Entscheidungsstichwort (Thema)
schwere Brandstiftung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Brandstiftung und der darauf beruhende (versuchte) Betrug zum Nachteil der Versicherung sind regelmäßig eine prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO.
2. § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB ist auch dann erfüllt, wenn die schwere Brandstiftung zum Zweck eines Betrugs zum Nachteil der Versicherung begangen wird.
Normenkette
StPO 1975 § 264; StGB 1998 § 306 b Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Detmold (Aktenzeichen 4 KLs 3 Js 790/97) |
Tenor
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Detmold vom 27. August 1998 wird verworfen.
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in drei Fällen und schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Betrug zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung geltend macht und die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
1. Nach den Feststellungen entnahm der Angeklagte in den Jahren 1993, 1995 und 1996 dem Vermögen der – einen Autohandel nebst einer Kraftfahrzeug-Werkstatt betreibenden – Firma S. Kommanditgesellschaft, an der er als persönlich haftender Gesellschafter zu 50 % beteiligt war, entgegen den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen wiederholt Geldbeträge zu privaten Zwecken, insgesamt 919.191,40 DM; davon standen ihm lediglich 270.000 DM als Vergütung zu.
In der Nacht zum 19. November 1997 ließ der Angeklagte das in seinem Eigentum stehende, an die Kommanditgesellschaft verpachtete Firmengebäude, in dessen erstem Stock sich die Wohnung seiner Mutter befand, anzünden, um Geldbeträge aus der Gebäude-, Inventar- und Betriebsunterbrechungsversicherung zu erlangen. Damit wollte der Angeklagte zugleich unter das „Thema der Veruntreuungen” einen „Schlußstrich” ziehen. Durch das Feuer, das auf den Wohntrakt übergriff, wurde das Betriebsgebäude, dessen Dach durchbrannte und einstürzte, zerstört; die Türanlage zwischen dem Wohnzimmer der Mutter des Angeklagten und dem davor befindlichen Wintergarten, der ebenfalls Feuer fing, verbrannte. Die Mutter des Angeklagten bemerkte das Feuer und hatte, wie von ihm erwartet, genügend Zeit, das Gebäude unverletzt durch das Treppenhaus des Bürotraktes zu verlassen. „Der Angeklagte meldete den Brandschaden seinen Versicherungen”, die allerdings keine Zahlungen leisteten.
2. Die Verfahrensvoraussetzung einer zugelassenen Anklage liegt – entgegen der Auffassung der Revision – auch hinsichtlich des versuchten Betrugs zum Nachteil der Versicherungen vor.
Zwar enthält, wie der Beschwerdeführer zu Recht geltend macht, die unverändert zugelassene Anklage vom 27. April 1998 – auch bei der erforderlichen weiten Auslegung der konkret angeklagten Lebenssachverhalte (vgl. BGHR StPO § 200 Abs. 1 Satz 1 Tat 14) – keine Angaben zu einer versuchten Täuschung der Versicherungen; daß die Anklage als anzuwendende Vorschriften ausdrücklich auch die §§ 263, 22 StGB aufführt und im abstrakten Anklagesatz deren gesetzliche Merkmale angibt, reicht für sich nicht aus (vgl. BGH NJW 1992, 763, 764; 1994, 2966; StV 1996, 432; Kuckein StraFo 1997, 33, 34).
Die fehlenden Angaben zu den vom Angeklagten versuchten Betrugstaten haben aber gleichwohl nicht zur Folge, daß diese nicht Gegenstand der Anklage wären und die Untersuchung sich nicht auf sie hätte erstrecken dürfen; denn sie bilden mit der in der Anklage beschriebenen, nach Ort und Zeit konkretisierten schweren Brandstiftung, die der Angeklagte zum Zweck der Täuschung der Versicherungen vorgenommen hatte, eine Tat im prozessualen Sinn (vgl. Grünwald, Die Teilrechtskraft im Strafverfahren [1964] S. 47 Fn. 53; ders. Beiheft zur ZStW 1974, 94, 118 Fn. 84; grds. ebenso Gollwitzer in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 264 Rdn. 48; offengelassen in BGH NStZ 1996, 507; vgl. auch BGH StV 1983, 504; a.A. RGSt 17, 62, 64, 44, 254, 255; 48, 186, 190 f., allerdings ausschließlich mit der Begründung, es seien materiell-rechtlich zwei Straftaten).
