Leitsatz (amtlich)
›Zur Verteilung der Aufgaben zwischen Richter und Rechtspfleger bei der Eröffnung eines Konkursverfahrens (hier: Bestellung eines weiteren Konkursverwalters).‹
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) |
LG Oldenburg |
Tatbestand
Der Kläger verlangt von dem beklagten Land den Ausgleich von Schäden, die ihm infolge von Amtspflichtverletzungen bei der Eröffnung eines Konkursverfahrens entstanden sind.
Der Konkursrichter des Amtsgerichts E eröffnete am 1. Januar 1978 das Konkursverfahren über das Vermögen der Firma Sch & B KG in E und bestellte den bisherigen Sequester, Rechtsanwalt Dr. W aus H, zum Konkursverwalter. Rechtspfleger S., dem der Richter den Beschluß zugeleitet hatte, trennte den vom Richter unterzeichneten Text von dem übrigen Teil des Vordrucks, klebte ihn auf einen DIN A 4 Bogen und fügte handschriftlich u.a. hinzu:
"Die Bestellung ist gemäß § 79 KO beschränkt auf den Geschäftszweig der Kommanditgesellschaft in Fa. Sch & B - Schiffswerft in E . Mit der Beschränkung auf den übrigen Geschäftszweig der Kommanditgesellschaft ... - See- und Binnenschiffahrt etc. - wird der Rechtsanwalt (Kläger) zum Konkursverwalter bestellt."
Am Morgen des 2. Januar 1978 legte er den Beschluß mit der von ihm unterzeichneten Ergänzung dem Richter vor. Dieser äußerte Bedenken wegen des Zusatzes und setzte vor den von ihm verfaßten Text die Ziffer 1 und vor den Text des Rechtspflegers die Ziffer 2. In einem Aktenvermerk vom 4. Januar 1978 faßte der Richter seine Bedenken zusammen und fügte hinzu, er habe es einstweilen bei der geänderten Entscheidung belassen, um zunächst die Reaktion vor allem der Gläubiger und der Schuldner abzuwarten. In dem veröffentlichten Text des Eröffnungsbeschlusses standen die Unterschriften des Richters und des Rechtspflegers nebeneinander unter dem Gesamttext.
Der Kläger erhielt am 2. Januar 1978 die Urkunde über die Bestellung zum weiteren Konkursverwalter entsprechend dem Text des veröffentlichten Beschlusses.
Auf Erinnerung Dr. W hob der Richter durch Beschluß vom 5. Januar 1978 den Eröffnungsbeschluß auf, soweit darin der Tätigkeitsbereich Dr. W durch die Bestellung des Klägers zum weiteren Konkursverwalter beschränkt worden war. Das vom Kläger angerufene Landgericht stellte den ergänzten Eröffnungsbeschluß wieder her und ordnete die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung an. Auf die weitere Beschwerde Dr. W entschied das Oberlandesgericht Oldenburg am 3. Februar 1978, daß dieser alleiniger Konkursverwalter sei. Dem Kläger wurde dieser Beschluß am 6. Februar 1978 zugestellt.
In der Gläubigerversammlung am 23. Februar 1978 wollte sich der Kläger im Auftrag des Gläubigerausschusses als Sachverständiger zum Konkursabwicklungskonzept Dr. W äußern. Rechtspfleger W. lehnte als Leiter der Gläubigerversammlung diesen Antrag ab, ließ den Kläger aber als Gläubigervertreter zu. Der Antrag einer Gläubigerin, den Kläger als Konkursverwalter zu wählen, fand nicht die erforderliche Mehrheit.
Der Kläger begehrte erfolglos die Festsetzung einer Vergütung als Konkursverwalter. Mit Schreiben vom 7. April 1981 teilte die Justizverwaltung des beklagten Landes dem Kläger mit, es erkenne seine Verpflichtung an, ihm "jeden Schaden zu ersetzen, der auf dem pflichtwidrigen Verhalten des Rechtspflegers S." beruhe. Eine Entschädigung solle ihn wirtschaftlich so stellen, wie er bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtspflegers stehen wurde. Schließlich zahlte das beklagte Land ohne Anerkennung einer Rechtspflicht dem Kläger als Entschädigung für seinen Arbeitsaufwand 25.000,-- DM und als Auslagenersatz 7.484,20 DM zuzüglich Zinsen und Mehrwertsteuer.
