Leitsatz (amtlich)
1. Als kapitalersetzende Gesellschafterleistung können auch von einer Bank an die GmbH gegebene Kredite zu behandeln sein, wenn die Bank, um sie zu retten, eine 100%ige Tochtergesellschaft die Mehrheit der Geschäftsanteile erwerben läßt und alsdann ihre zunächst gekündigten Kredite bestehen läßt sowie weiteren Kredit einräumt.
2. Eine nach GmbHG § 30 verbotene Schmälerung von Stammkapital kann auch in der Stundung des Kaufpreises für veräußertes Gesellschaftsvermögen liegen.
3. Soweit und solange ein Gesellschafterdarlehen verlorenes Stammkapital ersetzt, ist es als Haftungsfond für alle gegenwärtigen und künftigen Gläubiger ohne Rücksicht darauf zur Verfügung zu halten, ob zwischen deren Forderungen und der Kredithergabe des Gesellschafters ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
4. Beruht die Bestellung eines Gesellschafters zum Geschäftsführer nicht auf seinem Anstellungsvertrag, so braucht der Ablauf dieses Vertrages in Verbindung mit der Erklärung, ihn nicht verlängern zu wollen, nicht ohne weiters auch die Beendigung der Organstellung herbeizuführen.
Orientierungssatz
(Zitierungen)
1. Zur Beendigung der Organstellung des Geschäftsführers der GmbH zugleich mit der Beendigung des Dienstvertrages: Bestätigung BGH, 1980-11-24, II ZR 182/79, BGHZ 79, 38; Bestätigung BGH, 1958-04-14, II ZR 222/56, NJW 1958, 945.
2. Zur verbotenen Rückgewähr nach GmbHG § 30: Bestätigung BGH, 1980-03-24, II ZR 213/77, BGHZ 76, 326.
3. Zum Begriff des Stammkapitalersatzes: Anschluß BGH, 1981-07-13, II ZR 256/79, WM IV 1981, 870.
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden die Urteile des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. April 1980 und der 20. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 30. Januar 1978 aufgehoben.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1 Mio. DM mit 8 % Zinsen seit dem 9. September 1977 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Klägerin hat wegen titulierter Forderungen gegen die M Bau- und Grundstücksverwaltungs-GmbH in Höhe von mehr als 5 Mio. DM Ansprüche der M-GmbH gegen die Beklagte pfänden und sich zur Einziehung überweisen lassen, die sie im vorliegenden Rechtsstreit teilweise geltend macht.
Die M-GmbH sowie eine Kommanditgesellschaft (im folgenden: „T-C”), an der sie als persönlich haftende Gesellschafterin ohne Kapitaleinlage beteiligt war, führten mehrere große Bauvorhaben – unter anderem das Projekt „S” – durch, die bis 1969 überwiegend und danach ausschließlich von der beklagten Bank finanziert wurden. Das Stammkapital der M-GmbH beträgt 1.250.000 DM.
Ende 1972 machten sich bei der M finanzielle Schwierigkeiten bemerkbar. Zu dieser Zeit belief sich ihr bei der Beklagten aufgenommener, durch Grundschulden gesicherter Kredit auf über 64 Mio. DM (die Kredite der T-C nicht eingerechnet). Nachdem die Gesellschafter der M es zunächst abgelehnt hatten, der Abtretung von Geschäftsanteilen gemäß Verträgen, die auf Veranlassung der Beklagten am 26. März 1973 protokolliert und von einem Mitarbeiter der Beklagten als vollmachtlosem Vertreter für die Gesellschafter unterzeichnet wurden, zuzustimmen, kündigte die Beklagte unter demselben Datum ihre Kredite zu sofortiger Rückzahlung. Diese Erklärung nahm sie, wie vorgesehen, wieder zurück, nachdem die Gesellschafter der M die Verträge sowie eine Reihe von Gesellschafterbeschlüssen genehmigt hatten. Nach den Verträgen gingen sämtliche Geschäftsanteile an der M-GmbH mit Ausnahme eines Anteils von 70.000 DM, der bei dem Gesellschafter und Geschäftsführer K verblieb, und bis auf einen kleinen Rest auch der Kommanditanteil an der T-C auf die A GmbH (im folgenden: A), eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Beklagten, über. Die Abtretungen sollten bei einer Erklärung der A, daß ihr der Anteilserwerb unzweckmäßig erscheine (auflösende Bedingung), hinfällig werden. Der Gesellschafter K erhielt seinerseits das Recht, bis Ende 1973 gegen Tilgung sämtlicher Ansprüche der Beklagten die Rückübereignung zu verlangen. Die ebenfalls am 26. März 1973 protokollierten Gesellschafterbeschlüsse betrafen unter anderem Satzungsänderungen, nach denen der Sitz der M-GmbH an den Sitz der Beklagten verlegt und ein Beirat mit weitreichenden Befugnissen eingerichtet wurde. Die Gesellschaft sollte mindestens zwei Geschäftsführer haben und durch zwei Geschäftsführer gemeinsam oder einen Geschäftsführer zusammen mit einem Prokuristen vertreten werden (§ 5). Neben dem Gesellschafter K, der einen bis zum 14. März 1974 befristeten Anstellungsvertrag erhielt, wurde ein weiterer Geschäftsführer bestellt. In der Folgezeit wurde die M von Mitarbeitern der Beklagten nach den Weisungen des Beirats geleitet, der sich aus Vorstandsmitgliedern und leitenden Angestellten der Beklagten zusammensetzte.
