Entscheidungsstichwort (Thema)
Organanstellung durch Aufsichtsrat in mitbestimmter GmbH. Rechtsstellung des Arbeitsdirektors in mitbestimmter GmbH
Leitsatz (amtlich)
1. In der mitbestimmten GmbH ist der Aufsichtsrat auch für Abschluß, Änderung und Aufhebung der Anstellungsverträge mit Geschäftsführern und die dazu notwendigen Entscheidungen zuständig.
2. In einem der Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen ist es mit Rücksicht auf die Rechtsstellung des Arbeitsdirektors unzulässig, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung ein allgemeines Vetorecht einzuräumen.
Orientierungssatz
(Entsprechende Anwendung des AktG § 84 Abs 1 S 5 in mitbestimmter GmbH)
AktG § 84 Abs 1 S 5 ist auch auf die mitbestimmte GmbH ohne Rücksicht darauf anzuwenden, ob sich die Bezugnahme in MitbestG § 31 Abs 1 förmlich auf sie erstreckt oder nicht.
Tatbestand
Die Beklagte ist eine GmbH, die dem Mitbestimmungsgesetz von 1976 unterliegt. Am 23. Juni 1977 beschloß ihre Gesellschafterversammlung unter anderem folgende Satzungsänderungen:
Zu § 13 Abs. 3:
„Über die Bezüge eines jeden Geschäftsführers – Grundgehalt und Tantieme – sowie über Vertragsdauer und Pensionszusage an die Geschäftsführer beschließt die Gesellschafterversammlung oder, soweit ein Gesellschafterausschuß gemäß § 23 bestellt ist, dieser Ausschuß”.
Zu § 14 Abs. 4:
„Für alle anderen Beschlüsse (der Geschäftsführer) genügt die einfache Mehrheit; die Geschäftsordnung kann für bestimmte Beschlüsse eine höhere Mehrheit vorsehen und kann dem Vorsitzenden der Geschäftsführung ein Veto-Recht einräumen”.
Hiergegen haben sich die Kläger als Aufsichtsratsmitglieder der Arbeitnehmer gewandt und geltend gemacht, der Beschluß zu § 13 Abs. 3 verstoße gegen § 31 MitbestG und der Beschluß zu § 14 Abs. 4, soweit er dem Vorsitzenden der Geschäftsführung ein Veto-Recht einräumt, gegen § 33 MitbestG. Sie haben beantragt festzustellen, daß die Beschlüsse nichtig seien, soweit sie § 13 Abs. 3 und den Satzteil „… kann dem Vorsitzenden der Geschäftsführung ein Veto-Recht einräumen” in § 14 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages betreffen.
Das Landgericht hat der Klage in diesen beiden Punkten stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage zu § 13 Abs. 3 abgewiesen und die Berufung zu § 14 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgen die Kläger zu 2, 3 und 6 die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils zu § 13 Abs. 3. Die Kläger zu 1, 4, 5 und 7 sind während des Revisionsverfahrens aus dem Aufsichtsrat der Beklagten ausgeschieden. Sie beantragen unter Widerspruch der Beklagten, ihre Klage in der Hauptsache für erledigt zu erklären. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, und im Wege der Anschlußrevision, die Klage auch zu § 14 Abs. 4 ihres Gesellschaftsvertrags abzuweisen. Die Kläger zu 2, 3 und 6 stellen den Antrag, die Anschlußrevision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Zutreffend haben die Vorinstanzen (Abdr. des LG-Urt.: WM 1982, 310 = DB 1982, 271 mit Anm. Theisen S. 265; des OLG-Urt.: ZIP 1983, 175 = WM 1983, 130 = GmbH-Rdsch. 