Die Tat als Prozeßgegenstand ist nicht nur der in der Anklage umschriebene und dem Angeklagten dort zur Last gelegte Geschehensablauf; vielmehr gehört zu ihr das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch die Anklage bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (vgl. BGHSt 13, 320, 321; 23, 141, 145; 32, 215, 216; BGH NStZ 1989, 266; BGHR StPO § 264 Tatidentität 2; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 264 Rdn. 2 m.w.N.).
Ausgehend hiervon hat das Landgericht im Ergebnis zu Recht auch den Betrug in seine Untersuchung und Urteilsfindung einbezogen. Zwar ist es fehlerhaft (vgl. BGHSt 11, 398; BGH NStZ-RR 1998, 235; Beschluß vom 20. Mai 1999 - 4 StR 718/98; a.A. allerdings Lenckner in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 265 Rdn. 16; Arzt/Weber Strafrecht, BT, LH 2 Rdn. 206: Bewertungseinheit) davon ausgegangen, zwischen der schweren Brandstiftung und dem versuchten Betrug bestehe Tateinheit, so daß schon deshalb eine einheitliche prozessuale Tat vorliege (st. Rechtspr., vgl. nur BGHSt 29, 288; 38, 37, 39 f.; 43, 96, 98). Auch sachlich-rechtlich selbständige Taten können aber prozessual eine Tat im Sinne von § 264 StPO sein. Dabei kommt es im Einzelfall darauf an, ob die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern auch innerlich derart unmittelbar miteinander verknüpft sind, daß der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (BGHSt 2, 371, 374; 23, 141, 145; 29, 288, 293; 35, 14, 17; 36, 151, 154 f.; 41, 385, 388, 390; 43, 96, 99; 252, 255). Dies kann nicht unabhängig von den verletzten Strafbestimmungen beurteilt werden, die notwendige innere Verknüpfung der mehreren Beschuldigungen muß sich vielmehr unmittelbar aus den ihnen zugrundeliegenden Handlungen und Ereignissen unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung ergeben (vgl. nur BGHSt 35, 14, 17; 41, 292, 297; 43, 96, 98). Eine zeitliche und räumliche Trennung der Vorgänge hindert nicht, die mehreren Sachverhalte als eine prozessuale Tat aufzufassen (BGHSt 35, 60, 61 f.; BGH, Beschluß vom 7. Juli 1999 - 1 StR 262/99; OLG Hamm NStZ-RR 1997, 79). Ist nach diesen Maßstäben ein einheitlicher Vorgang gegeben, so sind die Einzelgeschehnisse, aus denen er sich zusammensetzt, auch insoweit Bestandteil der angeklagten Tat, als sie keine Erwähnung in der Anklage gefunden haben (BGHSt 41, 292, 298; BGH NStZ 1995, 46, 47; 1996, 243, 244).
