Leitsatz (amtlich)
Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH wegen Verletzung seiner gesellschafterlichen Treuepflicht, wenn zugleich eine (konkurrierende) Haftung aus § 43 GmbHG besteht.
Normenkette
BGB § 195; GmbHG § 43 Abs. 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 19. Zivilsenat in Freiburg – vom 15. Mai 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte war seit 1982 Minderheitsgesellschafterin und alleinvertretungsberechtigte Mitgeschäftsführerin der Klägerin, einer Bauträgergesellschaft. Am 18. März 1987 beschloß die Gesellschafterversammlung der Klägerin, daß der seinerzeit ständig als Architekt für sie tätige Ehemann der Beklagten, E. R., auf dessen eigenes Risiko Planungen für das Projekt „Gartenbebauung J. straße” in D. vornehmen sollte; mit seinem erklärten Einverständnis sollten seine Planungskosten nur bei Realisierung des Projekts in Form eines Architektenvertrags geregelt werden. Nachdem E. R. im April 1988 ein Baugesuch für das Projekt eingereicht hatte, schloß die Beklagte – nach Darstellung der Klägerin ohne Wissen der Mitgesellschafter und ohne Vorliegen eines Gesellschafterbeschlusses über die Projektrealisierung – mit diesem namens der Klägerin einen auf den 5. Mai 1988 datierten schriftlichen Architektenvertrag über ein Nettopauschalhonorar von 250.000,– DM. Im Oktober 1989 schied die Beklagte einvernehmlich als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Klägerin aus, nachdem ihr zuvor Entlastung erteilt worden war. Das Projekt „Gartenbebauung J. straße” wurde von der Klägerin auch in der Folgezeit nicht mehr realisiert, vielmehr wurde das Grundstück im Jahre 1990 veräußert. Die Klägerin, deren Gesellschafter erst nach dem Ausscheiden der Beklagten von der Existenz des Architektenvertrages Kenntnis erlangt haben sollen, kündigte diesen am 5. Mai 1989. Mit seiner daraufhin erhobenen Klage auf Zahlung eines Architektenhonorars von 203.320,– DM obsiegte E. R. gegen die (hiesige) Klägerin im wesentlichen in erster Instanz; im Berufungsrechtszug verpflichtete sich die Klägerin in einem am 10. Mai 1994 abgeschlossenen Vergleich, 100.000,– DM an E. R. zu zahlen. Diesen – von ihr geleisteten – Vergleichsbetrag sowie ihr entstandene Prozeßkosten von 26.481,29 DM und Zinsaufwendungen macht die Klägerin mit der vorliegenden, am 10. Mai 1995 erhobenen Klage gegen die Beklagte als Schadensersatz wegen Verletzung ihrer Pflichten aus der Geschäftsführung und dem Gesellschaftsvertrag geltend. Die Vorinstanzen haben die Klage wegen Verjährung abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts sind etwaige Ersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte wegen Verletzung ihrer Geschäftsführerpflichten durch den Abschluß des Architektenvertrages mit ihrem Ehemann gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG mit Ablauf des 5. Mai 1993 – mithin vor Erhebung der vorliegenden Klage – verjährt. Daneben komme eine Haftung der Beklagten wegen Verletzung ihrer gesellschafterlichen Treuepflicht, für die eine 30-jährige Verjährungsfrist gelte, nicht in Betracht, da die Beklagte den Vertrag nicht als Gesellschafterin, sondern nur kraft ihrer Organstellung als Geschäftsführerin habe schließen können.
Diese Beurteilung der Verjährungsfrage ist zwar hinsichtlich der Berechnung der 5-jährigen Frist des § 43 Abs. 4 GmbHG zutreffend, hält aber im übrigen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Wie der Senat in seinem Urteil vom 28. Juni 1982 – II ZR 121/81 – (NJW 1982, 2869) für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG entschieden hat, kommt die kurze Verjährungsfrist des § 43 Abs. 4 GmbHG dann nicht zum Tragen, wenn in der schuldhaften Verletzung der Geschäftsführer- und Organpflichten zugleich ein Verstoß gegen die gesellschafterliche Treuepflicht liegt; es gilt dann die für die konkurrierenden Ansprüche aus Treuepflichtverletzung einschlägige regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren (§ 195 BGB). Die 5-jährige Frist des § 43 Abs. 4 GmbHG rechtfertigt sich u.a. daraus, daß Organmitglieder als Verwalter von fremdem Vermögen ein berechtigtes Interesse daran haben, nach Ablauf einer bestimmten Zeit Gewißheit darüber zu erlangen, ob im Zusammenhang mit ihrer Organtätigkeit Ansprüche gegen sie erhoben werden. Diese Erwägung trifft für einen Gesellschafter im Hinblick auf seine mitgliedschaftliche Stellung nicht zu.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kommt damit auch im vorliegenden Fall ein unverjährter Anspruch gegen die Beklagte wegen Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht in Betracht. Durch Beschluß vom 18. März 1987 hatten die Gesellschafter im erklärten Einverständnis mit dem Ehemann der Beklagten festgelegt, daß dieser die Planung für das Objekt „Gartenbebauung J. straße” zunächst auf eigenes Risiko ausarbeiten sollte; eine Vergütung für seine Leistung sollte ihm nur für den Fall zustehen, daß die Gesellschafterversammlung die Realisierung, d.h. die wirtschaftliche Durchführung des Projekts, beschließen würde. Nach dem in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vorbringen der Klägerin lag diese Voraussetzung weder zur Zeit des Abschlusses des Architektenvertrages durch die Beklagte noch zu einem späteren Zeitpunkt vor, weil die Gesellschafterversammlung die Realisierung des Projekts weder am 29. März noch am 10. Mai 1987 beschlossen haben soll. Durch den unter Mißachtung des bindenden Gesellschafterbeschlusses vorgenommenen Abschluß des Architektenvertrages hat die Beklagte gegen ihre Treuepflicht als Gesellschafterin verstoßen; dadurch hat sie auch dem Vermögen der Gesellschaft Schaden zugefügt, indem sie ihrem Ehemann Honoraransprüche verschafft hat, die ihm aufgrund der ursprünglichen Vereinbarung einer Planung auf eigenes Risiko nicht zustanden. Eine der Beklagten in Unkenntnis des Vertragsschlusses erteilte Entlastung stünde der Geltendmachung des Ersatzanspruchs nicht entgegen.
II. Gemäß § 565 Abs. 1 ZPO ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es zu Anspruchsgrund und -höhe die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Unterschriften
Röhricht, Henze, Goette, Kapsa, Kurzwelly
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 14.09.1998 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 609338 |
BB 1999, 338 |
DB 1999, 372 |
DStR 1999, 249 |
NJW 1999, 781 |
BGHR |
GmbH-StB 1999, 37 |
NZG 1999, 209 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 224 |
WuB 1999, 441 |
WuB 1999, 453 |
ZIP 1999, 240 |
MDR 1999, 429 |
GmbHR 1999, 186 |