1983, 98 mit Anm. Konzen S. 92) die Kläger als berechtigt angesehen, die von ihnen gerügten Beschlußmängel im Wege der Nichtigkeitsklage entsprechend § 249 AktG geltend zu machen. Nach der Rechtsprechung des Senats schließt es das besondere gesellschaftspolitische Gewicht, die der Gesetzgeber dem Mitbestimmungsgesetz im Allgemeininteresse beigelegt hat, grundsätzlich aus, einzelnen seiner Bestimmungen das öffentliche Interesse im Sinne von § 241 Nr. 3 AktG abzusprechen (BGHZ 83, 106, 110). Zu den Vorschriften, deren Verletzung deshalb stets zur Nichtigkeit führt, gehören auch die §§ 31 und 33 MitbestG, auf die sich die Kläger berufen. Einen Verstoß gegen sie kann jedes Aufsichtsratsmitglied gemäß § 249 AktG bekämpfen. Das gilt auch für Gesellschafterbeschlüsse in einer mitbestimmten GmbH, um die es hier geht. Auf sie sind die aktienrechtlichen Vorschriften über Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen entsprechend anzuwenden, soweit dem keine Besonderheiten des GmbH- Rechts entgegenstehen (BGHZ 11, 231, 235). Zwar ist umstritten, ob dies auch für den § 249 AktG gilt, soweit dieser unter anderem Mitglieder des Aufsichtsrats dazu berechtigt, die Nichtigkeitsklage mit der erweiterten Rechtskraftwirkung des § 248 AktG zu erheben (vgl. dazu einerseits Schilling in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., Anh. § 47 Rdn. 195, andererseits Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 6. Aufl., § 45 Anm. 98). Da sich aber Bedeutung und Funktionen des Aufsichtsrats in einer mitbestimmten GmbH und in einer Aktiengesellschaft weitgehend entsprechen (§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG), müssen seine Mitglieder jedenfalls dann die gleiche Klagebefugnis haben, wenn sie einen nach ihrer Meinung gegen das Mitbestimmungsgesetz verstoßenden Gesellschafterbeschluß angreifen (Konzen aaO S. 93 Fn. 8).
II. Entgegen einer im Schrifttum stark verbreiteten Auffassung hält das Berufungsgericht die Gesellschafterversammlung auch in einer mitbestimmten GmbH für zuständig, über die Anstellungsverträge von Geschäftsführern zu beschließen (zum Stand der Meinungen vgl. Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, 1981, § 16 II S. 280 ff und aus jüngster Zeit Konzen aaO, jeweils m. Nachw.). Dem kann nicht gefolgt werden.
1. Eine ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Gestaltung der Anstellungsbedingungen von Mitgliedern des Vertretungsorgans läßt sich allerdings nicht schon daraus herleiten, daß § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG auf § 112 AktG verweist. Denn diese Vorschrift regelt nur die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats für Außengeschäfte mit Vorstandsmitgliedern. Sie betrifft nicht die Frage, wer intern dafür zuständig ist zu entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen der Anstellungsvertrag mit einem Mitglied des Vertretungsorgans abgeschlossen, geändert oder aufgehoben werden soll. Diese Entscheidungen sind der Sache nach eine Angelegenheit der Geschäftsführung. In der Aktiengesellschaft sind sie gesetzlich dem Aufsichtsrat zugewiesen. Interne Willensbildung und äußerer Vollzug liegen hier in einer Hand. Das ist jedoch im Gesellschaftsrecht nicht immer der Fall (vgl. hierzu und zur Rechtslage nach dem Betriebsverfassungsgesetz: Werner in Festschr. f. Robert Fischer, 1979, S. 821, 822 ff; Rittner, DB 1979, 973, 974; Hoffmann/Neumann, GmbH-Rdsch 1976, 183, 185; jeweils m.w.N.).