Der vom Landgericht festgestellte Sachverhalt weist die erforderliche Verknüpfung des tatbestandsmäßigen Verhaltens des Angeklagten auf. Seine Handlungen gingen äußerlich ineinander über, zumal der Versicherungsfall umgehend anzuzeigen war (vgl. § 92 VVG: Anzeigefrist von drei Tagen). Die strafbaren Handlungen des Angeklagten sind auch innerlich – strafrechtlich – eng miteinander verknüpft, da der Unrechts- und Schuldgehalt des versuchten Betruges zum Nachteil der Versicherungen nicht ohne Berücksichtigung der Umstände, unter denen es zum vorgetäuschten Versicherungsfall gekommen ist, beurteilt werden kann. Die Verurteilung wegen Betrugs setzt – in Fällen der hier zu entscheidenden Art – voraus, daß der Versicherer gemäß § 61 VVG von seiner Leistungspflicht frei geworden ist. Schon eine solche Feststellung kann in der Regel nicht ohne Untersuchung der Umstände getroffen werden, die zum Inbrandsetzen – etwa durch den Versicherungsnehmer oder dessen Repräsentanten – geführt haben. Vor allem kann aber der Unrechts- und Schuldgehalt des (vollendeten oder versuchten) Betrugs nicht ohne Berücksichtigung dieser Gegebenheiten beurteilt werden; erst Art und Ausmaß der Brandstiftung konstituieren die Schwere des Betrugsvorwurfs (vgl. auch die beiden Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 1993 - 3 StR 334/93 - und vom 9. August 1995 - 1 StR 282/95 -, in denen wegen der engen Verknüpfung zwischen den beiden Handlungen der an sich rechtsfehlerfreie Schuldspruch wegen versuchten Betrugs mit aufgehoben worden ist).
Der Gesetzgeber des 6. StrRG hat das Bestehen prozessualer Tatidentität bestätigt. Nach dem neuen Recht setzt die zutreffende strafrechtliche Würdigung der Brandstiftungshandlung in den hier in Rede stehenden Fällen notwendigerweise voraus, daß die Prüfung darauf erstreckt wird, ob der Täter seine Absicht, sich Versicherungsleistungen zu verschaffen, umgesetzt und sich auch des Betrugs schuldig gemacht hat. § 265 StGB n.F. ordnet nämlich formelle Subsidiarität für den Fall an, daß „die Tat … in § 263 mit Strafe bedroht ist”. Da unter Tat hier nicht die Tat im materiellrechtlichen Sinne gemeint sein kann, muß der Begriff prozessual verstanden werden (vgl. Mitsch ZStW 111, 65, 118; a.A. wohl Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 265 Rdn. 11; Rönnau JR 1998, 441, 442 Fn. 17). Dem entspricht die inhaltliche Umschreibung der in § 265 StGB n.F. angeordneten Subsidiarität durch die Rechtsprechung. Sie liegt vor, wenn die Handlung im weiteren Verlauf des einheitlichen Geschehens verschiedene Stadien durchläuft (BGHSt 44, 91, 95). Die enge innere Verknüpfung der Handlungen des Täters kommt auch in § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB zum Ausdruck, indem die Vorschrift für das Vortäuschen eines Versicherungsfalles als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles des Betrugs einen erhöhten Strafrahmen vorsieht.
Gegenstand der Urteilsfindung war daher das im engen sachlichen Zusammenhang mit der Brandlegung stehende, das Vermögen der Versicherungen gefährdende und einen bestimmten historisch abgrenzbaren Lebensvorgang bildende Verhalten des Angeklagten.
3. Die Verfahrensrügen bleiben erfolglos.
a) Ein Verstoß gegen § 52 Abs. 3 StPO liegt nicht vor. Der Vortrag der Revision, die Zeugin B. B. sei verfahrensfehlerhaft nicht über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Ehefrau des früheren Mitbeschuldigten H. B. (vgl. BGHSt 34, 138; 215; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1988, 18; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 52 Rdn. 11 m.w.N.) belehrt worden, ist nicht erwiesen.
Allerdings ist fraglich, ob das Hauptverhandlungsprotokoll diese Belehrung beweist (§ 274 StPO) oder insofern – aus ihm selbst ersichtliche (vgl. BGHSt 17, 220, 222; BGH NStZ 1993, 51, 52; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 274 Rdn. 17) – offensichtliche Unklarheiten oder Widersprüche enthält. Dies bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung, weil die in einem solchen Fall an die Stelle der formellen Beweiskraft tretenden Feststellungen im Freibeweis (vgl. BGHSt 16, 306, 308; 17, 220, 221 ff.; 31, 39, 41) dem Senat die Überzeugung vermitteln, daß die erforderliche Belehrung erfolgt ist. Der Vorsitzende hat – im Einvernehmen mit dem Protokollführer – den Protokollberichtigungsantrag des Beschwerdeführers vom 18. November 1998 durch Beschluß vom 27. November 1998 abgelehnt, „da Fehler des Protokolls nicht ersichtlich sind”. Mit dieser Erklärung, an der zu zweifeln der Senat keinen Anlaß hat, bestätigt der Vorsitzende, daß er die Zeugin B. B. entsprechend seiner Pflicht gemäß § 52 Abs. 3 StPO über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Ehefrau des früheren Mitbeschuldigten belehrt hatte.
