Alle in der KW 48 veröffentlichten BGH-Leitsatzentscheidungen

Kompakt und aktuell: Hier finden Sie einen Überblick der in der KW 48 vom Bundesgerichtshof veröffentlichten sog. Leitsatzentscheidungen.

Datum und Az.

Leitsatz

Normen

BGH, Urteil v. 4.10.2023, 6 StR 258/23

Trägt der Zahlungsdienstleister das Ausfallsrisiko für im elektronischen Lastschriftverfahren entstehende Rücklastschriften, dann ist bereits mit Abschluss des Vertrages über die Nutzung des Point-of-Sale-Terminals ein Eingehungsbetrug zum Nachteil des Zahlungsdienstleisters vollendet, wenn der Kunde bei den Vertragsverhandlungen verschwiegen hat, dass er das Terminal vertragswidrig für eine Lastschriftreiterei nutzen werde.

§ 263 Abs 1 StGB, § 263 Abs 3 Nr 1 StGB

BGH, Beschluss v. 14.2.2023, 2 StR 403/22

1. § 177 Abs. 1 Var. 3 StGB stellt mit der Tathandlung des „Bestimmens“ nicht die Herbeiführung des bloßen Entschlusses des Tatopfers zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von dem Dritten unter Strafe, sondern setzt zur Tatvollendung das Verursachen einer solchen sexuellen Begegnung voraus.

2. Ausgehend hiervon liegt ein unmittelbares Ansetzen zum Versuch (§ 22 StGB) dann vor, wenn der Täter mit der Einflussnahme auf das Tatopfer beginnt und hierbei davon ausgeht, dass dem die sexuelle Begegnung zwischen Tatopfer und Drittem ohne wesentliche Zwischenschritte folgen wird.

§ 22 StGB, § 177 Abs 1 Alt 3 StGB, § 177 Abs 3 StGB

BGH, Beschluss v. 18.10.2023, 1 StR 146/23

Bei § 75a Abs. 1 Alt. 1 IfSG i.V.m. § 22 Abs. 5 Satz 1 IfSG in der Fassung vom 28. Mai 2021 handelt es sich um ein Allgemeindelikt.

§ 22 Abs 5 S 1 IfSG vom 28.05.2021, § 75a Abs 1 Alt 1 IfSG vom 28.05.2021

BGH, Urteil v. 26.9.2023, KZR 73/21

Die Freien Brauer

Eine Kommanditgesellschaft (hier: Verbund mittelständischer Brauereien) darf Rechtsdienstleistungen für ihre Mitglieder (hier: Abtretungsvereinbarungen zur Geltendmachung kartellrechtlicher Schadensersatzforderungen) erbringen, sofern sie zur Wahrung gemeinsamer Interessen gegründet worden ist, ohne Gewinnerzielungsabsicht lediglich eine Kostenpauschale für die bei der Verfolgung der Schadensersatzansprüche entstehenden Allgemeinkosten erhebt und die Rechtsdienstleistung im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs (hier: gemeinsamer Einkauf von Zucker) erfolgt.

§ 7 Abs 1 Nr 1 RDG, § 3 GWB

BGH, Urteil v. 14.9.2023, IX ZR 219/22

1. Die Erkrankung der anwaltlich vertretenen Partei selbst - bei einer juristischen Person die ihres Vertretungsorgans - zwingt nicht zu einer Terminsverlegung, wenn nicht gewichtige Gründe die persönliche Anwesenheit der Partei erfordern. Die Partei hat die gewichtigen Gründe substantiiert vorzutragen.

2. Erscheint die Partei in der mündlichen Verhandlung nicht, ist sie nicht schon durch eine Arbeitsunfähigkeit ausreichend entschuldigt. Erforderlich ist vielmehr, dass die Partei krankheitsbedingt verhandlungsunfähig ist.

§ 227 Abs 1 S 1 ZPO, § 330 ZPO, §§ 330ff ZPO

BGH, Urteil v. 24.10.2023, VI ZR 1074/20

Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung über den Besuch eines Geistlichen im Privathaus einer prominenten Person.