2. Andererseits erlaubt der Wortlaut des § 31 MitbestG entgegen dem Berufungsurteil nicht den Schluß, der Gesetzgeber habe in der mitbestimmten GmbH lediglich die Bestellung von Geschäftsführern zwingend dem Aufsichtsrat übertragen und es für die Anstellung bei der Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung belassen wollen. Zwar erwähnt diese Bestimmung lediglich die „Bestellung” der Mitglieder des Vertretungsorgans und deren Widerruf und nicht die Anstellung; dabei muß davon ausgegangen werden, daß dem Gesetzgeber, wie sich aus der Übergangsvorschrift des § 37 Abs. 3 GmbHG ergibt, der Unterschied zwischen den beiden Begriffen bewußt gewesen ist. Aber auch in § 30 MitbestG, der für die dort bezeichneten Angelegenheiten die jeweiligen Vorschriften des Gesellschaftsrechts für maßgeblich erklärt, soweit sich aus den §§ 31 bis 33 MitbestG nichts anderes ergibt, ist nur von der „Bestellung” die Rede, ohne daß sich hieraus schon Rückschlüsse in der einen oder anderen Richtung ziehen ließen. Zudem nimmt § 31 MitbestG mit seiner Bezugnahme auf § 84 AktG die Vorschriften des § 84 Abs. 1 Satz 5 und Abs. 3 Satz 5, die sich mit dem Anstellungsvertrag befassen, nicht ausdrücklich aus. Das ist vor allem insofern wichtig, als § 84 Abs. 1 Satz 5 AktG mit seinem Verbot, ein Vorstandsmitglied vorweg über die Dauer von fünf Jahren hinaus anzustellen, die Entschlußfreiheit des Aufsichtsrats sichern will und damit eine notwendige Ergänzung zu der Begrenzung der Bestellung auf dieselbe Höchstzeit bildet. Angesichts der wesentlichen Bedeutung, die gerade das Mitbestimmungsgesetz der Bestellung des Vertretungsorgans beimißt, ist diese Regelung auch auf die mitbestimmte GmbH ohne Rücksicht darauf anzuwenden, ob sich die Bezugnahme in § 31 Abs. 1 MitbestG förmlich auf sie erstreckt oder nicht (vgl. hierzu Hanau/Ulmer, MitbestG 1981, § 31 Rdn. 36 m.w.N.). Hiernach läßt sich allein aus dem Wortlaut des § 31 MitbestG für eine unter diese Bestimmung fallende GmbH weder eine Anstellungskompetenz der Gesellschafterversammlung noch eine solche des Aufsichtsrats zwingend herleiten. Immerhin legt die uneingeschränkte Bezugnahme auf § 84 AktG eher die Deutung nahe, der Gesetzgeber habe die Einheit von Bestellungs- und Anstellungszuständigkeit nach dem Muster der Aktiengesellschaft stillschweigend vorausgesetzt (Säcker, BB 1977, 1845, 1847).
3. Für diese Gesetzesauslegung spricht entscheidend der enge sachliche Zusammenhang zwischen Bestellung und Anstellung, der auch im Schrifttum, soweit es die einheitliche Kompetenz des Aufsichtsrats vertritt, im Vordergrund steht und dem das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, zu wenig Gewicht beilegt. Organbestellung und – anstellung begründen zwar verschiedene Rechtsverhältnisse, die ein unterschiedliches Schicksal haben können. Tatsächlich und auch rechtlich können sie aber erhebliche Auswirkungen aufeinander haben (BGHZ 79, 38, 41). Hier interessiert vor allem die Bedeutung der Anstellung für den Bestand des Organverhältnisses: Wer als Organmitglied vorgesehen ist, wird in aller Regel dieses Amt nicht ohne Einigung über die Anstellungsbedingungen übernehmen und andererseits die damit verbundene Arbeitslast und Verantwortung nicht weiter tragen wollen, wenn die vertragliche Grundlage endgültig fortfällt. Die Anstellung bildet daher meist eine wesentliche Grundlage für Zustandekommen und Fortdauer der Bestellung.