b) Auch die auf eine Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO gestützte Rüge bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
Mit den beiden der Rüge zugrundeliegenden Beweisanträgen wollte die Verteidigung beweisen, daß der Zeuge Br. zur Frage einer Beteiligung an einem Bordell und einem illegalen Spielbetrieb sowie zu einem Aufenthalt in Lettland „in mehrfacher Hinsicht eidlich unwahr ausgesagt” hatte. Das Landgericht hat diese – wie auch weitere – Beweisanträge zurückgewiesen, „weil die unter Beweis gestellten Behauptungen … für die Entscheidung in diesem Verfahren ohne Bedeutung sind”. Hierzu macht die Revision zu Recht geltend, daß die Begründung eines Beschlusses, mit dem das Gericht eine beantragte Beweiserhebung wegen Bedeutungslosigkeit der behaupteten Tatsache ablehnt, erkennen lassen muß, ob die Unerheblichkeit aus rechtlichen oder tatsächlichen Erwägungen angenommen wird; im letzteren Fall müssen die Umstände angeführt werden, aus denen der Tatrichter die Bedeutungslosigkeit gefolgert hat (BGHSt 2, 184, 186; BGH NStZ 1981, 309; 1982, 213; StV 1984, 451; wistra 1995, 30). Geht es wie hier um die Glaubwürdigkeit eines Zeugen, bedarf es daher der Begründung, warum die zu beweisende Tatsache das Gericht auch im Falle ihres Nachweises unbeeinflußt lassen würde (BGH NStZ 1981, 309; 1983, 277; 1984, 42; StV 1990, 340; OLG Frankfurt StV 1995, 346; Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 43 a). Der Beschluß des Landgerichts genügt diesen Anforderungen nicht, weil er sich in einer bloßen Wiedergabe des Gesetzeswortlauts des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erschöpft.
Eine nähere Begründung ist jedoch dann nicht erforderlich, wenn die Bedeutungslosigkeit auf der Hand liegt (vgl. BGH StV 1981, 4; NStZ 1981, 401; 1982, 170; BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 9, 12, 14, 15). So verhält es sich hier: Die unter Beweis gestellten Tatsachen enthielten keine Umstände, die die Glaubwürdigkeit des Zeugen Br. in der vorliegenden Sache betrafen (vgl. § 68 Abs. 4 StPO und BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 19), sondern die Frage, ob der Zeuge zu – möglicherweise strafrechtlich erheblichen – völlig anders gearteten Vorgängen unwahre Angaben gemacht hatte. Im Blick auf die erforderliche Ablehnungsbegründung ist insoweit maßgebend, daß die Glaubwürdigkeit in besonderer Weise der Beurteilung des Tatrichters anheimgegeben ist (BGH NStZ 1983, 277; 1984, 42, 43; StV 1990, 390). Die behaupteten Hilfstatsachen sollten lediglich die allgemeine Glaubwürdigkeit des Zeugen in Frage stellen. Der Tatrichter ist jedoch nicht stets gehalten, Zeugen über mögliche Lügen einer Beweisperson zu vernehmen, wenn die behaupteten Vorgänge mit dem Tatgeschehen in keinem Zusammenhang stehen (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Bedeutungslosigkeit 21). Angesichts der sehr eingehenden Beweisaufnahme zu den Umständen und Hintergründen der Brandlegung, die eine der Schädigung des Unternehmens eindeutig zuwiderlaufende Motivation des Zeugen ergeben hatte, lag es bei der Ablehnung der – gegen Ende der Hauptverhandlung gestellten – Beweisanträge für alle Verfahrensbeteiligten auf der Hand, daß die behaupteten Tatsachen, wenn sie erwiesen würden, die Beurteilung der Frage der Täterschaft durch das Gericht nicht beeinflussen könnten.
