Leitsatz (amtlich)
Trifft eine Anspruchsbegrenzung wegen Mitverschuldens des Geschädigten mit einer gesetzlichen Beschränkung der Haftung auf Höchstbeträge (hier § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG) zusammen, so steht dem Geschädigten bei teilweisem Forderungsübergang auf Sozialversicherungsträger ein Quotenvorrecht nicht zu (im Anschluß an BGHZ 135, 170).
Normenkette
SGB X § 116 Abs. 2-3
Verfahrensgang
LG Oldenburg |
OLG Oldenburg (Oldenburg) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und die für sie geführte Revision ihrer Streithelferin wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 11. März 1999 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagten verurteilt worden sind, an den Kläger 42.302,51 DM sowie eine monatliche Rente von 1.843,21 DM zu zahlen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen Verdienstausfalls und vermehrter Bedürfnisse aufgrund eines Verkehrsunfalles vom 14. August 1993, bei dem er als Fußgänger mit einer Blutalkoholkonzentration von 2,62 [permil] von dem Beklagten zu 1) angefahren und schwer verletzt wurde; seitdem leidet er an einem apallischen Syndrom. Das Landgericht hat die Klage hinsichtlich der materiellen Schäden innerhalb der Haftungsgrenzen des Straßenverkehrsgesetzes zunächst dem Grunde nach zur Hälfte für gerechtfertigt erklärt und festgestellt, daß der Beklagte zu 1) sämtliche künftigen materiellen Schäden, vorbehaltlich eines Anspruchsübergangs auf Dritte, zur Hälfte zu ersetzen habe. Die weitergehende, auf Ersatz des immateriellen Schadens gerichtete Klage hat es abgewiesen.
Im Betragsverfahren, in dem die Klage auf die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1) erweitert wurde, hat das Landgericht die Beklagten sodann durch Schlußurteil zur Zahlung von 20.810,31 DM sowie einer monatlichen Rente von 1.176,34 DM verurteilt und den Feststellungsausspruch auf die Beklagte zu 2) erstreckt. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen.
Im Berufungsrechtszug hat der Kläger die Zahlung von 42.302,51 DM nebst Zinsen sowie eine monatliche Rente von 1.843,21 DM ab Juli 1996 verlangt. Nach seiner Auffassung mindern die bisher erbrachten Leistungen der AOK, der LVA und des Landkreises O. seinen Schadensersatzanspruch nicht, weil ihm bei einer Haftungsbeschränkung durch Höchstsummen das Quotenvorrecht zustehe. Die Beklagten haben der AOK, der LVA und dem Landkreis O. den Streit verkündet. Die LVA, die dem Rechtsstreit auf seiten der Beklagten beigetreten ist, hat die Auffassung vertreten, daß dem Kläger wegen der Haftungsbegrenzung in § 12 StVG und der von den Streitverkündeten geleisteten Zahlungen keine weiteren Ansprüche mehr zustünden. Das Oberlandesgericht hat die Beklagten unter Zurückweisung ihrer Berufung jedoch antragsgemäß verurteilt.
Dagegen richten sich die Revision der Beklagten und die für sie geführte Revision der Streithelferin, mit denen diese die Aufhebung des Berufungsurteils erstreben, soweit zu ihrem Nachteil erkannt worden ist.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die Haftung der Beklagten nicht wegen Erschöpfung des Haftungshöchstbetrages in § 12 StVG ausgeschlossen. Die drei Streitverkündeten hätten zwar bis Ende 1998 gemeinsam schon mehr als diese Summe, nämlich 663.612,77 DM geleistet. Jedoch lege § 116 Abs. 2 SGB X ein uneingeschränktes Quotenvorrecht für den Geschädigten fest, das auch im Falle einer Haftungsbegrenzung durch Mitverschulden zum Zuge komme. § 116 Abs. 3 Satz 2 setze den Abs. 2 nicht außer Kraft, was durch den Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt werde. Dafür spreche auch, daß § 116 Abs. 3 Satz 3 den Anspruchsübergang auf den Sozialversicherungsträger ausschließe, wenn der Geschädigte dadurch sozialhilfebedürftig werde.