Die Beklagte räumte der M weitere, wiederum durch Grundschulden abgesicherte Kredite ein. Ihre Gesamtforderung gegen die GmbH belief sich Anfang Mai 1974 auf etwa 170 Mio. DM. Durch Schreiben vom 20. Februar 1974 machte der Vorsitzende des Beirats den Geschäftsführer K darauf aufmerksam, daß sein Anstellungsvertrag zum 14. März 1974 ohne Kündigung ende und nicht beabsichtigt sei, ihn zu verlängern.
Mit Schreiben vom 2. Mai 1974 kündigte die Beklagte sämtliche der M eingeräumten Kredite unter Hinweis auf deren Bilanzverlust von 10,5 Mio. DM. Auf ihr Verlangen übereignete ihr die M GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer P und einen Prokuristen, durch Vertrag vom 3. Mai 1974 ihre sämtlichen Grundstücke zur Sicherung und Verwertung. Die Beklagte versprach, nach Verwertung der Grundstücke durch Veräußerung den Erlös abzüglich ihrer Aufwendungen, mindestens jedoch 120 Mio. DM, der M gutzubringen (B § 3). Alle Leistungen von ihrer Seite sollten „durch Verrechnung mit ihren Forderungen gegenüber der M GmbH” erfolgen (B § 8). Unter dem 25. Juni 1974 schrieb die A an die früheren Gesellschafter der M, da ihr der Erwerb der Gesellschaftsanteile nunmehr unzweckmäßig erscheine, stünden sie ihnen nach dem Vertrag vom 26. März 1973 ohne weiteres wieder zu. Die Beklagte hat die Bauvorhaben der M für eigene Rechnung fortgeführt und bereits einen Teil der übernommenen Objekte nach Fertigstellung weiterveräußert.
Die von der Klägerin erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 21. Dezember 1976 und vom 31. Januar 1980 betreffen unter anderem die angeblichen Ansprüche der M-GmbH gegen die Beklagte „auf Zahlung (Gutbringung) eines Betrages von 120 Mio. DM gemäß B § 3 des Vertrages vom 3.5.1974”, auf Rückgabe der übereigneten Grundstücke, hilfsweise auf Grundbuchberichtigung sowie auf Herausgabe des Veräußerungsentgelts. Die Klägerin hat demgemäß zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 1 Mio. DM mit 8 % Zinsen seit Klagezustellung zu verurteilen, hilfsweise, sie zu verurteilen, der Grundbuchberichtigung durch Wiedereintragung der M-GmbH zuzustimmen oder – weiter hilfsweise – den Grundbesitz an einen Sequester herauszugeben oder zu übertragen sowie an die Klägerin 1 Mio. DM mit Zinsen zu zahlen.
Die Klägerin hat ihre Klage in erster Linie damit begründet, die Abrede im Vertrag vom 3. Mai 1974, der von der Beklagten garantierte Veräußerungserlös sei mit ihren Darlehensforderungen zu verrechnen, sei wegen Verstoßes gegen § 30 GmbHG unwirksam. Zu ihren Hilfsanträgen hat sie geltend gemacht, die M-GmbH sei bei Abschluß des Grundstücksübereignungsvertrages vom 3. Mai 1974 nicht wirksam vertreten gewesen.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge weiter.
