Leitsatz (amtlich)
Die §§ 727 und 737 BGB über eine Kündigung der Gesellschaft bei wichtigem Grund und den Ausschluß eines Gesellschafters enthalten eine abschließende gesetzliche Regelung. Für eine Rechtsfortbildung aus § 242 BGB dahin, daß sich ein Gesellschafter trotz fehlender Ausschlußgründe wegen persönlicher Differenzen zwischen den Gesellschaftern nicht auf den Fortbestand der Gesellschaft berufen dürfe, ist daher kein Raum.
Normenkette
BGB §§ 723, 737; GG Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
OLG Celle (Aktenzeichen 3 U 116/96) |
LG Stade (Aktenzeichen 6 O 9/96) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 19. Februar 1997 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Auskunftsklage des Klägers für den Zeitraum nach dem 30. Juni 1995 abgewiesen hat.
Auch im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 12. April 1996 zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren tragen die Beklagten.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Parteien – drei Architekten – schlossen sich aufgrund eines „Partnerschaftsvertrags” vom 30. November 1992 zur gemeinsamen Berufsausübung in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammen. In § 12 Nr. 1 dieses Vertrags wird jedem Partner ein Kündigungsrecht mit einer Frist von neun Monaten zum Ende eines jeden Kalenderjahres eingeräumt. Nach § 12 Nr. 2 soll ferner jeder Partner durch schriftliche Erklärung des anderen Partners u.a. dann ausgeschlossen werden können, wenn er länger als drei Monate seine Mitarbeit eingestellt oder wesentlich eingeschränkt hatte. Für die Fälle einer Kündigung oder eines Ausschlusses bestimmt § 13 Nr. 1, daß der betroffene Partner aus der Gesellschaft ausscheide und das Gesellschaftsvermögen auf die verbleibenden Gesellschafter übergehe.
Ende 1993 kam es zwischen den Parteien zum Streit. Der Beklagte zu 1 erklärte dem Kläger am 22. Dezember 1993, eine weitere Zusammenarbeit komme nicht mehr in Betracht, der Kläger solle seinen Schreibtisch räumen. Der Kläger nahm zunächst eine Woche Urlaub und konnte danach seinen Arbeitsplatz nicht mehr einnehmen, weil die Beklagten das Türschloß der Büroräume ausgetauscht hatten. Mit Anwaltsschreiben vom 24. März 1994 schlossen die Beklagten sodann den Kläger aus der Gesellschaft aus.
Der Kläger, der den Ausschluß nicht hinnimmt, begehrt im Wege der Stufenklage vorab Auskunft und Rechnungslegung über die von den Beklagten erzielten Umsätze und Gewinne in den Jahren 1994 und 1995. Die Beklagten haben Hilfswiderklage auf Auskunft und Rechnungslegung über die Einnahmen des Klägers zwischen dem 1. Januar 1993 und dem 31. Dezember 1995 erhoben und ebenso hilfsweise beantragt, dem Auskunftsantrag des Klägers nur Zug um Zug gegen die mit der Widerklage geforderten Auskünfte stattzugeben. Der Kläger seinerseits hat den mit der Widerklage verfolgten Auskunftsanspruch – ohne Rechnungslegung – Zug um Zug gegen die mit der Klage begehrten Auskünfte anerkannt.
Das Landgericht hat durch Teilurteil dem Klageantrag auf Auskunft und Rechnungslegung stattgegeben, Zug um Zug gegen die gemäß der Widerklage seitens des Klägers zu erteilenden Auskünfte, und in den Gründen ausgeführt, insoweit sei der Kläger entsprechend seinem Anerkenntnis zu verurteilen. Im übrigen fehle der Widerklage ein Rechtsschutzinteresse.
Hiergegen haben die Beklagten Berufung eingelegt und ihre erstinstanzlichen Anträge wiederholt. Das Berufungsgericht hat die Auskunftsklage des Klägers für den Zeitraum nach dem 30. Juni 1995 abgewiesen und für die Zeit davor ihr ohne die Zug-um-Zug-Einschränkung des Landgerichts stattgegeben. Außerdem hat das Oberlandesgericht den Kläger auf die Widerklage verurteilt – Zug um Zug gegen Auskunft und Rechnungslegung der Beklagten –, Auskunft über seine eigenen Einnahmen für die Zeit vom 1. Januar 1993 bis zum 30. Juni 1995 zu erteilen. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hat der Senat nur insoweit angenommen, als das Berufungsgericht dessen Auskunftsklage für die Zeit nach dem 30. Juni 1995 abgewiesen hatte.
Entscheidungsgründe
Im Umfang der Annahme hat die Revision Erfolg.
