Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltendmachung des Ausgleichsanspruchs beim begrenzten Realsplitting
Leitsatz (amtlich)
Auf den Anspruch auf Freistellung von Steuernachteilen, die dem unterhaltsberechtigten Ehegatten infolge seiner Zustimmung zum begrenzten Realsplitting entstehen können, ist die Vorschrift des § 1585b Abs. 3 BGB weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar (im Anschluss an BGH, Urt. v. 9.10.1985 - IVb ZR 39/84, MDR 1986, 213 = FamRZ 1985, 1232).
Normenkette
BGB § 1585b Abs. 3; EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats - Senat für Familiensachen I - des Saarländischen OLG v. 25.4.2002 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Ausgleich steuerlicher Nachteile der Klägerin infolge der Inanspruchnahme des sog. begrenzten Realsplittings durch den Beklagten.
Mit Urteil v. 20.10.1992 wurde der Beklagte verurteilt, an die Klägerin monatlichen nachehelichen Unterhalt i.H.v. 360 DM zu zahlen. Für das Steuerjahr 1993 nahm der Beklagte mit Zustimmung der Klägerin das sog. begrenzte Realsplitting in Anspruch und setzte insgesamt 17.280 DM als Sonderausgaben für Unterhaltsleistungen ab. Auf der Grundlage dieser Unterhaltsleistungen wurde mit Bescheid v. 9.2.1998 zu Lasten der beschäftigungslosen Klägerin für das Jahr 1993 eine darauf entfallende Steuerschuld i.H.v. 2.273 DM (Einkommensteuer) und i.H.v. 204,50 DM (Kirchensteuer) zzgl. einer Zinsverpflichtung i.H.v. 374 DM, mithin von insgesamt 2.851,50 DM festgesetzt.
Mit ihrer im Juni 2001 eingegangenen und nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe am 4.10.2001 zugestellten Klage begehrt die Klägerin Freistellung von der gegen sie festgesetzten Steuer. AG und OLG haben der Klage stattgegeben. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in OLGReport Saarbrücken 2002, 227 veröffentlicht ist (OLG Saarbrücken v. 25.4.2002 - 6 UF 167/01, OLGReport Saarbrücken 2002, 227), hat die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen, weil es von der in FamRZ 2000, 888 (OLG Hamburg v. 27.4.1999 - 2 UF 3/99, FamRZ 2000, 888) veröffentlichten Entscheidung des OLG Hamburg abweicht, das die Vorschrift des § 1585b Abs. 3 BGB auf den Ausgleichsanspruch des Unterhaltsberechtigten angewandt hat. Zur Begründung seiner gegenteiligen Auffassung hat das Berufungsgericht ausgeführt:
§ 1585b Abs. 3 BGB beschränke den rückständigen Unterhaltsanspruch auf ein Jahr vor Rechtshängigkeit, weil die Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich darauf gerichtet sei, die Mittel für den laufenden Lebensbedarf des Berechtigten zur Verfügung zu stellen. Der Schuldner solle zugleich vor Härten geschützt werden, die sich aus der Inanspruchnahme für eine Zeit ergeben, in der er sich auf seine Unterhaltsverpflichtung noch nicht einzurichten brauchte. Der Ausgleichsanspruch nach Zustimmung zum sog. begrenzten Realsplitting diene demgegenüber nicht der Befriedigung von Lebensbedürfnissen in einer bestimmten Zeit, sondern solle gewährleisten, dass dem unterhaltsberechtigten Ehegatten aus der ihm abverlangten Zustimmungserklärung keine Nachteile entstehen. Es handele sich um einen Anspruch eigener Art, der aus Billigkeitsgründen geboten sei, damit die Zustimmung zum sog. begrenzten Realsplitting für den Berechtigten zumutbar werde. § 1585b Abs. 3 BGB sei deswegen auf diesen Anspruch weder unmittelbar noch sinngemäß anzuwenden.
Der Anspruch sei auch nicht verwirkt, weil es jedenfalls an dem insoweit erforderlichen Umstandsmoment fehle. Anhaltspunkte, die einen entsprechenden Vertrauenstatbestand für den Beklagten belegen könnten, habe der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht aufgezeigt. Allein der Umstand, dass der Steuerbescheid erst rund vier Jahre nach Ablauf des Veranlagungszeitraums ergangen sei und die Klägerin ihre Klage erst weitere rund drei Jahre nach Erlass des Steuerbescheides erhoben habe, könne einen solchen Vertrauenstatbestand nicht begründen. Das gelte jedenfalls deswegen, weil der Beklagte erst durch das vorgerichtliche Schreiben der Klägerin v. 2.4.2001 Kenntnis von dem Steuerbescheid erlangt habe.
Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung stand.
II.
1. Der Senat hat bereits entschieden, dass der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Ausgleich des Steuernachteils, der ihm auf Grund seiner Zustimmung zum begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG erwächst, ein Anspruch eigener Art ist, auf den § 1585b Abs. 3 BGB weder unmittelbar noch sinngemäß anzuwenden ist (BGH v. 9.10.1985 - IVb ZR 39/84, MDR 1986, 213 = FamRZ 1985, 1232 [1233]).
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (BGH, Urt. v. 23.3.1983 - IVb ZR 369/81, MDR 1983, 919 = FamRZ 1983, 576; v. 26.9.1984 - IVb ZR 30/83, MDR 1985, 304 = FamRZ 1984, 1211; v. 9.10.1985 - IVb ZR 39/84, MDR 1986, 213 = FamRZ 1985, 1232 [1233]) kann der unterhaltspflichtige Ehegatte die Zustimmung des anderen zum sog. begrenzten Realsplitting nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG regelmäßig nur Zug um Zug gegen eine bindende Erklärung verlangen, durch die er sich zur Freistellung des unterhaltsberechtigten Ehegatten von der Steuerschuld verpflichtet, die diesem als Folge der Besteuerung der erhaltenen Unterhaltszahlungen erwächst. Die diesbezüglichen Verpflichtungen beider Seiten sind Ausprägungen des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) im Rahmen des zwischen ihnen bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses.
§ 1585b Abs. 3 BGB schränkt die Forderung von Unterhalt für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit sowie von entsprechenden Erfüllungssurrogaten ein, weil die Unterhaltsverpflichtung grundsätzlich darauf gerichtet ist, die Mittel für den laufenden Lebensbedarf des Berechtigten zur Verfügung zu stellen. Auch soll der Schuldner vor Härten geschützt werden, die sich aus der Inanspruchnahme für eine Zeit ergeben, in der er sich auf eine Unterhaltsverpflichtung nicht einzurichten brauchte. Der Ausgleichsanspruch nach Zustimmung zum begrenzten Realsplitting dient demgegenüber nicht der Befriedigung von Lebensbedürfnissen in einer bestimmten Zeit, sondern soll gewährleisten, dass dem unterhaltsberechtigten Ehegatten aus der ihm abverlangten Zustimmungserklärung keine Nachteile entstehen, wozu auch Nachteile beim Bezug öffentlicher Hilfen gehören (BGH, Urt. v. 23.3.1983 - IVb ZR 369/81, MDR 1983, 919 = FamRZ 1983, 576). Es handelt sich um einen Anspruch eigener Art, der - anders als der Unterhaltsanspruch - nicht davon abhängt, dass der Unterhaltspflichtige leistungsfähig und der Berechtigte unterhaltsbedürftig ist. Er beruht auch nicht darauf, dass der Schuldner früher seine Unterhaltsverpflichtung nicht oder nicht gehörig erfüllt hätte. Vielmehr ist er aus Billigkeitsgründen geschuldet, damit die Zustimmung zum begrenzten Realsplitting für den Berechtigten zumutbar ist. Der Unterhaltsverpflichtete, der das Realsplitting in Anspruch nimmt, kann und muss sich von vornherein auf den späteren Ausgleich der steuerlichen Nachteile des Berechtigten einstellen. Die besondere Verwirkungsvorschrift des § 1585b Abs. 3 BGB ist auf diesen Anspruch deswegen weder unmittelbar noch sinngemäß anzuwenden (BGH v. 9.10.1985 - IVb ZR 39/84, MDR 1986, 213 = FamRZ 1985, 1232 [1233]; Göppinger/Wax/Kodal, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1139; Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585b Rz. 15).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