Entscheidungsgründe
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist der auf B § 3 des Übereignungsvertrages vom 3. Mai 1974 gestützte Hauptantrag der Klägerin nach dem unstreitigen Sachverhalt begründet. Nach dieser Bestimmung steht der M-GmbH gegen die Beklagte ein Veräußerungserlös von mindestens 120 Mio. DM zu. Aus diesem Anspruch kann sich die Klägerin aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 21. Dezember 1976 wegen ihrer titulierten Forderungen gegen die M-GmbH mindestens in Höhe der eingeklagten 1 Mio. DM befriedigen.
1. Der Vertrag vom 3. Mai 1974 ist nicht wegen mangelhafter Vertretung der M durch den Geschäftsführer P und den Prokuristen M unwirksam, wie die Klägerin in Verbindung mit ihren Hilfsanträgen geltend gemacht hat. Dabei stellt sich nicht die Frage, ob eine organschaftliche Gesamtvertretung durch einen Geschäftsführer und einen Prokuristen, wie das Berufungsgericht angenommen hat, unmöglich wird, wenn ein in der Satzung vorgeschriebener weiterer Geschäftsführer ersatzlos ausscheidet (so Mertens in Hachenburg, GmbHG, 7. Aufl. § 35 Rdn. 253 unter Aufgabe seiner abweichenden Ansicht in Kölner Komm. z. AktG, § 78 Rdn. 39; vgl. auch Beschl. d. Sen. v. 14. 2. 74 – II ZB 11/73, WM 1974, 510, 512). Denn eine solche Lage war hier bei Vertragsabschluß nicht gegeben, weil nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar der Anstellungsvertrag des zweiten gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführers K seit dem 14. März 1974 abgelaufen, seine Bestellung aber weder durch Widerruf noch durch Amtsniederlegung erloschen war. Dabei hat das Berufungsgericht nicht verkannt, daß die Organstellung eines Geschäftsführers, wenn sie auf dem Dienstvertrag beruht, in der Regel zugleich mit diesem endet, weil ein Organmitglied im allgemeinen nicht ohne Vertragsgrundlage weiterarbeiten wird (BGHZ 79, 38, 41 f; Urt. d. Sen. v. 14. 4. 58 – II ZR 222/56, NJW 1958, 945). Es hat aber zutreffend berücksichtigt, daß K noch im Mai 1974 Gesellschafter der M-GmbH und in dieser Eigenschaft schon vor Abschluß des förmlichen Anstellungsvertrages vom März 1973 durch Gesellschafterbeschluß zum Geschäftsführer bestellt worden war, so daß dieser Vertrag nicht die alleinige Grundlage seiner Organstellung gewesen ist. Auch brauchte es aus dem Brief des Beiratsvorsitzenden vom 20. Februar 1974, der seinem Wortlaut nach weder eine Abberufung als Geschäftsführer noch eine Kündigung aussprach, sondern lediglich auf den bevorstehenden Ablauf des Dienstvertrags und die Absicht, ihn nicht zu verlängern, hinwies, keine Widerrufserklärung gemäß § 38 GmbHG herauszulesen, die zudem nur der Gesamtbeirat hätte beschließen können. Schließlich hat das Berufungsgericht die weiteren tatsächlichen Gesichtspunkte, denen die Revision eine Beendigung der Organstellung vor Abschluß des Übereignungsvertrages entnehmen möchte, durchaus gesehen, aber mit Rücksicht auf eine Reihe sonstiger, auf das Gegenteil hinweisender Umstände nicht die Überzeugung gewonnen, daß K entgegen der Eintragung im Handelsregister bis zum 3. Mai 1974 abberufen worden sei oder sein Amt niedergelegt habe. Diese Würdigung ist revisionsrechtlich unangreifbar. Auf die Hilfserwägungen des Berufungsgerichts zu § 15 HGB kommt es daher nicht an.
2. Ihre somit wirksam begründete Verbindlichkeit kann die Beklagte mindestens in Höhe der Klageforderung nicht in der Weise tilgen, daß sie sie gemäß B § 8 des Übereignungsvertrages mit ihren Darlehensansprüchen verrechnet. Denn darin läge eine nach § 30 GmbHG verbotene Rückgewähr einer kapitalersetzenden Gesellschafterleistung im Sinne der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 76, 326; 75, 334).
Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, auch für die Zeit, nachdem die zu 100 % der Beklagten gehörige A die Mehrheitsbeteiligungen an der T-C und ihrer Komplementär-GmbH erworben hatte, sei die Beklagte als Darlehensgeberin nicht wie eine Gesellschafterin zu behandeln, die den Grundsätzen über kapitalersetzende Darlehen unterläge. Denn die Beklagte habe sowohl vor als auch nach dem Anteilsübergang stets nur aus ihrer Gläubigerposition heraus gehandelt und sich niemals mit der M „im unternehmerischen Risiko identifiziert”. Ihr einziges Ziel bei der weiteren Förderung des Projekts S sei es gewesen, durch verstärkte Einflußnahme und Überwachung ihre Gläubigerstellung zu festigen, um ihre Forderungen so gut wie möglich realisieren zu können. Diese Ausführungen sind rechtlich nicht haltbar.
