Leitsatz (amtlich)
a) Der durch den Konkurs über das Vermögen des Beklagten unterbrochene Rechtsstreit kann von dem Kläger aufgenommen werden, wenn er darauf verzichtet, mit dem streitbefangenen Anspruch am Konkurs teilzunehmen.
b) Sittenwidrig handelt, wer in der Zwangsversteigerung ein verbreitetes Mißverständnis über die Bedeutung von Ausgeboten mit Zahlungsfristen (§§ 60, 61 ZVG) zu eigenem Vorteil und zum Nachteil der übrigen Beteiligten planmäßig einsetzt.
Normenkette
BGB § 826; ZPO § 240; ZVG §§ 60-61, 134
Verfahrensgang
OLG Köln (Urteil vom 01.03.1977) |
LG Köln |
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Schlußurteil des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. März 1977 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Revision fallen dem Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die klagende Bank verlangt Schadensersatz für den Ausfall mit ihren Grundschulden in der Zwangsversteigerung eines Grundstücks, den nach ihrer Meinung der Beklagte mit Schädigungsvorsatz sittenwidrig herbeigeführt hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
In dem Versteigerungsverfahren (AG Bensberg 9 K 64/69), das von der Sparkasse K. wegen einer Grundschuld von 55.000 DM betrieben wurde und an dem die Klägerin mit vier nachrangigen Grundschulden über je 50.000 DM sowie wegen Vollstreckungskosten von 8.581,84 DM beteiligt war, war Versteigerungstermin auf den 22. Februar 1972 festgesetzt. Am Tag zuvor bot der Beklagte der Grundstückseigentümerin, Frau M., und ihrem Ehemann als in Zwangsversteigerungsangelegenheiten besonders bewandert seine Hilfe an und ließ sich Bietungsvollmacht für ihre damals noch minderjährige Tochter Monika geben. Am selben Tag erwarb er mit Hilfe der Volksbank in B. von der Sparkasse K. deren Grundschuld dergestalt, daß die Volksbank einen vorrangigen Teilbetrag von 35.000 DM, er selbst den nachrangigen Teilbetrag von 20.000 DM erhielt. Im Versteigerungstermin meldete er dieses Recht an, verbunden mit dem Antrag, das Grundstück gemäß §§ 60, 61 ZVG mit Zahlungsfristen auszubieten, im Falle eines Gegenantrags es sowohl mit wie ohne Zahlungsfristen auszubieten und die Sicherheitsleistung des Zahlungspflichtigen Dritten auf nur 10 % festzusetzen.
Der Gegenantrag wurde gestellt. Der Rechtspfleger des Vollstreckungsgerichts setzte die Sicherheitsleistung auf 100 % fest. Daraufhin beantragte der Beklagte, das Grundstück auch wie folgt auszubieten: Bei dem Ausgebot mit Zahlungsfristen mit einer Sicherheitsleistung des Zahlungspflichtigen Dritten in Höhe von 10 % und bei allen Ausgeboten mit einer 10 % igen Verzinsung des Meistgebots bis zum Verteilungstermin, Dieser Antrag wurde zugelassen.
Das geringste Gebot wurde auf 4.238,90 DM und das Mindestgebot auf 199.500 DM festgesetzt sowie festgestellt, daß keine Rechte bestehen blieben.
Auf das Ausgebot ohne Zahlungsfristen bot ein Bieter D. 275.000 DM. Nunmehr erklärte der Beklagte, er habe die V.bank abgelöst. Deren Vertreter bestätigte dies und bewilligte die Einstellung des Verfahrens, soweit es von ihr betrieben wurde. Infolgedessen mußte das geringste Gebot neu festgesetzt werden; als bestehenbleibend wurde nunmehr die Grundschuld der Volksbank über 35.000 DM und der bar zu zahlende Teil des geringsten Gebots auf 10.347 DM festgestellt. Das Gebot des D. erlosch. Sodann bot der Beklagte namens der von ihm vertretenen Monika M. auf das Ausgebot mit Zahlungsfristen 200.000 DM, danach 250.000 DM, wovon 25 % im Verteilungstermin, je weitere 25 % 4 bzw. 6 bzw. 9 Monate nach dem Verteilungstermin gezahlt werden sollten. Zugleich übernahm er die Zahlungspflicht als Dritter in Höhe der von ihm erworbenen Grundschuld von 20.000 DM. Weitere Gebote wurden nicht abgegeben.
