Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweislastumkehr bei Streit über Inhalt eines Steuerberatungsgesprächs
Leitsatz (amtlich)
Zur Anwendung des BGB § 363 auf Steuerberatungsverträge.
Leitsatz (redaktionell)
1. Steht fest, daß eine bestimmte Angelegenheit Gegenstand eines Beratungsgesprächs war, ist der Mandant beweispflichtig, wenn er behaupten will, daß ihn sein Berater dabei auf einen bestimmten Gesichtspunkt nicht hingewiesen habe. An die Substantiierung des Bestreitens sind strenge Anforderungen zu stellen.
2. Die Beweislastumkehr tritt erst dann ein, wenn feststeht, also unstreitig oder erwiesen ist, daß wegen einer bestimmten Angelegenheit ein Beratungsgespräch stattgefunden hat. Gerade ein steuerlicher Berater, dem von einem Unternehmer die Bearbeitung von dessen gesamten steuerlichen Angelegenheiten anvertraut ist, kann in die Lage kommen, seinem Mandanten bestimmte Hinweise zu geben, auch wenn kein besonderer Termin zur Besprechung dieser Angelegenheit anberaumt worden ist. Wenn in einem solchen Fall streitig ist, ob der steuerliche Berater überhaupt seinen Mandanten wegen dieser Frage angesprochen hat, dann kann die Anwendung des § 363 BGB nicht mit der Erwägung begründet werden, der Mandant habe andere Leistungen des Steuerberaters (z.B. Buchhaltungs- und Abschlußarbeiten, Entwurf von Steuererklärungen) unbeanstandet entgegengenommen; denn bei Dauerschuldverhältnissen ist die Frage, ob nach § 363 BGB eine Umkehr der Beweislast eingetreten ist, für jede Einzelleistung gesondert zu prüfen.
Normenkette
BGB § 363; StBerG § 33
Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 18.04.1984; Aktenzeichen 3 U 304/83) |
LG Hildesheim (Urteil vom 13.09.1983; Aktenzeichen 3 O 257/83) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 18. April 1984 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger beabsichtigte im Jahre 1979, ein ihm gehöriges Gaststättengrundstück zu verkaufen. Er ließ sich von dem Beklagten, seinem damaligen Steuerberater über die mit dem Verkauf zusammenhängenden steuerlichen Fragen beraten. Der Inhalt des Gesprächs, das die Parteien hierüber geführt haben, ist streitig. Kurze Zeit danach, am 5. Dezember 1979, verkaufte der Kläger sein Grundstück an den inzwischen verstorbenen Kaufmann G. Hierbei wurde die Umsatzsteuer von 13% lediglich für das übernommene Inventar ausgewiesen, nicht aber für den anteiligen Wert des Grund und Bodens und des Gebäudes.
Als der Kläger das Grundstück im Jahre 1976 erworben hatte, hatte der seinerzeitige Verkäufer gemäß § 9 UStG für eine umsatzsteuerpflichtige Veräußerung optiert; der Kläger hatte die an den Verkäufer gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer gegenüber dem Finanzamt geltend gemacht, ebenso die Umsatzsteuer für die ihm entstandenen Aus- und Umbaukosten. Bei einer Betriebsprüfung, die Anfang des Jahres 1981 stattfand, wurde dem Kläger eröffnet, dieser Vorsteuerabzug müsse gemäß § 15 a UStG insoweit berichtigt werden, als der anteilige Wert des Grund und Bodens und des Gebäudes durch den Vertrag vom 5. Dezember 1979 umsatzsteuerfrei weiterveräußert worden sei. Infolgedessen hatte der Kläger Umsatzsteuer nachzuzahlen.
Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger Schadensersatz in Höhe von 23.222,39 DM. Er behauptet, der Beklagte habe beim Beratungsgespräch weder ausdrücklich auf die Frist des § 15 a Abs. 1 UStG hingewiesen noch in sonstiger Weise darauf aufmerksam gemacht, daß infolge der Veräußerung der Vorsteuerabzug berichtigt werden müsse. Wenn er, der Kläger, insoweit zutreffend beraten worden wäre, hätte er darauf bestanden, daß auch hinsichtlich des Grund und Bodens und des Gebäudes Umsatzsteuer im Kaufvertrag ausgewiesen worden wäre. Hätte sich Herr G geweigert, hierauf einzugehen, so hätte er das Grundstück an einen anderen Interessenten zu günstigeren Bedingungen verkauft.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit seiner (zugelassenen) Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I.