Der Kläger hat zur Begründung seiner Mehrforderung vorgetragen, er sei am 1. Januar 1978 wirksam zum weiteren Konkursverwalter bestellt worden. Die davon abweichenden Entscheidungen des Amts- und des Oberlandesgerichts seien "contra legem" ergangen. In der interessierten Öffentlichkeit sei dadurch der Eindruck entstanden, er sei aus dem Amt des Konkursverwalters gedrängt worden. Da dies nur bei fehlender Eignung oder bei Pflichtverletzungen möglich sei, habe sein Ruf als angesehener Wirtschaftsjurist und Rechtsanwalt in Großkonkursverfahren gelitten. Dafür verlange er ein angemessenes Schmerzensgeld von mindestens 250.000,-- DM.
Die ausschließliche Befassung mit dem Konkursverfahren habe ihm anderweitige Einnahmen in Höhe von zumindest 210.300,-- DM entgehen lassen. Seine Auslagen betrügen 41.017,92 DM. Als Folge der Amtspflichtverletzungen müsse ihm, wie im Festsetzungsverfahren beantragt, eine Vergütung als Konkursverwalter in Höhe von 349.712,99 DM zugesprochen werden.
Der Kläger hat in erster Linie den Schmerzensgeldanspruch, dann Ersatz der Auslagen, sodann entgangenen Gewinn und schließlich die Tätigkeitsentschädigung geltend gemacht und beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an ihn 200.000,-- DM nebst Zinsen als Teilbetrag dieser Ansprüche zu zahlen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat sie durch Zwischenurteil dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Mit der Revision bekämpft der Kläger dieses Urteil, soweit darin zu seinem Nachteil erkannt ist. Das beklagte Land erstrebt mit seiner Revision die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
I. Die Revision des Klägers ist zulässig.
1. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil beschwert, § 546 ZPO.
Der Tenor des angefochtenen Urteils erklärt zwar das Klagebegehren dem Grunde nach in vollem Umfang für gerechtfertigt. In den Gründen versagt das Berufungsgericht aber den Anspruch auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.
Der Annahme der Beschwer steht dies nicht entgegen. Die Beschwer bestimmt sich im Regelfall danach, ob und in welchem Umfang der Tenor des angefochtenen Urteils von den zuletzt in der unteren Instanz gestellten Anträgen abweicht (Senatsbeschluß vom 10. Oktober 1983 III ZR 87/83 = NJW 1984, 371; Zöller/Schneider, ZPO 14. Aufl. § 546 Rn. 12; Hartmann bei Baumbach/Lauterbach/Albers ZPO 43. Aufl. Grundzüge 3 Aa vor § 511). Bei dem angefochtenen Zwischenurteil über den Grund gemäß § 504 ZPO läßt sich die Beschwer aber erst im Wege der Auslegung der Formel unter Heranziehung der Entscheidungsgründe ermitteln. Nachteile können den Parteien auch aus dem Inhalt der Entscheidungsgründe erwachsen. Ein Zwischenurteil über den Grund zeitigt für den Fall seiner Unanfechtbarkeit Bindungswirkung, in dem es festlegt, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände bereits - für die Parteien bindend - abschließend im Grundverfahren geklärt sind. Beschwert ist eine Partei daher in dem Umfang, wie das Urteil für sie negative Bindungswirkung ausgelöst hat. Vorliegend äußert sie sich zu Lasten des Klägers in der Versagung des Schmerzensgeldanspruchs.