I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist der Kläger jedenfalls nicht vor dem 31. Dezember 1995 wirksam aus der Gesellschaft ausgeschieden. Gleichwohl sei es ihm aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf eine über den 30. Juni 1995 hinaus bestehende Rechtsposition als Gesellschafter zu berufen. Die Bestimmung des § 242 BGB erfülle die Funktion einer „Ermächtigungsgrundlage” für die außergesetzliche Neubildung von Rechtssätzen. Eine solche Rechtsfortbildung sei erforderlich, wenn einerseits eine Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern nicht mehr möglich erscheine und andererseits die bestehenden persönlichen Differenzen einen Ausschluß nicht rechtfertigten. Unter solchen Umständen komme der eingetretenen Disharmonie eine dem Wegfall der Geschäftsgrundlage vergleichbare Bedeutung zu mit der Folge, daß eine weitere Berufung auf das Gesellschaftsverhältnis gegen Treu und Glauben verstoße. Als Zeitpunkt sei im Streitfall unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des Klägers und in entsprechender Anwendung des § 287 ZPO der 30. Juni 1995 zu bestimmen.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Aufgabe und Befugnis der Gerichte zur Rechtsfortbildung sind zwar anerkannt (vgl. BVerfGE 34, 269, 287 f.; 69, 315, 371; 95, 48, 62). Dieser Befugnis sind aber durch den rechtsstaatlichen Grundsatz der richterlichen Rechts- und Gesetzesbindung (Art. 20 Abs. 3 GG) Grenzen gezogen. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige und auch durch die Entwicklung der Lebensverhältnisse und Rechtsanschauungen nicht unzureichend oder lückenhaft gewordene Entscheidung getroffen, darf der Richter sie nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern und durch eine judikative Lösung – dann contra, nicht nur praeter legem – ersetzen (BVerfGE 82, 6, 12; siehe auch BVerfGE 88, 145, 167).
So liegt es hier. Ist die vom Gesellschaftsvertrag vorausgesetzte und nach den Gesellschaftszwecken auch erforderliche Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaftern endgültig nicht mehr möglich, so kann jeder Gesellschafter aus wichtigem Grund die Gesellschaft kündigen (§ 723 Abs. 1 Satz 2 BGB). Gibt ein einzelner Gesellschafter in seiner Person derart Anlaß zur Kündigung, kann er auch, sofern eine Fortsetzung der Gesellschaft vereinbart ist, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden (§ 737 Satz 1 BGB). Diese Regelungen sind zwar zum Teil dispositiv, als gesetzliche aber abschließend. Sie tragen dem Interesse der übrigen Gesellschafter, sich bei Unzumutbarkeit weiterer Zusammenarbeit entweder selbst aus der Gesellschaft zu lösen oder den störenden Gesellschafter auszuschließen, hinreichend Rechnung. Für die vom Berufungsgericht für sich in Anspruch genommene Rechtsfortbildung, die eine faktische Aufhebung der Gesellschafterrechte bei rechtlichem Fortbestand der Gesellschaft bedeutet oder, im Ergebnis gleichstehend, den Ausschluß eines Gesellschafters ohne wichtigen Grund, wenn nicht einmal der Gesellschaftsvertrag dies gestattet (zur Inhaltskontrolle derartiger Klauseln vgl. BGHZ 105, 213, 216 f.; 107, 351, 353; 125, 74, 79 f.), ist daher kein Raum. Insofern kann das Berufungsurteil deshalb nicht bestehenbleiben.
III. Da weitere tatsächliche Feststellungen nicht erforderlich sind, ist der Senat in der Lage, in der Sache selbst zu entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO). Die Auskunftsklage des Klägers (vgl. hierzu Sen.Urt. v. 20. Juni 1983 - II ZR 85/82, BB 1984, 1271, 1272; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 3. Aufl., § 59 III 3 c m.w.N.) ist auch für den streitigen Zeitraum vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1995 begründet, da die zwischen den Parteien bestehende Gesellschaft, wie das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerfrei entschieden hat, jedenfalls nicht vor dem Ende des Jahres 1995 beendet worden ist. Die Ausschlußerklärung der Beklagten vom 24. März 1994, auf die die Revisionserwiderung verweist, war, soweit es um mangelnde Mitarbeit des Klägers ab Januar 1994 geht, mindestens deswegen unwirksam, weil die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Drei-Monats-Frist noch nicht abgelaufen war. Sonstige wichtige Kündigungsgründe in der Person des Klägers (§ 737 BGB) hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, ohne daß ihm dabei Verfahrensfehler unterlaufen wären. Die insofern vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung erhobene Gegenrüge ist unbegründet. Mit der Seite 11 der Berufungsbegründung behaupteten Konkurrenztätigkeit des Klägers während des Jahres 1993 ohne nähere Angaben zu Inhalt und Ausmaß und ohne Vorlage des angeführten Schriftsatzes vom 26. Januar 1995 aus dem Vorprozeß brauchte sich das Berufungsgericht nicht auseinanderzusetzen (§ 286 ZPO), weil ein derart pauschales Vorbringen unschlüssig war. Für den Auskunftsanspruch kommt es auch nicht darauf an, daß der Kläger ab Januar 1994 keine Arbeitsleistung für die Gesellschaft mehr erbracht hat.
Dementsprechend ist die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil auch wegen dieses Zeitraums zurückzuweisen. Bei der vom Landgericht zugleich ausgesprochenen Einschränkung der Verurteilung nur Zug um Zug gegen Auskunft des Klägers muß es dabei schon deswegen sein Bewenden haben, weil eine Änderung zugunsten des Klägers gegen das Verbot der Schlechterstellung der Beklagten im Berufungsverfahren (§ 536 ZPO) verstoßen würde.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kapsa, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.09.1998 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BB 1998, 2330 |
DB 1998, 2362 |
DStR 1998, 1803 |
NJW 1998, 3771 |
BGHR |
NZG 1998, 984 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1998, 2293 |
WuB 1999, 595 |
ZAP 1998, 1135 |
ZIP 1998, 1870 |
JA 1999, 181 |
MDR 1998, 1488 |
GmbHR 1998, 1179 |
www.judicialis.de 1998 |