Das spielt für den Anwendungsbereich des § 31 MitbestG deshalb eine besondere Rolle, weil in dieser Vorschrift der Wille des Gesetzgebers, die Arbeitnehmer über den Aufsichtsrat als Wahl- und Kontrollorgan für die Geschäftsleitung an den Entscheidungen im Unternehmen teilhaben zu lassen, im Kern verwirklicht ist. Dieser Zweck der Vorschrift verbietet es, die in ihr bestimmte Zuständigkeit des Aufsichtsrats auf die Bestellung von Mitgliedern des Vertretungsorgans zu beschränken und nicht auch auf die Anstellung zu erstrecken, soweit die einheitliche Zuständigkeit nicht ohnehin schon, wie in der Aktiengesellschaft, kraft Gesellschaftsrechts gegeben ist. Denn der Aufsichtsrat vermag bei der Organbestellung vielfach nur dann eine verantwortliche und sachgerechte Auswahl zu treffen, wenn er rechtlich in der Lage ist, auch die Anstellungsbedingungen in seine Überlegungen einzubeziehen und über sie mitzuentscheiden. Er allein muß darüber befinden können, ob z.B. hohe Forderungen eines Bewerbers im Hinblick auf seine besondere Qualifikation in Kauf zu nehmen sind, soweit dies mit der Pflicht zu sorgfältiger Amtsausübung (§§ 116, 93 Abs. 1 AktG mit § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG) überhaupt noch vereinbar ist.
Wären solche und andere Entscheidungen über das Anstellungsverhältnis der Gesellschafterversammlung einer GmbH überlassen, so bestünde die Gefahr, daß die Bestellungs- und Abberufungskompetenz des Aufsichtsrats nicht nur durch einen vorzeitigen Abschluß oder die Lösung des Anstellungsvertrags, sondern auch durch die Ablehnung von Vertragswünschen eines Bewerbers oder umgekehrt durch die Vereinbarung hoher, eine Abberufung erschwerender Bezüge für den Fall des Ausscheidens oder auch durch eine von der Bestellungsdauer abweichende Bestimmung der Vertragszeit unterlaufen werden könnte. Diese Gefahr wird zwar im Schrifttum zum Teil gering eingeschätzt. Dabei wird betont, das Wahlverfahren nach § 31 Abs. 2 bis 5 i.V.m. mit der Rechtsstellung des nach § 27 MitbestG gewählten Aufsichtsratsvorsitzenden schließe ohnehin eine Organbestellung- und abberufung gegen den Willen der Anteilseignerseite praktisch aus (Rittner aaO S. 975; Werner aaO S. 832 f). Aber das leichte Übergewicht, das die Zweitstimme des Vorsitzenden den Anteilseignern für den Regelfall im Aufsichtsrat sichert, bietet noch keine Gewähr dafür, daß Aufsichtsrat und Anteilseignerversammlung in voller Übereinstimmung eine bestimmte Angelegenheit beurteilen und über sie entscheiden. Eine Aufspaltung der Zuständigkeiten für Bestellung und Anstellung zwischen dem Aufsichtsrat und der Gesellschafterversammlung wäre sachnotwendig auf Konflikte geradezu angelegt. Sie ließen sich bei allem Bemühen der Gesellschafterversammlung um eine im Unternehmensinteresse angemessene Entscheidung nicht immer vermeiden (Krieger aaO, § 16 II 1 c S. 284).
4. Zudem spricht auch gesellschaftsrechtlich alles für eine Zusammenfassung der Bestellungs- und der Anstellungskompetenz in einer Hand. Sie ist in allen Rechtsformen, die für eine Anwendung des § 31 MitbestG praktisch in Betracht kommen, auch außerhalb der Mitbestimmung im Regelfall gegeben.
