Wie lange müssen Eltern für erwachsene Kinder Unterhalt zahlen?
Der Unterhaltsanspruch eines Kindes endet weder mit dem Erreichen der Volljährigkeit, noch mit dem Schulabschluss. Eltern sind unterhaltspflichtig für die Kosten einer optimalen begabungsbezogenen Berufsausbildung, die in aller Regel erst nach der Volljährigkeit abgeschlossen wird. Während der Dauer der Ausbildung ist das volljährige Kind dem Grundsatz nach weiter unterhaltsbedürftig – unabhängig davon, wie alt es ist und wie lange die Ausbildung dauert. Es gibt davon allerdings Ausnahmen und es gibt Grenzen für diesen Anspruch.
Dauer der Unterhaltsverpflichtung gegenüber Kindern ist ungewiss
Das vage Ziel der Erfüllung der Unterhaltspflicht: eine begabungsbezogenen Berufsausbildung, kann im Einzelfall dazu führen, dass es für die Eltern kaum vorhersehbar ist, wie lange ihre Unterhaltsleistungen noch andauern.
Studium nach abgeschlossener Lehre
Entscheidet sich ein Kind z. B. nach abgeschlossener Lehre ein darauf aufbauendes Studium zu beginnen, dann besteht der Unterhaltsanspruch fort. Voraussetzung ist nur, dass ein fachlicher Zusammenhang zwischen Lehre und Studium besteht. Dies wird z. B. bei einer Ausbildung zur Bauzeichnerin und dem darauffolgenden Studium der Architektur bejaht (vgl. BGH, Urteil v. 07.06.1989, IVb ZR 51/88).
Unterscheiden sich die Fachgebiete von Lehre und Studium hingegen grundlegend, wie z. B. bei einer Lehre zum Industriekaufmann mit anschließendem Medizinstudium, dann wird ein weiterer Unterhaltsanspruch verneint und die Zahlungsverpflichtung der Eltern endet mit der abgeschlossenen Lehre (vgl. BGH, Urteil v. 12.06.1991, XII ZR 163/90).
Unterbrechung der Ausbildung
Ebenso müssen Eltern weiter Unterhalt zahlen, wenn ein Kind aufgrund von Schwangerschaft und eigener Kinderbetreuung die Ausbildung erst spät beginnt oder mit Unterbrechung dann erst wieder fortsetzt. Demzufolge billigte der BGH einer nicht mehr ganz so jungen Tochter einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gem. §§ 1601, 1610 Abs. 2 BGB zu. Nach ihrem Abitur und einem freiwilligen sozialen Jahr hatte die junge Frau ein Kind bekommen, für das sie sich eine dreijährige Auszeit nahm. Erst danach fing sie ihr Sozialpädagogik-Studium an. Für das letzte Jahr an der Uni verlangte sie von ihrem Vater, mit dem sie sonst keinen Kontakt mehr pflegte, Unterhaltszahlungen. Der weigerte und wehrte sich mit Klagen bis zum Bundesgerichtshof – wo er schließlich scheiterte (vgl. BGH, Urteil v. 29.06.2011, XII ZR 127/09).
Grenzen der Leistungsfähigkeit der Eltern sind zu beachten
Die Unterhaltspflicht kann allerdings entfallen, wenn den Eltern aufgrund ihres Alters und beengter finanzieller Mittel eine weitere Unterhaltszahlung wirtschaftlich nicht mehr zugemutet werden kann. Die Finanzierung der Ausbildung des Kindes muss sich also in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern halten. Auf ihren Beruf und ihre gesellschaftliche Stellung kommt es dagegen nicht an. Sind die Einkünfte der Eltern aber so gering, dass sie aufgrund der Unterhaltsverpflichtung ihre eigene Altersvorsorge nicht sicherstellen können, dann müssen sie nicht noch ein Studium finanzieren, wenn das Kind eine Lehre bereits abgeschlossen hat und in dem erlernten Beruf Geld verdienen könnte. Ebenso müssen Eltern einen Auslandsaufenthalt während der Ausbildung nicht unbedingt finanzieren, wenn die damit verbundenen zusätzlichen Kosten außerhalb ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit liegen.