Die Behandlung eines Gesellschafterdarlehens als haftendes Kapital beruht darauf, daß es dazu dient, der Gesellschaft anstelle von fehlendem Eigenkapital die Mittel zu verschaffen, die sie benötigt, um lebensfähig zu bleiben. Das ist dann der Fall, wenn die Gesellschaft in Ermangelung einer ausreichenden Vermögensgrundlage außerstande ist, ihren dringenden Kapitalbedarf durch Fremdkredite zu marktüblichen Bedingungen zu decken (BGHZ 76, 326, 328 f). Liegt ein solcher Tatbestand vor, so ist es gleichgültig, von welchen Beweggründen, neben der Versorgung der Gesellschaft mit dem zur Betriebsfortführung unerläßlichen Kapital, ein Gesellschafter bei der Darlehenshergabe sich sonst noch leiten läßt. Auch wenn für ihn der Gedanke im Vordergrund steht, auf dem Weg über die erhoffte Gesundung der Gesellschaft sein darin angelegtes Kapital – einschließlich bereits gewährter Darlehen – zu retten, handelt es sich bei seiner Vermögensleistung um Ersatz für Eigenkapital, der den Gesellschaftsgläubigern haftet, soweit und solange er verlorenes Stammkapital oder darüber hinausgehende Schulden abdeckt. Gesellschafter- und Gläubigerinteresse lassen sich in einem solchen Fall nicht voneinander trennen. Es kann daher nicht zweifelhaft sein, daß die Beklagte, hätte sie die M-Anteile selbst erworben, unter den genannten Voraussetzungen ihre Darlehensleistungen von da an nach den Grundsätzen der §§ 30, 31 GmbHG behandeln lassen müßte.
Dem konnte sie auch nicht dadurch entgehen, daß sie, anstatt die Anteile unmittelbar zu übernehmen, eine 100 %ige Tochtergesellschaft als Erwerberin zwischenschaltete. Nach dem Regierungsentwurf von 1977 zur GmbH- Novelle (BTDs 8/1347) sollten Forderungen eines mit einem Gesellschafter oder mit der Gesellschaft verbundenen Unternehmens (vgl. §§ 15 ff AktG) für die Behandlung als Eigenkapital den eigenen Forderungen eines Gesellschafters gleichstehen (§ 32 a Abs. 5). Diese ausdrückliche Regelung ist zwar in der am 1. Januar 1981 in Kraft getretenen Fassung des § 32 a GmbHG nicht mehr enthalten. Damit ist sie aber nicht etwa vom Gesetzgeber fallengelassen worden, sondern der ihr zugrundeliegende Rechtsgedanke ist in die Generalklausel des § 32 a Abs. 3 GmbHG („wirtschaftlich entsprechende” Rechtshandlungen) eingegangen (Ulmer in „Das neue GmbH-Recht in der Diskussion”, 1981 S. 60; Karsten Schmidt, ZIP 1981, 689, 694; a. M. wohl Geßler, BB 1980, 1385, 1391). Für die hier maßgebende Rechtslage vor dem 1. Januar 1981 kann jedenfalls bei einem Sachverhalt, wie er vorliegt, bei folgerichtiger Fortentwicklung der §§ 30, 31 GmbHG und der dazu ergangenen Rechtsprechung nichts anderes gelten (vgl. zur Haftung des Treugebers bei einer Strohmann-Gründung: BGHZ 31, 258; 75, 334, 335 f).
