Leitsatz (amtlich)
a) Der ehemalige persönlich haftende Gesellschafter, der bei Umgestaltung der Handelsgesellschaft in eine GmbH & Co. KG Kommanditist wird und als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH die Geschäfte der Gesellschaft weiterführt, kann wegen seiner unbeschränkten Haftung für die vor der Umwandlung entstandenen Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht die Sonderverjährung des § 159 HGB in Anspruch nehmen (teilweise Abweichung von BGHZ 73, 217).
b) Einwendungen gegen einen Anspruch, die die Gesellschaft wegen eines gegen sie ergangenen rechtskräftigen Urteils nicht mehr erheben kann, kann auch ein solcher Gesellschafter nicht geltend machen.
Normenkette
HGB §§ 159, 129
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 01.06.1979) |
LG Münster (Urteil vom 20.06.1978) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 1. Juni 1979 aufgehoben und die Berufung des Beklagten gegen das Grund- und Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 20. Juni 1978 zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des zweiten und dritten Rechtszuges.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger macht Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 20. August 1971 geltend, in den ein Baustellenfahrzeug der Ba. & Söhne KG verwickelt war. Auf seine im Juli 1972 erhobene Klage steht seit dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Mai 1973 rechtskräftig fest, daß die Ba. & Söhne KG den Unfallschaden des Klägers zu ersetzen hat, soweit seine Ansprüche nicht auf Öffentlich-rechtliche Versicherungsträger übergegangen sind. Das sich anschließende Betragsverfahren ist unterbrochen, weil die verklagte Gesellschaft in Konkurs gefallen ist.
Mit der am 28. April 1978 beim Landgericht eingegangenen und am 13. Mai 1978 zugestellten Klage nimmt der Kläger nun den Beklagten auf Ersatz von Verdienstausfall in Höhe von 49.510,48 DM für die Zeit vom 1. Juli 1974 bis zum 30. Juni 1977 nebst Zinsen in Anspruch; außerdem beantragt er festzustellen, daß der Beklagte auch den künftigen materiellen Unfallschaden zu ersetzen habe. Der Beklagte war im Unfallzeitpunkt persönlich haftender Gesellschafter der Ba. & Söhne KG. Mit deren Umwandlung in eine GmbH & Co. KG wurde er Kommanditist und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH; sein „Ausscheiden” als persönlich haftender Gesellschafter und sein „Eintritt” als Kommanditist sind mit den übrigen Veränderungen in der Gesellschaft am 4. Mai 1973 ins Handelsregister eingetragen worden.
Der Beklagte bestreitet seine Ersatzverpflichtung nach Grund und Höhe. Außerdem hat er die Einrede erhoben, die Ansprüche seien ihm gegenüber verjährt.
Das Landgericht hat den Zahlungsantrag dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und der Feststellungsklage stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das Berufungsgericht hat die Verjährungseinrede durchgreifen lassen: Nachdem der Beklagte als persönlich haftender Gesellschafter ausgeschieden und sein Ausscheiden im Handelsregister eingetragen worden sei, habe zu seinen Gunsten die besondere Verjährungsfrist des § 159 Abs. 1 HGB zu laufen begonnen. Diese habe nicht wie im Regelfall fünf, sondern nur drei Jahre betragen, weil der Anspruch gegen die Gesellschaft im Zeitpunkt des Ausscheidens einer kürzeren, nämlich gemäß § 852 BGB der nur dreijährigen Verjährung unterlegen habe. Die dreijährige Frist sei aber abgelaufen, bevor der Kläger den Beklagten verklagte habe. Die vor dem Ausscheiden gegenüber der Kommanditgesellschaft herbeigeführte Unterbrechung der Verjährung brauche der Beklagte nicht gegen sich gelten zu lassen.