1. Das Berufungsgericht hält es nicht für erwiesen, daß der Beklagte seine Pflicht, den Kläger auf die steuerlichen Folgen einer Anwendung des § 15a UStG hinzuweisen, verletzt habe. Daß der Beklagte in seiner Monatsmitteilung vom 1. April 1980, die die Umsatzsteuer für den Monat Februar 1980 betraf, die gemäß § 15a UStG zu entrichtende Steuer nicht erwähnt habe, beweise nichts, denn es habe sich um eine bloße Routinemitteilung gehandelt, die nicht vom Beklagten selbst, sondern von einer Angestellten unterschrieben worden sei. Daß der Beklagte versucht habe, die Betriebsprüfer von der Anwendung des § 15a UStG abzubringen, daß er später Einspruch einlegte und nochmals Kontakt zu der Käuferseite aufnahm, um eine Vertragsänderung herbeizuführen, lasse noch nicht darauf schließen, daß er vorher den Kläger unzureichend beraten habe; es könne sein, daß er dies lediglich deshalb getan habe, um pflichtgemäß einen Schaden – den er nicht verschuldet habe – vom Kläger abzuwenden. Aus dem gleichen Grunde könnten aus der Tatsache, daß der Beklagte das Finanzamt im Zusammenhang mit der Betriebsabmeldung nicht von sich aus auf § 15a UStG hinwies, nicht für den Beklagten nachteilige Schlüsse gezogen werden. Auch aus dem unstreitigen Verhalten des Klägers, insbesondere auch daraus, daß er keinen Versuch unternahm, die Umsatzsteuer auf den Käufer abzuwälzen, könnten keine zwingenden Gründe für die Richtigkeit des Klagevortrags entnommen werden; denn es gebe nachvollziehbare Erwägungen, die den Kläger veranlaßt haben könnten, den Vertrag so, wie geschehen, auch in Kenntnis des aus § 15a UStG folgenden steuerlichen Risikos zu schließen. Der Antrag des Klägers, den Zeugen T dazu zu vernehmen, daß der Beklagte nach dem Hinweis der Betriebsprüfer auf § 15a UStG aus allen Wolken gefallen sei, sei ungeeignet; denn es könne sein, daß dies aus anderen als den vom Kläger behaupteten Gründen der Fall gewesen sei.
Die Ungewißheit über den tatsächlichen Hergang müsse zu Lasten des Klägers gehen; denn dieser trage die Beweislast dafür, daß der Beklagte seine Hinweispflicht und Belehrungspflicht nicht erfüllt habe.
2. Das Berufungsgericht war sich dessen bewußt, daß es sich in der Beweislastfrage mit der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 83, 260, 267; vom Berufungsgericht mit den Fundstellen NJW 1982, 1516 und WM 1982, 556 zitiert) in Widerspruch setzt. Es glaubt jedoch, in diesem Punkt dem Bundesgerichtshof nicht folgen zu können. Sicherlich entspreche es allgemeinen Grundsätzen des Beweisrechts, daß für die Erfüllung einer vertraglichen Pflicht der Schuldner beweispflichtig sei, und zwar auch dann, wenn aus einer Nichterfüllung Schadensersatzansprüche hergeleitet werden. Daraus könne jedoch nicht gefolgert werden, daß ein steuerlicher Berater zu beweisen habe, daß er seine Pflicht, auf einen bestimmten Umstand hinzuweisen, erfüllt habe.
a) Eine von der allgemeinen Regel abweichende Beweislastverteilung läßt sich nicht mit der Erwägung rechtfertigen, der Steuerberatervertrag begründe in der Regel eine Vielzahl von Tätigkeits-, Belehrungs- und Hinweispflichten, von denen in Schadensersatzprozessen regelmäßig nur die Erfüllung einzelner Pflichten streitig sei. Für die Beweislast ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob die Erfüllung der Gesamtverpflichtung aus dem Vertrag oder nur die einer Teilverpflichtung streitig ist. Auch für Dauerschuldverhältnisse gilt insoweit nichts anderes.
b) Das Berufungsgericht meint, auch im Beweisrecht müsse zwischen der Nichterfüllung und der nicht rechtzeitigen Erfüllung einerseits und der Schlechterfüllung andererseits unterschieden werden. Es hat dabei offenbar die Beweislastgrundsätze im Auge, die für den Bereich der positiven Vertrags- (Forderungs-) verletzung aufgestellt worden sind. Der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch wird jedoch nicht auf eine positive Vertragsverletzung gestützt. Dem Beklagten wird kein positives Zuwiderhandeln gegen seine vertraglichen Pflichten, sondern ein Unterlassen vorgeworfen. Die Belehrungspflicht, die er nicht (oder nicht gehörig) erfüllt haben soll, zählt zu den Hauptpflichten aus dem Steuerberatervertrag; sie ist eine Leistungs- und keine bloße Schutzpflicht. Schließlich macht der Kläger auch keinen über das Erfüllungsinteresse hinausgehenden Schadensersatzanspruch geltend.