4. Die Überprüfung des angegriffenen Urteils auf Grund der Sachrüge zeigt keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf.
a) Die Verurteilung wegen Untreue gemäß § 266 StGB in drei Fällen hält revisionsrechtlicher Kontrolle stand. Die Annahme des Landgerichts, die Anzahl der Fälle beschränke sich auf die Zahl der Geschäftsjahre, in denen der Angeklagte seine unberechtigten Entnahmen tätigte, beschwert ihn nicht. Das gleiche gilt für die eher pauschale Schilderung der Vorgehensweise des Angeklagten, die die Art seines Vorgehens in den Vordergrund stellt, sowie die damit verbundene generelle Berechnung der Differenz zwischen Entnahmen und Vergütung. Als Tathandlung des § 266 Abs. 1 StGB kommt zwar nur die einzelne vermögensmindernde Verfügung oder sonstige Verhaltensweise in Betracht (BGHSt 43, 293, 296); da der Angeklagte aber die Privatentnahmen auch der Höhe nach eingeräumt hat, dies zudem mit den Gutachten der gehörten Sachverständigen übereinstimmt, liegt wegen des eindeutig festgestellten Schuldumfangs kein durchgreifender Rechtsfehler vor (vgl. BGHR StGB § 266 Mindestfeststellungen 1; § 266 Abs. 1 Nachteil 13; Mißbrauch 1).
b) Auch die Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Betrug hält im Ergebnis revisionsrechtlicher Prüfung stand.
aa) Allerdings verstößt die gleichzeitige Anwendung des § 306 Nr. 2 StGB a.F. und des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB n.F. – nach für sich genommen rechtsfehlerfreier Ablehnung minder schwerer Fälle nach § 306 a Abs. 3 StGB n.F. und § 265 Abs. 2 StGB a.F. – gegen den Grundsatz strikter Alternativität (vgl. BGHSt 20, 22, 29 f.; 24, 94, 97; 37, 320, 322; BGH NJW 1995, 2861; 1997, 951; Tröndle/Fischer aaO § 2 Rdn. 9 m.w.N.). In Fällen, in denen die Anwendung alten und neuen Rechts in Betracht kommt, ist ein Gesamtvergleich des früheren und des derzeit geltenden Rechts anzustellen; anzuwenden ist das Recht, das im konkreten Fall mit seinen Besonderheiten die mildeste Beurteilung zuläßt (BGHSt 22, 25; BGH NStZ - RR 1998, 103, 104; 105, 106; Tröndle/Fischer aaO § 2 Rdn. 10 m.w.N.). Dies ist hier das alte Recht, da nach Inkrafttreten des 6. StrRG eine besonders schwere Brandstiftung gemäß § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB mit einer Strafuntergrenze von fünf Jahren gegeben ist; diese Bestimmung ist in den Vergleich nach § 2 Abs. 3 StGB einzubeziehen (vgl. zu § 306 b Abs. 1 StGB BGH NJW 1999, 299, 300):
Der Grundtatbestand des § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist erfüllt, da der Angeklagte vorsätzlich ein nach seiner baulichen Beschaffenheit einheitliches – gemischt genutztes – Gebäude, das auch der Wohnung eines Menschen diente, in Brand gesetzt und – jedenfalls teilweise – zerstört hat. Er handelte auch in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen, nämlich den Betrug zum Nachteil der Versicherungen.