Im Streitfall sei daher nicht nach der sogenannten relativen Theorie abzurechnen. Vielmehr habe der Kläger, da die Haftungshöchstsumme zur Befriedigung seiner Ansprüche noch nicht überschritten sei, weitere Schadensersatzforderungen gegen die Beklagten. Sein Anspruch wegen Verdienstausfalls und vermehrter Bedürfnisse belaufe sich bei einer Haftungsquote von 50 % auf 42.302,51 DM. Darüber hinaus stehe ihm ab Juli 1996 unter Berücksichtigung eines hälftigen Mitverschuldens eine monatliche Rente wegen unfallbedingten Verdienstausfalls und Mehrbedarfs von 2.509,09 DM zu, die nach Abzug von 50 % der ab 1. Juli 1996 von der LVA gezahlten Rente 1.843,21 DM betrage.
II.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht stand.
Aufgrund des rechtskräftigen landgerichtlichen Grundurteils steht dem Kläger zwar gegen die Beklagten ein Anspruch auf Ersatz seiner materiellen Unfallschäden gemäß §§ 7, 11 StVG i.V.m. § 3 Nr. 1 PflVG unter Berücksichtigung einer hälftigen Mitverantwortung zu. Wegen der Begrenzung der Haftung auf die in § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG festgesetzten Höchstbeträge und seines Mitverschuldens kann der Kläger jedoch, wie die Revisionen zu Recht geltend machen, die mit der Klage begehrten Beträge nicht in vollem Umfang verlangen.
1. Nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG haftet der Ersatzpflichtige im Falle der Tötung oder Verletzung eines Menschen nur bis zu einem Kapitalbetrag von 500.000 DM oder bis zu einem Rentenbetrag von jährlich 30.000 DM. Diese Höchstbeträge werden im Streitfall durch den eingeklagten Verdienstausfallschaden des Klägers und seine vermehrten Bedürfnisse sowie durch die Regreßansprüche der Sozialversicherungsträger bzw. Träger der Sozialhilfe, auf die die Ersatzansprüche des Klägers teilweise übergegangen sind, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erheblich überschritten.
a) Das Gesetz regelt freilich eine Fallkonstellation, in der wie hier aus der Verletzung eines Menschen mehreren Gläubigern Ersatzansprüche zustehen, die insgesamt die Höhenbegrenzung des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG übersteigen, nicht ausdrücklich. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, daß in derartigen Fällen wegen der vergleichbaren Interessenlage die Regelung in § 12 Abs. 2 StVG entsprechend anzuwenden ist (BGHZ 51, 226, 231; BGH, Urteil vom 3. März 1969 – III ZR 97/68 – VersR 1969, 569, 570). Danach sind die den einzelnen Gläubigern zustehenden Schadensposten in dem Verhältnis zu kürzen, in dem der Gesamtschaden zu dem gesetzlichen Höchstbetrag steht.
b) Davon ist ersichtlich auch das Berufungsgericht ausgegangen. Es meint jedoch, die gesetzliche Haftungshöchstsumme sei hier deshalb nicht ausgeschöpft, weil dem Kläger als dem Verletzten beim Forderungsübergang auf die Sozialleistungsträger gemäß § 116 Abs. 2 SGB X das uneingeschränkte Quotenvorrecht auch dann zustehe, wenn wie hier die Haftung durch eine Mitverantwortung des Verletzten begrenzt wird. Diese Auffassung greifen die Revisionen indessen mit Recht an.
aa) § 116 Abs. 2 SGB X bestimmt, daß in Fällen, in denen die Haftung des Schädigers durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist, der Ersatzanspruch des Geschädigten nur insoweit auf den Versicherungsträger oder den Träger der Sozialhilfe übergeht, als er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten erforderlich ist. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber in bewußter Abkehr von der früheren Rechtslage nach § 1542 RVO, bei der die Rechtsprechung ein Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers anerkannt hatte (BGHZ 22, 136, 138; Senatsurteil vom 24. September 1996 – VI ZR 315/95 – VersR 1996, 1548, 1549 m.w.N.), ein Quotenvorrecht zugunsten des Geschädigten eingeführt (Regierungsentwurf eines SGB, BT-Drucks. 9/95 S. 28, 40). Dieses bezieht sich auf den gesamten Schaden des Verletzten, so daß er seine Ersatzansprüche bei höhenmäßiger Begrenzung der Haftung ohne Rücksicht darauf vorab befriedigen kann, ob sie den jeweiligen Leistungen des Sozialversicherungsträgers kongruent sind (BGHZ 135, 170, 173 ff.).