Diesen Ausführungen ist schon im Ausgangspunkt nicht zu folgen. § 159 HGB regelt eine (vom Lauf der für die Gesellschaft geltenden Verjährungsfrist unabhängige) Verjährung der Ansprüche gegen solche Gesellschafter, die aus der Gesellschaft ausgeschieden sind. Die Vorschrift sagt dagegen unmittelbar nichts darüber aus, was zugunsten eines Gesellschafters gilt, der der Gesellschaft als Kommanditist weiter angehört, aber für frühere Gesellschaftsverbindlichkeiten unbeschränkt haftet (§ 128 HGB), weil sich seine Handelsregistereintragung verzögert hatte (§ 176 HGB) oder weil er – wie hier der Beklagte – zunächst persönlich haftender Gesellschafter war und erst nach Entstehung der Gesellschaftsverbindlichkeit in die Rechtsstellung des Kommanditisten übergewechselt ist. Es kann daher nur eine entsprechende Anwendung der Vorschrift in Betracht gezogen werden. Ob sie zu bejahen ist, hängt davon ab, ob und inwieweit Sinn und Zweck des § 159 HGB es rechtfertigen, die dort geregelte Sonderverjährung auch für jene Fallgruppen gelten zu lassen.
Der Senat hat bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt (BGHZ 50, 232, 236), daß diese Vorschrift einem anerkennenswerten Bedürfnis des ausgeschiedenen Gesellschafters Rechnung trägt, seine Nachhaftung zeitlich zu begrenzen. Denn er hat mit der Gesellschaft nichts mehr zu tun und ist am Gesellschaftsvermögen nicht mehr beteiligt. Er hat vor allem auf die Geschäftsführung der Gesellschaft im allgemeinen und auf die Abwicklung der noch seine Haftung betreffenden Geschäfte im besonderen keinen Einfluß mehr; vielfach wird er darüber nicht einmal etwas genaues erfahren, und seine Beweislage ist schlecht. Unter diesen Umständen liegt es nahe, ihm zuzubilligen, daß er spätestens nach 5 Jahren Gewißheit erhält, nun wegen seiner alten Haftung endgültig nicht mehr belangt werden zu können. Andererseits mag zwar der Gesellschaftsgläubiger dereinst seine Geschäfte mit der Gesellschaft gerade auch im Vertrauen auf die Kreditwürdigkeit dieses Gesellschafters abgeschlossen haben. Aber je mehr Zeit vergeht, um so mehr verflüchtigt sich regelmäßig die Bedeutung solcher bei Vertragsschluß vorherrschender Motive; jedenfalls kann dem Gläubiger, wenn er schon auf die Haftung gerade dieses Gesellschafters gebaut haben sollte, zugemutet werden, ihn dann auch innerhalb angemessener Frist nach dem Ausscheiden in Anspruch zu nehmen, wenn sich seine Befriedigung durch die Gesellschaft verzögert.
Diese Überlegungen treffen auf den Kommanditisten, der noch für frühere Gesellschaftsverbindlichkeiten uneingeschränkt mit seinem Privatvermögen haftet, nicht ohne weiteres zu. Zwar ist auch er regelmäßig an der Geschäftsführung nicht beteiligt (§ 164 HGB), aber er gehört der Gesellschaft weiterhin an und steht der Abwicklung der Geschäfte nicht so fern wie der Ausgeschiedene. Für eine angemessene Begrenzung der Zeit, in der seine Haftungsbeschränkung noch nicht voll durchgreift, wird immerhin dann ein begründetes Interesse anerkannt werden können, wenn er nur deshalb für Altschulden haftet, weil er der vielfach als überzogen streng empfundenen Regelung des § 176 HGB unterliegt, die dem Gläubiger in der Praxis wohl mehr aus Zufall als wegen eines schutzwerten Vertrauens zugute kommt; insoweit wird auch im Schrifttum die entsprechende Anwendung der Verjährungsvorschriften des § 159 HGB befürwortet (Schilling in GroßKomm. z. HGB, 3. Aufl. Anm. 25 zu § 176 und 52 zu § 177; Schlegelberger/Geßler, HGB, 4. Aufl. Anm. 8 zu § 176).