Zwar wird in der Literatur zum Teil – mit Unterschieden im Detail – die Auffassung vertreten, nach der Vorstellung des Täters müßten die spezifischen Auswirkungen der gemeingefährlichen Situation die Begehung der anderen Tat begünstigen (Tröndle/Fischer aaO § 306 b Rdn. 8 f.; Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 306 b Rdn. 4; Geppert Jura 1998, 597, 564; Hecker GA 1999, 332; Mitsch ZStW 111, 65, 114; vgl. zu § 307 Nr. 2 StGB a.F.: BGHSt 38, 309; 40, 251). Dem kann indes nicht gefolgt werden (so auch Radtke, Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte [1998], S. 332 ff.; ders. ZStW 110, 848, 876 f.; Stein in Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz [1998] 4. Teil Rdn. 67; Maurach/Schroeder/Maiwald Strafrecht BT Teilband 2 8. Aufl. § 51 Rdn. 30; Krey, Strafrecht BT I 11. Aufl. Rdn. 765 a; Ellbogen Jura 1998, 483, 488; wohl auch Bayer in Schlüchter, Bochumer Erläuterungen zum 6. Strafrechtsreformgesetz § 306 b Rdn. 4).
Wie der eindeutige Wortlaut und die Anknüpfung auch an den Absatz 2 des § 306 a StGB ergeben, setzt § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB eine Steigerung und Ausnutzung der brandbedingten Gemeingefahr nicht voraus (Radtke aaO S. 335). Vielmehr erfordert die Bestimmung nur, daß der Täter bei seiner – in § 306 a StGB näher umschriebenen – Tathandlung das Ziel verfolgt, die Begehung der anderen Straftat, für die ihm die Brandstiftung nicht als notwendiges Mittel erscheinen muß, zumindest zu erleichtern (vgl. zu § 307 Nr. 2 StGB a.F. BGHSt 40, 106 und zu § 211 StGB BGHSt 39, 159, 161; BGH NStZ 1996, 81; 1998, 352, 353 zum beabsichtigten Betrug z.N. der Lebensversicherung; Jähnke in LK 10. Aufl. § 211 Rdn. 9). Der besondere Unwert der schweren Brandstiftung, „um eine andere Straftat zu ermöglichen”, liegt darin, daß sie der Begehung kriminellen Unrechts dienen soll. Die erhöhte Verwerflichkeit ergibt sich aus der Bereitschaft, zur Durchsetzung krimineller Ziele ein abstrakt (§ 306 a Abs. 1 StGB) oder konkret (§ 306 a Abs. 2 StGB; vgl. BGH NStZ 1999, 32, 33) gefährliches Brandstiftungsdelikt zu begehen, mithin aus der Verknüpfung von Unrecht mit weiterem Unrecht durch den Täter (vgl. Wolters JR 1998, 271, 274; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 211 Rdn. 31). Auf diese Verknüpfung zwischen dem Handeln des Brandstifters und dem von ihm verfolgten Zweck der Ermöglichung muß sich die Absicht des Täters beziehen; im Hinblick auf den tatbestandlichen Erfolg des Grunddelikts und der Folgetat genügt grundsätzlich dolus eventualis (BGH, Beschluß vom 10. Juni 1999 - 4 StR 60/99; vgl. ferner BGHSt 40, 106 zu § 307 Nr. 2 StGB a.F.; 39, 159 f. und 41, 359, 360 zu § 211 StGB; Radtke, Die Dogmatik der Brandstiftungsdelikte [1998], S. 336, 345; Tröndle/Fischer aaO § 306 b Rdn. 10).
Dies wird durch die ständige Auslegung der §§ 211 und 315 Abs. 3 Nr. 1 b StGB n.F. (= 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB a.F.) bestätigt. Der Wortlaut des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB entspricht vollständig diesen Vorschriften; auf deren Auslegung kann daher zurückgegriffen werden. Demgegenüber ist das Merkmal des „Ausnutzens” in § 307 Nr. 2 StGB a.F. entfallen, so daß eine einschränkende Auslegung nicht mehr möglich ist (so auch Stein aaO).