In der Aktiengesellschaft ist die einheitliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats für Bestellung und Anstellung in § 84 AktG zwingend vorgeschrieben. In der mitbestimmungsfreien GmbH ist die Gesellschafterversammlung mit Rücksicht auf den engen Sachzusammenhang sowohl für die Bestellung als auch für die Anstellung von Geschäftsführern zuständig, obwohl § 46 Nr. 5 GmbHG – ebenso wie § 31 MitbestG – nur die Bestellung und Abberufung ausdrücklich aufführt. Nach früheren Entscheidungen des Senats sollen allerdings Vertragsänderungen, die nicht mit der Begründung oder Beendigung der Organstellung zusammenhängen, sowie die vertragliche Aufhebung des Dienstvertrags in den Aufgabenbereich eines Mitgeschäftsführers fallen, soweit ein solcher vorhanden und alleinvertretungsberechtigt ist (Urt. v. 17.4.1958 – II ZR 222/56 und vom 19.1.1961 – II ZR 217/58, LM GmbHG § 46 Nr. 3 und 6; ebenso zuletzt noch Urt. v. 14.2.1974 – II ZR 76/72, LM GmbHG § 29 Nr. 3 zu III 2). Diese Rechtsprechung ist auf beachtliche Kritik gestoßen (R. Fischer in Pro GmbH, 1981 S. 137, 149 f und GmbHG, 10. Aufl., § 46 Anm. 6; Schilling in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 46 Rdn. 18; Plander, ZHR 1970, 327, 367 ff). Es ist daher fraglich, ob sie aufrechterhalten bleiben kann. Sie ändert jedenfalls nichts daran, daß die letzte Entscheidung über den Anstellungsvertrag stets bei der Gesellschafterversammlung als dem für die Bestellung zuständigen obersten Gesellschaftsorgan liegt und mit Hilfe von Weisungen durchgesetzt werden kann. In der nicht mitbestimmten Genossenschaft hat die Generalversammlung nicht nur über die Bestellung eines Vorstandsmitglieds und deren Widerruf, sondern auch über die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags zu entscheiden (§ 24, §40 Abs. 2 und 3 GenG; BGHZ 32, 114, 122; 60, 333).
Anders verhält es sich in der Genossenschaft allerdings mit dem Abschluß und der ordentlichen Kündigung von Dienstverträgen mit Vorstandsmitgliedern. Diese Akte fallen unter die allgemeine Ermächtigung des Aufsichtsrats nach § 39 Abs. 1 GenG, Verträge mit Vorstandsmitgliedern abzuschließen. Indessen darf der Aufsichtsrat nicht durch die vorzeitige Kündigung eines Anstellungsvertrags in das Abberufungsrecht der Generalversammlung eingreifen (Urt. d. Sen. v. 4.10.1974 – II ZR 130/71, LM GenG § 24 Nr. 4). Bei sachlichen Kollisionen hat die Entscheidungsgewalt der Generalversammlung auch hier stets den Vorrang. Noch weniger kann von einem echten Auseinanderklaffen der Bestellungs- und der Anstellungszuständigkeit in der Aktiengesellschaft im Hinblick darauf die Rede sein, daß hier der Aufsichtsrat den Abschluß, die Änderung und die Aufhebung von Anstellungsverträgen mit Vorstandsmitgliedern einem nach § 107 Abs. 3 AktG aus seiner Mitte gebildeten Ausschuß übertragen kann. Denn die Beschlüsse des Ausschusses bleiben solche des Aufsichtsrats, dessen Plenum sie zu überwachen hat und die Entscheidung jederzeit an sich ziehen kann. Auch darf ein solcher Ausschuß nicht durch den verfrühten Abschluß eines Anstellungsvertrags, durch dessen vorzeitige Kündigung oder einverständliche Aufhebung im Zusammenhang mit einer geplanten Amtsniederlegung der Entscheidung des Gesamtaufsichtsrats über die Bestellung oder deren Widerruf vorgreifen (BGHZ 79, 38; 83, 144, 150). Auch hier ist also die Vertragszuständigkeit der vorrangigen Kompetenz des Bestellungsorgans in seiner Gesamtheit untergeordnet.