Für Bummelstudium oder Nichtstun müssen Eltern keinen Unterhalt zahlen
Als Pendant zur Unterhaltspflicht der Eltern besteht die Pflicht des Kindes, seine Ausbildung mit gehörigem Fleiß und gebotener Zielstrebigkeit zu betreiben. Die Ausbildung ist innerhalb der angemessenen und üblichen Dauer zu absolvieren, damit sich das Kind anschließend selbst unterhalten kann.
Die Ausbildung planvoll und zielstrebig durchzuziehen
Der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt also dann, wenn das Kind seine Obliegenheiten nachhaltig verletzt, die Ausbildung planvoll und zielstrebig durchzuführen. Das insoweit geltende Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme soll sicherstellen, dass ein Kind den Unterhalt nicht missbräuchlich geltend macht. Ist das Kind also z. B. nur für ein Studium eingeschrieben, hat die Universität aber kaum „von innen gesehen“, dann hat es wegen dieser Obliegenheitsverletzung keinen Anspruch darauf, von den Eltern weiter finanziert zu werden. Das Kind muss vielmehr an den Studienveranstaltungen teilnehmen und die erforderlichen Prüfungen ablegen.
Ein vorübergehendes leichtes Versagen ist allerdings unschädlich. Der Unterhaltsanspruch entfällt also nicht sofort dann, wenn das Kind eine Prüfung wiederholen muss. Wird die Regelstudienzeit aber erheblich überschritten, sind die Eltern nicht mehr zu Unterhaltszahlungen verpflichtet (vgl. BGH, Urteil v. 11.02.1987, IVb ZR 23/86). Gleiches gilt, wenn das Kind zweimal durch die Zwischenprüfung fällt und deshalb exmatrikuliert wird (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil v. 25.03.1994, 2 UF 195/93).
Eltern haben bezüglich der Ausbildung Auskunfts- und Kontrollrechte
Um überprüfen zu können, ob das Kind seine Obliegenheiten erfüllt, stehen den Eltern Auskunfts- und Kontrollrechte zu. Das Kind ist also verpflichtet, die Eltern über den wesentlichen Gang der Ausbildung zu informieren und ihnen auf Verlangen Studienbescheinigungen, Zeugnisse und Prüfungsergebnisse vorzulegen.
Angemessene Orientierungsphase ist zuzugestehen
Allerdings wird einem Kind zugestanden, sich jedenfalls einmal umzuorientieren. Sollte ein Kind beispielsweise seine Erstausbildung abbrechen (OLG Celle, Urteil v. 10.10.2013, 610 F 5057/12) oder im Studium nach zwei Semestern feststellten, dass der gewählte Studiengang nicht seinen Begabungen oder Interessen entspricht, dann ist es unterhaltsrechtlich im Normalfall nicht verwerflich, wenn das Kind den Studiengang wechselt oder eine andere Ausbildung beginnt.
Dies gilt insbesondere dann, wenn der erste Studiengang nicht den Vorstellungen und Wünschen des Kindes entsprach, sondern auf Drängen der Eltern begonnen wurde. Grundsätzlich bestimmt ein volljähriges Kind sein Berufsziel und seine Ausbildung selbst. Erfolgt der Studienwechsel oder ein Studienabbruch aber erst in der zweiten Hälfte des Studiums ohne Einverständnis der Eltern, dann haben die Eltern ihre Ausbildungsverpflichtung erfüllt, womit der Unterhaltsanspruch entfällt.
Selbstfinanzierte Orientierungsphase versenkt den Ausbildungsanspruch nicht
Eine längere Selbstfindungsphase, während der die Eltern finanziell durch das Kind nicht belastet wurden, führen nicht zum Verlust des Unterhaltsanspruchs. Die Länge und Dauer der dem Kind zu gewährenden Orientierungsphase ist nach Alter, Entwicklungsstand und den Lebensumständen unterschiedlich. Wird die Orientierungsphase nicht überdehnt, ist eine Versagung des Unterhaltsanspruchs nicht gerechtfertigt (OLG Hamm, Beschluss v. 05.02. 2013, 7 UF 166/12).