2. Die Klage ist hinreichend bestimmt, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger macht mehrere selbständige Ansprüche auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, von Auslagen, auf Erstattung entgangenen Gewinns sowie auf die Zubilligung einer Tätigkeitsentschädigung geltend. Diese Ansprüche hat er durch Erklärung des Anspruchs auf Ausgleich des immateriellen Schadens zum Hauptanspruch und der Bestimmung der Ansprüche auf Zahlung des materiellen Schadens zu in der Reihenfolge bestimmten Hilfsansprüchen genügend voneinander abgegrenzt (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 1952 - III ZR 102/52 = MDR 1953, 164; BGHZ 11, 192, 195).
II. Die Revision des Klägers ist, soweit sie sich gegen die Versagung des Anspruchs auf Ersatz immateriellen Schadens wendet, unbegründet, die des beklagten Landes greift hingegen durch.
1. Ein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes läßt sich aus den Schreiben des beklagten Landes vom 7. und vom 23. April 1981 nicht herleiten.
Das Berufungsgericht führt aus, die Erklärung im Schreiben vom 7. April 1981, dem Kläger "jeden Schaden zu ersetzen, der auf dem pflichtwidrigen Verhalten des Rechtspflegers S. beruht", lasse zwar die Auslegung zu, darunter auch Schmerzensgeld als besondere Art des Schadens zu fassen. Doch ergebe sich aus dem weiteren Wortlaut des Schreibens, daß das Land lediglich den materiellen Schaden habe ersetzen wollen. Im zweiten Absatz des Schreibens sei u.a. ausgeführt, eine Möglichkeit der Einigung über die Höhe des Schadens bestehe nur dann, wenn der Kläger akzeptiere, "daß für die Höhe eines Schadensersatzanspruches ... das sog. negative Interesse maßgebend ist". Der Gebrauch des Begriffes "negatives Interesse" deute zweifelsfrei darauf hin, daß das Anerkenntnis sich auf den Ersatz des materiellen Schadens beschränke. Das weitere Schreiben vom 23. April 1981 gehe ebenfalls von diesem Ansatz aus. Im 4. Absatz sei dort ausdrücklich die Rede davon, als Schaden sei das negative Interesse zu ersetzen; im 5. Absatz heiße es, "Grundlage für die Bemessung Ihres materiellen Schadens ...,". Der Kläger mache auch nicht deutlich, daß Rechtspfleger S. durch irgendein vorwerfbares Verhalten zum "Rufschaden" beigetragen und dadurch einen Schmerzensgeldanspruch ausgelöst habe. Der Kläger könne demzufolge nunmehr nicht aus dem Schreiben des Ministers eine Verpflichtung zur Zahlung von Schmerzensgeld wegen einer Rufschädigung herleiten.
Das Berufungsgericht hat alle für die Auslegung der Schreiben wesentlichen Umstände seiner Beurteilung zugrundegelegt. Im Revisionsrechtszug beachtliche Rechtsfehler bei der Auslegung sind auch im übrigen nicht erkennbar.
2. Im Ergebnis zutreffend verneint das Berufungsgericht das Begehren auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, soweit es der Kläger auf Amtspflichtverletzungen der an dem Konkursverfahren beteiligten Justizorgane stützt.
a) Rechtspfleger S. oblag es als Amtspflicht, die ihm kraft Gesetzes zugewiesenen Zuständigkeitsgrenzen einzuhalten. In den Schutzbereich dieser Pflicht sind alle am Konkursverfahren Beteiligten, insbesondere auch der Konkursverwalter, einbezogen. Ihre Verletzung begründet zugunsten dieser Personen Schadensersatzpflichten, soweit sie im Vertrauen auf ein zuständigkeitskonformes Verhalten des Rechtspflegers Schäden erlitten habe (vgl. Senatsurteile vom 10. Juli 1967 - III ZR 120/66 = LM BGB § 839 [Fi] Nr. 28; BGHZ 65, 182, 187).
b) Rechtspfleger S. überschritt den ihm im Rahmen des Konkurseröffnungsverfahrens zugewiesenen Zuständigkeitsbereich, als er mit dem von ihm handschriftlich verfaßten Beschluß die Bestellung des Klägers zum weiteren Konkursverwalter verfügte. Diese Anordnung war der Entscheidung des Richters vorbehalten. § 18 Abs. 1 RpflG normiert dessen alleinige Zuständigkeit für das Verfahren bis zur Entscheidung über den Konkurseröffnungsantrag unter Einschluß der Ernennung des Konkursverwalters. Gleichfalls hat der Richter dabei darüber zu befinden, ob von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, gemäß § 79 KO einen weiteren Konkursverwalter zu bestellen.