c) Einen allgemeinen, über den Bereich der positiven Forderungsverletzungen hinausgehenden Grundsatz, daß der Gläubiger die Schlechterfüllung durch den Schuldner zu beweisen habe, stellt das Gesetz nicht auf. Der Schuldner trägt vielmehr die Beweislast, wenn der Gläubiger Mängel des Leistungsgegenstandes behauptet und aus diesem Grunde die vom Schuldner bewilligte Leistung nicht als gehörige Erfüllung des Vertrages gelten lassen will. Dies ist für den Fall des Gattungskaufs allgemein anerkannt; es gilt nach der insbesondere in der Rechtsprechung herrschenden Lehre auch für den Fall des Spezieskaufs (RGZ 57, 399; 66, 279, 281). Eine Umkehr der Beweislast tritt dann erst ein, wenn der Käufer die gelieferte Sache als Erfüllung annimmt (§ 363 BGB); aus diesem Grunde wird der Käufer, der einen Wandlungs- oder Minderungsanspruch geltend macht, in der Regel den Mangel beweisen müssen. Auch im Werkvertragsrecht gilt die Regel, daß der Unternehmer bis zur Abnahme des Werks (§ 640 BGB) dafür beweispflichtig ist, daß es mängelfrei hergestellt ist.
Einen allgemeinen Grundsatz, wonach für eine Schlechterfüllung der Gläubiger beweispflichtig wäre, gibt es demnach nicht.
d) Das Berufungsgericht meint, die Auffassung des Senats sei mit der Vorschrift des § 363 BGB schwer vereinbar. Es unterscheidet nicht in der gebotenen Weise zwischen der Frage, wen die originäre Beweislast trifft, und der anderen Frage, unter welchen Voraussetzungen sich die Beweislast zugunsten des steuerlichen Beraters umkehrt. Wie noch auszuführen sein wird, ist auch im Verhältnis zwischen einem steuerlichen Berater und seinem Mandanten die Vorschrift des § 363 BGB anwendbar. Aus § 363 BGB kann jedoch nicht hergeleitet werden, daß der Mandant schon von Anfang an dafür beweispflichtig sei, daß der steuerliche Berater seiner Beratungspflicht nicht nachgekommen sei. Vielmehr setzt die in § 363 BGB angeordnete Umkehr der Beweislast gerade voraus, daß vorher der Schuldner beweispflichtig war (vgl. dazu auch Kaduk bei Staudinger BGB 10./11. Aufl. § 363 Rdn. 24).
e) Die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht ist mit einer gerechten Interessenabwicklung nicht vereinbar. Ein Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter, der die umfassende Betreuung der gesamten steuerlichen Angelegenheiten eines Gewerbetreibenden übernommen hat, kann aus vielfachen Gründen Anlaß haben, seinem Mandanten auch außerhalb eines umfassenden Beratungsgesprächs Ratschläge und Hinweise zu erteilen. Stellt er z.B. bei den Buchhaltungs- und Bilanzierungsarbeiten fest, daß die vom Mandanten gefertigten Grundaufzeichnungen unzulänglich sind, so wird er ihn darüber belehren müssen, wie diese Mängel abzustellen sind. Er wird Hinweise geben müssen, wenn bestimmte Maßnahmen erforderlich sind, um dem Mandanten Steuervorteile zu sichern oder steuerliche Nachteile von ihm abzuwenden. Er wird ihn auch auf Änderungen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung aufmerksam machen müssen, wenn sich daraus Konsequenzen für das geschäftliche Verhalten des Mandanten ergeben. Würde man in diesen Fällen den Mandanten dafür als beweispflichtig ansehen, daß der steuerliche Berater den gebotenen Hinweis unterlassen habe, so könnte sich dieser leicht der Haftung durch die Behauptung entziehen, er habe die erforderliche Belehrung bei einem Gespräch unter vier Augen oder telefonisch erteilt; dem Mandanten wird es schwer möglich sein, eine solche Sachdarstellung zu widerlegen. Auf der anderen Seite wäre der Steuerberater keineswegs unbillig belastet, wenn man von ihm den Nachweis fordert, daß er seiner Hinweis- oder Belehrungspflicht genügt habe. Bemerkt der Berater, daß der Mandant seine Hinweise und Ratschläge nicht befolgt, so hat er es in der Hand, an ihn ein entsprechendes Schreiben zu richten und dadurch für eine klare Beweislage zu sorgen.
