Leitsatz (amtlich)
1. Zur stillen Beteiligung an einer Publikums-Kommanditgesellschaft, die Teil der gesellschaftsvertraglichen Beitragspflicht des Kommanditisten und zur Erreichung des Gesellschaftszwecks unerläßlich ist.
2. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange rückständige stille Einlagen dieser Art im Liquidationsstadium der Publikums-Personengesellschaft von dem Liquidator eingefordert werden können.
Tatbestand
Die in Liquidation befindliche Klägerin, eine Publikums-Kommanditgesellschaft, verlangt vom Beklagten als Kommanditisten und stillen Gesellschafter die Zahlung einer rückständigen Einlage in Höhe von 100.000 DM. Dieser war der Klägerin am 20. Januar 1972 als Kommanditist beigetreten. Er hatte eine Gesamteinlage von 150.000 DM gezeichnet, von der 50.000 DM als Kommanditeinlage und 100.000 DM als stille Beteiligung geleistet werden sollten.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin legt fest, daß das Gesellschaftskapital (Kommanditeinlagen und stille Beteiligungen) maximal 24 Mio DM beträgt und sich aus einem Kommanditkapital von 8 Mio DM und stillen Beteiligungen von 16 Mio DM zusammensetzt. Jeder beitretende Kommanditist war verpflichtet, neben der Kommanditeinlage eine stille Beteiligung in der Weise zu zeichnen, daß die Kommanditeinlage 33 1/3% und die stille Beteiligung 66 2/3% der Gesamteinlage beträgt (§§ 4, 5 des Gesellschaftsvertrages). Hinsichtlich der stillen Beteiligung heißt es im Gesellschaftsvertrag (§ 20e): „Die stillen Gesellschafter nehmen mit ihrer Beteiligung am Verlust nicht teil. Ihre Haftung ist auf das eingezahlte Kapital begrenzt. Eine Nachschußpflicht besteht nicht”.
Der Beklagte leistete auf die Einlagen 30.000 DM durch Banküberweisung und weitere 20.000 DM durch Verrechnung mit einer Gegenforderung.
Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin, den Beklagten zur Zahlung weiterer 100.000 DM nebst Zinsen zu verurteilen, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten auf den – mit Rücksicht auf eine Forderungsabtretung – geänderten Antrag der Klägerin verurteilt, 100.000 DM nebst Zinsen auf ein gemeinsames Konto der Klägerin und der Zessionarin zu zahlen.
Mit der Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die Revisionsinstanz von dem – bestrittenen – Vortrag des Beklagten auszugehen, daß er seine Kommanditeinlage von 50.000 DM geleistet hat und die mit der Klage geforderten 100.000 DM seine stille Beteiligung betreffen. Die insoweit zur Zahlungsverpflichtung des Beklagten getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen seine Verurteilung.
I. Der Revision kann nicht darin beigepflichtet werden, daß der Beklagte die stille Einlage deshalb nicht mehr zu erbringen brauche, weil er mit der stillen Beteiligung am Verlust der Klägerin nicht teilnehme (§ 20 des Gesellschaftsvertrages).
Es ist zwar richtig, daß, wie die Revision ausführt, der stille Gesellschafter im allgemeinen nach Auflösung der stillen Gesellschaft eine rückständige Einlage nur bis zur Höhe seines Verlustanteiles zu leisten hat. Der Revision mag auch zuzustimmen sein, daß mit der Auflösung der Klägerin als Geschäftsinhaberin die Auflösung der stillen Gesellschaft verbunden war. Ihrer Auffassung, der Beklagte schulde die stille Einlage wegen der vereinbarten Verlustbefreiung nicht mehr, kann jedoch schon deshalb nicht gefolgt werden, weil im vorliegenden Falle die stille Beteiligung in der Weise gestaltet worden ist, daß sie – ähnlich wie die Kommanditeinlage – Teil der Eigenkapitalausstattung der Klägerin wurde und deshalb auch bei einer etwaigen Auflösung der stillen Gesellschaft erbracht werden muß, soweit sie für die Zwecke der Abwicklung der Klägerin, insbesondere zur Befriedigung der Gläubiger benötigt wird.