Am 25. Februar 1972 erteilte der Rechtspfleger der Monika M. den Zuschlag und erklärte den Beklagten wegen eines Betrags von 20.242,61 DM nebst Zinsen für zahlungspflichtig (§ 82 ZVG).
Im Verteilungstermin vom 27. März 1972 wurde die Teilungsmasse wie folgt festgesetzt:
a) |
Bar zu zahlender Teil |
3.676,40 DM |
|
ins geringste Gebot fallende Ansprüche |
6.127,54 DM |
b) |
Forderung gegen den Zahlungspflichtigen Dritten |
23.592,61 DM |
Der Beklagte vereinbarte mit der Ersteherin das Bestehenbleiben seiner Grundschuld von 20.000 DM; die V.bank erklärte sich in Höhe von 6.127,54 DM, der Beklagte in Höhe von 3.592,61 DM für befriedigt. Dadurch verminderte sich die Teilungsmasse auf 3.676,40 DM, so daß die Klägerin bei der Verteilung völlig ausfiel. Ihre Beschwerde gegen den Teilungsplan wies das Landgericht zurück.
Der Beklagte trat demnächst die Sicherungshypothek über 250.000 DM, die gemäß § 134 ZVG für seine Forderung gegen die Ersteherin eingetragen worden war, an Dritte ab, die inzwischen gegen sie die Zwangsvollstreckung betreiben.
Die Klägerin nimmt den Beklagten, der nach Klageerhebung in Konkurs gefallen ist, auf Ersatz ihres auf 208.581,84 DM bezifferten Ausfalls in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr stattgegeben. Mit seiner Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
A.
Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der durch Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Beklagten unterbrochene Rechtsstreit (§ 240 ZPO) von der Klägerin wirksam aufgenommen worden ist, nachdem sie auf Teilnahme am Konkurs ausdrücklich verzichtet hat. Auch die Revision geht davon aus.
Allgemein ist anerkannt, daß § 12 KO einen Konkursgläubiger nicht daran hindert, seine Forderung gegen den Gemeinschuldner außerhalb des Konkurses zu verfolgen, wenn er auf Beteiligung am Konkurs verzichtet (BGHZ 25, 395, 397 ff; Mentzel/Kuhn KO 8. Aufl. § 12 Rdz. 5; nunmehr auch Jaeger/Lent KO 8. Aufl. § 12 Anm. 5). Im Schrifttum umstritten ist allerdings, ob solcher Verzicht auch zur Fortsetzung eines bei Konkurseröffnung bereits schwebenden Prozesses gegen den Gemeinschuldner genügt. Die Vertreter der ablehnenden Meinung berufen sich auf den Wortlaut des § 240 ZPO. Danach dauert die Unterbrechung des Verfahrens an, bis es nach den für den Konkurs geltenden Vorschriften aufgenommen oder das Konkursverfahren aufgehoben wird (Jaeger/Lent a.a.O. Anm. 4 m.w.Nachw.; Thomas/Putzo ZPO 10. Aufl. § 240 Anm. 3 b cc).
Der Bundesgerichtshof hat jedoch bereits in BGHZ 25, 397, wo diese Frage ausdrücklich offengelassen wurde, auf das unbefriedigende Ergebnis hingewiesen, wenn der Konkursgläubiger in solchen Fällen ungeachtet seines Verzichts an die Weiterverfolgung seiner Klageforderung im Konkurs gebunden sein würde. Auch der erkennende Senat hält eine solche Beschränkung der Rechtsverfolgung für ungerechtfertigt. Nicht nur wird der Konkursgläubiger in aller Regel die Vorteile des Konkursverfahrens nur aus wohl erwogenen Gründen preisgeben, sondern es sind auch keine schutzwürdigen Interessen der übrigen am Konkurs Beteiligten ersichtlich, die dies verlangen könnten. Insbesondere erwirbt er durch die Fortsetzung des gegen den Gemeinschuldner anhängigen Prozesses keine Vollstreckungsvorteile, da er aus einem so erstrittenen Titel erst nach Beendigung des Konkurses vollstrecken kann (§ 14 KO). Die Bestimmung des § 240 ZPO fordert aber auch solche Beschränkung nicht; sie will nur der besonderen Lage verfahrensrechtlich Rechnung tragen, in der sich das Vermögen des Gemeinschuldners nach der Konkurseröffnung befindet. Deshalb setzt sie schon nach ihrem Wortlaut voraus, daß das Verfahren „die Konkursmasse betrifft”. Bleibt diese durch die Rechtsverfolgung unberührt, weil der Konkursgläubiger auf eine Teilnahme am Konkurs verzichtet hat, so „betrifft” die Fortsetzung des Verfahrens die Konkursmasse nicht; das Hindernis für die weitere Betreibung der anhängigen Klage ist dann entfallen. Deshalb kann der Konkursgläubiger nach erklärtem Verzicht den unterbrochenen Rechtsstreit aufnehmen (so schon RGZ 86, 394, 397; ebenso: Rietschel LM Nr. 1 zu KO § 12; Mentzel/Kuhn a.a.O.; Stein/Jonas/Pohle ZPO 19. Aufl. § 240 Anm. IV 3; Wieczorek ZPO 2. Aufl. § 240 Anm. 10 I; Zöller ZPO 11. Aufl. § 240 Anm. 2; Schulz MDR 1969, 20, 21; Stech ZZP 77, 161, 212).