3. Die Revisionserwiderung verweist zur Rechtfertigung der Ansicht des Berufungsgerichts auf das Urteil des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 16. Oktober 1984 – VI ZR 304/82 – (LM ZPO § 282 (Beweislast) Nr. 42 = NJW 1985, 264 = MDR 1985, 395). Die in dieser Entscheidung enthaltenen Ausführungen mögen in einem gewissen Widerspruch zu der Rechtsprechung des erkennenden Senats stehen; der VI. Zivilsenat hat allerdings einen solchen Widerspruch nicht gesehen, die Sache nicht dem Großen Senat für Zivilsachen vorgelegt und sich auch im Urteil nicht mit den Entscheidungen des erkennenden Senats auseinandergesetzt. Im einzelnen ist dazu zu bemerken:
- Der VI. Zivilsenat beruft sich zunächst auf das in HRR 1933 Nr. 1746 abgedruckte Urteil des Reichsgerichts. Damals war es streitig, welchen Inhalt die dem Anwalt erteilten Instruktionen hatten. In einem solchen Fall ist in der Tat der Mandant beweispflichtig; denn es geht darum, welchen Inhalt die vertraglichen Verpflichtungen des Anwalts hatten, nicht darum, ob er diese Pflichten erfüllt hat.
- Die weiterhin zitierten Entscheidungen des VI. Zivilsenats vom 2. Juli 1968 – VI ZR 168/66 (VersR 1968, 1059, 1061 = WM 1968, 1042, 1043) und des OLG Hamm (VersR 1980, 683) betreffen die Haftung des Notars. Der Notar ist Träger eines öffentlichen Amtes; er steht mit den Beteiligten nicht in einem Vertragsverhältnis. Er haftet demnach den Beteiligten, die durch eine fehlerhafte Amtsführung geschädigt wurden, nicht aus Vertrag, sondern aus Amtspflichtverletzung. Heute ist zwar die Haftpflicht des Notars nicht mehr in § 839 BGB, sondern in § 19 Bundesnotarordnung geregelt; an der Rechtsnatur des Anspruchs hat sich dadurch jedoch nichts geändert. Für Schadensersatzklagen gegen Notare gelten daher die gleichen Beweislastgrundsätze wie für Amtshaftungsklagen gegen Beamte oder ihre Dienstherren: Der Kläger hat den vollen Tatbestand der Amtspflichtverletzung, gegebenenfalls auch eine pflichtwidrige Unterlassung zu beweisen (Baumgärtel, Handbuch der Beweislast, § 839 BGB Rdn. 2-4; Teichmann bei Jauernig BGB 3. Aufl. § 839 Anm. II, 4; Thomas bei Palandt BGB 45. Aufl. § 839 Anm. 11; Kreft in BGB RGRK 12. Aufl. § 839 Rdn. 544 bis 548).
- In dem vom VI. Zivilsenat zitierten, in VersR 1983, 88 abgedruckten Urteil des Oberlandesgerichts Celle ging es darum, daß ein Anwalt ein – für den Mandanten schädliches – Kündigungsschreiben entworfen, also seinen Sorgfaltspflichten positiv zuwidergehandelt hatte. Dieser Fall kann nicht mit dem verglichen werden, in dem einem steuerlichen Berater vorgeworfen wird, er habe einen der Sachlage nach gebotenen Hinweis unterlassen.
- Das Urteil des VI. Zivilsenats vom 16. Oktober 1984 weist schließlich darauf hin, daß die Vertrauensbeziehungen zwischen Anwalt und Mandanten belastet würden, wenn der Anwalt im Hinblick auf mögliche Regreßprozesse immer bestrebt sein müsse, sich für die erteilten Informationen eine Beweisunterlage zu beschaffen. Dieser Gesichtspunkt erscheint auch dem erkennenden Senat durchaus beachtlich; er ist jedoch in einem anderen Zusammenhang zu berücksichtigen (vgl. dazu Ziff. II.).
Nach alledem kann der Senat der Ansicht des Berufungsgerichts nicht folgen, den Mandanten treffe von vornherein die Beweislast dafür, daß der steuerliche Berater einen der Sachlage nach gebotenen Hinweis unterlassen habe.
