DM an den Kläger zu 2). Ferner haben sie die Feststellung verlangt, daß der Beklagte ihnen den Schaden zu ersetzen habe, der durch die verzögerte Bearbeitung der Steuerangelegenheiten entstanden sei.
Das Landgericht hat nur dem Zahlungsanspruch stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen und die Berufung der Kläger zurückgewiesen, mit der diese den Feststellungsantrag weiter verfolgten. Der Senat hat die auch zum Feststellungsantrag von den Klägern eingelegte Revision nur hinsichtlich des Zahlungsanspruchs angenommen. Diesen verfolgen die Kläger mit der Maßgabe weiter, daß an die Klägerin zu 1) 46.500 DM und an den Kläger zu 2) 16.087,39 DM, jeweils nebst Zinsen, gezahlt werden sollen.
Entscheidungsgründe
In diesem Umfang hat die Revision Erfolg.
1. Das Berufungsgericht meint, als Anspruchsgrundlage für einen Rückzahlungsanspruch komme lediglich § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alternat. BGB (Leistungskondiktion) in Betracht. Die Zahlungen seien aufgrund der erbrachten Leistungen auf der Grundlage der zwischen den Parteien bestehenden vertraglichen Beziehungen mit Rechtsgrund geleistet worden; die Kläger machten geltend, der Beklagte sei für die tatsächlich erbrachten Leistungen überbezahlt. Wer als Vertragspartei Rückzahlung von Vorschüssen begehre, müsse sämtliche Voraussetzungen dieses Anspruches darlegen und beweisen.
Das ist nicht rechtsfehlerfrei.
Die Anspruchsgrundlage und die Beweislastverteilung richten sich nach der rechtlichen Einordnung der Verträge zwischen den Parteien und der daraus folgenden näheren Qualifizierung der Zahlungen der Kläger. Dem Berufungsurteil ist nicht zu entnehmen, welcher Art die Zahlungen waren, die der Beklagte in 14 Teilbeträgen von den Klägern erhalten hat. Es nennt sie Honorarvorschuß oder einfach Vorschuß, aber auch Abschlagszahlung, ohne darüber zu befinden, aus welchem Grund und mit welchen Folgen sie geleistet wurden. Ebensowenig entscheidet das Berufungsgericht, welchem Vertragstyp der Steuerberatungsvertrag zwischen den Parteien zuzuordnen ist.
Regelmäßig ist ein solcher Vertrag ein Geschäftsbesorgungsvertrag mit Dienstleistungscharakter (BGHZ 54, 106, 107). Das gilt insbesondere bei Dauerberatung und Wahrnehmung aller steuerlichen Belange. Um einen Werkvertrag kann es sich handeln, wenn lediglich konkrete Einzelleistungen, z.B. die Anfertigung bestimmter Bilanzen geschuldet werden. Inhalt und Wortlaut der vorgelegten Verträge sprechen hier deutlich für Dienstleistung, vor allem im Hinblick auf den Umfang der übernommenen Aufgaben. Das bedarf hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Nach dem Recht beider Vertragstypen ist der Steuerberater zur Vorleistung verpflichtet, §§ 614 und 641 BGB. Er erhält seine Vergütung üblicherweise erst nach Erledigung seiner Aufgabe, auch wenn seine Vergütung nach Zeitabschnitten bemessen ist, § 614 Satz 2 BGB. Demgemäß hat er einen Anspruch auf über § 669 BGB hinausgehenden Vorschuß oder gar auf eine Abschlagszahlung – damit könnte ein ihm in jedem Falle, möglicherweise auch ohne Abrechnung verbleibender Betrag gemeint sein – erst dann, wenn eine dahingehende Vereinbarung getroffen wurde.
Die vorgelegten formularmäßigen Verträge enthalten keine das Gesetz erweiternden Vereinbarungen über Vorschüsse oder über Abschlagszahlungen. Die weiter im Vertrag für die Gebührenberechnung in erster Linie zugrunde gelegte „Allgemeine Gebührenordnung … (AllGO)”, die ebenfalls vorgelegt worden ist, gibt in § 15 Abs. 2 lediglich das Recht, „angemessene Vorschußzahlungen” für Gebühren und Auslagen zu fordern. Sie geht also über § 669 BGB nur insoweit hinaus, als nicht allein für Aufwendungen Vorschuß verlangt werden kann. Der Beklagte hat nach den vorgelegten Zahlungsaufforderungen zwar nicht Vorschußzahlungen, sondern jeweils Abschlagszahlungen erbeten. Er hat aber dabei jeweils ausdrücklich auf § 15 Abs. 2 AllGO Bezug genommen. Den Verträgen kann nicht einmal entnommen werden, daß der tätig werdende Steuerberater jedenfalls für einen Teil der Aufgaben nach Zeitabschnitten bezahlt werden sollte. Zwar heißt es darin, daß Pauschalgebühren monatlich fällig sind. Ob aber und gegebenenfalls wofür Pauschalgebühren gezahlt werden sollten, bleibt nach dem Formularvertrag offen.