1. Der Beklagte ist aufgrund seiner Stellung als Kommanditist gesellschaftsvertraglich verpflichtet, ein stilles Gesellschaftsverhältnis einzugehen und die damit verbundenen Einlagen zu zahlen. Er hat die stille Beteiligung nicht als Außenstehender und auch nicht in der Weise übernommen, daß die daraus entspringenden Rechte und Pflichten unabhängig neben der gleichzeitig begründeten Kommanditbeteiligung bestehen. Die stille Beteiligung ist vielmehr – wie aus den §§ 4, 5 des Gesellschaftsvertrages folgt – notwendiger Bestandteil der Beitrittsverpflichtung des Kommanditisten. Darüber hinaus hat der Gesellschaftsvertrag den stillen Einlagen die Funktion von Eigenkapital zuerkannt: Die dadurch zu erbringenden Mittel waren zur Erreichung des Gesellschaftszwecks unerläßlich. Insbesondere war die zur Verwirklichung des Gesellschaftszwecks notwendige Aufnahme von Fremdmitteln in Höhe des Gesamtkapitals (der Kommanditeinlagen und der stillen Einlagen) ohne entsprechende Eigenkapitalgrundlage nicht zu erreichen. Dementsprechend haben sowohl der Gesellschaftsvertrag als auch der zur Werbung von Anlagegesellschaftern herausgegebene Werbeprospekt die stillen Einlagen – zusammen mit den Kommanditeinlagen – als „Gesellschaftskapital”, „Gesamtkapital” und „Eigenkapital” bezeichnet und behandelt.
2. Aus dem Satz in § 20e des Gesellschaftsvertrages, „die stillen Gesellschafter nehmen mit ihrer Beteiligung am Verlust nicht teil”, folgt nichts anderes. Die gegenteilige Auffassung der Revision berücksichtigt einmal nicht, daß dieser Formulierung in § 20e die weitere Bestimmung folgt: „Ihre Haftung ist auf das eingezahlte Kapital begrenzt. Eine Nachschußpflicht besteht nicht”. Zum anderen steht sie in Widerspruch zu der dargelegten inneren Verbindung zwischen Kommanditbeteiligung und stiller Beteiligung und zu der Tatsache, daß die stille Beteiligung die Funktion als Eigenkapital hat und die Grundlage für die notwendige Aufnahme von Fremdkapital war. Der Bestimmung des § 20e kann deshalb nur die Bedeutung zukommen, daß die Verluste im Verhältnis der Gesellschafter untereinander in vollem Umfange den Kommanditeinlagen (und der persönlich haftenden Gesellschafterin, die allerdings nur eine Einlage von 20.000 DM zu leisten hatte) zu belasten sind und, wie es im Gesellschaftsvertrag festgelegt wurde, auf „Kapitalkonto II” zu verbuchen sind (vgl § 7 Nr 4 und § 14 Nr 2 des Gesellschaftsvertrages). Im übrigen aber muß die stille Einlage – als Eigenkapital – zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen. Etwaige Ansprüche, die aus der stillen Beteiligung gegen die Klägerin erwachsen, haben dementsprechend hinter Drittgläubigerforderungen zurückzutreten.
Hieraus ergibt sich, daß die Kommanditisten die stille Einlage auch im Stadium der Abwicklung der Kommanditgesellschaft noch zu erbringen haben, soweit sie benötigt wird. Im einzelnen gelten hierbei die Grundsätze, die der Senat in seinem Urteil vom 3. Juli 1978 (II ZR 24/77, LM HGB § 149 Nr 6) ausgesprochen hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob die mit den Kommanditisten zustande gekommenen stillen Gesellschaften als aufgelöst anzusehen sind. Der Liquidator ist danach – in Abweichung von der gesetzlichen Regel der §§ 335ff HGB – nicht gehalten, auf den Zeitpunkt der Auflösung der stillen Gesellschaft eine Auseinandersetzungsbilanz zu erstellen, die Guthaben der Kommanditisten hinsichtlich der stillen Einlagen zu berichtigen (§ 340 HGB) und rückständige Einlagen nur insoweit einzufordern, als der Gesellschafter an dem Verlust teilnimmt, der sich bei der Abrechnung ergibt. Die Ausgestaltung des vorliegenden Gesellschaftsverhältnisses gebietet es vielmehr, die stillen Beteiligungen im Stadium der Abwicklung der Kommanditgesellschaft als Inhaberin des Handelsgeschäfts im Sinne der §§ 335ff HGB – von den nachstehend zu erörternden Einschränkungen abgesehen – ebenso zu behandeln, wie die Kommanditeinlagen.