II.
1. Dennoch hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht den Kläger im vorliegenden Fall für beweispflichtig angesehen. Der Senat teilt die Auffassung des Berufungsgerichts, daß im vorliegenden Fall § 363 BGB Anwendung findet. Er verkennt nicht, daß die hiergegen von der Revision erhobenen Bedenken nicht völlig unbegründet sind. Die genannte Gesetzesvorschrift beruht auf dem Gedanken, daß es auf der einen Seite für den Schuldner schwierig ist, die Ordnungsmäßigkeit der Erfüllung zu beweisen, sobald er die Leistung erbracht hat, daß sich aber andererseits der Gläubiger durch die Zurückweisung der Leistung vor Benachteiligungen schützen kann (Westermann bei Erman BGB 7. Aufl. § 363 Rdn. 1; Heinrichs in MK § 363 Rdn. 2; Weber in BGB-RGRK 12. Aufl. § 363 Rdn. 4).
Die Zurückweisung setzt nun allerdings voraus, daß der Gläubiger in der Lage war, die Ordnungsmäßigkeit der Leistung zu prüfen und zu beurteilen. Gerade dazu ist aber der Gläubiger bei Beratungsverträgen typischerweise nicht in der Lage. Er kann daher typischerweise den erteilten Rat nicht sofort als unsachgemäß beanstanden. Erkennt er die Fehlerhaftigkeit der Beratung erst zu einem späteren Zeitpunkt, so ist seine Beweisnot in der Regel nicht geringer, meistens sogar noch größer als die des Beraters. Man kann in Fällen der vorliegenden Art auch nicht von einer „Geständnisfunktion” sprechen, die nach der Auffassung von Enneccerus/Lehmann (Schuldrecht, 15. Bearbeitung § 63 II) der Annahme der Leistung zukommen und gesetzgeberischer Grund für die Vorschrift des § 363 BGB sein soll.
2. Gleichwohl hält der Senat die Vorschrift des § 363 BGB jedenfalls in den Fällen für anwendbar, in denen der steuerliche Berater nachweislich eine konkrete steuerliche Frage mit dem Mandanten erörtert hat. Ausschlaggebend war dabei die Überlegung, daß es das Vertrauensverhältnis zwischen dem Berater und dem Mandanten erheblich beinträchtigen würde, wenn jener gezwungen wäre, sich bei jedem Beratungsgespräch Beweisunterlagen über den Inhalt der Unterredung zu verschaffen. Es würde die Beziehungen zu dem Mandanten erheblich belasten, wenn der Rechtsanwalt oder steuerliche Berater während des Beratungsgesprächs ein Tonband mitlaufen ließe oder ähnliche Beweissicherungsmaßnahmen treffen würde. Der Senat verkennt nicht, daß hierdurch der Mandant in erhebliche Beweisnot geraten kann. Einer solchen Beweisnot wollte an sich der Gesetzgeber mit § 363 BGB den Gläubiger nicht aussetzen; er ging vielmehr davon aus, daß es dem Gläubiger möglich und zumutbar sei, die Ordnungsmäßigkeit der Leistung zu prüfen. Der Rechtsnachteil, der für den Mandanten in der Belastung mit der Beweislast liegt, kann jedoch dann hingenommen werden, wenn man an die Substantiierungspflicht des Beraters die gebotenen strengen Anforderungen stellt. Dieser wird sich daher nicht damit begnügen können, eine Verletzung der Belehrungspflicht zu bestreiten oder mehr oder minder pauschal zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet; man kann vielmehr von ihm verlangen, daß er den Gang der Besprechung im einzelnen schildert, daß er insbesondere konkrete Angaben darüber macht, welche Ratschläge und Belehrungen er erteilt hat und wie darauf der Mandant reagiert hat. Wenn dies geschieht, läßt sich eine Beweislastverteilung zu Lasten des Mandanten mit einer gerechten Abwägung der beiderseitigen Interessen vereinbaren. Der Mandant wird dann nicht vor unüberwindbare Beweisschwierigkeiten gestellt; denn je konkreter sich der Berater über den Verlauf des Beratungsgesprächs äußert, umso leichter ist es dem Mandanten, seine Darstellungen zu widerlegen.
