Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme einer Steuerberaterpraxis
Leitsatz (amtlich)
Ist in einem Vertrag über die Übernahme einer Steuerberaterpraxis vereinbart, bei Meinungsverschiedenheiten der Vertragspartner solle zunächst ein Schlichtungsversuch vor der zuständigen Steuerberaterkammer gemacht werden, so ist eine vor Durchführung des Schlichtungsverfahrens erhobene Klage unzulässig (Bestätigung des Senatsurteils vom 23. November 1983 – VIII ZR 197/82 = WM 1984, 178 = NJW 1984, 669). Dies ist jedoch nicht der Fall, wenn die Durchführung des vom Kläger eingeleiteten Schlichtungsverfahrens daran gescheitert ist, daß sich der Beklagte geweigert hat, seinen Anteil an den Gebühren der Steuerberaterkammer zu bezahlen; in diesem Falle steht der Berufung auf die Schlichtungsvereinbarung der Gegeneinwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen (Fortführung von BGHZ 102, 199).
Normenkette
BGB § 242; ZPO §§ 253, 1032
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main |
LG Darmstadt |
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden die Urteile des 24. Zivilsenats in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 1997 und der 8. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 11. Oktober 1995 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gerichtskosten für das Berufungs- und das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung des restlichen Kaufpreises aus einem notariell beurkundeten Vertrag über die Veräußerung seiner Steuerberaterpraxis in Höhe von 210.000,– DM nebst Zinsen. In Nr. XI des Vertrages heißt es unter anderem:
„Ein Rechtsschutzbedürfnis zur Anrufung des Gerichtes soll bei allen tatsächlichen und rechtlichen Streitigkeiten aus diesem Vertrage einschließlich seiner Wirksamkeit erst gegeben sein, wenn die Steuerberaterkammer zuvor von den Vertragsparteien angerufen wurde, die Berufkammer einen Vermittlungsversuch gemacht und dessen Erfolgslosigkeit bestätigt hat.” (Schreibfehler original)
Der Kläger rief nach erfolgloser Zahlungsaufforderung an den Beklagten die zuständige Steuerberaterkammer mit der Bitte um Schlichtung an. Die Steuerberaterkammer forderte gemäß ihrer Gebührenordnung von beiden Parteien die Zahlung eines je hälftigen Gebührenvorschusses. Der Beklagte zahlte den auf ihn entfallenden Gebührenanteil nicht. Aus diesem Grund führte die Kammer das Schlichtungsverfahren nicht fort.
Gegen die daraufhin im Urkundenprozeß erhobene Klage hat der Beklagte unter anderem eingewandt, das in Nr. XI des Vertrages vorgesehene Güteverfahren habe nicht stattgefunden. Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen; das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
Entscheidungsgründe
1. Da der Beklagte in der Revisionsverhandlung nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht die Entscheidung allerdings nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf der Berücksichtigung des gesamten Sach- und Streitstandes, soweit er in der Revisionsinstanz angefallen ist (vgl. BGHZ 37, 79, 81).
2. Das Berufungsgericht hat die Klage, wie das Landgericht, als derzeit unzulässig angesehen, weil das in Nr. XI des notariellen Praxiskaufvertrages vereinbarte Güteverfahren vor der Steuerberaterkammer noch nicht durchgeführt worden sei. Die Vertragsklausel sei als Güte- oder Schlichtungsklausel auszulegen, durch die die Anrufung der ordentlichen Gerichte einstweilen gesperrt werde. Obwohl der Beklagte den auf ihn entfallenen Kostenvorschuß nicht an die Steuerberaterkammer gezahlt habe, sei er nicht gehindert, sich auf die Schlichtungsklausel zu berufen. Es sei nicht Sache einer Partei, ein gegen sie eingeleitetes Verfahren dadurch zu fördern, daß sie einen – sei es auch anteiligen – Kostenvorschuß leiste; vielmehr entspreche es einer „natürlichen Regung”, daß die mit einem Verfahren überzogene Partei für diesen Angriff nicht auch noch zahlen wolle. Folge sie dieser „natürlichen Regung”, so könne daraus nicht der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens abgeleitet werden.
3. Dies hält rechtlicher Oberprüfung nicht stand.
a) Zutreffend ist freilich der rechtliche Ansatz des Berufungsgerichts. Es sieht in der Vertragsbestimmung unter Nr. XI eine sogenannte Schlichtungs- oder Güteklausel, durch die die Anrufung der staatlichen Gerichte so lange ausgeschlossen wird, bis die zuständige Steuerberaterkammer den Versuch unternommen hat, zwischen den Parteien eine einvernehmliche Regelung herbeizuführen. Gegen diese tatrichterliche Auslegung der Klausel sind Bedenken weder geltend gemacht noch ersichtlich. Sie folgt den Grundsätzen, die der Senat in einem vergleichbaren Fall – Verkauf einer tierärztlichen Praxis – aufgestellt hat (Urteil vom 23. November 1983 – VIII ZR 197/82 = WM 1984, 178 = NJW 1984, 669 unter 2 c).