Als einzige Gesellschafterin der A, die ihre Geschäfte in den Räumen und mit den Angestellten der Beklagten betreibt und ihrerseits fast 95 % der Geschäftsanteile der M-GmbH hielt, war die Beklagte nicht nur rechtlich im Verhältnis zu beiden Gesellschaften herrschendes Unternehmen im Sinne des § 17 AktG und wirtschaftlich die nahezu alleinige Inhaberin der M, sie hat sich überdies – worauf es nicht einmal entscheidend ankommt – auch tatsächlich wie eine solche verhalten. Denn sie hat durch die von ihr entsandten Beiratsmitglieder und sonstigen Mitarbeiter (Geschäftsführer und Prokurist) unmittelbar die Geschäfte der Gesellschaft leiten lassen, wobei die Befugnisse der Geschäftsführer und der Gesellschafterversammlung weitgehend zugunsten des Beirats zurückgedrängt waren (vgl. §§ 6 und 8 der M-Satzung i. V. m. der Geschäftsanweisung). Nachdem sie sich auf diese Weise in eine Gesellschafterrolle begeben hatte, um so ihre Darlehensforderungen vielleicht besser verwirklichen zu können, trug sie fortan auch voll die Verantwortung und das Risiko eines Gesellschafters, ob sie dies wollte oder nicht. Damit war es ihr verwehrt, die Gesellschaft mit Hilfe kapitalersetzender Darlehen über Wasser zu halten, ohne diese Mittel, wie es deren wirtschaftlicher Bestimmung entsprach, im Rahmen der §§ 30, 31 GmbHG als Kredit- und Haftungsgrundlage für außenstehende Gläubiger zu belassen. Der wesentliche Wandel ihrer bisherigen Rechtsstellung als einer fremden Kreditgeberin zu der eines Gesellschafters, der sein eigenes Unternehmen mit Kapital ausstattet und infolgedessen ein Unternehmerrisiko trägt, kam ganz deutlich darin zum Ausdruck, daß sie nach dem Eintritt ihrer Tochtergesellschaft in die M-GmbH ihre Kreditkündigung sogleich zurückgenommen hat. Die Überlegung der Revisionserwiderung, die Beklagte habe ihre Kredite nicht gewährt, um die Gesellschaft zu retten, sondern sie habe umgekehrt die Gesellschaft übernommen, um ihr Geld zu retten, trifft daher ebensowenig den Kern der Sache wie das von ihr aufgegriffene Argument des Landgerichts, die Beklagte habe von Anfang an keine Gewinninteressen als Gesellschafterin, sondern typische Gläubigerabsichten verfolgt und dem typischen Gläubigerrisiko unterlegen.
Es geht hier auch nicht um einen „Durchgriff” auf das Vermögen der Beklagten, der sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, mit deren beherrschender Stellung allein nicht begründen ließe (Urt. d. Sen. v. 9. 7. 79 – II ZR 118/77, NJW 1979, 1823, 1828). Eine Haftung der Beklagten im Rahmen des § 30 GmbHG ist vielmehr in Betracht zu ziehen, weil sie der M-GmbH als deren (mittelbare) Gesellschafterin Darlehenskapital anstelle fehlender Eigenmittel zugeführt oder belassen hat und ein Gesellschafter, der einem Unternehmen trotz unzureichender Kapitalausstattung auf solche Weise die Fortführung ermöglicht, das damit verbundene Risiko nicht einfach auf die außenstehenden Gläubiger abwälzen darf (Urt. d. Sen. v. 29. 11. 71 – II ZR 121/69, WM 1972, 74 zu I). Trifft es zu, daß die M-GmbH Ende März 1973 ohne die weitere finanzielle Unterstützung der Beklagten ihre Geschäfte wegen Kapitalmangels hätte einstellen müssen, so hatte die Beklagte mit ihrem Eintritt in eine Gesellschafterstellung die Wahl, entweder unverzüglich die Abwicklung der notleidenden Gesellschaft zu betreiben oder sie mit Hilfe alter und neuer Kredite am Leben zu erhalten, dann aber auch in Kauf zu nehmen, daß die von ihr gegebenen Mittel wie Stammkapital künftig dem Zugriff der Gesellschaftsgläubiger erhalten bleiben mußten, solange die Gesellschaft nicht wieder über echte Eigenmittel in ausreichender Höhe verfügte (Urt. d. Sen. v. 13. 7. 81 – II ZR 256/79, WM 1981, 870 zu 2).