bb) Das Quotenvorrecht kommt dem Geschädigten dagegen, wie der Senat in der vorgenannten Entscheidung S. 172 bereits erwähnt hat, nicht zugute, wenn die Haftung des Schädigers wie hier nicht nur durch gesetzliche Höchstbeträge, sondern darüber hinaus noch durch ein Mitverschulden oder eine Mitverantwortung des Geschädigten gemäß § 9 StVG begrenzt ist. Der Hinweis des Berufungsgerichts, Abs. 3 Satz 2 des § 116 SGB X setze Abs. 2 dieser Vorschrift nicht außer Kraft, ist verfehlt und beruht auf einer Verkennung des Regelungsgehalts dieser Bestimmung.
aaa) Für den Fall, daß der Anspruch des Geschädigten ausschließlich wegen Mitverschuldens oder Mitverantwortlichkeit begrenzt ist (§ 254 BGB, §§ 9, 17 StVG), bestimmt § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X, daß auf den Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe von dem nach Abs. 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Teil übergeht, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Der Gesetzgeber hat damit das ebenfalls unter der Geltung des früheren § 1542 RVO bestehende Quotenvorrecht des Sozialversicherungsträgers beseitigt. Doch hat er es – anders als bei der Haftungsbegrenzung durch Höchstsummen gemäß § 116 Abs. 2 – nicht durch ein Quotenvorrecht zugunsten des Geschädigten ersetzt. Vielmehr hat er in Fällen dieser Art einen Forderungsübergang nach der sogenannten „relativen Theorie” angeordnet (Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zum Regierungsentwurf eines SGB, BT-Drucks. 9/1753 S. 17, 44; André BG 1983, 716, 717). Der Schadensersatzanspruch des Geschädigten geht danach nicht mehr in voller Höhe der erbrachten bzw. zu erbringenden Leistungen über; vielmehr beschränkt sich der Rückgriffsanspruch des Sozialleistungsträgers auf den Anteil der Sozialleistungen, welcher der Haftungsquote des Schädigers entspricht. Dem Geschädigten verbleibt demgegenüber der um seinen Mitverschuldensanteil gekürzte Teil des Schadensersatzanspruchs, der dem Verhältnis seines von der Sozialleistung nicht gedeckten Restschadens zum Gesamtschaden entspricht (BGHZ 106, 381, 385).
An dem Verzicht auf das Quotenvorrecht des Geschädigten hat der Gesetzgeber trotz der im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat geäußerten Kritik im Falle einer Haftungsbegrenzung durch Mitverschulden festgehalten (vgl. BR-Drucks. 526/80 S. 27 f.; Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, SGB X/3, § 116 SGB X Rdn. 33). Die Versagung des Quotenvorrechts für den Geschädigten in Abs. 3 Satz 1 von § 116 SGB X ist auch durchaus gerechtfertigt. Der Geschädigte, der durch Mitverschulden zur Entstehung seines Schadens in zurechenbarer Weise beigetragen hat, erscheint weniger schützenswert als derjenige, der sich einer gesetzlichen Haftungsbegrenzung gegenübersieht, die er nicht beeinflussen kann (Hauck/Haines aaO; Hessert VersR 1997, 39, 41; Pappai BKK 1983, 97, 98).