Deutlich anders als beim ausgeschiedenen Gesellschafter liegen die Verhältnisse jedoch, wenn eine handelsrechtliche Personengesellschaft in eine GmbH & Co. KG umgestaltet und der bisherige persönlich haftende Gesellschafter Kommanditist wird, und wenn dann – wie im vorliegenden Fall – noch hinzukommt, daß er die Geschäfte der Gesellschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH selbst weiterführt. Die fortschreitende Distanz zur Gesellschaft, die die Lage des ausgeschiedenen Gesellschafters kennzeichnet und deren Auswirkungen ihn bei fortdauernder Haftung wenigstens in zeitlicher Hinsicht als schutzbedürftig erscheinen lassen, besteht bei ihm gerade nicht. Er scheidet nicht nur nicht aus, er bleibt auch sonst der Gesellschaft voll verbunden und behält seinen Einfluß auf die Geschäftsführung; bei ihm liegt es auch weiterhin, die Gesellschaftsverbindlichkeiten, für die er unbeschränkt forthaftet, aus dem Gesellschaftsvermögen zu befriedigen. Außer an seiner Haftungsbeschränkung, die mit der Umwandlung in die GmbH & Co. KG bezweckt ist, ändert sich daher in tatsächlicher Hinsicht nichts oder nicht viel. Die Schutzbedürftigkeit, die § 159 HGB voraussetzt, besteht daher gerade nicht, so daß sich die Anwendung dieser Vorschrift nicht rechtfertigen läßt.
Diese Beurteilung, die jedenfalls für Ansprüche gilt, die nicht auf Dauerschuld-Verbindlichkeiten der Gesellschaft beruhen, wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß nach §§ 45, 49, 56, 56 f UmwG die Ansprüche der Gläubiger eines einzelkaufmännischen Geschäfts oder einer handelsrechtlichen Personengesellschaft, die in eine Aktiengesellschaft, eine Kommanditgesellschaft auf Aktien oder eine GmbH umgewandelt werden, im Verhältnis zu dem früheren Inhaber oder zu den für die Altschulden forthaftenden Gesellschaftern ganz allgemein einer verkürzten Verjährung unterliegen.
Wie die amtliche Begründung ausführt (BT-Drucksache V/3165 zu § 45; Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Rn. 876 a), war dafür maßgebend, daß auch hier die Personengesellschaft aufgelöst werde (also ein dem § 159 HGB ähnlicher Fall vorliege) und sich der Übergang des Vermögens auf die Kapitalgesellschaft im Wege der Umwandlung mit der Fortführung des Handelsgeschäfts durch einen Erwerber kraft Rechtsgeschäfts vergleichen lasse (wo dem Veräußerer ebenfalls die verkürzte Verjährungsfrist zugute komme). Wo das Handelsgeschäft aufgegeben (§ 159 Abs. 1 HGB, 1. Alternative), rechtsgeschäftlich von einem Erwerber übernommen (§§ 25, 26 HGB) oder von den bisherigen Inhabern durch Umwandlung auf eine juristische Person übertragen wird, läßt der Gesetzgeber für die Haftung der natürlichen Personen, die nicht mehr unmittelbar Rechtsträger des Unternehmens bleiben, das Verjährungsprivileg gelten. Dem steht die gegenteilige Regelung des § 28 HGB gegenüber, wonach der bisherige Alleininhaber, der sein Handelsgeschäft in eine Personengesellschaft einbringt (nach dem Gesetzeswortlaut und der herrschenden Lehre und auch, wenn er nur Kommanditist wird), für die früheren Geschäftsverbindlichkeiten weiter haftet, ohne für sich eine Sonder Verjährung in Anspruch nehmen zu können (Baumbach/Duden, HGB, 23. Aufl. Anm. 1 F zu § 28; Würdinger in GroßKomm. z. HGB 3. Aufl., Anm. 6 Abs. 1 zu § 28; Schlegelberger/Hildebrandt/Steckhan, HGB, 5. Aufl., Anm. 9 zu § 28). Die Verjährung wird also nicht verkürzt, wenn kein vollständiger Inhaberwechsel stattfindet und der forthaftende bisherige Inhaber oder Mitinhaber das Unternehmen nicht verläßt, sondern auch rechtlich weiter mitträgt. So liegt es aber auch bei der Umwandlung einer offenen Handels- oder Kommanditgesellschaft in eine GmbH & Co. KG. Unter Einbeziehung des Umwandlungsgesetzes geht daher auch die gesetzliche Wertung ähnlicher einschlägiger Vorschriften dahin, daß insoweit die Sonderverjährung des § 159 HGB nicht eingreift.