3. Die Entscheidung hängt daher weiter davon ab, ob die M-GmbH zu der Zeit, als die Beklagte ihr nach Eintritt in eine Gesellschafterstellung, also nach dem 29. März 1973, die schon bestehenden Kredite durch Rücknahme der Kündigung beließ und weiteren Kredit einräumte, ihren Kapitalbedarf stattdessen auch durch Aufnahme von Fremddarlehen zu marktüblichen Bedingungen hätte befriedigen können (BGHZ 76, 326, 330 f). Das war nach dem eigenen Vortrag der Beklagten nicht der Fall (vgl. insbes. ihren Schriftsatz v. 7. 10. 77 S. 8 ff). Danach befand sich die M seit 1972 zunehmend in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, so daß die Beklagte ihre Kredite trotz der Sicherung durch Grundpfandrechte gefährdet sah und sich dazu entschloß, sie zunächst einmal zu kündigen, als die gewünschte Anteilsabtretung nicht sogleich zustande kam. Ein anderer Kreditgeber, der an ihrer Stelle ein halbfertiges und vorerst keinen Gewinn bringendes Objekt von der Größenordnung des „S” zu finanzieren bereit gewesen wäre, war nicht zu finden. Ohne die weitere Kapitalhilfe der Beklagten hätte die M daher ihr Bauvorhaben einstellen müssen. Hinzu kommt, daß die Unordnung im Rechnungswesen der M den Einblick in ihre Geschäftslage erschwerte und die Zweifel an ihrer Bonität und der Wirtschaftlichkeit ihres Projekts verstärken mußte. Berücksichtigt man schließlich, daß gegen die M bei Übernahme ihrer Anteile durch die A bereits ein Urteil auf Zahlung von über 2 Mio. DM an die Rechtsvorgängerin der Klägerin ergangen und auf deren Betreiben eine weitere Klage in Millionenhöhe gegen sie anhängig war (BU S. 5), so ist es ausgeschlossen, daß die M, wenn die Beklagte ihre Kreditkündigung aufrechterhalten hätte, durch Kreditaufnahme von dritter Seite eine Liquidation oder den Konkurs hätte vermeiden können; tatsächlich hatte sie sich erfolglos um andere Geldgeber bemüht.
4. Da hiernach die von der Beklagten gewährten oder stehengelassenen Darlehen spätestens von Ende März 1973 an fehlende Eigenmittel ersetzen mußten, war eine Rückzahlung nach § 30 GmbHG unzulässig, soweit und solange die GmbH nicht über Reinvermögen in Höhe des satzungsmäßigen Stammkapitals verfügte. An dieser Rechtslage hätte es auch nichts geändert, wenn die A aufgrund ihrer Erklärung vom 25. Juni 1974, die erworbenen Geschäftsanteile an die Veräußerer zurückfallen zu lassen, aus der GmbH wieder ausgeschieden wäre. Denn für die Haftung der Beklagten nach den §§ 30, 31 GmbHG ist entscheidend, daß der Tatbestand, aus dem sie ihren Anspruch auf Darlehensrückgewähr herleitet, im Zusammenhang mit der Gesellschaftereigenschaft ihres Tochterunternehmens begründet oder aufrechterhalten worden ist (Urt. d. Sen. v. 13. 7. 81 aaO zu 3). Ebenfalls ohne Belang ist die Sicherung der Darlehen durch Grundpfandrechte, deren Inanspruchnahme der Beklagten in demselben Umfang und für dieselbe Dauer wie die Rückforderung der Darlehensvaluta verwehrt war (Urt. d. Sen. v. 13. 7. 81 aaO zu 7). Das bedeutet, daß der auf Zahlung von 1 Mio. DM begrenzte Hauptantrag der Klägerin Erfolg haben muß, weil die Beklagte jedenfalls in dieser Höhe den Anspruch der M-GmbH auf den garantierten Veräußerungserlös gemäß B § 3 des Vertrages vom 3. Mai 1974 nicht, wie in B § 8 des Vertrages vorgesehen, mit ihrer Darlehensforderung verrechnen oder geltend machen darf, er sei bereits durch eine solche Verrechnung erloschen.