B.
Die Revision des Beklagten kann keinen Erfolg haben.
I. Das Berufungsgericht hält die Forderung der Klägerin nach § 826 BGB für begründet. Es erwägt dazu: Der Beklagte habe durch sein Auftreten in der Versteigerung unter Verstoß gegen die guten Sitten vorsätzlich bewirkt, daß die Klägerin mit ihren Grundschulden und Kostenforderung, wegen derer sie sonst befriedigt worden wäre, ausgefallen sei. Sein Plan sei von Anfang an darauf angelegt gewesen, aufgrund seiner genauen Kenntnis des Verfahrens die Klägerin „auszutricksen” und die ihn beauftragende Grundstückseigentümerin und deren Familie zu hintergehen. Unter Mißbrauch seiner formalen Rechtsposition und durch Verwirrung der Beteiligten mit einer Vielzahl teils namens der von ihm vertretenen Monika M. teils im eigenen Namen abgegebener Erklärungen habe er es verstanden, das schon abgegebene Gebot über 275.000 DM, das zur Entschuldung der Grundstückseigentümerin ausgereicht haben würde, zu Fall zu bringen, um sich selbst auf Kosten der übrigen Gläubiger und der Ersteherin des Grundstücks eine Sicherungshypothek von 250.000 DM an dem Grundstück zu verschaffen. Er habe damit den Zweck der Zwangsversteigerung, durch die Erzielung eines möglichst hohen, dem Grundstückswert entsprechenden Gebotes die vollständige Deckung der Lasten zu erreichen, vorsätzlich vereitelt.
II. Im Ergebnis wehrt sich die Revision hiergegen ohne Erfolg.
Die Beurteilung der Vorwürfe gegen den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des § 826 BGB ist nicht schon deshalb verwehrt, weil die Klägerin mit sachlichen und verfahrensrechtlichen Einwänden gegen die Ordnungsmäßigkeit der Versteigerung und des Zuschlags ausgeschlossen ist, nachdem der Zuschlagsbeschluß vom 25. Februar 1972 rechtskräftig geworden ist (BGHZ 53, 47, 50; BGH Urteile vom 19. Oktober 1959 – VII ZR 68/58 = BB 1960, 65 und vom 19. März 1971 – V ZR 153/68 = NJW 1971, 1751). Es ist anerkannt, daß auch der – äußerlich – durch einen rechtskräftig gewordenen Zuschlag bewirkte Schaden unter den Voraussetzungen des § 826 BGB ersetzt werden muß, wenn der Zuschlag durch ein unlauteres Verhalten bei der Versteigerung erschlichen worden ist (so schon RGZ 69, 277, 280; Senatsurteile vom 14. Juli 1954 – VI ZR 99/53 = LM BGB § 826 [Gi] Nr. 2 und vom 21. Februar 1961 – VI ZR 99/60 = NJW 1961, 1012, 1013; BGH Urteil vom 9. Dezember 1964 – V ZR 66/63 = WM 1965, 203).
Ebensowenig ist das Verhalten des Beklagten in der Versteigerung schon darum, wie dies die Revision vertritt, dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit entzogen, wenn er sich dafür – formal – auf das Zwangsversteigerungsgesetz berufen kann. Denn dieses erlaubt wie jede Rechtsordnung nur einen mit den guten Sitten zu vereinbarenden Gebrauch seiner Rechte (BGHZ 3, 94, 103). Wer sich über das Sittengebot hinwegsetzt, handelt ohne Recht; diese Schranke ist allen Rechten immanent.