Dem entspricht die Gesetzgebungsgeschichte: Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verwies für das Verständnis des § 306 a Nr. 2 E auf § 315 Abs. 3 Nr. 2 StGB (a.F.) und begründete die Herabsetzung des Strafrahmens auf fünf Jahre damit, daß die – im weiteren Gesetzgebungsverfahren unverändert gebliebenen – Qualifikationsmerkmale weiter gefaßt seien als in § 307 Nr. 2 StGB a. F. (BTDrucks. 13/8587 S. 49). Auf den Einwand des Bundesrates, die Mindeststrafe sei „unangemessen hoch”, zumal der Tatbestand keine minder schweren Fälle vorsehe, hielt die Bundesregierung an ihrem Vorschlag fest, da sie die Wertung des Bundesrates nicht teilte (BTDrucks. 13/8587 S. 70, 88). Dies hat sich der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages zu eigen gemacht (vgl. BTDrucks. 13/9064 S. 22); im Gesetzgebungsverfahren ist die Regelung sodann nicht mehr in Frage gestellt worden. Bei dieser Sachlage vermag der Hinweis auf die hohe Strafdrohung (Tröndle/Fischer aaO) – zumal diese gegenüber § 307 Nr. 2 StGB a.F. deutlich abgesenkt ist – die geforderte restriktive Auslegung nicht zu tragen. Zudem verlangt die mit dem 6. StrRG angestrebte Harmonisierung der Strafrahmen (BTDrucks. 13/8587 S. 18) eine deutliche Anhebung gegenüber der in den §§ 315 Abs. 3 Nr. 1 b, 315 b Abs. 3 StGB vorgesehenen Strafuntergrenze von einem Jahr, da diese Bestimmungen auch den Fall bloßer Sachgefahren einschließen.
Diese Auslegung des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB hat auch Gründe der Systematik für sich. Das Erfordernis eines nahen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs zwischen der Brandsituation und der anderen Straftat (so Tröndle/Fischer, Lackner/Kühl und Geppert, jeweils aaO) ließe für die gleichrangig in § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB vorgesehene Verdeckungsabsicht nur einen außerordentlich schmalen Anwendungsbereich. Das zu § 307 Nr. 2 StGB a.F. vertretene – gegenläufige – systematische Argument, auch § 307 Nr. 1 StGB a.F. verlange einen solchen Zusammenhang (BGHSt 40, 251, 256), hat keine Bedeutung mehr, weil § 306 c StGB die Voraussetzung eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs hat entfallen lassen; auf eine entsprechende Einschränkung in § 306 b Abs. 2 Nr. 1 StGB ist bewußt verzichtet worden (BTDrucks. 13/8587 S. 11 f., 13/9064 S. 22).
Die Anwendung des § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB auf einen Fall wie den hier zu beurteilenden wird auch durch die Neuregelung der §§ 265 und 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB nicht ausgeschlossen; ein Vorrang dieser Tatbestände – etwa unter dem Gesichtspunkt der Exklusivität oder einer Gesetzeskonkurrenz – besteht nicht. Die in der vorbeschriebenen Verknüpfung nach Auffassung des Gesetzes liegende besondere Unrechtssteigerung wird nicht durch die §§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5, 265 StGB n.F. abschließend erfaßt oder abgegolten. Dagegen spricht schon, daß § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB keinen echten Straftatbestand, sondern nur eine Strafzumessungsregel enthält, die – und das auch nur für den Regelfall – zudem nur einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zehn Jahren vorsieht; sie bleibt damit – in Umkehrung der gesetzgeberischen Wertung – noch hinter dem Grundtatbestand des § 306 a StGB zurück. Eine mildere Beurteilung des „Versicherungsbetrugs” bezweckt die Neuregelung ohnehin nicht (BGH NStZ-RR 1998, 235 [3. Strafsenat]; NStZ 1999, 32, 33; 243, 244; BGH, Beschlüsse vom 25. Juni 1998 - 1 StR 254/98 und vom 20. Mai 1999 - 4 StR 718/98; a. A. Hecker aaO). Einem im Verhältnis zu diesem gesteigerten Unrecht solcher Handlungen, die eine Gemeingefahr auszulösen vermögen, ist durch Anwendung des jeweils einschlägigen gemeingefährlichen Delikts – hier §§ 306 a Abs. 1 Nr. 1, 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB – Rechnung zu tragen (so BTDrucks. 13/9064 S. 20).