Hierzu bedarf es keiner näheren Feststellungen darüber, inwieweit bei Vertragsabschluß und später ungedeckte Verbindlichkeiten der M-GmbH – abgesehen von der Darlehensschuld gegenüber der Beklagten – zu verzeichnen gewesen sind und bis zu welcher Höhe demnach der Kapitalerhaltungsgrundsatz des § 30 GmbHG einem Rückgewähranspruch der Beklagten entgegensteht (vgl. BGHZ 76, 326, 335). Daß solche Verbindlichkeiten bestanden haben und noch bestehen, ist unstreitig. So hat die Beklagte selbst von neben ihr vorhandenen „Großgläubigern” gesprochen (Schriftsatz v. 7. 10. 77 S. 18); außer den der Höhe nach von der Beklagten bestrittenen, wenn auch teilweise titulierten Ansprüchen der Klägerin von 5 bis 10 Mio. DM sollen Grunderwerbssteuerforderungen in Höhe von etwa 4 Mio. DM offen gewesen sein (Schriftsätze der Klägerin v. 18. 7. 77 S. 9 u. v. 21. 11. 77 S. 8 und der Beklagten v. 7. 10. 77 S. 14). Für die vorliegende Entscheidung genügt es, daß die Verrechnung des eingeklagten Verkaufserlöses mit den Darlehensansprüchen der Beklagten mindestens das Stammkapital der M-GmbH schmälern würde, das mit 1.250.000 DM die Klageforderung übersteigt. Dabei kann nach dem beiderseits vorgetragenen Sachverhalt davon ausgegangen werden, daß die GmbH nach der Veräußerung ihres gesamten Grundbesitzes an die Beklagte (BU S. 8; vgl. auch S. 2 unten des Vertrages vom 26.3.1973 – UR Nr. 60/1973) außer dem Anspruch auf den Verkaufserlös kein nennenswertes Aktivvermögen mehr besaß. Der noch verbliebene Grundbesitz der T-C muß außer Betracht bleiben, weil nach dem insoweit unbestrittenen Klagevortrag (Klageschrift S. 12) die Komplementär-GmbH an deren Kapital nicht mit einer Einlage beteiligt war und deshalb im Abwicklungsfall auch keinen Anspruch auf ein Auseinandersetzungsguthaben hatte, so daß sich ein etwaiger Aktivüberschuß der T-C in ihrem eigenen Anlagevermögen nicht als Beteiligungswert niederschlagen konnte. Daß die GmbH im Mai 1974 und danach über sonstige, ihre Verbindlichkeiten übersteigende Werte verfügt habe, ist nach dem vorgetragenen Sachverhalt, insbesondere auch nach den Schilderungen der Beklagten über die seit 1973 zunehmend verschlechterte Geschäftsentwicklung der M (Schriftsatz v. 7. 10. 77 S. 14 ff) nicht ersichtlich und widerspräche auch dem Charakter einer Bauträger-Gesellschaft wie der M, deren Vermögen im wesentlichen aus Grundstücken und den darauf zu errichtenden Bauten besteht. Durch die Übereignung sämtlicher Grundstücke an die Beklagte ging auch dieses Vermögen dem Zugriff der Gläubiger verloren, der ungeachtet der für die Beklagte eingetragenen Grundschulden erfolgversprechend gewesen wäre, soweit deren Verwertung mit Rücksicht auf die Kapitalersatzfunktion der zugrundeliegenden Forderungen § 30 GmbHG entgegenstand. An seine Stelle ist der vertragliche Anspruch der GmbH auf den Veräußerungserlös getreten. Dessen Verrechnung mit den Darlehensforderungen der Beklagten läuft, soweit die Kredite haftendes Kapital ersetzen, auf eine gegen § 30 GmbHG verstoßende Tilgung dieser Darlehen hinaus, die der Beklagten nicht zusteht (vgl. § 390 Satz 1 BGB). Soweit eine solche Verrechnung aufgrund beiderseitigen Einverständnisses der Vertragsparteien bereits wirksam geworden sein sollte, hatte die Beklagte nach § 31 GmbHG der GmbH das Erlangte sofort wieder zu erstatten. Der Anspruch hierauf wird bei sinngemäßer Auslegung durch die Pfändung und Überweisung an die Klägerin mit erfaßt.
Infolgedessen kann sich die Beklagte gegenüber der Klageforderung in keinem Fall auf die Verrechnungsabrede im Vertrage vom 3. Mai 1974 berufen. Das gilt auch im Verhältnis zur Klägerin ohne Rücksicht darauf, ob gerade sie durch die Gesellschafterdarlehen in ihrem Vertrauen auf die Kreditwürdigkeit der M bestärkt und veranlaßt worden ist, die Forderungen, deretwegen sie die Ansprüche der M-GmbH gegen die Beklagte hat pfänden lassen, zu begründen oder zu stunden. Auch ist es gleichgültig, daß die Kredite und deren dingliche Absicherung für jeden Interessierten aus dem Grundbuch ersichtlich waren. Denn soweit und solange ein Gesellschafterdarlehen verlorenes Stammkapital ersetzt, ist es als Haftungsfonds für alle gegenwärtigen und künftigen Gläubiger ohne Rücksicht darauf zur Verfügung zu halten, ob zwischen ihren Forderungen und der Kredithergabe des Gesellschafters im Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang besteht.