Ein Verstoß gegen die guten Sitten ist dem Beklagten vorzuwerfen, weil er planmäßig die freie Konkurrenz unter den Bietern ausgeschaltet hat, um sich zum Schaden der übrigen an der Versteigerung Beteiligten Vermögensvorteile zu verschaffen. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, daß der Beklagte damit das Ziel der gesetzlichen Regelung der Zwangsversteigerung unterlaufen hat.
1. Die Verfahrensregeln der Zwangsversteigerung sind auf die Konkurrenz der Bieter ausgerichtet. Sie sollen gewährleisten, daß das Versteigerungsgrundstück zu einem seinem Wert möglichst entsprechenden Gebot zugeschlagen und auf diesem Wege möglichst wertrichtige Deckung für die auf ihm ruhenden Lasten erreicht werden kann. Dem steht nicht, wie die Revision meint, entgegen, daß das Gesetz die dem Betreibenden vorgehenden Rechte durch ihre Aufnahme in das geringste Gebot (§ 44 ZVG; sog. Deckungsgrundsatz) und die Belastung des Erstehers mit ihnen (§ 52 Abs. 1 ZVG; sog. Übernahmegrundsatz) besonders sichert, im übrigen aber die nichtbestehen bleibenden Belastungen nur nach ihrem Rang am Versteigerungserlös teilnehmen läßt (§§ 10 ff, 105 ff ZVG). Der Gedanke, daß eine möglichst die Interessen aller durch die Versteigerung Betroffener sichernde, wertentsprechende Verwertung erreicht werden soll, ist auch nicht etwa erst durch die Regelung der §§ 74 a, 74 b ZVG über das Mindestgebot (sog. 7/10-Grenze) in das Gesetz eingeführt worden. Es ist vielmehr ein seit jeher anerkanntes Anliegen des Gesetzes (vgl. RG JW 1907, 201 Nr. 5; 1933, 425 Nr. 4 HRR 1929 Nr. 98; Senatsurteil vom 21. Februar 1961 = a.a.O.; BGH Urteil vom 9. Dezember 1964 = a.a.O.).
Diesem Zweck soll auch die Regelung der §§ 60, 61 ZVG über die Zulassung von Geboten dienen, die abweichend von § 49 Abs. 1 ZVG (sog. Grundsatz des Bargebotes) vom Ersteher nicht schon im Verteilungstermin in voller Höhe bezahlt werden müssen, sondern für die über diesen Termin hinausgehenden Zahlungsfristen bewilligt werden können (§ 60 ZVG; sog. Bieten auf „Zahlungszieler” oder „Versteigerung auf Zieler”; vgl. Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., Überschrift zu §§ 60, 61). Zum Schutz von Nachteilen gewährt § 61 ZVG einem hierdurch beeinträchtigten Beteiligten das Recht, zu verlangen, daß das Grundstück doppelt – mit und ohne Zahlungsfristen – ausgeboten wird. In diesem Fall wird der Zuschlag auf das Meistgebot mit Zahlungsfristen nur erteilt, wenn ein Dritter dafür einsteht, daß auf das Gebot schon im Verteilungstermin ein höherer Betrag gezahlt wird, als auf das höchste Gebot ohne Zahlungsfristen gezahlt werden müßte (§ 61 Abs. 1 Satz 2 ZVG; vgl. Jäckel/Güthe a.a.O. §§ 60, 61 Anm. 10). Ziel dieses auf eine badische und bayerische Rechtspraxis zurückgehenden Verfahrens ist es, auch denen, die nicht über sofort flüssige Mittel verfügen, das Ersteigern von Grundstücken zu ermöglichen und dem Zwischenhandel entgegenzuwirken (Hahn/Mugdan, Materialien zum Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung und zur Grundbuchordnung, 1897, S. 48 f). Es soll so den Kreis der Bieter erweitern und damit die Konkurrenz der Gebote im Interesse aller Beteiligten.
2. Die Bedeutung, die das Gesetz der Konkurrenz zwischen den Bietern beimißt, wird für das „Bieten auf Zahlungszieler” durch die Art und Weise unterstrichen, in der der Dritte, der sich zu Zahlungen auf das unter Zahlungsfristen abgegebene Gebot des Erstehers verpflichtet, in die Versteigerung einbezogen wird.