cc) Die knappen Feststellungen zum versuchten Betrug zum Nachteil der Versicherungen gemäß §§ 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB lassen keinen durchgreifenden Rechtsfehler erkennen. Daß das Landgericht nicht geprüft hat, ob der Angeklagte mehrere Täuschungshandlungen vorgenommen hat (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 234), beschwert ihn nicht. Auch die ungenauen Feststellungen zur Frage, wer Versicherungsnehmer hinsichtlich der verschiedenen Versicherungsverträge war, hat hier nicht die Aufhebung des Urteils zur Folge: Entweder war dies der Angeklagte persönlich, oder er handelte als (einziger) persönlich haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft; bei Gesamthandsverhältnissen führt bereits die vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalles durch einen Gesamthänder zum – vollständigen – Ausschluß der Zahlungspflicht des Versicherers gemäß § 61 VVG (BGH NStZ 1992, 437; BGH, Urteil vom 19. Dezember 1995 - 1 StR 606/95; Tiedemann in LK 11. Aufl. § 265 Rdn. 29), so daß die in § 263 StGB vorausgesetzte Absicht nicht fraglich ist.
c) Bei der nach allem zutreffenden Anwendung des alten Rechts hat der Angeklagte sich der schweren Brandstiftung in Tateinheit mit Versicherungsbetrug sowie des versuchten Betrugs gemäß §§ 306 Nr. 2 a.F., 265 Abs. 1 a.F., 263 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.
Auf die von der Revision vertretene Auffassung, daß in Fällen des Übergangsrechts nach Inkrafttreten des 6. StrRG als Ergebnis des gemäß § 2 Abs. 3 StGB erforderlichen „Mildevergleichs” entgegen der bisherigen Rechtsprechung (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 235; NStZ 1999, 32, 33; 243, 244) § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB n.F. jedenfalls dann nicht Anwendung finden kann (vielmehr § 265 StGB n.F. anzuwenden sei), wenn es sich um zwei Taten im prozessualen Sinne handelt, kommt es hier nach allem nicht an. Zum einen bilden die Brandstiftung und der durch sie vorbereitete Betrug zum Nachteil einer Versicherung – wie dargelegt – eine prozessuale Tat; zum anderen wäre die Anwendung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB n.F. bei dem gebotenen Gesamtvergleich hier ohnehin (wegen des hinzutretenden § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB n.F.) ausgeschlossen.
5. Einer Änderung des Schuldspruchs bedarf es nicht. Durch die unzutreffende Verurteilung wegen schwerer Brandstiftung in Tateinheit mit versuchtem Betrug gemäß den §§ 306 Nr. 2 StGB a.F., 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 n.F., 22, 23 Abs. 1 StGB ist der Angeklagte nicht beschwert.
Auch der Strafausspruch kann bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, daß sich die Annahme von Tateinheit und die Anwendung von § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB n.F. im Ergebnis zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt haben. Den Schuldumfang hat das Landgericht zutreffend bestimmt. Entgegen der Auffassung der Revision erfaßt § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 5 StGB n.F. zwar nicht die Betriebsunterbrechungsversicherung (Tröndle/Fischer aaO § 263 Rdn. 54); das betrügerische Erstreben von Vermögensfolgeschäden kann nur nach dem Grundtatbestand des § 263 Abs. 1 StGB gewürdigt werden. Es spricht aber nichts dafür, daß die Strafkammer dies übersehen haben könnte, zumal sie ohnehin die Einzelstrafe nach § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB dem § 306 Nr. 2 StGB a.F. zu entnehmen hatte und im Blick auf den Betrug die Versuchsmilderung des § 23 Abs. 2 StGB hervorgehoben hat.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Tolksdorf, Kuckein, Athing, Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 540884 |
BGHSt |
BGHSt, 211 |
NJW 2000, 226 |
JR 2000, 425 |
NStZ 2008, 203 |
Nachschlagewerk BGH |
wistra 2000, 67 |
JA 2000, 361 |
NJ 1999, 584 |
NJ 2000, 101 |
VersR 2000, 1423 |
StV 2000, 133 |
StraFo 2000, 53 |
LL 2000, 479 |