bbb) Das Konkurrenzverhältnis von Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 in § 116 SGB X für die Fälle, in denen eine gesetzliche Haftungsbegrenzung der Höhe nach mit einer Haftungseinschränkung infolge Mitverschuldens des Geschädigten zusammentrifft, wird durch Abs. 3 Satz 2 dieser Vorschrift geregelt. Nach dem klaren und eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung gilt die für die Haftungsbegrenzung durch Mitverschulden angeordnete Berechnungsmethode nach der sogenannten relativen Theorie (Abs. 3 Satz 1) auch bei einer Beschränkung der Haftung durch Höchstsummen. Auch bei einer Kumulation dieser beiden Haftungsbegrenzungen findet also das Quotenvorrecht des Geschädigten, das Abs. 2 für eine Beschränkung der Haftung durch gesetzliche Höchstbeträge vorsieht, keine Anwendung. Dies entspricht der übereinstimmenden Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. Österr. OGH ZfRV 1997, 212; OLG Düsseldorf NZV 1996, 238; Geigel-Plagemann, Der Haftpflichtprozeß, 22. Aufl., Kap. 30 Rdn. 60, 65; Hauck/Haines aaO § 116 Rdn. 30, 33, 36; Kasseler Kommentar-Kater, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 1999, § 116 SGB X Rdn. 215; Pickel, Kommentar zum Sozialgesetzbuch, X. Buch, § 116 Rdn. 42, 46; SGB-SozVers-GesKomm-Gitter, § 116 SGB X Anm. 17, 19; Wannagat-Eichenhofer, Sozialgesetzbuch, § 116 SGB X Rdn. 40, 42, 47; André aaO S. 717 f.; v. Olshausen, VersR 1983, 1108, 1109, 1112; Plumeyer, BG 1985, 206, 208; Hessert, VersR 1997, 39, 41; Greger/Otto, NZV 1997, 292, 293 Fn. 16; offengelassen von Schroeder/Printzen-Schmalz, Sozialgesetzbuch, Sozialgesetzbuch § 116 SGB X Rdn. 26).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts spricht Abs. 3 Satz 3 in § 116, der den Anspruchsübergang für den Fall ausschließt, daß der Geschädigte durch den Forderungsübergang sozialhilfebedürftig würde, nicht für die Anwendung des Quotenvorrechts zugunsten des Verletzten in Fällen seines Mitverschuldens. Satz 3 entfaltet nämlich Bedeutung ausschließlich im Rahmen des Abs. 3 und nicht auch in den Abs. 1 und Abs. 2 des § 116. Denn in jenen Fällen steht entweder ein voller Schadensersatzanspruch zur Verfügung, bei dem Sozialhilfebedürftigkeit nicht eintreten kann, oder das Quotenvorrecht greift zugunsten des Versicherten ein mit der Folge, daß bei ihm durch einen Anspruchsübergang auf den Sozialleistungsträger keine Schmälerung des Vermögens stattfindet, das vor dem Unfall vorhanden war (Pappai, BKK aaO, S. 98; Pickel aaO § 116 Rdn. 49; SGB-SozVers-GesKomm-Gitter aaO, SGB X § 116 Anm. 19, 20). In beiden Fällen kann also der Anspruchsübergang nicht zu einer Sozialhilfebedürftigkeit des Verletzten führen. § 116 Abs. 3 Satz 3 wäre daher im Falle eines Quotenvorrechts des Geschädigten überflüssig.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß das Argument des Berufungsgerichts, § 116 Abs. 3 Satz 2 SGB X setze Abs. 2 dieser Vorschrift nicht außer Kraft, nicht zutrifft. Nach dem klaren Willen des Gesetzgebers kommt das Quotenvorrecht des Geschädigten vielmehr im Anwendungsbereich des Abs. 3 nicht zum Zuge. Es findet ausschließlich in Fällen einer vollen Haftung des Schädigers Anwendung, in denen der Ersatzanspruch lediglich durch Gesetz der Höhe nach beschränkt ist.
2. Das Berufungsurteil beruht auch auf der fehlerhaften Anwendung des Quotenvorrechts zugunsten des Klägers, denn bei dessen Versagung stünde dem Kläger ein Anspruch gegen die Beklagten in Höhe der ihm zugesprochenen Kapital- und Rentenbeträge nicht zu. Die Haftungshöchstgrenze von 500.000 DM wird hier nämlich durch die auf die Sozialleistungsträger übergegangenen Forderungen sowie die beim Kläger verbliebenen Ersatzansprüche überschritten, so daß eine anteilige Kürzung dieser Ansprüche entsprechend § 12 Abs. 2 StVG stattzufinden hat.