Zum Zeitpunkt der Verfügung des Rechtspflegers hatte der Konkursrichter bereits die ihm gemäß §§ 78, 108, 110 KO, § 18 Abs. 1 RpflG obliegenden Entscheidungen abschließend getroffen. Er hatte die Eröffnung des Konkursverfahrens beschlossen und Rechtsanwalt Dr. W zum alleinigen Konkursverwalter berufen. Unter dem Gesamttext trug der Beschluß die volle Unterschrift des Richters.
aa) Geändert hat der Richter diese Entscheidung nicht, als er von ihrer Ergänzung erfuhr. Er hat den Gesamttext unter Einschluß der handschriftlichen Ergänzungen des Rechtspflegers nicht erneut unterzeichnet. Dies ist jedoch Voraussetzung für die Wirksamkeit nicht förmlich verkündeter, schriftlich abgefaßter richterlicher Beschlüsse (Hartmann aaO, ZPO 43. Aufl. § 329 Anm. 1 Ac; Zöller/ Vollkommer, ZPO 14. Aufl. § 329 An. 36). Die Unterschrift unter dem Text verbürgt die Herkunft des Beschlusses und trägt so zur gebotenen Sicherheit und Klarheit im Rechtsverkehr bei. Die Bedeutung der Unterschrift zeigt sich auch in anderen Bereichen richterlicher Tätigkeit. So muß die Ausfertigung eines Urteils erkennen lassen, daß das Original die Unterschrift der Richter trägt (Zöller/ Stephan, aaO § 170 Rn. 4). Mit der Unterschrift bringt der Unterzeichnende seine Verantwortlichkeit für den durch sie gedeckten Text zum Ausdruck, wovon auch der private und geschäftliche Verkehr üblicherweise ausgeht.
Mit den an die Klarheit und Sicherheit des Rechtsverkehrs zu stellenden Anforderungen ist es hingegen nicht vereinbar, die Wirksamkeit eines nicht vom Richter unterzeichneten Beschlusses allein danach zu beurteilen, ob der Richter ihn durch ein irgendwie geartetes schlüssiges Verhalten gebilligt hat. Wenngleich im Rechtsverkehr schlüssiges Verhalten rechtlich bedeutsam werden kann, ist es doch geboten, die Wirksamkeit richterlicher Entscheidungen wegen ihrer Bedeutung und Tragweite nach zweifelsfreien Maßstäben festzulegen.
bb) Die Entscheidung des Rechtspflegers erlangte auch nicht deshalb Wirksamkeit, weil er sie zu einem Zeitpunkt traf, zu dem ihm die Bearbeitung des weiteren Verfahrens gemäß § 18 Abs. 2 RpflG zuständigkeitshalber oblag. Dies hindert bereits der Umstand, daß die Ernennung des Konkursverwalters zu den nicht übertragbaren Geschäften gehört, § 18 Abs. 1 RpflG.
cc) Daß Rechtspfleger S. bei Beachtung der für einen Amtsträger in seiner Dienststellung erforderlichen Sorgfalts- und Prüfungspflichten seine Unzuständigkeit erkennen konnte, steht außer Zweifel. § 18 Abs. 1 RpflG bestimmt die Zuständigkeit klar und unmißverständlich. Rechtspfleger S. war danach unter keinem Gesichtspunkt für die von ihm tatsächlich getroffene Entscheidung über die Bestellung des Klägers zum weiteren Konkursverwalter zuständig.
c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergeben seine Feststellungen, daß auch das Verhalten des Konkursrichters amtspflichtwidrig war und ebenso zu dem Schaden beigetragen hat.