Dieses Über- und Unterordnungsverhältnis läßt sich nicht in einem gerade umgekehrten Sinne auf das Verhältnis der Gesellschafterversammlung zum Aufsichtsrat in einer mitbestimmten GmbH übertragen. Die vom Berufungsgericht vertretene Lösung, der Gesellschafterversammlung die Befugnis zum Abschluß von Anstellungsverträgen mit Geschäftsführern nur in strikter Akzessorietät zur Bestellungskompetenz des Aufsichtsrats zuzubilligen und alle in diese Kompetenz eingreifenden anstellungsrechtlichen Regelungen und Maßnahmen als unwirksam zu betrachten, ist kein gangbarer Weg, die beiden Kompetenzen bei verschiedenen Zuständigkeiten miteinander in Einklang zu bringen und so die aufgezeigten Konfliktsmöglichkeiten zu vermeiden. Sie verweist die Gesellschafterversammlung, sei es auch nur in bestimmten Angelegenheiten, in die Rolle eines dem Aufsichtsrat untergeordneten Organs. Eine solche Rolle wäre mit der organisationsrechtlichen Struktur einer GmbH unvereinbar. Denn überall dort, wo das Gesetz der Gesellschafterversammlung als dem obersten Unternehmensorgan die Entscheidungsmacht vorbehält, ist sie eigenständig und nicht von den Entschließungen eines anderen Organs abhängig. Deshalb könnte auch die Anstellungskompetenz, wenn man sie der Gesellschafterversammlung der GmbH überlassen wollte, nicht akzessorisch sein, sondern müßte unabhängig von einem Bestellungsbeschluß des Aufsichtsrats ausgeübt werden können. Das widerspräche aber, wie ausgeführt, dem Zweck des § 31 MitbestG.
5. Eine Befugnis des Aufsichtsrats, bei der Bestellung der Organmitglieder über die Anstellungsbedingungen mitzuentscheiden, bedeutet auch bei Berücksichtigung der von der Revisionserwiderung hervorgehobenen GmbH-rechtlichen Besonderheiten keine untragbare Belastung für die Gesellschafter. Zwar sind die unmittelbaren rechtlichen Beziehungen zwischen den Anteilseignern und den Mitgliedern des Vertretungsorgans in der GmbH enger als in der Aktiengesellschaft, was sich vor allen in einem Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung auswirkt. Auch berühren die Anstellungsbedingungen der Organmitglieder mehr oder minder stark das Vermögensinteresse der Gesellschaft und damit zugleich der Gesellschafter. Aber auch in der mitbestimmten GmbH ist der Aufsichtsrat auf das Gesellschaftsinteresse verpflichtet und deshalb gehalten, bei seinen Personalentscheidungen ähnliche Grundsätze zu beachten, wie sie die §§ 87 – 89, insbesondere § 87 Abs. 1 AktG, für das Anstellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder aufstellen, mögen diese Vorschriften hier entsprechend anzuwenden sein oder nicht (vgl. dazu Hanau/Ulmer aaO, § 31 Rdn. 40 m.w.N.). Würde sich der Aufsichtsrat bei der Anstellung eines Geschäftsführers pflichtwidrig hierüber hinwegsetzen, so wären seine Mitglieder nach §§ 116, 93 AktG i.V.m. § 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG haftbar. Ebenso wie in der Aktiengesellschaft durfte der Gesetzgeber auch in der GmbH die Auswahl der Mitglieder des Vertretungsorgans durch einen unter Mitwirkung der Arbeitnehmer gebildeten Aufsichtsrat als eine Regelung betrachten, die sich im Rahmen der Sozialbindung des Anteilseigentums hält. Denn den Gesellschaftern verbleiben in der GmbH nicht nur, wie in der Aktiengesellschaft, der maßgebliche Einfluß und das Letztentscheidungsrecht nach § 111 Abs. 4 AktG, sondern darüber hinaus auch die Kontroll- und Weisungsbefugnisse gegenüber den Geschäftsführern (BVerfGE 50, 290, 346 ff). Die Einbeziehung der Anstellungsverträge in die Zuständigkeit des nach §§ 6 ff zusammengesetzten Aufsichtsrats ist aber nur eine sachlich gebotene Folge der gesetzgeberischen Entscheidung.