Für den hier zu entscheidenden Rechtsstreit bedeutet das einmal, daß für den Beklagten keine persönliche Verjährungsfrist lief, die von der Verjährung der Ansprüche des Klägers gegenüber der Ba. & Söhne KG unabhängig wäre. Der Beklagte mußte daher wie jeder der Gesellschaft angehörende Gesellschafter zunächst einmal die Unterbrechung der Verjährung, die der Kläger durch Klage gegen die (noch nicht umgewandelte) Gesellschaft im Juli 1972 erhoben hatte, gegen sich gelten lassen (Urt. v. 11.12.78 – II ZR 235/77 = BGHZ 73, 217, 223/224; soweit der Senat in diesem Urteil – S. 222 unter 3 – für den gleichliegenden Fall in allerdings nicht entscheidungserheblichen Ausführungen nebenher eine fünfjährige Verjährungsfrist zugunsten des Gesellschafters angenommen hatte, ist das nicht aufrechtzuerhalten). Im vorliegenden Falle kommt hinzu, daß die Ersatzverpflichtung der Kommanditgesellschaft für den Unfallschaden des Klägers durch rechtskräftiges Urteil vom 28. Mai 1973 festgestellt worden ist und dessen Ansprüche von da ab der dreißigjährigen Verjährung unterlagen (§ 218 BGB). Auch das galt gegenüber dem Beklagten; eine abgekürzte persönliche Verjährungsfrist konnte für ihn, soweit ersichtlich, überhaupt erst mit Auflösung der Gesellschaft durch deren Konkurs nach Maßgabe der §§ 159, 160 HGB in Betracht kommen. Dieser ist erst am 7. Juni 1977 eröffnet worden, so daß das für die Entscheidung dieses Rechtsstreits keine Bedeutung hat.
Nach alledem sind die Ansprüche des Klägers aus dem Unfall vom 20. August 1971 gegenüber dem Beklagten nicht verjährt. Das Landgericht hatte infolgedessen zu Recht die Schadensersatzpflicht des Beklagten für alle künftig entstehenden Schäden festgestellt und den mit der Zahlungsklage geltend gemachten Verdienstausfall dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Denn die Ersatzverpflichtung der Backhaus & Söhne KG steht durch die Urteile des Landgerichts Münster vom 27. September 1972 und des Oberlandesgerichts Hamm vom 28. Mai 1973 rechtskräftig fest. Seither kann gemäß § 129 Abs. 1 HGB auch der Beklagte gegen den Grund der Schadensersatzansprüche keine Einwendungen mehr erheben, sondern nur noch zur Höhe, die aber nicht Gegenstand des Revisions- und Berufungsverfahrens ist. Aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach der ausgeschiedene Gesellschafter ein nach seinem Ausscheiden gegen die Gesellschaft ergangenes rechtskräftiges Urteil nicht gegen sich gelten zu lassen braucht (BGHZ 44, 229, 233), kann der Beklagte nichts für sich herleiten. Die Entscheidung ist damit begründet, daß ein ausgeschiedener Gesellschafter die Prozeßführung der Gesellschaft nicht mehr beeinflussen könne, von dem Rechtsstreit vielleicht nicht einmal etwas erfahre und sich auch nicht sicher darauf verlassen könne, die Gesellschaft werde schon im eigenen Interesse alle Einwendungen mit der erforderlichen Zielstrebigkeit und Umsicht geltend machen; der Ausgeschiedene habe daher, wenn er persönlich verklagt werde, ein schutzwertes Interesse, die Einwendungen, die nach seiner Meinung der Gesellschaft zugestanden hätten, noch selbst geltend zu machen. Diese Gesichtspunkte treffen auf den nur aus seiner früheren Haftungsposition „ausgeschiedenen” Kommanditisten, der die Geschäfte der Gesellschaft als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH weitergeführt und – wie hier der Beklagte – sogar im Vorprozeß die Gesellschaft vertreten hat, nicht zu, so daß gegen die Anwendung des § 129 Abs. 1 HGB ihm gegenüber nichts einzuwenden ist.
Weitere tatsächliche Feststellungen, die an diesem Ergebnis etwas ändern könnten, kommen nicht in Betracht. Das landgerichtliche Urteil ist infolgedessen ohne Zurück Verweisung der Sache an das Berufungsgericht unmittelbar wiederherzustellen (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Bauer, Dr. Kellermann
Fundstellen