2. Der Einschränkung des § 1585b Abs. 3 BGB für die Durchsetzung von Unterhaltsforderungen, die länger als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit fällig wurden, liegen Rechtsgedanken zu Grunde, die sich auf das Unterhaltsrecht beschränken. Das Gesetz will eine dergestalt verspätete Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs dadurch sanktionieren, dass sie nur unter einer erschwerenden Voraussetzung durchgreifen kann. Dem Wesen nach handelt es sich um eine Ausformung des Rechtsinstituts der Verwirkung, die an eine "illoyal verspätete Geltendmachung" des Rechts nachteilige Folgen für den Rechtsinhaber knüpft (BGH v. 16.6.1982 - IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 280 [283] = MDR 1982, 835; Urt. v. 13.1.1988 - IVb ZR 7/87, MDR 1988, 481 = FamRZ 1988, 370 [372 f.]). Der Gläubiger soll dadurch veranlasst werden, seinen Unterhaltsanspruch zeitnah zu verwirklichen, auch damit nicht beim Schuldner eine übergroße Schuldenlast anwächst (BGH, Urt. v. 1.7.1987 - IVb ZR 74/86, MDR 1988, 36 = FamRZ 1987, 1014 [1015]). Das Gesetz bringt auch in weiteren Regelungen zum Ausdruck, dass Unterhaltsforderungen für eine mehr als ein Jahr zurückliegende Zeit mit einer besonderen Schwäche behaftet sind (BGH v. 5.10.1988 - IVb ZR 91/87, BGHZ 105, 250 [256] = MDR 1989, 241 = FamRZ 1989, 150 [152 f.], unter Hinweis auf die Vorschriften der §§ 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB und 850d Abs. 1 S. 4 ZPO). Auch § 1585b Abs. 2 BGB, wonach Unterhalt für die Vergangenheit erst von der Zeit an gefordert werden kann, in der der Unterhaltspflichtige in Verzug gekommen oder der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist, beruht auf dem Gedanken, dass Unterhalt seinem Wesen nach zur Bestreitung des laufenden Lebensbedarfs dient und die Befriedigung der Bedürfnisse einer zurückliegenden Zeit an sich nicht möglich ist, so dass grundsätzlich keine Notwendigkeit besteht, darauf beruhende Ansprüche fortdauern zu lassen. Zugleich soll der Unterhaltspflichtige durch diese Vorschrift vor Härten geschützt werden, die sich aus einer Inanspruchnahme für eine Zeit ergeben können, in der er noch nicht mit dem Unterhaltsanspruch rechnen musste (BGH, Urt. v. 29.4.1992 - XII ZR 105/91, MDR 1992, 1155 = FamRZ 1992, 920 [921]). Um einen solchermaßen begrenzten Unterhaltsanspruch handelt es sich bei dem Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Ausgleich des Steuernachteils infolge seiner Zustimmung zum begrenzten Realsplitting hingegen nicht.
Zwar hat der Senat inzwischen entschieden, dass ggü. dem Anspruch eines unterhaltsberechtigten geschiedenen Ehegatten auf Erstattung der ihm als Folge des begrenzten steuerlichen Realsplittings erwachsenden steuerlichen Nachteile grundsätzlich nicht mit Gegenforderungen aufgerechnet werden kann (BGH, Urt. v. 29.1.1997 - XII ZR 221/95, MDR 1997, 479 = FamRZ 1997, 544 [545 f.]). Dabei hat sich der Senat allerdings entscheidend auf den Zweck des § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO und die Entwicklung dieser Vorschrift gestützt. Danach erfasst die Regelung entgegen dem Wortlaut (Unterhalts-"Renten") generell Unterhalts-"Forderungen", die im Rahmen oder auf Grund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung geschuldet werden, und damit auch einmalig zu zahlende Unterhaltsbeträge. Denn auch diese sind dazu bestimmt, dem Berechtigten die zu seinem Lebensunterhalt bestimmten Mittel - unverkürzt und rechtzeitig - zukommen zu lassen.
