Alle in der KW 50 veröffentlichten BGH-Leitsatzentscheidungen

Kompakt und aktuell: Hier finden Sie einen Überblick der in der KW 50 vom Bundesgerichtshof veröffentlichten sog. Leitsatzentscheidungen.

Datum und Az.

Leitsatz

Normen

BGH, Urteil v. 24.10.2023, VI ZR 131/20

Zur deliktischen Haftung des Kfz-Herstellers wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung gegenüber dem Leasingnehmer und späteren Käufer eines Fahrzeugs.

§ 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 5 EGV 715/2007

BGH, Beschluss v. 24.10.2023, VI ZB 53/22

Ein Rechtsanwalt hat durch geeignete organisatorische Vorkehrungen dafür Sorge zu tragen, dass Fristversäumnisse möglichst vermieden werden. Hierzu gehört die allgemeine Anordnung, bei Prozesshandlungen, deren Vornahme ihrer Art nach mehr als nur einen geringen Aufwand an Zeit und Mühe erfordert, wie dies regelmäßig bei Rechtsmittelbegründungen der Fall ist, außer dem Datum des Fristablaufs noch eine grundsätzlich etwa einwöchige Vorfrist zu notieren. Die Eintragung einer Vorfrist bietet eine zusätzliche Fristensicherung. Sie kann die Fristwahrung in der Regel selbst dann gewährleisten, wenn die Eintragung einer Rechtsmittelbegründungsfrist versehentlich unterblieben ist.

§ 85 Abs 2 ZPO, § 233 S 1 ZPO

BGH, Beschluss v. 25.10.2023, V ZB 9/23

1. Wird die Anfechtungsklage eines Wohnungseigentümers gegen einen nach dem 30. November 2020 auf der Grundlage des Wirtschaftsplans gefassten Beschluss über die Vorschüsse zur Kostentragung und zu den Rücklagen abgewiesen, bestimmt sich die Beschwer weiterhin in aller Regel nach der Höhe der Vorschüsse, die dem Anteil aus dem Wirtschaftsplan entsprechen (Fortführung von Senat, Beschluss vom 18. September 2014 - V ZR 290/13, NJW 2014, 3583 Rn. 10).

2. Ein nach dem 30. November 2020 gefasster Beschluss, durch den „der Wirtschaftsplan genehmigt wird“, ist nächstliegend dahingehend auszulegen, dass die Wohnungseigentümer damit lediglich die Höhe der in den Einzelwirtschaftsplänen ausgewiesenen Beträge (Vorschüsse) festlegen wollen.

§ 28 Abs 1 S 1 WoEigG, § 28 Abs 1 S 2 WoEigG, § 511 Abs 2 Nr 1 ZPO

BGH, Beschluss v. 28.9.2023, IX ZA 14/23

1. Ist der Schuldner Miterbe in einer nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft, erfolgt die Auseinandersetzung außerhalb des Insolvenzverfahrens nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

2. Ist dem Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Erbschaft angefallen oder geschieht dies während des Verfahrens, so steht neben der Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft auch die Anfechtung der Versäumung der Ausschlagungsfrist nur dem Schuldner zu.

§ 83 Abs 1 S 1 InsO, § 84 Abs 1 S 1 InsO, § 1954 Abs 1 BGB, § 1956 BGB

BGH, Urteil v. 9.11.2023, VII ZR 92/20

1. In der werkvertraglichen Leistungskette kann der Hauptunternehmer gegenüber dem Nachunternehmer gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB den Schaden ersetzt verlangen, der ihm dadurch entsteht, dass er wegen der mangelhaften Werkleistung des Nachunternehmers seinerseits Mängelansprüchen seines Bestellers ausgesetzt ist. Hat der Hauptunternehmer in diesem Fall einen vom Besteller geltend gemachten Anspruch auf Kostenvorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB durch Zahlung erfüllt, kann er im Wege des Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4 BGB in Verbindung mit § 280 Abs. 1 und 3, § 281 BGB vom Nachunternehmer Zahlung in Höhe des geleisteten Kostenvorschusses verlangen.

2. Der Umstand, dass der vom Hauptunternehmer ersetzt verlangte Schaden darin liegt, dass er mit dem Kostenvorschuss noch keine endgültige, sondern eine zweckgebundene Zahlung an seinen Besteller geleistet hat, über deren Verwendung nach Mängelbeseitigung abzurechnen ist, ist allerdings im Wege der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigen und kann zu einer Begrenzung des Umfangs seines Schadensersatzanspruchs gegen den Nachunternehmer führen.