Das Berufungsgericht geht ferner stillschweigend von der Wirksamkeit der vereinbarten Schlichtungsklausel aus. Auch hiergegen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Vertragsgegenstand ist eine bis dahin vom Kläger betriebene und an den Beklagten veräußerte Steuerberaterpraxis. Die Abrede, daß im Streitfall vor Anrufung der staatlichen Gerichte ein Güteversuch vor der zuständigen berufsständischen Vertretung zu unternehmen ist, entspricht dem berechtigten Interesse beider Parteien (vgl. auch insoweit das Senatsurteil vom 23. November 1983 a.a.O. unter 2 d).
b) Die Erfolglosigkeit eines vorherigen Güteversuches seitens der Steuerberaterkammer stellt keine von Amts wegen zu beachtende Prozeßvoraussetzung dar; vielmehr ist die Schlichtungsklausel vom Gericht nur dann zu beachten, wenn sich eine Partei auf sie beruft (vgl. Senatsurteil vom 23. November 1983 a.a.O. unter 2 b); nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat dies der Beklagte getan.
c) Sowohl der Sinn und Zweck als auch die prozessualen Wirkungen der hier in Rede stehenden Schlichtungsklausel ähneln somit denjenigen eines Schiedsvertrages, durch den nach dem Parteiwillen die Anrufung der staatlichen Gerichte allerdings auf Dauer ausgeschlossen werden soll. Daher sind auch die Voraussetzungen, unter denen der Berufung auf die Schlichtungsklausel der Treuwidrigkeitseinwand (§ 242 BGB) entgegensteht, entsprechend zu beurteilen wie bei der Schiedsvertragseinrede im Sinne des § 1032 Abs. 1 ZPO. Dies verkennt an sich auch das Berufungsgericht nicht. Bei seiner Bewertung der Nichtzahlung des anteiligen Gebührenvorschusses seitens des Beklagten mit Blick auf die Treuwidrigkeit seiner gleichwohl erfolgten Berufung auf die Schlichtungsklausel hat es jedoch die einschlägige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht beachtet. Im Urteil vom 12. November 1987 (BGHZ 102, 199, 202f.) ist ausgeführt, der Schiedsvertrag verpflichte beide Parteien, bei der Durchführung des Schiedsverfahrens mitzuwirken, insbesondere die üblicherweise von einem Schiedsgericht geforderten Kostenvorschüsse anteilig zu zahlen. Leiste der Beklagte seinen Gebührenanteil nicht und erhebe er gleichwohl die Schiedseinrede, so begründe ein derartiges Verhalten für den Kläger die Gegeneinrede der Arglist. Dies gilt aus den genannten Gründen entsprechend, wenn die Parteien keinen Schiedsvertrag geschlossen, sondern – wie hier – eine Schlichtungsklausel vereinbart haben. In dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Sachverhalt war der Beklagte außerstande, die zur Durchführung des Schiedsverfahrens erforderlichen Vorschüsse anteilmäßig aufzubringen. Die dort aufgestellten Grundsätze müssen mindestens in gleicher Weise gelten, wenn der Beklagte seine Mitwirkung verweigert, obwohl er den auf ihn entfallenden Beitrag leisten könnte. Der Kläger ist nicht verpflichtet, die für das Schlichtungsverfahren erforderlichen Vorschüsse in vollem Umfang zu zahlen (BGHZ a.a.O. S. 202f.) oder den Beklagten auf dessen Anteil gerichtlich in Anspruch zu nehmen.
c) Die Zulässigkeit der Klage kann daher nicht wegen der Berufung des Beklagten auf die Schlichtungsklausel verneint werden. Da der Rechtsstreit dem Revisionsgericht nur insoweit angefallen ist, sind weitere Fragen zur Zulässigkeit und Begründetheit der Klage in dieser Instanz nicht zu prüfen (BGH, Urteil vom 11. Juli 1985 111 ZR 33/84 = WM 1986, 402 = NJW 1986, 2765 unter IV). Vielmehr war der Rechtsstreit, da beide Vorinstanzen mit unzutreffender Begründung die Zulässigkeit der Klage verneint haben, in entsprechender Anwendung von § 538 Abs. 1 Nr. 2 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen (BGH, Urteil vom 4. Juni 1996 – IX ZR 261/95 = WM 1996, 1411 unter III). Die durch die Rechtsmittel entstandenen Gerichtskosten sind nicht zu erheben (§ 8 Abs. 1 Satz 1 GKG).
Fundstellen
Haufe-Index 609716 |
BB 1999, 129 |
DB 1999, 215 |
DStRE 1999, 159 |
DStRE 1999, 327 |
NJW 1999, 647 |
Inf 1999, 254 |
BauR 1999, 515 |
EWiR 1999, 285 |
IBR 2000, 195 |
JurBüro 1999, 273 |
WM 1999, 651 |
ZAP 1999, 162 |
MDR 1999, 311 |
VersR 2000, 116 |
MittRKKöln 1999, 61 |
BRAK-Mitt. 1999, 153 |
BRAK-Mitt. 1999, 99 |
WPK-Mitt. 1999, 118 |