6. Eine sinnentsprechende Auslegung des § 31 MitbestG führt hiernach zu dem Ergebnis, daß die dort angeordnete Zuständigkeit des Aufsichtsrats für die Besetzung des gesetzlichen Vertretungsorgans auch in der mitbestimmten GmbH den Abschluß, die Änderung und die Aufhebung von Anstellungsverträgen mit den dazu notwendigen Entscheidungen einschließt. Gegen diese zwingende Regelung verstößt der mit der Klage angegriffene Gesellschafterbeschluß zu § 13 Abs. 3 der Satzung, indem er jene Aufgaben gerade in wesentlichen Punkten der Gesellschafterversammlung oder einem Gesellschafterausschuß zuweist. Da der Beschluß infolgedessen nichtig ist, muß das dahin lautende Urteil des Landgerichts auf die Revision der Kläger zu 2, 3 und 6 wiederhergestellt werden.
III. Mit der Anschlußrevision wendet sich die Beklagte ohne Erfolg gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, der Gesellschafterbeschluß zu § 14 Abs. 4 Satz 2 der Satzung sei nichtig, soweit er die Möglichkeit vorsieht, in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführer dem Vorsitzenden ein Vetorecht einzuräumen.
1. Aktienrechtlich geht allerdings die Meinung im Schrifttum dahin, es sei mit § 76 Abs. 1, § 77 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 AktG, dem Kollegialprinzip und der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder vereinbar, dem Vorstandsvorsitzenden ein Vetorecht zuzubilligen. Dies wird vor allem aus dem gesetzlichen Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AktG) hergeleitet, der es ermögliche, am Widerspruch eines einzigen Mitglieds eine von allen anderen gewünschte Maßnahme scheitern zu lassen (Baumbach/Hueck, AktG, 13. Aufl., § 77 Rdn. 8; Mertens in Kölner Kommentar zum AktG, § 77 Anm. 8; Meyer-Landrut in Großkomm. z. AktG, 3. Aufl., § 77 Anm. 4). Dabei wird in Kauf genommen, daß ein Widerspruchsrecht, das die Satzung einseitig einem einzelnen Vorstandsmitglied einräumt, weiter geht als die wechselseitige Bindung an die Zustimmung des anderen bei Gesamtgeschäftsführung. Folgt man dieser Ansicht, so kann für die organisationsrechtlich noch freier gestellte GmbH nichts anderes gelten.
2. In einer mitbestimmten GmbH ist jedoch nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts ein allgemeines Vetorecht des Vorsitzenden mit der durch § 33 MitbestG geschützten Rechtsstellung des Arbeitsdirektors unvereinbar. Diese Vorschrift sichert dem Arbeitsdirektor als einem gleichberechtigten Mitglied des Vertretungsorgans einen Kernbereich von Zuständigkeiten in Personal- und Sozialfragen (Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks. 7/4845 S. 9; BVerfGE 50, 290, 378). Zwar unterliegt er wie jedes andere Mitglied der Geschäftsführung Mehrheitsentscheidungen des Gesamtorgans, auch soweit in einem mehr als zweiköpfigen Kollegium bei Stimmengleichheit die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag gibt (Säcker, DB 1977, 1993, 1999 Fn. 52; Mertens in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl., § 37 Rdn. 16). Eine Verteilung der Geschäfte nach sachlichen, organisatorischen oder regionalen Gesichtspunkten muß er hinnehmen, soweit der Schwerpunkt des Personal- und Sozialbereichs bei ihm verbleibt (Hanau/Ulmer aaO, § 30 Rdn. 11, 12, § 33 Rdn. 39 ff; Säcker, DB 1977, 1994). Ein umfassendes, das gesetzmäßige Ressort des Arbeitsdirektors nicht ausnehmendes Widerspruchsrecht eines einzelnen Mitglieds der Geschäftsleitung, mit dem sogar Mehrheitsentscheidungen überspielt werden könnten, hält sich aber nicht mehr im Rahmen einer gewöhnlichen, von Sachgründen getragenen Aufteilung und Differenzierung der Geschäftsführungsbefugnisse. Es liefe darauf hinaus, in dem ureigenen Zuständigkeitsbereich des Arbeitsdirektors einem zweiten Mitglied der Geschäftsleitung eine, wenn auch nur negative, Mitkompetenz einzuräumen und würde damit das gesetzliche Recht des Arbeitsdirektors auf eigenständige Wahrnehmung dieses Bereichs im Einvernehmen mit dem Gesamtorgan (§ 33 Abs. 2 Satz 1 MitbestG) über Gebühr aushöhlen. Zugleich läge in dem Übergewicht, das der Stimme des Vorsitzenden unabhängig von der Meinung anderer Mitglieder des Kollegiums zukäme, im Verhältnis zum Arbeitsdirektor eine nach § 33 Abs. 1 GmbHG verbotene Ungleichbehandlung (so im Ergebnis zutreffend Konzen aaO, S. 98; Säcker, DB 1977, 1999 Fn. 52; Hanau/Ulmer aaO, § 33 Rdn. 52 m.w.N.; aM Hoffmann/Lehmann/Weinmann, MitbestG, 1976, § 33 Rdn. 24 und wohl auch Krieger aaO § 15 I 2, § 16 III 2 b S. 265 ff, 268, 297).