aa) Nachdem ihm die Ergänzung seiner Entscheidung über die Eröffnung des Konkursverfahrens und die Bestellung des bisherigen Sequesters zum alleinigen Konkursverwalter bekannt geworden war, mußte er sofort klarstellen, ob er es bei seiner Entscheidung belassen oder der durch den Rechtspfleger ergänzten Fassung folgen und als eigene Entscheidung übernehmen wollte. Der durch die Entscheidung des Rechtspflegers aufgetretene Widerspruch mußte in zweifelsfreier Form beseitigt werden, sei es, daß er den Rechtspfleger zur Rücknahme seiner Entscheidung veranlaßte, sei es, daß er anderenfalls seinen Beschlußtext von dem des Rechtspflegers trennte und durch konkrete Anweisungen an die Geschäftsstelle die Veröffentlichung seiner Beschlußfassung, abgegrenzt von der des Rechtspflegers gewährleistete. Keinesfalls reichte es aus, die jeweiligen Textfassungen durch die Ziffern 1 und 2 zu trennen und im übrigen dem Verfahren seinen Lauf zu lassen.
bb) Der Konkursrichter war nicht nur wegen der Bedeutung und der Tragweite der Entscheidung über die Eröffnung eines Konkursverfahrens zum Handeln verpflichtet, ein Einschreiten war vielmehr auch deshalb geboten, um die am Verfahren Beteiligten - zu denen auch der Kläger zu rechnen ist - vor möglichen Nachteilen durch eine irreführende Beschlußfassung zu schützen.
Die Selbständigkeit und sachliche Unabhängigkeit des Rechtspflegers, die ihn im Bereich der übertragenen Geschäfte vor Weisungen des Dienstvorgesetzten schützt und im Verhältnis zum Richter nur im Rahmen der gesetzlichen Vorlagepflicht und der gesetzlichen Rechtsbehelfe bindet, standen einem solchen Vorgehen nicht entgegen, da die Bestellung des Konkursverwalters im Eröffnungsverfahren nach § 18 Abs. 1 RpflG nicht zu dem Rechtspfleger übertragenen Geschäftsbereich gehört.
cc) Seine tatsächliche Handlungsweise gereicht dem Richter zum Verschulden. Bei Beobachtung der für einen Richter erforderlichen Sorgfalt hätte er voraussehen können, daß er seinen Amtspflichten zuwiderhandelte, wenn er trotz offen geäußerter Bedenken seinerseits an der Zulässigkeit der abgeänderten Entscheidung des Rechtspflegers nichts zur Klarstellung seiner Entscheidung unternahm.
dd) Der Haftung steht § 859 Abs. 2 BGB nicht entgegen.
Amtspflichtverletzungen, die im Zusammenhang mit der Beschlußfassung in einem Konkursverfahren stehen, werden von dem Haftungsprivileg gemäß § 839 Abs. 2 BGB nicht umfaßt. Diese Vorschrift steht einer Haftung für rechtsfehlerhafte Beschlüsse im Vollstreckungs- und Konkursverfahren nicht entgegen. Diese Entscheidungen sind keine urteilsvertretenden Erkenntnisse (Senatsurteil vom 2. April 1959 - III ZR 25/58 = NJW 1959, 1085).
ee) Andere Rechtsverletzungen des Konkursrichters sind nicht ersichtlich.
Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, daß der Konkursrichter entgegen einer verbindlichen Zusage den Kläger nicht zum Konkursverwalter bestellt hat. Der Kläger räumt ein, eine verbindliche Zusage nicht erhalten zu haben. Selbst wenn der Konkursrichter die Absicht zum Ausdruck gebracht haben sollte, die Ernennung des Klägers zu prüfen, stellt sich die letztlich getroffene Entscheidung des Konkursrichters nicht als amtspflichtwidrig dar. Einen Anspruch auf Ernennung hatte der Kläger grundsätzlich nicht, vielmehr bleibt die Auswahl des Konkursverwalters dem pflichtgemäßen Ermessen des Konkursrichters überlassen (Mentzel/ Kuhn/Uhlenbruck, KO 9. Aufl. § 78 Rn. 1). Eine rechtsfehlerhafte Ausübung des Ermessens ist nicht ersichtlich.