II. Entgegen der Auffassung der Revision ist in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht auch davon auszugehen, daß die gegen den Beklagten bestehende Einlageforderung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger benötigt wird und im gegenwärtigen Zeitpunkt eingefordert werden kann.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, den Beklagten treffe die Darlegungslast und Beweislast dafür, daß der eingeforderte Betrag für die Durchführung der Abwicklung nicht benötigt wird. In einem Streitfalle, wie er hier gegeben ist, ist der Liquidator zwar verpflichtet, die Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen, soweit er wegen seiner Stellung allein dazu in der Lage ist (vgl SenUrt v 3.7.78 – II ZR 54/77, LM HGB § 149 Nr 6 mwN). Dieser Verpflichtung ist der Liquidator im vorliegenden Falle jedoch in der erforderlichen Weise nachgekommen.
Die Klägerin hat den beim Beginn der Liquidation aufgestellten „Status zum 31. August 1974” vorgelegt (GA 13 Anl 1), der die Verbindlichkeiten einschließlich Rückstellungen mit 2.512.078,32 DM und die Aktiven mit 4.359.465,67 DM ausweist, wobei das Umlaufvermögen – im wesentlichen Guthaben bei Kreditinstituten – mit 730.956,17 DM und die Einlageforderungen mit 3.628.505,50 DM angesetzt sind. Das Berufungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, daß der Liquidator auch einen Status zum 31. Dezember 1975 erstellt hat, aus dem sich ergibt, daß keine wesentlichen Änderungen eingetreten sind; den Aktiven – ohne offene Einlageverpflichtungen – von 871.504,17 DM stehen Verbindlichkeiten von 2.407.083,38 DM gegenüber. Die Klägerin hat die entscheidenden Posten auch erläutert (vgl hierzu die Darlegungen in der Eröffnungsbilanz zum 31.8.1974), insbesondere hinsichtlich der von der Revision bekämpften Posten (Rückstellungen und Verbindlichkeiten gegenüber der T.-Finanzgesellschaft AG in Z.) rechtlich einwandfrei dargetan, daß die Rückstellungen im wesentlichen die „Gesellschaftssteuern bis 31. August 1974” betreffen und die von der Klägerin selbst bestrittene Forderung der T. von dieser ihr gegenüber geltend gemacht wird.
Damit ist den Interessen der Gesellschafter hinreichend Rechnung getragen worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten war der Liquidator darüber hinaus nicht verpflichtet, während der gesamten Dauer der Abwicklung Jahresbilanzen aufzustellen und den Gesellschaftern mitzuteilen. Bei umfangreichen Abwicklungen und größeren Veränderungen der Aktiven und Passiven mag er allerdings gehalten sein, den Gesellschaftern durch die jährliche Aufstellung und Mitteilung von Bilanzen oder in anderer Weise laufend einen Überblick über die Abwicklungsgeschäfte und über den Stand der Abwicklung zu geben. Im vorliegenden Falle, in dem sich die Verhältnisse kaum verändert haben, bestand keine Verpflichtung dieser Art. Hier wäre es vielmehr Sache des Beklagten gewesen, im einzelnen nachzuweisen, daß die vom Liquidator dargelegten Verbindlichkeiten, insbesondere die umstrittene Forderung der T. von vornherein nicht entstanden ist oder später ausgeglichen wurde. Das aber hat er, wie das Berufungsgericht unangefochten feststellt, nicht getan.