a) Die Berechnung und Aufteilung der auf die Sozialleistungsträger übergehenden und der dem Geschädigten verbleibenden Ansprüche ist bei dem Zusammentreffen von Mitverschulden und gesetzlichen Haftungshöchstbeträgen auf der Grundlage der in § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X verankerten relativen Theorie vorzunehmen (Abs. 3 Satz 2). Doch besteht allseits Einigkeit darüber, daß eine buchstäbliche Anwendung dieser Vorschrift nicht in Betracht kommt, weil sie zu dem unakzeptablen Ergebnis führen würde, daß der dem Geschädigten verbleibende Anspruch betragsmäßig um so höher wäre, je höher sein Mitverschuldensanteil ist (vgl. insbesondere v. Olshausen, VersR 1983, 1108, 1110). Zur Vermeidung solcher Ergebnisse wird von der überwiegenden Meinung im Schrifttum die relative Theorie in modifizierter Form angewendet (André aaO S. 717 f.; Plumeyer aao S. 208 f.; Kasseler Kommentar-Kater § 116 Rdn. 224 f.; Geigel-Plagemann aaO Rdn. 65; Hauck/Haines § 116 SGB X Rdn. 36; Pickel aaO § 116 SGB X Rdn. 46; SGB-SozVers-GesKomm-Gitter aaO Anm. 19; Wannagat-Eichenhofer, aaO Rdn. 40, 42 f.). Danach ist zunächst eine Aufteilung der auf die Sozialleistungsträger übergehenden und der dem Geschädigten verbleibenden Ansprüche nach der relativen Theorie gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X ohne Berücksichtigung der Haftungshöchstgrenze vorzunehmen. Überschreitet der um den Mitverschuldensanteil des Geschädigten gekürzte Gesamtschadensanspruch die gesetzliche Haftungshöchstsumme, so ist anschließend das Ergebnis der Aufteilung zwischen Sozialleistungsträgern und Geschädigtem der Haftungshöchstgrenze anteilig anzupassen, um die Unterdeckung proportional auf Sozialleistungsträger und Geschädigten zu verteilen. Auf diese Weise kommt es zwischen ihnen zu einer gleichmäßigen Verteilung des gekürzten Ersatzanspruchs.
In dieser modifizierten Form legt auch der Senat die relative Theorie seiner Prüfung im vorliegenden Fall zugrunde. Hingegen kann der teilweise im Schrifttum vertretenen Ansicht nicht gefolgt werden, bei der Berechnung der jeweiligen Ansprüche müsse Abs. 2 in einer Kombination der beiden Haftungsbegrenzungsregelungen in Abs. 3 Satz 2 einbezogen werden (vgl. insbesondere Küppersbusch VersR 1983, 193, 203). Eine solche Vorgehensweise liefe im praktischen Ergebnis darauf hinaus, dem Geschädigten in diesen Fällen doch wieder zu einem Quotenvorrecht zu verhelfen, was vom Gesetzgeber gerade nicht gewollt war.
b) Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts, daß die Ansprüche des Klägers und der Streitverkündeten die gesetzliche Haftungshöchstsumme von 500.000 DM schon im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bei weitem überstiegen. Die Summe dieser Ansprüche beträgt, geht man von den vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Zahlen aus, 721.600,64 DM.
aa) Allein die von den drei Streitverkündeten erbrachten Leistungen beliefen sich bis Ende 1998 auf zusammen 663.612,77 DM.
Hinzu kommt der ungedeckte Restschaden des Klägers, der sich allein auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Schadensposten auf mindestens 779.588,51 DM beläuft. Hierin enthalten ist die Rente, die das Berufungsgericht dem Kläger antragsgemäß ab Juli 1996 ohne zeitliche Befristung zugesprochen hat. Diese beläuft sich einschließlich des Mehrbedarfs bei voller Haftung auf 5.018,18 DM abzüglich der ab 1. Juli 1996 gezahlten LVA-Rente von 1.331,75 DM = 3.686,43 DM. Daraus ergibt sich ein Jahresrentenbetrag von 44.237,16 DM, der allein schon über dem Rentenhöchstbetrag von jährlich 30.000 DM liegt.