Ob und in welcher Weise die Vorteilsausgleichung zu erfolgen hat, richtet sich im Grundsatz danach, ob der Besteller dem Hauptunternehmer bereits eine Abrechnung über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt hat.

a. Hat der Besteller dem Hauptunternehmer noch keine Abrechnung erteilt, kann der Nachunternehmer im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB durchsetzen, dass der Schadensersatz an den Hauptunternehmer in entsprechender Anwendung des § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung der aus der Vorschusszahlung folgenden Ansprüche des Hauptunternehmers gegen den Besteller auf Abrechnung sowie gegebenenfalls Rückzahlung zu leisten ist.

b. Hat der Besteller dem Hauptunternehmer dagegen bereits eine inhaltlich zutreffende Abrechnung erteilt und ist der Vorschussbetrag danach vollständig zur Mängelbeseitigung verbraucht worden, kommt eine Vorteilsausgleichung im Verhältnis des Hauptunternehmers zum Nachunternehmer nicht (mehr) in Betracht. Besteht nach erteilter Abrechnung ein noch nicht erfüllter Rückzahlungsanspruch des Hauptunternehmers gegen den Besteller, kann der Nachunternehmer im Wege des Zurückbehaltungsrechts gemäß § 273 BGB durchsetzen, dass der Schadensersatz an den Hauptunternehmer in entsprechender Anwendung des § 255 BGB nur Zug um Zug gegen Abtretung dieses Anspruchs zu leisten ist. Ist es bereits zu einer vollständigen oder teilweisen Rückzahlung an den Hauptunternehmer gekommen, ist der zurückgezahlte Betrag von Amts wegen auf den vom Nachunternehmer in Geld zu leistenden Schadensersatz anzurechnen und führt zu dessen Verringerung.

3. Den Hauptunternehmer trifft in diesem Fall eine sekundäre Darlegungslast für die anspruchsmindernden Vorteile, die sich daraus ergeben, dass er an seinen Besteller einen Kostenvorschuss wegen der mangelhaften Werkleistung seines Nachunternehmers geleistet hat. Ihm obliegt es deshalb insbesondere darzulegen, ob der Besteller bereits eine Abrechnung über die Verwendung des Kostenvorschusses erteilt hat, und gegebenenfalls nähere Angaben zum Inhalt und Ergebnis der Abrechnung machen.

§ 255 BGB, § 273 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 3 BGB, § 281 BGB, § 634 Nr 2 BGB, § 634 Nr 4 BGB, § 637 Abs 3 BGB

BGH, Urteil v. 26.10.2023, VII ZR 25/23

Bei der Beurteilung, ob es sich um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne von § 650i Abs. 1 Fall 1 BGB handelt, kommt es nicht auf die Gesamtheit aller dem Unternehmer sukzessive im Verlauf der Bauarbeiten erteilten selbständigen Aufträge an.

§ 650f Abs 6 S 1 Nr 2 BGB, § 650i Abs 1 Alt 1 BGB

BGH, Beschluss v. 26.10.2023, III ZR 184/22

Berücksichtigung von Parteivorbringen

Bringt eine Partei auf einen richterlichen Hinweis ein neues entscheidungserhebliches Angriffs- oder Verteidigungsmittel vor, ist dies der anderen Partei mitzuteilen und das Vorbringen, mit dem diese dem neuen Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegentritt, gleichfalls zu berücksichtigen (Vergleiche BGH, Beschluss vom 20. September 2011 - VI ZR 5/11, NJW-RR 2011, 1558 Rn. 5).

Art 103 Abs 1 GG, § 139 ZPO, § 544 Abs 9 ZPO

BGH, Urteil v. 12.10.2023, IX ZR 162/22

1. Übt der Schuldner eine vom Insolvenzverwalter freigegebene selbständige Tätigkeit tatsächlich aus, hat er die Gläubiger auch dann so zu stellen, als ob er ein angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre, wenn er dem regulären Arbeitsmarkt wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände nicht zur Verfügung steht oder stehen kann, sofern er aus der selbständigen Tätigkeit einen Gewinn erzielt.

2. Bei der Festlegung der Höhe des sich nach dem fiktiven Nettoeinkommen zu bestimmenden Abführungsbetrags ist bei einem Schuldner, von dem wegen seines Alters, aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund besonderer berücksichtigungsfähiger Umstände eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann, dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Schuldner überobligatorisch selbständig tätig ist.

§ 35 Abs 2 S 2 InsO, § 295 Abs 2 aF InsO



Schlagworte zum Thema:  Bundesgerichtshof (BGH), Urteil