Der Senat hat insoweit für den Ausgleichsanspruch aus dem begrenzten Realsplitting auf dessen (auch) unterhaltsrechtlichen Charakter abgestellt. Denn die Ausgleichsverpflichtung dient dem Zweck, dem Unterhaltsberechtigten durch die Ausgleichung der mit dem begrenzten Realsplitting für ihn verbundenen Belastung den ihm zustehenden Nettounterhalt im Ergebnis ungeschmälert zu sichern. Wegen der damit erzielten Sicherung des Unterhalts ist der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Erstattung der infolge des begrenzten Realsplittings entstehenden Steuerlast von dem weiten Geltungsbereich des § 850b Abs. 1 Nr. 2 ZPO umfasst (BGH, Urt. v. 29.1.1997 - XII ZR 221/95, MDR 1997, 479 = FamRZ 1997, 544 [545 f.]). Der Ausgleichsanspruch sichert also den Unterhaltsanspruch des Berechtigten und genießt den gleichen Schutz wie dieser, ohne indessen selbst ein Unterhaltsanspruch zu sein. Deswegen hat der Senat daran festgehalten, dass die Verpflichtung des ausgleichsberechtigten Ehegatten zur Zustimmung zum begrenzten Realsplitting gegen Ausgleich der ihm hierdurch ggf. erwachsenden steuerlichen Nachteile "auf einer Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des zwischen geschiedenen Ehegatten bestehenden gesetzlichen Unterhaltsrechtsverhältnisses" beruht (BGH v. 9.10.1985 - IVb ZR 39/84, MDR 1986, 213 = FamRZ 1985, 1232 [1233]; Urt. v. 29.1.1997 - XII ZR 221/95, MDR 1997, 479 = FamRZ 1997, 544 [546]; v. 29.4.1998 - XII ZR 266/96, MDR 1998, 845 = FamRZ 1998, 953 [954]). Der Ausgleichsanspruch dient nicht der Befriedigung des laufenden Lebensunterhalts, denn dieser ist bereits gezahlt, sondern gleicht lediglich aus Gründen von Treu und Glauben einen konkret entstehenden Nachteil des Unterhaltsberechtigten im Hinblick auf den mindestens gleich hohen Vorteil beim Unterhaltspflichtigen aus. Auf diesen Anspruch ist § 1585b Abs. 3 BGB deswegen nicht unmittelbar anwendbar.
3. Entgegen anderen Stimmen in Rechtsprechung und Literatur (OLG Hamburg v. 27.4.1999 - 2 UF 3/99, FamRZ 2000, 888 [889]; Heiß/Born/Linderer, Unterhaltsrecht, Stand Juli 2004, 43. Kap., Rz. 25a; Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1585b Rz. 4; FA-FamR/Gerhardt, 5. Aufl., 6. Kap., Rz. 71) ist § 1585b Abs. 3 BGB auf diesen Ausgleichsanspruch auch nicht analog anwendbar.
Die Vorschrift des § 1585b Abs. 3 BGB beinhaltet nach einhelliger Auffassung eine spezielle Ausformung des allgemeinen Verwirkungsgrundsatzes (BGH v. 5.10.1988 - IVb ZR 91/87, BGHZ 105, 250 [256] = MDR 1989, 241 = FamRZ 1989, 150 [152 f.]). Liegen die Voraussetzungen dieses besonderen Anwendungsbereichs der Verwirkung nicht vor, verbleibt es deswegen bei der Anwendbarkeit des aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) folgenden allgemeinen Verwirkungsgrundsatzes als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung (BGH v. 16.6.1982 - IVb ZR 709/80, BGHZ 84, 280 [281 ff.] = MDR 1982, 835; v. 20.10.1988 - VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290 [298] = MDR 1989, 246). Damit fehlt es auch an einer Regelungslücke für eine analoge Anwendung des § 1585b Abs. 3 BGB (so im Ergebnis auch Göppinger/Wax/Kodal, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1139; Weinreich/Klein, Kompaktkommentar Familienrecht, § 1585b Rz. 15).