2. a) Wie unter I 2 dargelegt, kommt allerdings der Bestimmung, daß die stille Einlage am Verlust nicht teilnimmt, im Verhältnis der Gesellschafter untereinander die Bedeutung zu, daß die Verluste insoweit ausschließlich der Klägerin als Geschäftsinhaberin zur Last fallen und demgemäß in vollem Umfange die Kommanditeinlagen (und die persönlich haftende Gesellschafterin) zu belasten sind. Daraus folgt, daß die stillen Einlagen nur dann im Liquidationsverfahren in Anspruch genommen werden dürfen, wenn die Einlagen der Kommanditisten und der persönlich haftenden Gesellschafterin durch Verluste aufgezehrt sind daher zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht ausreichen.
Dem steht nicht entgegen, daß dem Liquidator bei der Entscheidung darüber, ob und welche rückständigen Einlagen er einzieht, ein Ermessensspielraum einzuräumen ist. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit hat er jedenfalls die Regeln des Gesellschaftsvertrages über Art, Inhalt und Umfang der den einzelnen Gesellschaftern obliegenden Einlageverpflichtungen und insoweit auch eine gesellschaftsvertraglich festgelegte Rangordnung zu beachten.
b) Nach dem Vorbringen der Klägerin ist der Liquidator auch bei Beachtung dieser Grundsätze als berechtigt anzusehen, die stillen Einlagen einzuziehen. Der Status zum 31. August 1974 – der keine ins Gewicht fallende Änderung erfahren hat – weist aus, daß von den ausstehenden Einlagen von rund 3,6 Mio DM auf die stillen Gesellschaftsanteile rund 2,4 Mio DM entfallen, so daß aus rückständigen Kommanditeinlagen zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger nur rund 1,2 Mio DM zur Verfügung stehen. Dieser Betrag reicht aber auch unter Einbeziehung der weiter zur Verfügung stehenden Aktiva von rund 730.000 DM (zum 31. August 1974) bzw rund 871.000 DM (zum 31. Dezember 1975) zur Erfüllung der Verbindlichkeiten (rund 2,5 Mio DM bzw 2,4 Mio DM) nicht aus.
Aus den vorstehenden Zahlen folgt allerdings, daß die stillen Einlagen der Kommanditisten nicht in vollem Umfange benötigt werden. Hieraus kann jedoch keine Verpflichtung des Liquidators abgeleitet werden, den benötigten Betrag auf alle Gesellschafter (entsprechend den geschuldeten Einlagebeträgen) zu verteilen und die rückständigen Einlagen demgemäß von den Gesellschaftern in der Weise einzufordern, daß alle gleichmäßig belastet sind. Die Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfange er gegenüber den einzelnen Gesellschaftern rückständige Einlageforderungen geltend macht, steht vielmehr in seinem – pflichtgemäß auszuübenden – Ermessen: Folgte man der gegenteiligen Auffassung, müßte der Liquidator Aufgaben wahrnehmen, die schon der Auseinandersetzung – der Ausgleichung der Aktivposten und Passivposten – der Gesellschafter untereinander dienen; im allgemeinen können diese Aufgaben endgültig auch erst nach Erledigung der Abwicklung gemäß § 149 HGB vorgenommen werden (wenn das Ergebnis der Liquidation nach Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger feststeht). In einem Falle der vorliegenden Art wäre der Liquidator darüber hinaus gezwungen, eine Vielzahl geschuldeter Teilbeträge von den Gesellschafter einzuklagen und dementsprechend Nachforderungen zu stellen, wenn – wie zu erwarten – nicht alle Forderungen beglichen werden oder diese sich gar als uneinbringlich erweisen. All das würde die Abwicklung der aufgelösten Gesellschaft erheblich erschweren und damit in Widerspruch zu den Interessen aller Gesellschafter stehen, die Aktiva der Gesellschaft möglichst schnell und ungehindert flüssig zu machen, damit die Gläubiger befriedigt und mögliche weitere Ansprüche – hier kommen insbesondere auch Zinsansprüche erheblichen Umfangs in Betracht – von der Gesellschaft abgewendet werden können.
Unter besonderen Umständen und bei Vorliegen einstimmiger Weisungen im Sinne des § 152 HGB kann zwar etwas anderes gelten. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, daß diese Voraussetzungen hier gegeben sind; der Beklagte hat in dieser Hinsicht auch nichts vorgetragen.
Fundstellen
Haufe-Index 647958 |
NJW 1980, 1522 |
ZIP 1980, 192 |
DNotZ 1981, 305 |