3. Diese Beweislastumkehr tritt allerdings erst dann ein, wenn feststeht, also unstreitig oder erwiesen ist, daß wegen einer bestimmten Angelegenheit ein Beratungsgespräch stattgefunden hat. Gerade ein steuerlicher Berater, dem von einem Unternehmer die Bearbeitung von dessen gesamten steuerlichen Angelegenheiten anvertraut ist, kann, wie bereits ausgeführt, vielfach in die Lage kommen, seinem Mandanten bestimmte Hinweise zu geben, auch wenn kein besonderer Termin zur Besprechung dieser Angelegenheit anberaumt worden ist. Wenn in einem solchen Fall streitig ist, ob der steuerliche Berater überhaupt seinen Mandanten wegen dieser Frage angesprochen hat, dann kann die Anwendung des § 363 BGB nicht mit der Erwägung begründet werden, der Mandant habe andere Leistungen des Steuerberaters (z.B. Buchhaltungs- und Abschlußarbeiten, Entwurf von Steuererklärungen) unbeanstandet entgegengenommen; denn bei Dauerschuldverhältnissen ist die Frage, ob nach § 363 BGB eine Umkehr der Beweislast eingetreten ist, für jede Einzelleistung gesondert zu prüfen. Ein solcher Fall lag dem Senatsurteil vom 24. März 1982 – IVa ZR 303/80 – aaO zugrunde. Der Senat hatte daher dort keine Veranlassung, auf die Vorschrift des § 363 BGB einzugehen. Im vorliegenden Fall ist es anders: Es ist unstreitig, daß die steuerlichen Auswirkungen des Grundstücksverkaufs Gegenstand einer Besprechung zwischen den Parteien waren; streitig ist lediglich, ob im Rahmen dieses Beratungsgespräches auch auf § 15 a UStG eingegangen worden ist. In einem solchen Fall ist nach den obigen Ausführungen § 363 BGB anwendbar; das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht den Kläger für beweispflichtig angesehen.
Für den Senat besteht demnach auch kein Anlaß, wegen des Urteils vom 16. Oktober 1984 – VI ZR 304/82 aaO – den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen, denn der Senat ist sich mit dem VI. Zivilsenat darüber einig, daß in den Fällen, in denen eine bestimmte Angelegenheit Gegenstand eines Beratungsgesprächs war, der Mandant beweispflichtig ist, wenn er behaupten will, daß ihn sein Berater dabei auf einen bestimmten Gesichtspunkt nicht hingewiesen habe.
III.
Im vorliegenden Fall durfte das Berufungsgericht vom Kläger jedoch nicht den Beweis dafür fordern, daß der Beklagte ihn nicht über die Auswirkungen des § 15a UStG belehrt habe. Da der Beklagte nicht die nach Ziffer II, 2 erforderliche substantiierte Gegendarstellung abgegeben hatte, durfte das Berufungsgericht diesen Punkt nicht als streitig ansehen; es hatte vielmehr seiner Entscheidung die nicht in prozessual wirksamer Weise bestrittene Sachdarstellung des Klägers zugrunde zu legen.
Seine ursprüngliche Behauptung, er habe den Kläger auf § 15a UStG hingewiesen (Klageerwiderung vom 10. Juni 1983 Bl. 20 d.A.), hat der Beklagte nicht aufrecht erhalten; er hat eingeräumt, daß es durchaus möglich sein könne, daß bei der Besprechung mit dem Kläger von dieser Gesetzesbestimmung nicht die Rede gewesen sei; mit Sicherheit sei jedoch über den Inhalt dieser Vorschrift gesprochen worden (Schriftsatz vom 5. Juli 1983 Bl. 43 d.A.). Damit hatte der Beklagte seiner Substantiierungspflicht nicht genügt. Er hätte vortragen müssen, welchen konkreten Inhalt seine Belehrung hatte und welche Ratschläge er dem Kläger für sein Verhalten beim Kauf gegeben hat. Dieser Mangel wird auch nicht dadurch ausgeglichen, daß der Beklagte vorgetragen hat, er habe dem Kläger die Mehrbelastung vorgerechnet; die schriftliche Berechnung befinde sich bei seinen Handakten und könne bei Bestreiten vorgelegt werden. Denn der Beklagte hat entgegen seiner Ankündigung die Berechnung auch dann nicht vorgelegt, als der Kläger ihr Vorhandensein bestritten hatte; auch hat er nicht vorgetragen, welchen Inhalt diese Berechnung hatte. Es läßt sich daher aus dem Sachvortrag des Beklagten nicht entnehmen, daß er die Steuermehrbelastung zutreffend errechnet hätte. Auch hätte es der Beklagte nicht unterlassen dürfen, sich darüber zu erklären, wie der Kläger