ff) Mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts liegt eine Amtspflichtverletzung des Konkursrichters ebenfalls in einer falschen oder verunsichernden Information der an dem Konkursverfahren Beteiligten wie der Presse nicht vor.
gg) Soweit sich die Revision gegen die Entscheidung des Konkursrichters vom 5. Januar 1978 wendet, steht dem die materielle Rechtskraft dieses Beschlusses entgegen. Auch in Beschlußform ergehende Entscheidungen sind, wenn sie wie hier formell rechtskräftig geworden sind, der materiellen Rechtskraft fähig (BGH, Urteil vom 7. Mai 1981 - VII ZR 366/80 = NJW 1981, 1962; Senatsurteil vom 17. Mai 1984 - III ZR 86/83 = NJW 1985, 1335, 1336 m.w.Nachw.; Hartmann aaO § 322 Anm. 1 A). Der Entscheidung des Konkursrichters kommt über das Konkurseröffnungsverfahren hinaus für das gesamte Konkursverfahren Bedeutung zu, da u.a. von der rechtswirksamen Bestellung des Konkursverwalters dessen rechtswirksames Handeln im Verlauf des gesamten Konkursverfahrens abhängt. Gerade deshalb ist es geboten, die Rechtmäßigkeit seiner Bestellung und die Gesetzmäßigkeit des zugrundeliegenden Verfahrens auch für andere Verfahren bindend festzustellen (RGZ 129, 390, 392).
Danach ist der Kläger zu keinem Zeitpunkt wirksam zum weiteren Konkursverwalter bestellt worden. Auch die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit seiner Entscheidung durch das Landgericht vermochte diese Rechtswirkung nicht zu begründen. Die Anordnung hatte keinen Bestand. Sie ist durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Februar 1978 aufgehoben worden.
Auf Grund der materiellen Rechtskraft der Entscheidungen über die Konkurseröffnung braucht auf die gegenüber dem Oberlandesgericht Oldenburg, insbesondere den Richter B., erhobenen Vorwürfe nicht weiter eingegangen zu werden.
d) Durchgreifenden Bedenken begegnet das Berufungsurteil auch nicht, soweit es eine Haftung auch wegen Amtspflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Entscheidungen des Rechtspflegers W. in der Gläubigerversammlung vom 23. Februar 1978 verneint.
Der Kläger hatte keinen Anspruch, zur Gläubigerversammlung vom 23. Februar 1978 als Konkursverwalter zugelassen zu werden. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 3. Februar 1978 stand fest, daß er rechtswirksam zu keinem Zeitpunkt zum weiteren Konkursverwalter bestellt worden war.
Soweit der Kläger als Pflichtverletzung geltend macht, Rechtspfleger W. habe es ihm verwehrt, im Auftrag des Gläubigerausschusses zum Konkursabwicklungskonzept des Konkursverwalters Dr. W. Stellung zu nehmen, kann lediglich die Rechtsstellung des Gläubigerausschusses betroffen sein, falls ihm, was hier nicht zu entscheiden ist, dadurch verwehrt worden sein sollte, die ihm gemäß § 88 KO auferlegten Kontroll- und Überwachungspflichten selbständig (Senatsurteil vom 12. Juli 1965 III ZR 41/64 = WM 1965, 1158, 1159) auch in der Gläubigerversammlung wahrzunehmen.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kann weder davon ausgegangen werden, daß der Kläger als zugelassener Gläubigervertreter nicht zu Wort gekommen, noch daß der Kläger wegen der Versagung des Rederechts als vorgeschlagener Konkursverwalterkandidat bei der abschließenden Wahl erfolglos geblieben ist.
e) Die von dem Rechtspfleger S. und dem Richter begangenen Amtspflichtverletzungen ziehen keine Verpflichtung des beklagten Landes zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nach sich.