Wenn Eltern nicht mehr mit einer Ausbildung rechnen mussten
Eine Unterhaltsverpflichtung kann jedoch auch wegen Zeitablaufs unzumutbar sein, z. B. wenn das Kind bei Studienbeginn bereits 26 Jahre alt ist und der Unterhaltspflichtige auch nicht mehr mit Ausbildungskosten rechnen muss (BGH, Beschluss v. 3.05.2017, XII ZB 415/16).
Gleiches gilt, wenn ein Kind nach Erreichen des Realschulabschlusses eine Lehre absolviert und erst im Anschluss daran zur Überraschung der Eltern das Fachabitur nachholt, um dann ein Studium zu beginnen. In den Ausbildungsfällen Lehre-Fachhochschulreife-Studium wird die Unterhaltspflicht von der Frage mitbestimmt, inwieweit die Eltern damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach dem mittleren Schulabschluss und einer abgeschlossenen Berufsausbildung noch eine berufsqualifizierende Ausbildung anstrebt. In solchen Fällen ist es den Eltern nur dann wirtschaftlich zumutbar, die weiteren Ausbildungsschritte durch Unterhaltszahlungen zu unterstützen, wenn ihr Kind von vornherein die Absicht äußerte, nach der Lehre die Fachoberschule zu besuchen, um anschließend zu studieren, oder die Eltern mit einem derartigen beruflichen Werdegang aufgrund sonstiger Umstände rechnen mussten.
Ausnahmen hat der BGH aber unter besonderen Umständen angenommen, z. B., wenn das Kind von den Eltern in einen seiner Begabung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt wurde oder die Erstausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung beruht. Ferner kommt eine weitergehende Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde (BGH, Urteil vom 30.11.1994, AZ: XII ZR 215/93 m. w. N.; BGH, Urteil vom 17.05.2006, AZ: XII ZR 54/04).
Einzelfall entscheidend
Es lässt sich für die betroffenen Eltern keine klare Linie aufzeigen, wann die Unterhaltsverpflichtung für ihr Kind endet. Vielmehr kommt es stets auf den Einzelfall an. Für ein Kind, das nach dem Schulabschluss eine Lehre beginnt und hierfür eine Ausbildungsvergütung erhält, die seinen Unterhaltsbedarf abdeckt, endet die Zahlungspflicht der Eltern ggf. schon mit Erreichen der Volljährigkeit. Muss ein Kind hingegen zunächst eine Schulklasse wiederholen, schafft dann doch das Abitur, entscheidet sich zunächst für eine Banklehre und beginnt dann noch ein Jura- oder BWL-Studium, das womöglich durch eine eigene Schwangerschaft mit anschließender Kinderbetreuung unterbrochen wird, dann mag das Kind ein Alter von 30 Jahren oder mehr erreichen, ohne dass die Unterhaltsverpflichtung der Eltern erloschen wäre.
Hintergrund: Beweislast bei Ausbildungsverzögerung
Die Eltern schulden dem volljährigen Kind grundsätzlich Unterhalt lediglich während der üblichen Ausbildungsdauer. Verzögert sich die Ausbildung darüber hinaus, z. B. durch Krankheit des Kindes, psychische Störungen, leichtes Versagen des Kindes durch Nichtbestehen einer Prüfung, durch ein Auslandsstudium, einen Wechsel des Studienorts oder aus sonstigen Gründen wie z. B. die Notwendigkeit, zur Sicherung des Lebensunterhalts eine Nebenarbeit verrichten zu müssen, muss das unterhaltsberechtigte Kind die Gründe für die Verzögerung des Studiums substanziiert darlegen und ggf. beweisen.
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Danke
Viele Grüße, Fabian Carlesso, Haufe Online-Redaktion