auf seine Belehrung reagiert habe. Im allgemeinen wird bei einem solchen Beratungsgespräch der Mandant sich nicht jeder Äußerung zu den Ausführungen des Beraters enthalten; auch der Beklagte behauptet nicht, daß dies der Kläger getan hätte. Er wird vielmehr entweder zu erkennen geben, daß er den Ratschlägen seines Beraters folgen werde, oder er wird ihm die Gründe darlegen, die seiner Meinung nach gegen eine Befolgung der erteilten Ratschläge sprechen. Gerade im vorliegenden Fall konnte auf eine Erklärung über diesen Punkt nicht verzichtet werden. Denn wenn der Beklagte behauptet hätte, der Kläger sei von der Richtigkeit seiner – des Beklagten – Ausführungen überzeugt gewesen und habe zu erkennen gegeben, daß er sie befolgen wolle, so hätte der Tatrichter prüfen müssen, ob eine solche Einlassung angesichts des gegenteiligen tatsächlichen Verhaltens des Klägers glaubhaft ist. Sollte dagegen der Kläger Bedenken geäußert haben, so käme es entscheidend darauf an, worauf sich diese gründeten. Denn möglicherweise konnte die Art der geäußerten Bedenken dem Beklagten Anlaß zu weiteren Belehrungen und Erörterungen geben. Es kommt hinzu, daß unstreitig vor dem Kaufabschluß Gespräche zwischen den Steuerberatern der beiden Kaufvertragsparteien über die steuerliche Behandlung des Kaufs stattgefunden haben; nach der Sachdarstellung des Beklagten soll dabei der Berater des Käufers die Übernahme der Umsatzsteuer abgelehnt haben. Wenn diese Verhandlungen – was den Umständen nach anzunehmen ist, aber nicht eindeutig aus dem Parteivortrag hervorgeht – nach dem Beratungsgespräch zwischen den Parteien stattgefunden haben sollten, würden sie voraussetzen, daß der Kläger den behaupteten Vorschlag des Beklagten akzeptiert und diesen mit entsprechenden Verhandlungen beauftragt hat; davon ist jedoch im Vortrag des Beklagten nicht die Rede. Sollte aber der Käufer oder sein Steuerberater bereits vor deren Beratungsgespräch eine Option für einen umsatzsteuerpflichtigen Verkauf endgültig abgelehnt haben, so bestand keine Veranlassung, mit dem Kläger die Frage zu erörtern, ob man vom Käufer eine Zustimmung zu dieser Option verlangen sollte; Gegenstand des Beratungsgesprächs konnte allenfalls die Frage sein, ob man unter diesen Umständen von einem Verkauf an Herrn G absehen wollte.
Die Sachdarstellung des Beklagten läßt es also offen, ob der Beklagte dem Kläger einen umsatzsteuerpflichtigen Verkauf vorgeschlagen, der Kläger aber hiergegen Bedenken geäußert hat, oder ob der Kläger sich bereit erklärt hat, dem Rat des Beklagten zu folgen, der dann aber nur deshalb nicht zur Ausführung kam, weil die Verhandlungen mit dem Steuerberater des Klägers ergaben, daß dieser zu einer Mitwirkung nicht bereit war oder ob bereits bei der Beratung feststand, daß der Käufer sich auf einen umsatzsteuerpflichtigen Verkauf nicht einlassen würde, und Gegenstand des Beratungsgesprächs lediglich die Frage war, ob man unter diesen Umständen überhaupt an G verkaufen sollte.
Es liegt auf der Hand, daß bei einer Erklärung über diese Punkte die Sachdarstellung des Beklagten leichter auf ihre Richtigkeit nachzuprüfen gewesen wäre.
Das Berufungsgericht stellt Überlegungen an, welche Gründe der Kläger gehabt haben könnte, dem behaupteten Ratschlag des Beklagten nicht zu folgen. Solche Mutmaßungen, die keine ausreichende Grundlage im Parteivortrag haben, können aber eine substantiierte Erklärung des Beklagten, ob und in welcher Hinsicht der Kläger tatsächlich Bedenken geäußert hat, nicht ersetzen.
In der Berufungsinstanz hat der Beklagte zwar ergänzend vorgetragen, er habe den Kläger darauf hingewiesen, daß eine Zehnjahresfrist laufe und daß es bei einem Verkauf zu einer Berichtigung des Abzugs der auf die Anschaffungskosten entfallenden Vorsteuerbeträge kommen könne; auch habe er dem Kläger empfohlen, die Mehrwertsteuer im notariellen Vertrag gesondert zu berechnen und sie auf den Käufer abzuwälzen. Damit wurden jedoch die seinem Sachvortrag anhaftenden Mängel nur teilweise behoben.