Es fehlt an den Voraussetzungen, die es nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 26, 349; 35, 363; 39, 125; BGH, Urteil vom 26. Januar 1971 - VI ZR 95/70 = NJW 1971, 698, 699; zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht in der Entwicklung durch die Rechtsprechung: Brandner, JZ 1983, 689 ff.) gerechtfertigt erscheinen lassen, wegen einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine Geldentschädigung zuzubilligen. Für sie muß ein unabweisbares Bedürfnis sprechen, dem Geschädigten wenigstens einen gewissen Ausgleich für ideelle Beeinträchtigungen zuzuerkennen, die er auf andere Weise befriedigend nicht ausgleichen kann. Dies ist im allgemeinen nur der Fall, wenn den Schädiger der Vorwurf einer schweren Schuld trifft, wenn er z.B. leichtfertig in das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten aus materiellen Erwägungen eingreift. Ob es sich um eine objektiv erheblich ins Gewicht fallende Beeinträchtigung handelt, entscheidet sich insbesondere nach Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, von dem Ausmaß der Verbreitung in der Öffentlichkeit, der Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessen- und Rufschädigung des Verletzten, sowie dem Grad des Verschuldens. Nur solche gewichtigen, nicht dagegen unbedeutende Beeinträchtigungen rechtfertigen die Zubilligung einer Geldentschädigung. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 9. Juli 1985 - VI ZR 214/83 - zum Abdruck in BGHZ bestimmt) erneut bekräftigt.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren die pflichtwidrigen Amtshandlungen des Rechtspflegers und des Konkursrichters nicht geeignet, bei der interessierten Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, der Kläger sei infolge von Pflichtwidrigkeiten oder wegen Untauglichkeit vom Amt des Konkursverwalters abberufen worden. Die Amtspflichtwidrigkeit des Handelns von Rechtspfleger und Richter ergibt dies nicht. Weitere Umstände, die die interessierte Öffentlichkeit berechtigen konnten, negative Schlußfolgerungen hinsichtlich der Persönlichkeit und des beruflichen Ansehens des Klägers zu ziehen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. An keiner Stelle der getroffenen Entscheidungen findet sich ein Anhalt dafür, daß der Kläger wegen Pflichtwidrigkeiten oder ähnlichem abberufen worden ist. Auch unter Berücksichtigung einer "Gesamtschau" des Verhaltens des Konkursrichters und des Rechtspflegers gegenüber dem Kläger vermag die Revision nicht darzutun, daß ein objektiver Dritter das rechtswidrige Verhalten des Rechtspflegers und des Konkursrichters als rufschädigend bewerten mußte.
Mithin erweist sich der Anspruch auf immateriellen Schadensersatz als unbegründet. über ihn kann gesondert entschieden werden.
III. Hinsichtlich der Erstattung des materiellen Schadens bleiben beide Revisionen erfolglos.
Dem Kläger ist nicht entgegenzuhalten, daß er als vermeintlich vorläufig bestellter weiterer Konkursverwalter keine Tätigkeit entfalten durfte. Der veröffentlichte Beschluß des Amtsgerichts Emden vom 1. Januar 1978 wies ihn als weiteren Konkursverwalter aus. Er hatte eine Bestellungsurkunde seitens des Amtsgerichts Emden erhalten. Schließlich hat das Landgericht Emden als Beschwerdegericht seine Bestellung bestätigt und die sofortige Wirksamkeit seiner Entscheidung angeordnet.
Solange die Unsicherheit über die Wirksamkeit seiner Bestellung nicht beseitigt war, konnte und mußte er eine Tätigkeit in dem Umfang entfalten, die einerseits den schutzwürdigen Interessen der Konkursmasse und der Gläubiger in ausreichendem Maße gerecht wurde und andererseits ihn vor einer Haftung wegen schuldhafter Verletzung der Pflichten als vorläufig bestellter Konkursverwalter bewahrte.
Die Verpflichtung zum Tätigwerden beschränkt sich zeitlich auf den Zeitraum vom Empfang des Beschlusses des Amtsgerichts Emden am 2. Januar 1978 bis zur Kenntnisnahme des Klägers von der abschließenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg am 6. Februar 1978. Vor und nach diesem Zeitpunkt hatten ihn gerichtliche Maßnahmen nicht zum Handeln verpflichtet; auch waren keine Vertrauenstatbestände geschaffen worden, die ihn zum Handeln berechtigen konnten.