Allerdings ist, wenn der Schaden wie hier zum Teil als Kapital, zum Teil als Rente geltend gemacht wird, zur Ermittlung des Gesamtschadensbetrages im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG die Rente für den Verdienstausfall und die vermehrten Bedürfnisse (§ 13 StVG) nach den Grundsätzen der Entscheidung BGHZ 51, 226, 235 zunächst auf das Kapital umzurechnen. Dabei sind die Rentenbeträge in der Weise zu berücksichtigen, daß die Rente bei der Umrechnung auf einen Kapitalbetrag 6 % dieses Kapitals ausmacht (BGHZ 51, 226, 236; BGH, Urteil vom 29. Januar 1968 – III ZR 119/65 – VersR 1968, 664, 667; vom 3. März 1969 aaO S. 570). Bei einem Jahresbetrag der Rente von 44.237,16 DM ergibt sich daraus allein ein Rentenschaden von 737.286 DM.
Zusammen mit dem vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Kapitalbetrag von 42.302,51 DM für Verdienstausfall und vermehrte Bedürfnisse (bei hälftiger Mithaftung des Klägers) beläuft sich der ungedeckte Restschaden des Klägers insoweit auf den genannten Betrag von 779.588,51 DM. Einschließlich der erwähnten Leistungen der drei Streitverkündeten beträgt der Gesamtschaden auf dieser Grundlage 1.443.201,28 DM.
bb) Die Aufteilung dieses Gesamtschadens hätte nach der modifizierten relativen Theorie in der Weise zu geschehen, daß auf die Sozialleistungsträger gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 SGB X entsprechend dem Mitverschuldensanteil des Klägers ein Regreßanspruch von 331.806,38 DM überginge. Der Kläger seinerseits erhielte 50 % des Gesamtschadens abzüglich der auf die Sozialleistungsträger übergegangenen Regreßansprüche, so daß sich sein Schadensersatzanspruch auf 389.794,26 DM beliefe (1.443.201,28 DM × 50 % = 721.600,64 DM - 331.806,38 DM).
cc) Die sich hieraus ergebende Summe von 721.600,64 DM übersteigt die Haftungshöchstgrenze des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG erheblich. Hieran zeigt sich, daß der Kläger die eingeklagten Schadensposten nicht in voller Höhe ersetzt verlangen kann. Vielmehr ist eine anteilige Kürzung in dem Maße vorzunehmen, wie es dem Verhältnis der Ansprüche des Klägers zu denen der Sozialleistungsträger entspricht. Diese Kürzung der Klagansprüche hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft unterlassen.
III.
Das angefochtene Urteil ist danach in bezug auf den Zahlungsausspruch aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Eine abschließende Entscheidung ist dem Senat nicht möglich, da das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob der Kläger durch den Übergang seiner Ersatzansprüche auf die Sozialleistungsträger sozialhilfebedürftig würde und deshalb der Übergang nach § 116 Abs. 3 Satz 3 SGB X ausgeschlossen sein könnte.
Bei der Neuberechnung wird das Berufungsgericht auch der Frage nachgehen müssen, ob es sich bei den Zahlungen der Streitverkündeten an den Kläger in Vergangenheit und Zukunft um Rentenzahlungen im Sinne des § 12 Abs. 1 Nr. 1 StVG handelt. Ist dies der Fall, wofür manches spricht, dann müßten die Rentenleistungen insgesamt in die Aufteilung des Gesamtschadens nach der modifizierten relativen Theorie miteingebracht werden, denn es geht nicht an, bei der verhältnismäßigen Aufteilung des Schadens im Rahmen der
Haftungsbegrenzung nach § 12 StVG nur den in einem Rentenanspruch gemäß § 13 StVG sich niederschlagenden Zukunftsschaden des Klägers zu berücksichtigen, nicht aber die wiederkehrenden Leistungen der Sozialleistungsträger, wenn ihnen ebenfalls Rentencharakter zukommt.
Unterschriften
Dr. Lepa, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller, Dr. Dressler, Wellner
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 21.11.2000 durch Holmes, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 584514 |
BGHZ |
BGHZ, 84 |
NJW 2001, 1214 |
BGHR 2001, 235 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2001, 255 |
DAR 2001, 157 |
JZ 2001, 714 |
MDR 2001, 328 |
NZV 2001, 165 |
SGb 2001, 502 |
VRS 2001, 176 |
VersR 2001, 387 |
ZfS 2001, 207 |