Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausscheiden eines Gesellschafters bei einer zweigliedrigen Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
§ 24 Abs. 2 HGB - und nicht § 22 Abs. 1 HGB - ist auch dann anwendbar, wenn aus einer zweigliedrigen Gesellschaft einer der beiden Gesellschafter ohne Liquidation ausscheidet.
Normenkette
HGB § 24 Abs. 2, § 22 Abs. 1, § 19
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 2. März 1988 aufgehoben und das Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hannover vom 14. Januar 1987 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Tatbestand
Die Beklagten sind die alleinigen Gesellschafter einer unter der Firma S. und K. geführten, vorwiegend auf dem Gebiet der Aalräucherei tätigen offenen Handelsgesellschaft. Die Gesellschaft war im Jahre 1930 von den Fischhändlern Dietrich S. und Heinrich K. gegründet worden, 1949 traten ihr als weitere persönlich haftende Gesellschafter deren Söhne, der Beklagte zu 1 und Gerhard S., bei, der im Jahre 1964 nach dem Tode seines Vaters als zur Nachfolge in dessen Gesellschafterstellung berufener (Mit-)Erbe auch den bisher von diesem gehaltenen Gesellschaftsanteil übernahm. Am 12. Juni 1965 schlossen die nunmehrigen Gesellschafter Heinrich K., der Beklagte zu 1 und Gerhard S. einen neuen Gesellschaftsvertrag. Nach § 11 dieses Vertrages wird die Gesellschaft nicht durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst; der vom Verstorbenen zum Nachfolger in seine Gesellschafterstellung bestimmte Erbe hat das Recht, binnen drei Monaten zu entscheiden, ob er in der Gesellschaft bleiben oder unter Abfindung ausscheiden will. Nach dem Ableben von Heinrich K. im Jahre 1983 waren alleinige Gesellschafter mit je hälftiger kapitalmäßiger Beteiligung Gerhard S. und der Beklagte zu 1. Am 15. Dezember 1985 starb auch Gerhard S.. Als seine Ehefrau, alleinige Erbin und Nachfolgerin in seine Gesellschafterstellung hat die Klägerin mit einem den Beklagten am 27. Dezember 1985 zugegangenen Schreiben von ihrem Recht Gebrauch gemacht, aus der Gesellschaft auszuscheiden. Das Ausscheiden Gerhard S. und der Klägerin sowie der inzwischen erfolgte Neueintritt der Beklagten zu 2 wurden am 16. Januar 1986 von den Beklagten zum Handelsregister angemeldet. In der Anmeldung heißt es, die Firma werde "unverändert fortgeführt". Die Klägerin meldete ihrerseits ihr Ausscheiden am 29. Januar 1986 beim Handelsregister an. Am selben Tage beantragte sie die Eintragung der von ihr als persönlich haftende Gesellschafterin und von ihrer Tochter Marie-Luise S. als Kommanditistin gegründeten M. S. KG, die im wesentlichen denselben Gegenstand hat wie die Sf. und K. OHG.
Die Klägerin hält die Fortführung der bisherigen Firma dieser offenen Handelsgesellschaft, der sie nicht zugestimmt hat, für unzulässig und begehrt, die Beklagten zu verurteilen, das Erlöschen der Firma "S. und K." zum Handelsregister anzumelden. Land- und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgen die Beklagten ihren bereits in den Vorinstanzen gestellten Klagabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
Das Berufungsgericht meint, die "S. und K." OHG sei nicht zur Weiterführung ihrer Firma berechtigt, weil die Klägerin als Trägerin des Familiennamens S. ihr die dazu erforderliche Einwilligung nicht erteilt habe. Zwar sei die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Firmenfortführung zulässig sei, ungeachtet des Umstandes, daß der Beklagte zu 1 nach dem Ausscheiden der Klägerin für kurze Zeit Alleininhaber des Unternehmens gewesen sei, nicht aus § 22 Abs. 1 HGB, sondern aus § 24 Abs. 2 HGB zu beantworten. Auch nach dieser Bestimmung sei das Recht zur Firmenfortführung jedoch von der Einwilligung der Klägerin abhängig. Zwar sei mit dem Gesellschafter, "dessen Name" in der Firma enthalten sei, grundsätzlich derjenige gemeint, der der Firma seinen Namen gegeben habe. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 92, 79, 82) gelte die Vorschrift aber auch für den Gesellschafter, der der Familie des Firmenstifters angehört habe, dessen Familiennamen trage, als sein Erbe Gesellschafter geworden sei und die "ererbte" Firma "in die neue mit einem Dritten gebildete Gesellschaft eingebracht" habe. Diese besonderen Voraussetzungen seien zwar im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Das gleiche müsse für den ausscheidenden Erben und Namensträger aber auch dann gelten, wenn noch ein Gesellschafter vorhanden sei, der schon zu Lebzeiten des Firmenstifters der Gesellschaft angehört habe. Er befinde sich in der gleichen Zwangslage. Einerseits habe nach § 19 HGB wenigstens einer der Gesellschafter der Gesellschaft seinen Namen zur Verfügung zu stellen, so daß ihm sein Recht, als Erbe des Firmenstifters die Einwilligung zur Firmenfortführung zu versagen, im Ergebnis wenig nütze; andererseits habe er bei seinem Ausscheiden ein berechtigtes, dem Interesse der Gesellschaft an der Fortführung ihrer Firma vorgehendes Interesse, seinen Namen wieder abzuziehen, um ihn unter Umständen für die Firma eines eigenen neuen Unternehmens verwenden zu können. Dies hält rechtlicher Prüfung nur teilweise stand.
