Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der hinreichenden Individualisierung der Klagegründe durch konkrete Bezugnahme auf eine der Klageschrift beigefügte Anlage, welche die einzelnen Verträge, aus denen Schadensersatzansprüche hergeleitet werden, übersichtlich darstellt.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf (Urteil vom 17.08.2000) |
LG Düsseldorf |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 18. Zivilsenats des OLG Düsseldorf v. 17.8.2000 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin handelt mit Ferro-Legierungen, die sie u. a. bei der Gesellschaft für R. mbH (im Weiteren: GfR) einlagerte. Sie nimmt die Beklagte als Speditionsversicherer der GfR wegen eingetretener Lagerfehlbestände auf Schadensersatz in Anspruch.
Die GfR meldete im Januar 1997 Konkurs an. Die Beklagte, bei der die GfR den Speditionsversicherungsschein nach Maßgabe des SVS/RVS gezeichnet hatte, ließ in der Folgezeit in Abstimmung mit der Klägerin durch den von ihr beauftragten Havariekommissar J. den Lagerbestand feststellen.
Die Klägerin hat vorgetragen, bei der Überprüfung des Lagerbestandes der GfR sei zu ihren Lasten aus 17 einzelnen Einlagerungsvorgängen ein Fehlbestand von 426.833,56 US-Dollar und 35.896 DM ermittelt worden. Sie hat ihre Ansprüche mit Schreiben v. 16.1.1997 bei der Beklagten angemeldet. Von dem Fehlbestand hat die Klägerin einen "erstrangigen Teilbetrag" geltend gemacht.
Sie hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 221.737,85 US-Dollar und 20.144,87 DM nebst Zinsen zu zahlen.
Die Beklagte ist dem entgegengetreten. Sie ist der Ansicht, dass die geltend gemachten Ansprüche gem. Nr. 11.6 SVS/RVS ausgeschlossen seien, weil die Klägerin sie nicht innerhalb der zweijährigen Ausschlussfrist wirksam eingeklagt habe. Die am 15.1.1999 eingegangene Klageschrift habe mangels hinreichender Substanziierung der einzelnen Lagerverträge und der jeweils hieraus geltend gemachten Fehlbestände nicht Frist wahrend wirken können.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung ist erfolglos geblieben.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Klage für unbegründet erachtet, weil die Klägerin mit möglichen Ersatzansprüchen gemäß Nr. 11.6 SVS/RVS ausgeschlossen sei. Dazu hat es ausgeführt:
Die in Rede stehende zweijährige Frist habe am 16.1.1997 zu laufen begonnen. Sie sei nicht mit der am 15.1.1999 beim LG eingegangenen Klage gewahrt worden. Eine Frist werde durch Klageerhebung nur gewahrt, wenn die Klageschrift die gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderliche bestimmte Angabe von Gegenstand und Grund des erhobenen Anspruches enthalte. Die Klageschrift v. 15.1.1999 erfülle diese Anforderungen nicht. Die Klägerin habe nicht dargelegt, wie sich die geltend gemachten Teilbeträge auf die von ihr behaupteten 17 einzelnen Lagerverträge verteilten. Die Klageschrift lasse mithin nicht erkennen, welche der 17 Versicherungsansprüche die Klägerin in welcher Höhe habe Frist wahrend einklagen wollen.
II. Diese Beurteilung hält den Revisionsangriffen nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die durch Klageerhebung zu wahrende zweijährige Ausschlussfrist in Nr. 11.6 SVS/RVS am 16.1.1997 zu laufen begonnen hat, da die Klägerin ihre behaupteten Ansprüche auf die Versicherungsleistung an diesem Tag bei der Vertreterin der Beklagten, der S. KG, angemeldet hat. Ferner ist das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass zur Wahrung der hier in Rede stehenden Frist die Einreichung einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügenden Klageschrift bis zum 15.1.1999 erforderlich war.
2. Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des Berufungsgerichts setzen sich die Schadensersatzforderungen der Klägerin i. H. v. 426.833,56 US-Dollar und 35.896 DM aus 17 Einzelversicherungsansprüchen zusammen. Die Klägerin hat in ihrer am 15.1.1999 beim LG eingegangenen Klageschrift nicht im Einzelnen dargelegt, wie sich die mit dem Klageantrag geltend gemachten Teilbeträge auf die 17 Einzelansprüche verteilen sollen, so dass der Klageschrift selbst an sich nicht entnommen werden kann, welche der 17 Versicherungsansprüche die Klägerin in welcher Höhe Frist wahrend einklagen wollte. Zur Individualisierung der von ihr erhobenen Ansprüche hat die Klägerin jedoch auf die der Klage beigefügte Anlage K 1 Bezug genommen.
Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die erforderliche Konkretisierung der einzelnen Klageansprüche nach Grund und Betrag unter Einbeziehung der Informationen aus der Anlage K 1 hätte erfolgen können. Es hat gemeint, die in einer Anlage enthaltenen Angaben dürften jedenfalls dann nicht zur Individualisierung der Klagegründe herangezogen werden, wenn - wie im Streitfall - nur die Klageschrift und nicht auch die Anlage von einem bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben worden sei. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
3. Das Vorbringen der Klägerin in der Klageschrift zu den erhobenen Schadensersatzansprüchen wegen der von ihr behaupteten Fehlbestände ist durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Anlage K 1 hinreichend bestimmt, so dass die Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Klageerhebung erfüllt sind.
a) Dafür kommt es nicht darauf an, ob der maßgebende Lebenssachverhalt bereits in der Klageschrift vollständig beschrieben oder der Klageanspruch schlüssig oder substanziiert dargelegt worden ist. Vielmehr ist es - entsprechend dem Zweck der Klageerhebung, dem Schuldner den Willen des Gläubigers zur Durchsetzung seiner Forderungen zu verdeutlichen - im Allgemeinen ausreichend, wenn der Anspruch als solcher identifizierbar ist (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2000 - X ZR 62/98, MDR 2001, 324 = NJW 2000, 3492 [3493]; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 253 Rz. 12 a). Die gebotene Individualisierung der Klagegründe kann grundsätzlich auch durch eine konkrete Bezugnahme auf andere Schriftstücke erfolgen (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 253 Rz. 12a). Die Gerichte sind zwar nicht verpflichtet, umfangreiche ungeordnete Anlagenkonvolute von sich aus durchzuarbeiten, umso die erhobenen Ansprüche zu konkretisieren. Eine solche Fallgestaltung liegt im Streitfall jedoch nicht vor. Die Anlage K 1 besteht lediglich aus einem Blatt. Sie ist aus sich heraus verständlich und verlangt dem Tatrichter keine unzumutbare Sucharbeit ab. Es wäre eine durch nichts zu rechtfertigende Förmelei, wollte man den Prozessbevollmächtigten der Klägerin für verpflichtet halten, die in der Anlage K 1 enthaltenen Informationen noch einmal schreiben zu lassen, um sie dann in der Form einer unterschriebenen Klageschrift dem Gericht unterbreiten zu können. In der Klageschrift wird der streitgegenständliche Lebenssachverhalt gekennzeichnet und durch die konkrete Bezugnahme auf die Anlage K 1 deutlich zum Ausdruck gebracht, dass deren gesamter Inhalt zum Gegenstand der Klagebegründung gemacht werden sollte.
b) Die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche werden - wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt - durch die Angaben in der mit "Verlustmengen Lager GfR" überschriebenen Anlage K 1 hinreichend konkretisiert. In der in Rede stehenden Anlage sind die einzelnen Lagerfehlbestände konkret aufgeführt. Ferner erfolgt eine Zuordnung der Fehlbestände zu den Referenznummern der GfR und der Klägerin. Überdies werden die Rechnungsnummern, die Lieferanten, die Materialien und der jew. beanspruchte Schadensersatzbetrag (DM oder US-Dollar) genannt. Damit wird dem Erfordernis einer Individualisierung der erhobenen Ansprüche in ausreichendem Maße genügt.
c) Der hinreichenden Individualisierung steht nicht entgegen, dass die Klägerin nicht angegeben hat, welchen Teil des insgesamt behaupteten Schadens i. H. v. 426.833,56 US-Dollar und 35.896 DM sie mit der auf Zahlung von 221.737,85 US-Dollar und 20.144,87 DM gerichteten Klage geltend machen wollte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH unterbricht eine Teilklage, mit der verschiedene Ansprüche geltend gemacht werden, in Höhe des insgesamt eingeklagten Betrags auch dann die Verjährung eines jeden dieser Ansprüche, wenn diese ohne nähere Aufgliederung geltend gemacht worden sind (vgl. BGH, Urt. v. 18.7.2000 - X ZR 62/98, MDR 2001, 324 = NJW 2000, 3492 [3494] m. w. N.).
III. Nach allem konnte das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben. Es war daher auf die Revision der Klägerin aufzuheben. Da die abschließende Entscheidung noch weiter gehende tatrichterliche Feststellungen erfordert, war die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1058743 |
BGHR 2003, 1438 |
BauR 2003, 1944 |
NJW-RR 2004, 639 |
WRP 2003, 1458 |
ProzRB 2004, 32 |
TranspR 2004, 39 |