5. Ähnlich verhält es sich mit der Stundungsabrede, die möglicherweise in der Vertragsbestimmung zu sehen ist, die Beklagte werde der M-GmbH den Veräußerungserlös in Höhe von mindestens 120 Mio. DM „nach der Verwertung der Grundstücke” gutbringen. Die Grundstücksübereignung selbst war keine nach § 30 GmbHG unzulässige Leistung aus dem Stammkapital, vorausgesetzt, daß die Gesellschaft sofort eine vollwertige Gegenleistung erhielt. Diese Voraussetzung wäre nicht erfüllt, wenn die Beklagte mit der Auszahlung des als Entgelt versprochenen Mindesterlöses warten dürfte, bis sie auch das letzte Grundstück verwertet hat. Denn während sich die Gesellschaftsgläubiger, wie erwähnt, vor der Übereignung sofort aus den Grundstücken hätten befriedigen können, wären sie stattdessen jetzt auf eine noch nicht fällige und insofern als Zugriffsobjekt nicht wirtschaftlich gleichwertige Forderung angewiesen; ihre Befriedigungsaussichten hätten sich also durch die Übereignung haftenden Anlagevermögens an die Beklagte im Ergebnis verschlechtert. Deshalb unterläge eine zu deren Gunsten vereinbarte Stundung den Kapitalerhaltungsvorschriften der §§ 30, 31 GmbHG mit der Folge, daß die Beklagte einen in der Stundung liegenden Vermögensvorteil nicht behalten dürfte, soweit er zu Lasten des Stammkapitals geht.
6. Unerheblich ist schließlich das Vorbringen der Beklagten, sie bestreite die titulierten Forderungen der Klägerin gegen die M-GmbH, die den Pfändungs- und Überweisungsbeschlüssen zugrunde liegen, mit Nichtwissen. Einwendungen gegen den zu vollstreckenden Anspruch sind einem Drittschuldner grundsätzlich verschlossen (Urt. d. BGH v. 8. 4. 68 – VIII ZR 70/66, WM 1968, 947 u. v. 31. 5. 76 – II ZR 90/74, WM 1976, 713). Dies beruht darauf, daß Grund und Höhe des gepfändeten Anspruchs gegen den Drittschuldner nicht davon abhängen, ob die titulierte Forderung des Pfändungsgläubigers gegen den Schuldner wirklich besteht, und der Drittschuldner nach § 836 Abs. 2 ZPO durch Leistung an den Gläubiger in jedem Fall von seiner Verbindlichkeit frei wird. Eine Zahlung der Beklagten auf die Klageforderung befreit sie in dieser Höhe von ihrer Verpflichtung, den Verkaufserlös für die übernommenen Grundstücke an die M-GmbH auszukehren, und füllt zugleich deren Stammkapital insoweit wieder auf, als die titulierten Forderungen der Klägerin gegen sie erlöschen.
Die Beklagte hätte daher allenfalls einwenden können, die Klägerin habe zu ihren Lasten arglistig mit der M-GmbH zusammengewirkt, um sich unter Ausnutzung der so erlangten formalen Rechtsposition ihr in Wahrheit nicht zustehende Vermögenswerte anzueignen, oder sie stütze sich mit ihrer Klage sonstwie sittenwidrig auf materiell unrichtige Titel, um sich auf Kosten der Klägerin aus deren an die M gegebenen Krediten zu bereichern. Einen solchen Sachverhalt hat die Beklagte nicht behauptet und unter Beweis gestellt. Sie hat lediglich vorgetragen, die Klägerin habe ihre Titel (ein Versäumnisurteil und mehrere Zahlungs- und Vollstreckungsbefehle) erst nach der Grundstücksübereignung (Mai 1974) zu einer Zeit erwirkt, als sich bei der M niemand um deren Vermögensangelegenheiten gekümmert habe, so daß eine Sachprüfung unterblieben sei (Schriftsätze v. 7. 10. 77 S. 3 u. v. 20. 11. 78 S. 2). Diese Darstellung läßt ein sitten- oder treuwidriges Vorgehen der Klägerin nicht erkennen und erlaubt namentlich nicht den Schluß, diese habe offensichtlich unbegründete Forderungen gegen die M gerichtlich verfolgt; sie räumt nicht einmal den Vortrag der Klägerin aus, bei den titulierten und weiteren Forderungen gegen die M handele es sich um Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung eines Grundstückskaufvertrages, über die sie die Beklagte schon vor dem Mai 1974 genau unterrichtet habe (Schriftsätze v. 21. 11. 77 S. 2, 3 u. v. 24. 4. 79 S. 10).
7. Dem Hauptantrag der Klägerin auf Zahlung von 1. Mio. DM mit Zinsen in der unbestrittenen Höhe von 8 % gemäß §§ 286, 288, 291 BGB ist hiernach entgegen den Urteilen der Vorinstanzen stattzugeben.
Fundstellen