Bei dieser Sachlage hat der Beklagte Vorschüsse und nicht die Bezahlung von schon erbrachten Teilarbeiten erhalten. Die Rückzahlung solcher Vorschüsse richtet sich nicht nach § 812 BGB. Für sie ist § 667 BGB mindestens entsprechend anzuwenden, weil es um Geschäftsbesorgung geht (§ 675 BGB; vgl. MünchKomm/Seiler, 2. Aufl. § 667 Rdn. 4 bis 7 und 23). Die Darlegungs- und Beweislast dafür, daß sie durch die geleistete Arbeit bereits verdient sind, liegt nicht beim Auftraggeber, sondern beim Auftragnehmer (BAG AP Nr. 3 zu § 614 BGB – Gehaltsvorschuß mit zust. Anm. v. Henschel; MünchKomm/Schaub, § 614 Rdn. 20; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, Bd. 1 BGB § 614 Rdn. 2).
2. Der Beklagte hat nicht dargelegt und erst recht nicht bewiesen, daß er mit der von ihm geleisteten Arbeit die erhaltenen Vorschüsse verdient hat. Trotz der Klageerhebung hat der Beklagte nicht entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien abgerechnet. Deshalb muß er die Vorschüsse zurückzahlen.
Mit Recht geht das Berufungsgericht davon aus, daß die ursprünglich zwischen der Klägerin zu 1) oder dem Kläger zu 2) einerseits und dem Beklagten und seinem Sozius andererseits geschlossenen Formularverträge auch dann noch zwischen den Parteien weiter gegolten haben, als der Beklagte und sein Sozius sich getrennt hatten. Zwar hatte der Kläger zu 2) sich nach dieser Trennung in seinem Schreiben vom 24. Juli 1980 nicht für einen der beiden ursprünglichen Vertragspartner entscheiden können, weil der Sozius des Beklagten die Belange der Klägerin zu 1) bearbeitet hatte. Die Kläger haben aber jedenfalls sämtliche lediglich vom Beklagten nach dieser Trennung angeforderten Vorschüsse bezahlt, ohne in irgendeiner Weise deutlich zu machen, daß die ursprünglichen Verträge nicht mehr gelten sollten.
Der Inhalt dieser Steuerberatungsverträge wird im Berufungsurteil nicht hinreichend berücksichtigt. Er rechtfertigt keineswegs die durchgängige Abrechnung nach Stunden. Das Berufungsgericht meint, es habe nach dem in der Folgezeit gezeigten Verhalten dem Parteiwillen entsprochen, daß auch im Verhältnis zwischen dem Kläger zu 2) und dem Beklagten nach Stunden gemäß der Anlage zum Vertrag zwischen der Klägerin zu 1) und dem Beklagten abgerechnet werden sollte, da beide Kläger auf Anforderung Abschlagszahlungen geleistet hätten. Diese Überlegung geht schon deshalb fehl, weil lediglich Zahlungsanforderungen gegenüber der Klägerin zu 1) eingereicht worden sind und keine der Parteien behauptet hat, daß auch der Kläger zu 2) entsprechend aufgefordert worden ist. Vor allem aber verkennt das Berufungsurteil, daß nach dem Vertrag mit der Klägerin zu 1) nebst Anlage und Nachtrag die vom Beklagten geltend gemachten Zeitgebühren lediglich für die Buchführung (Dienstleistung A 1) vereinbart waren. Eine solche Dienstleistung hatte der Beklagte nach dem Vertrag mit dem Kläger zu 2) überhaupt nicht zu erbringen. Deshalb hat besondere Bedeutung, daß nach seinem Vertrag Zeitgebühren nicht vorgesehen waren.
Demnach sind die vom Beklagten in erster Instanz vorgelegten Stundenaufstellungen keine vertragsmäßige Abrechnung. Auch dem sogenannten Übergabeprotokoll kann nicht einmal annähernd entnommen werden, welche Arbeiten mit welchen Gebührenfolgen vom Beklagten geleistet oder vorbereitet worden sind. Mit Recht führt das Urteil des Landgerichts aus, das mit den Stundenaufstellungen vorgelegte Zahlenwerk sei weder verständlich noch nachvollziehbar. Auf sein Vorbringen im Schriftsatz vom 31. Januar 1985 nebst Anlagen kann der Beklagte sich nicht mehr berufen. Daran hindert ihn jedenfalls das Verwertungsverbot der §§ 528 Abs. 3, 296 Abs. 2 ZPO. Das Landgericht hatte dieses Vorbringen zu Recht insgesamt als verspätet angesehen und zurückgewiesen. Mit diesem Schriftsatz hatte aber der Beklagte erstmals in nachvollziehbarer Weise Einzelheiten zu den von ihm bis zur Vertragsbeendigung geleisteten Arbeiten vorgetragen und belegt.
Nach allem kann der Beklagte lediglich die ihm von den Klägern in erster Instanz zugestandenen 2.662,61 DM als Honorar behalten.
Fundstellen