1.
Allerdings ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, wenn es § 24 Abs. 2 HGB und nicht § 22 Abs. 1 HGB auch dann anwendet, wenn aus einer zweigliedrigen Gesellschaft einer der beiden Gesellschafter ohne Liquidation ausscheidet. Zwar läßt sich dieser Vorgang, weil dadurch das Unternehmen von einer Gesellschaft auf einen Alleininhaber übergeht, rechtlich als Wechsel des Unternehmensträgers auffassen. Die Interessenlage spricht jedoch auch in diesem Fall für die Anwendung des § 24 Abs. 2 HGB und nicht des § 22 Abs. 1 HGB. Die in der letztgenannten Vorschrift geregelten Fälle sind dadurch gekennzeichnet, daß der Erwerber an dem Unternehmen und damit auch an dem Firmenwert bislang keinen Anteil gehabt hat. Deshalb kann das Gesetz dem weichenden Inhaber die Entscheidung freistellen, ob er das Unternehmen mit oder ohne Firma übertragen will. Anders ist die vom Gesetzgeber vorgefundene typische Ausgangslage im Falle des § 24 HGB. Da die verbleibenden Gesellschafter auch schon bisher an dem Vermögen des Unternehmens und damit auch an dem in der Firma verkörperten Wert beteiligt waren, muß das Gesetz einen Ausgleich zwischen ihrem Interesse an der Beibehaltung der Firma und demjenigen des Ausscheidenden, ihnen diese Weiterführung zu untersagen, herbeiführen. Diesen Interessenausgleich vollzieht das Gesetz in der Weise, daß § 24 Abs. 2 HGB das Recht zur Firmenfortführung nur dann von der Einwilligung des Ausscheidenden abhängig macht, wenn gerade sein Name in der Firma enthalten ist. Da diese Interessenlage keine wesentlich andere ist, wenn nach dem Ausscheiden des Gesellschafters nur ein Gesellschafter zurückbleibt, ist es, wie das Berufungsgericht zutreffend (gegen Hüffer in Staub, HGB 4. Aufl. § 24 Anm. 10; vgl. aber auch dens. in ZGR 1986, 137, 138 ff.) ausführt, gerechtfertigt, auch auf diesen Fall - nicht anders als beim Verbleiben von zwei oder mehr Gesellschaftern - die auf namensrechtliche Gesichtspunkte abstellende Regelung des § 24 Abs. 2 HGB anzuwenden. Im Einklang damit hat der Senat schon in seiner Entscheidung vom 9. Juli 1984 (BGHZ 92, 79), wenn auch damals ohne ausdrückliche Auseinandersetzung mit dieser Frage, das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer zweigliedrigen Gesellschaft allein unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des § 24 Abs. 2 HGB behandelt.
2.