Obwohl demnach bei dem derzeitigen Sach- und Streitstand die Sachdarstellung des Klägers der Entscheidung zugrunde zu legen ist und nach diesem Sachvortrag der Klage stattzugeben wäre, kann der Senat den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden. Dem Beklagten muß vielmehr Gelegenheit gegeben werden, die fehlende Substantiierung nachzuholen. Deshalb ist eine Zurückverweisung geboten.
IV.
Sollte der Beklagte die erforderliche Substantiierung nachholen, so wird das Berufungsgericht sich nicht damit begnügen dürfen, die Beweisanzeichen, die nach der Auffassung des Klägers für ein pflichtwidriges Unterlassen des Beklagten sprechen isoliert zu würdigen. Es wird vielmehr eine Gesamtschau (vgl. dazu BGH Urteile vom 5. Mai 1982 – IVa ZR 207/80 VersR 1982, 689; vom 17. Februar 1970 – III ZR 139/67 – NJW 1970, 946, 949) vornehmen müssen. Bisher ist dies nicht geschehen. Das Berufungsgericht sagt zwar auf Seite 8 oben seines Urteils, daß die Indiztatsachen weder für sich allein noch zusammen mit den übrigen Tatsachen zwingend seien. Tatsächlich erörtert es jedoch die einzelnen Indizien nur isoliert; es prüft nicht, welche Folgerungen sich aus dem Zusammentreffen dieser Indizien ergeben.
Im einzelnen ist dazu noch zu bemerken:
Wenn der Beklagte den Kläger tatsächlich darüber belehrt hatte, daß sich infolge des umsatzsteuerfreien Verkaufs des Hauses seine Umsatzsteuerschuld erhöhe, dann ist es schwer verständlich, wieso in der an den Kläger gerichteten Monatsmitteilung am 1. April 1980 diese erhöhte Umsatzsteuerschuld nicht berücksichtigt wurde. Dieses Indiz kann man nicht deshalb als untauglich bezeichnen, weil die Mitteilung nicht vom Beklagten persönlich unterschrieben worden ist. Wenn der Beklagte tatsächlich erkannt hatte, daß sich durch den mehrwertsteuerfreien Verkauf des Hauses die Umsatzsteuerschuld des Klägers erhöhte, so hätte er sein Büro anweisen müssen, dies bei der Errechnung der Höhe der Umsatzsteuerschuld zu berücksichtigen. Der Beklagte hat bisher keine einleuchtende Begründung dafür gegeben, warum dies nicht geschehen ist. Er beruft sich lediglich darauf, daß die Umsatzsteuer noch nicht festgesetzt gewesen sei. Das erscheint jedoch wenig überzeugend, da die Umsatzsteuer in der Regel ohne vorherige Festsetzung zu entrichten ist (§ 18 UStG i.V.m. §§ 150 Abs. 1, S. 2, 167 AO; vgl. dazu Klein/Orlopp, AO 2. Aufl. § 167 Anm. 1).
Ebensowenig kann die Vernehmung des Zeugen T mit der Begründung abgelehnt werden, die in sein Wissen gestellte Tatsache sei kein geeignetes Indiz für die Richtigkeit der vom Kläger aufgestellten Behauptung. Das Berufungsgericht meint, der Beklagte könne auch deshalb überrascht gewesen sein, weil er davon ausgegangen sei, das Finanzamt werde „schon nichts merken”; die behauptete Überraschung des Beklagten brauche also nicht notwendigerweise darauf zurückzuführen sein, daß ihm der sachliche Inhalt des § 15a UStG nicht bekannt gewesen sei. Welchen Grund die Überraschung des Beklagten hatte, kann erst dann beurteilt werden, wenn der Zeuge gehört worden ist. Der Kläger wollte ersichtlich behaupten, die Überraschung sei erkennbar darauf zurückzuführen, daß dem Beklagten die objektive Rechtslage bisher nicht bekannt gewesen sei. Die Möglichkeit, daß dies der Zeuge bestätigen könnte, läßt sich nicht von vorneherein ausschließen. Auch wegen Verspätung wird das Berufungsgericht den Antrag auf Vernehmung des Zeugen T nicht zurückweisen können. Wenn man dem Beklagten eine Nachholung des versäumten substantiierten Bestreitens gestattet, wird man es dem Kläger nicht verwehren können, dem mit einem Beweisantrag entgegenzutreten.
Fundstellen