4. Zu Recht hat das Berufungsgericht auch eine Verwirkung des Ausgleichsanspruchs der Klägerin abgelehnt.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BGH setzt die Verwirkung eines Rechts nach den Grundsätzen von Treu und Glauben neben einem Zeitmoment zusätzlich immer auch ein Umstandsmoment voraus (BGH, Urt. v. 4.2.2004 - VIII ZR 171/03, WuM 2004, 198; Urt. v. 20.6.2001 - XII ZR 20/99, NJ 2002, 38; v. 19.12.2000 - X ZR 150/98, BGHZ 146, 217 [220 f.] = BGHReport 2001, 209 = ZIP 2001, 670; Urt. v. 13.3.1996 - VIII ZR 99/94, NJW-RR 1996, 994; Beschl. v. 23.2.1989 - BLw 11/88, MDR 1989, 737 = NJW-RR 1989, 768; v. 13.1.1988 - IVb ZR 7/87, BGHZ 103, 62 [70 f.] = MDR 1988, 481 = NJW 1988, 1137). Das Berufungsgericht hat diese Voraussetzung der Verwirkung in der ihm obliegenden tatrichterlichen Würdigung verneint. Dabei hat es den Sachverhalt erschöpfend gewürdigt und weder gegen Denkgesetze noch gegen sonstige Erfahrungssätze verstoßen. Auch geht das Berufungsgericht zu Recht davon aus, dass der Beklagte für einen Vertrauenstatbestand im Rahmen des Umstandsmoments der Verwirkung darlegungs- und beweisbelastet ist. Seine Feststellungen, wonach es an einem ausdrücklichen Vortrag hierzu fehlt, werden von der Revision nicht in zulässiger Weise angegriffen.
Die Voraussetzungen der Verwirkung können auch nicht allein aus dem erheblichen Zeitablauf hergeleitet werden, wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ausgeführt hat. Die Zeitdauer von der Zustimmung der Klägerin zum begrenzten Realsplitting bis zum Zugang des Steuerbescheides v. 9.2.1998 kann eine Verwirkung des Ausgleichsanspruchs schon deswegen nicht begründen, weil der Beklagte in dieser Zeit noch mit einem Rückgriff rechnen musste. Zwar hätte die Klägerin ihre Zustimmung zum begrenzten Realsplitting schon seinerzeit von einer Freistellung von entstehenden steuerlichen Belastungen abhängig machen dürfen. Die unbedingte Zustimmung zum steuerlichen Realsplitting konnte der Beklagte ohne Hinzutreten weiterer Umstände aber nicht als Verzicht auf einen Ausgleich steuerlicher Nachteile auffassen. Denn ein Rückgriff war für die Klägerin ohnehin erst mit Erlass des Steuerbescheids möglich, weil ihre Steuerlast zuvor noch nicht endgültig feststand.
Aber auch in den Folgenden mehr als drei Jahren bis zum Eingang der Klageschrift im Juni 2001 konnte sich auf Seiten des Beklagten kein schutzwürdiges Vertrauen auf einen unterbleibenden Rückgriff bilden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Beklagte erst mit Schreiben v. 2.4.2001 Kenntnis von dem an die Klägerin gerichteten Steuerbescheid erhalten. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte er nicht davon ausgehen, dass für die Klägerin keine Steuerlast entstehen werde. Denn ihre Steuerpflicht beruht allein auf den Unterhaltsleistungen, die der Beklagte von seiner Steuerlast abgesetzt hatte. Mit Kenntnis dieser Beträge war für den Beklagten die entstehende Steuerpflicht der Klägerin erkennbar. Er konnte sich deswegen auf den künftigen Rückgriff einstellen, indem er einen Teil seines steuerlichen Vorteils für den Ausgleich der steuerlichen Nachteile der Klägerin zurücklegte. Wie in Kenntnis dieser Tatsachen ein Vertrauenstatbestand des Beklagten entstehen konnte, er werde nicht (mehr) von der Klägerin auf Ausgleich in Anspruch genommen, ist vom Beklagten nicht konkret dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Sein Vortrag, er habe nicht mehr damit gerechnet, wegen des lang zurückliegenden Steuerjahres noch belastet zu werden, ist im Hinblick darauf nicht hinreichend substantiiert. Insbesondere lässt er nicht erkennen, ab wann und aus welchem
Anlass er trotz fehlender Kenntnis von dem Steuerbescheid der Klägerin im Vertrauen auf einen unterbleibenden Rückgriff eigene steuerliche Vorteile verbraucht hat.
Fundstellen
Haufe-Index 1378345 |
BFH/NV Beilage 2005, 391 |
NJW 2005, 2223 |
Inf 2005, 531 |
NWB 2005, 2845 |
BGHR 2005, 1195 |
FamRZ 2005, 1162 |
FuR 2005, 370 |
MittBayNot 2006, 149 |
MDR 2005, 1112 |
FamRB 2005, 264 |
NJW-Spezial 2005, 442 |
RdW 2005, 502 |
ZFE 2005, 289 |
BFH/NV-Beilage 2005, 391 |
SJ 2005, 54 |