Dagegen kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden, wenn es jedem Gesellschafter, der als Erbe in die Gesellschaft eingetreten und Träger eines in der Gesellschaftsfirma enthaltenen Familiennamens ist, mit Blick auf die aus § 19 HGB für ihn bei seinem Eintritt folgende "Zwangslage" das Recht zusprechen will, der Gesellschaft bei seinem Ausscheiden die Weiterführung ihrer Firma zu verbieten. Die darin liegende erweiterte Auslegung des § 24 Abs. 2 HGB beruht auf einer einseitigen Bevorzugung des Interesses des ausscheidenden Gesellschafters an der späteren wirtschaftlichen Verwertung des Namens vor dem schutzwürdigen Interesse der Gesellschaft an der Fortführung ihrer Firma, unter der sie sich wirtschaftliche Geltung erworben hat. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 16. Februar 1987 (BGHZ 100, 75, 80 f.), mit der sich das Berufungsgericht nicht auseinandersetzt, mit eingehender Begründung klargestellt hat, können jedoch die einem ausscheidenden Gesellschafter, der einen auch in der Gesellschaftsfirma enthaltenen Familiennamen führt, bei einer späteren eigenen Firmenbildung möglicherweise aus §§ 18, 19 HGB erwachsenden Schwierigkeiten für sich allein kein hinreichender Grund für die Anwendung des § 24 Abs. 2 HGB sein, wenn nicht eine besonders enge Beziehung des Ausscheidenden zu der Gesellschaftsfirma hinzutritt, die es rechtfertigt, seinem Interesse an der zukünftigen Nutzung seines Namens den Vorrang vor demjenigen der Gesellschaft an der Weiterführung ihrer Firma, d.h. ihres Namens, zu geben. Diese Bedingung ist grundsätzlich nur dann erfüllt, wenn der ausscheidende Gesellschafter der Gesellschaft seinen Namen gegeben hat, also ihr "Namensgeber" oder "Firmenstifter" gewesen ist. Allein er ist deshalb regelmäßig im Sinne des § 24 Abs. 2 HGB derjenige, "dessen Name in der Firma enthalten ist". Dies entspricht auch dem herkömmlichen Verständnis (vgl. RG Gruchot, 36/1892/1152 = JW 1891, 473; BayObLG JW 1931, 29, 98; Heymann/Kötter, HGB 21. Aufl. § 24 Anm. 8; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan, HGB 5. Aufl. § 24 Rdnr. 6; Staub/Hüffer a.a.O. § 24 Rdnr. 16; a. A. anscheinend neuerdings Hüffer ZGR 1986, 137, 143), wonach unter diese Norm nur der Name fällt, der zur Bezeichnung der Persönlichkeit des ausscheidenden Gesellschafters dient und als solcher in der Firma enthalten ist. In seiner Person verkörpert sich eine so enge Beziehung zu der Gesellschaftsfirma, daß es gerechtfertigt ist, seinem Interesse an der zukünftigen ungehinderten wirtschaftlichen Nutzung des Namens den Vorrang vor dem Bestandsinteresse der Gesellschaft an dem Weitergebrauch ihrer Firma einzuräumen. Da er der Gesellschaft seinen Namen gegeben hat, wird ihm auch das Recht zugestanden, ihn bei seinem Ausscheiden "mitzunehmen". Dieses Recht geht bei seinem Ausscheiden durch Todesfall auf seinen Erben über, der aber dadurch nicht selber zum Namensgeber der Gesellschaft wird; denn die Gesellschaft führt den Namen, und zwar als Namen eines anderen, des Erblassers, der mit demjenigen des Erben nicht einmal notwendigerweise identisch sein muß, bereits in ihrer Firma. Dagegen fällt unter § 24 Abs. 2 HGB nicht der Name, welcher mit dem Namen des Austretenden zwar ganz oder teilweise (z.B. nur im Familien-, nicht aber im Vornamen) übereinstimmt, nicht aber als sein Name in die Firma aufgenommen worden ist. Das Recht, bei seinem Ausscheiden über die Weiterverwendung des Namens zu befinden, hat mithin nur derjenige (oder statt seiner sein Erbe), der seinen Namen in die Firma eingebracht hat; späteren Trägern desselben Namens oder ihren Erben steht dieses Recht im Interesse der Firmenkontinuität nicht mehr zu. Der Konflikt zwischen dem Interesse des Unternehmens an der Weiterführung seiner Firma, die, wenn das Unternehmen unter dieser Firma Marktgeltung erworben