Diese Ungleichheit kann entgegen den Ausführungen der Revisionserwiderung nicht schon dadurch behoben werden, daß dem Arbeitsdirektor oder allen Mitgliedern der Geschäftsleitung für ihren eigenen Geschäftsbereich ebenfalls ein Widerspruchsrecht zugestanden wird, wie es die derzeitige Geschäftsordnung der Beklagten (zu 5.5) vorsieht. Denn ein solches, jeweils auf das eigene Ressort begrenztes Widerspruchsrecht wäre nach Reichweite und Gewicht mit einem alle Geschäftsbereiche umfassenden Vetorecht des Vorsitzenden unvergleichbar und könnte auch gar keinen Ausgleich für die Einschränkung der Kompetenz des Arbeitsdirektors bilden (anders Fitting/Wlotzke/Wißmann, MitbestG, 2. Aufl., § 33 Anm. 42; Mertens in Kölner Komm. z. AktG, § 77 Anm. 29 zu § 13 Montan-MitbestG).
3. Die von den Gesellschaftern der Beklagten beschlossene Satzungsänderung soll dem Vorsitzenden der Geschäftsführung zwar nicht unmittelbar ein Vetorecht geben, sondern nur die Möglichkeit eröffnen, es in der Geschäftsordnung niederzulegen. Aber auch mit diesem Inhalt ist der Gesellschafterbeschluß, wie das Berufungsgericht zutreffend darlegt, wegen Verstoßes gegen § 33 MitbestG nichtig, mag die Ermächtigung zur Zeit voll ausgeschöpft sein oder nicht.
Mit Recht hat das Berufungsgericht es abgelehnt, den Beschluß wenigstens mit Einschränkungen bestehen zu lassen. Die von der Anschlußrevision befürwortete Lösung, ihn mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, daß die Geschäftsordnung dem Vorsitzenden dann ein Vetorecht einräumen darf, wenn gleichzeitig anderen Geschäftsführern oder zumindest dem Arbeitsdirektor ein entsprechendes Widerspruchsrecht für ihren jeweiligen Geschäftsbereich zugestanden wird, könnte, wie ausgeführt, den die Nichtigkeit begründenden Mangel nicht beseitigen. Nach einer sonstigen Fassung zu suchen, die dem Gesetz entspräche, ist nicht Sache des Gerichts, sondern der für Satzungsänderungen zuständigen Gesellschafterversammlung, deren Entscheidung nicht vorgegriffen werden darf.
IV. Die Kläger zu 1, 4, 5 und 7 sind infolge ihres Ausscheidens aus dem Aufsichtsrat der Beklagten ohne ihr Zutun nicht mehr in der Lage, ihre Nichtigkeitsklage weiterzuverfolgen. Da diese Klage begründet war, ist auf ihren Antrag der Rechtsstreit insoweit in der Hauptsache für erledigt zu erklären.
Fundstellen