§ 823 BGB, § 1004 Abs 1 S 2 BGB

BGH, Urteil v. 17.11.2023, V ZR 192/22

1. Zu den nach den Vorschriften der berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Verwahrung des Fahrzeugs im Anschluss an den Abschleppvorgang entstehen. Das gilt aber nur bis zu einem Herausgabeverlangen des Halters. Ein konkurrierender deliktischer Anspruch wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes reicht im Ergebnis nicht weiter.

2. Es kommt ein Anspruch auf Ersatz von Verwahrkosten nach § 304 BGB in Betracht, wenn der das Fahrzeug herausverlangende Halter nicht bereit ist, im Gegenzug die für das Abschleppen und die Verwahrung angefallenen ortsüblichen Kosten zu zahlen und der Abschleppunternehmer daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert, so dass der Halter in Annahmeverzug gerät.

§ 304 BGB, § 670 BGB, § 683 S 1 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 858 BGB

BGH, Beschluss v. 23.5.2023, GSSt 1/23

Das Gericht kann die selbständige Einziehung des durch oder für eine verjährte Straftat erlangten Ertrages oder dessen Wertes nach § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB im subjektiven Verfahren mit dem Urteil anordnen, durch das es das Verfahren hinsichtlich dieser Tat einstellt; in einem solchen Fall bedarf es mithin nicht des Übergangs in das objektive Verfahren gemäß §§ 435 ff. StPO.

§ 76a Abs 2 S 1 StGB, § 260 Abs 3 StPO, § 264 Abs 1 StPO, § 435 StPO, §§ 435ff stopp

BGH, Urteil v. 19.10.2023, III ZR 221/20

Zur Haftung eines Automobilherstellers gemäß § 826 BGB und gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 EG-FGV in einem sogenannten Dieselfall (Motor Typ OM 651).

§ 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV

BGH, Beschluss v. 12.10.2023, IX ZB 60/21

Die Versäumung der Vollziehungsfrist bei einem in einem anderen Mitgliedstaat erlassenen Arrestbefehl kann nur mit den Rechtsbehelfen geltend gemacht werden, die dem Schuldner nach nationalem Recht gegen außerhalb der Vollziehungsfrist erfolgte Vollstreckungsmaßnahmen zur Verfügung stehen.

Art 46 EUV 1215/2012, Art 47 EUV 1215/2012, § 929 Abs 2 ZPO, § 1115 ZPO

BGH, Urteil v. 12.10.2023, III ZR 192/22

Anschlussbeitrag Kanalisation

§ 234 Abs. 1 Satz 2 AO (hier in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Nr. 5 Buchstaben a und b KAG Bbg) hat abschließenden Charakter, so dass Ersatz der geleisteten Stundungszinsen nicht auf der Grundlage des verschuldensunabhängigen Staatshaftungsanspruchs gemäß § 1 Abs. 1 StHG Bbg verlangt werden kann.

§ 1 Abs 1 StHaftG BB, § 12 Abs 1 Nr 5 Buchst a KAG BB, § 12 Abs 1 Nr 5 Buchst b KAG BB, § 234 Abs 1 S 2 AO

BGH, Urteil v. 11.9.2023, VIa ZR 1533/22

Neben dem aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV folgenden und der Höhe nach auf 15% des gezahlten Kaufpreises begrenzten Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens hat der Käufer eines vom sogenannten Dieselskandal betroffenen Fahrzeugs gegen den Fahrzeughersteller keinen Anspruch auf Ersatz eines darüber hinausgehenden Finanzierungsschadens.

§ 823 Abs 2 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV

BGH, Urteil v. 19.10.2023, IX ZR 249/22

1. Führt eine vom Besteller ausgesprochene Kündigung eines Bauvertrags aus wichtigem Grund dazu, dass sich die Forderung des Schuldners auf Werklohn und eine Gegenforderung auf Schadensersatz wegen Fertigstellungsmehrkosten aus einem anderen Vertragsverhältnis aufrechenbar gegenüberstehen, ist die Herstellung der Aufrechnungslage gläubigerbenachteiligend.

2. Die Wirksamkeit der Kündigung steht der Anfechtbarkeit der Herstellung der Aufrechnungslage nicht entgegen.

§ 96 Abs 1 Nr 3 InsO, § 129 Abs 1 InsO, § 8 Abs 2 Nr 2 VOB B


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