hat, einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen kann, und dem Interesse des Namensgebers, über die künftige Verwendung seines Namens zu verfügen, das insbesondere von Bedeutung sein kann, wenn er sich selber kaufmännisch betätigen will (§§ 18, 19 HGB), wird also bei Ausscheiden des Namensträgers zugunsten des Namensträgers entschieden, wenn dieser selber der Firmenstifter war. In allen anderen Fällen wird dieser Konflikt zugunsten der Gesellschaft entschieden, weil der Name auch ihr Name ist und sie ihm Geltung verschafft hat. Würde man das Entscheidungsrecht jedem, der den gleichen Namen wie der Firmenstifter führt und ihm als Erbe in die Gesellschaft nachgefolgt ist, und damit jeder Generation gleichen Namens, erneut zubilligen, so würde der Name der Gesellschaft über Generationen hinweg zur Disposition gestellt, solange noch ein Träger desselben Familiennamens an der Firma beteiligt ist, der seinen Namen von dem Firmenstifter ableitet, was den Grundsatz der Firmenkontinuität weitgehend beseitigen und zur Vernichtung erheblicher wirtschaftlicher Werte führen könnte. Das Interesse eines aus der Gesellschaft ausscheidenden Trägers desselben Namens an der künftigen freien Verwendung desselben für die Gründung eines eigenen Unternehmens muß dahinter zurücktreten. Mit diesem Normenverständnis war es noch vereinbar, wenn der Senat in BGHZ 92, 79 auch denjenigen als Firmenstifter angesehen hat, der sein als Einzelkaufmann ererbtes (früher einmal als Gesellschaft geführtes) Unternehmen in eine mit einem außenstehenden Dritten gegründete Gesellschaft eingebracht hatte und nun nach seinem Ausscheiden aus dieser Gesellschaft über den in der Firma enthaltenen Familiennamen, der auch sein eigener war, wieder zur Gründung eines neuen eigenen Unternehmens verfügen wollte. Da er den mit seinem eigenen Familiennamen identischen Namen bei ihrer Gründung in die Gesellschaft eingebracht hatte, erschien es von der Interessenlage her berechtigt, ihn insoweit als Firmenstifter zu behandeln und auch ihm den Schutz des § 24 Abs. 2 HGB angedeihen zu lassen. Wie der Senat jedoch ebenfalls bereits in seiner Entscheidung vom 16. Februar 1987 (aaO) klargestellt hat, handelte es sich dabei um einen Ausnahmefall, der aus der besonderen vorstehend beschriebenen Ausgangs- und Interessenlage her verstanden werden muß und nicht als Aufgabe der herkömmlichen Auslegung des § 24 Abs. 2 HGB mißdeutet werden darf, was mit der hinter dieser Norm stehenden gesetzlichen Interessenbewertung unvereinbar wäre.
Da es dazu keiner weiteren tatrichterlichen Feststellungen bedarf, kann der Senat den Rechtsstreit selber entscheiden. Namensgeber (Firmenstifter) war Dietrich S., der Schwiegervater der Klägerin. Nach seinem Tode im Jahre 1964 hätten seine Kinder, Gerhard S. und seine Geschwister, als seine Erben nach § 24 Abs. 2 HGB das Recht gehabt, ihre Zustimmung zur Fortführung des Familiennamens ihres Vaters zu verweigern. Dies ist, wie die Fortführung des Unternehmens mit unveränderter Firma bis zum Tode Gerhard S. im Jahre 1985 zeigt, unzweifelhaft nicht geschehen. Nach dem Tode Gerhard S. steht seiner Witwe, der Klägerin, als seiner Erbin dieses Recht nicht erneut zu. Das Recht ihres Mannes, als Erbe des Firmenstifters die Fortführung des in der Firma enthaltenen Familiennamens "S." zu untersagen, fällt ihr nicht an, weil dieses Recht ihres Mannes schon zu seinen Lebzeiten dadurch erloschen ist, daß er und seine Geschwister es im Sinne der Fortführung der Firma ausgeübt haben. In der Person ihres Mannes konnte es nicht neu entstehen und von ihr ererbt werden, weil ihr Mann nicht Firmenstifter war. Ebensowenig steht es ihr als ausscheidendem Gesellschafter zu. Danach ist die Klage unter Aufhebung des Berufungsurteils abzuweisen.
Unterschriften
Boujong,
Dr. Bauer,
Brandes,
Dr. Hesselberger,
Röhricht
Fundstellen