1. Der Schadensersatz richtet sich wie im Regelfall (Palandt/Thomas, BGB 44. Aufl. § 839 Anm. 10) auf Ersatz des negativen Interesses. Besondere Umstände, den Kläger so zu stellen, als sei er wirksam zum weiteren Konkursverwalter bestellt worden, sind nicht gegeben. Ihm ist danach Ersatz für die Schäden zu leisten, die ihm im Vertrauen auf die Rechtswirksamkeit der Bestellung zum weiteren Konkursverwalter erwachsen sind.
a) Unter Einschluß der bereits geleisteten Zahlungen seitens des beklagten Landes kann er die Auslagen beanspruchen, die nach dem konkreten Sachstand des Konkursverfahrens zu verantworten waren.
Gerechtfertigt ist ferner die Erstattung entgangenen Gewinns in der Höhe, in der es dem Kläger durch die notwendige Befassung mit dem Konkursverfahren verwehrt war, durch Einsatz seiner Arbeitskraft in der Rechtsanwaltskanzlei Einnahmen zu erzielen, wobei er sich die bisherige Zahlung von 25.000,-- DM anrechnen lassen muß.
Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht auszuschließen, daß ihm über die bereits geleisteten Zahlungen hinaus insoweit noch ein weitergehender Betrag zusteht.
b) Mit Recht lehnt das Berufungsgericht den Ausgleich der im Konkursverfahren geleisteten Tätigkeit in Anwendung des § 85 KO ab. Auf der Grundlage dieser Vorschrift kann nur der wirksam bestellte Konkursverwalter die Vergütung seines Arbeitsaufwandes beanspruchen.
2. Einer Anwendung des § 254 BGB, die das beklagte Land unter Hinweis darauf für angezeigt hält, der Kläger habe seinem Tätigkeitsbericht zufolge unter Vernachlässigung der gesamten sonstigen Praxis und mit Rücksicht auf die Unsicherheit seiner Bestellung zum weiteren Konkursverwalter einen ungerechtfertigten Aufwand betrieben, bedarf es nicht. Der Umfang des Schadensersatzanspruches findet seine Grenzen bereits darin, daß nur der nach dem Sachstand des Konkursverfahrens gebotene Aufwand zu ersetzen ist.
IV. Im Betragsverfahren wird das Berufungsgericht die Ansprüche auf Auslagenersatz und den Ersatz entgangenen Gewinns unter diesem Gesichtspunkt zu prüfen haben.
Die Höhe des entgangenen Gewinns läßt sich erst ermitteln, wenn der Kläger Tatsachen vorträgt, die eine Schätzung ermöglichen (Senatsurteil vom 14. März 1963 III ZR 178/61 = VersR 1963, 671 674, Palandt/Heinrichs, BGB 44. Aufl. § 252 Anm. 3 a m.w.Nachw.). § 252 BGB entbindet den Kläger insoweit nicht von der Darlegungs- und Beweislast. Die Vorschrift erleichtert lediglich die Schätzung des Umfangs des entgangenen Gewinns. Diese Schätzung bleibt ohne gesicherte Grundlage, solange nicht feststeht, daß im konkreten Fall tatsächlich die berufliche Lage die Erzielung eines Gewinns ermöglicht hätte, der nun aufgrund der schadenstiftenden Ereignisse nicht gezogen worden ist. Die Unterschiedlichkeit der Gewinnaussichten und -spannen in den jeweiligen Berufen verlangt eine Konkretisierung nach Art und Umfang der nach den getroffenen Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Einnahmen. Der Hinweis, daß in einer Rechtsanwaltskanzlei im Regelfall Gewinn erzielt wird, besagt nichts für dessen konkrete Höhe.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 2992816 |
DRsp IV(485)189a |
WM 1986, 331 |
ZIP 1986, 319 |
MDR 1986, 651 |
Rpfleger 1986, 147 |
VersR 1986, 441 |