a) Wird auf dieses Gebot der Zuschlag erteilt, dann tritt die Forderung gegen den Dritten aus seiner Verpflichtungserklärung (§ 82 Halbsatz 2 ZVG) an die Stelle der Forderung gegen den Ersteher aus dessen Gebot, Nur noch diese Zahlungspflicht des Dritten bildet den Versteigerungserlös (§§ 61 Abs. 3, 134 ZVG; Steiner/Riedel ZVG 7. Aufl. §§ 60, 61 Anm. 5; § 134 Anm. 1; Jäckel/Güthe a.a.O. § 134 Anm. 2 a; Zeller ZVG 9. Aufl. § 61 Anm. 7). Das Gebot kommt nicht zur Verteilung; vielmehr erwirbt der Zahlungspflichtige Dritte die Forderung an dem Gebot; sie wird für ihn durch eine Sicherungshypothek an dem versteigerten Grundstück gesichert, wenn er die Zahlung im Verteilungstermin bewirkt hat (§ 134 ZVG). Diese Regelung des Gesetzes führt deshalb im allgemeinen dazu, daß die Teilungsmasse geringer ist als das Meistgebot. Denn der Zahlungspflichtige Dritte muß seine Intervention zugunsten des Bietenden der Höhe nach nicht diesem Gebot anpassen; § 61 Abs. 1 Satz 2 ZVG gestattet ihm nämlich einen Abzug zu machen. Die Forderung gegen den Dritten, auch wenn sie durch den Abzug gemindert ist, ersetzt das Gebot für die übrigen Beteiligten vollständig; sie allein ist der Versteigerungserlös. Ausfallende Gläubiger haben also keinen Anspruch auf den Betrag, um den das Gebot des Erstehers die vom Dritten übernommene und im Verteilungstermin geleistete Zahlung übersteigt. Wirtschaftlich kann der Vorgang als Diskontierung der Forderung gegen den Ersteher durch den Dritten angesehen werden; der Abzug ist die Gegenleistung für seine Bereitschaft, auf das mit Fristen ausgebrachte Gebot schon vor Fälligkeit zu zahlen (Dassler/Schiffbauer/Gerhardt ZVG 11. Aufl. § 61 Anm. 3; Krech/Fischer ZVG 10. Aufl. § 60 Anm. 2; Wolff ZVG 3. Aufl. § 61 Anm. 4; Zeller a.a.O. § 61 Anm. 6; Schmidt/Schmidt-Syaßen KTS 1975, 191, 193).
b) Diese Gefahr, daß infolge der Verringerung der Teilungsmasse durch den Abzug, der dem Dritten vom Meistgebot zufließt und ihm als „Gewinn” verbleibt, die Beteiligten beeinträchtigt werden, hat das Gesetz gesehen, aber geglaubt, ihr sei durch die Konkurrenz der Bieter ausreichend vorgebeugt. Deshalb hat es auf eine Vorschrift verzichtet, die den Abzug begrenzt; es geht davon aus, daß sich der Abzug im Vergleich der abgegebenen Gebote sachgemäß reguliert. Denn je höher der Dritte einen Abzug von dem mit Zahlungsfristen ausgebrachten Gebot macht, um so niedriger kann ein Gebot ohne Zahlungsfristen sein, um zum Zuge zu kommen: § 61 Abs. 1 Satz 2 ZVG stellt sicher, daß das Versteigerungsgericht bei Doppelausgebot dem Gebot den Zuschlag erteilt, auf das demnächst im Verteilungstermin am meisten bezahlt wird. Diese Sicherung wird den, der auf das Ausgebot mit Zahlungsfristen bietet, zu einem am Wert des Grundstücks ausgerichteten Gebot veranlassen und den ihn unterstützenden Dritten zu einem am Wert des Gebots ausgerichteten maßvollen Abzug, um nicht zu besseren Geboten ohne Zahlungsfristen anzureizen und um nicht andere Beteiligte zu bewegen, der Forderung gegen den Bieter mit einem niedrigeren „Diskontsatz” beizutreten. Auf diese Weise kann sie zu einem für alle Beteiligten wirtschaftlich vertretbaren Versteigerungsergebnis beitragen und dies auch dann, wenn, wie im Streitfall, auf das Ausgebot ohne Zahlungsfristen nicht geboten wird.
3. Die Funktion, die das Gesetz der Konkurrenz der Bieter im Versteigerungsverfahren zur Interessenwahrung zumißt, bleibt unerfüllt, wenn Teilnehmer an der Versteigerung es verstehen, die Konkurrenz auszuschalten, um den Umstand, daß das Gesetz der Regulierungskraft der Bieterkonkurrenz vertraut und deshalb von zusätzlichen Sicherungen abgesehen hat, zum Schaden der anderen Beteiligten für sich auszunutzen.
a) Wiederholt hat sich die Rechtsprechung mit Fällen befassen müssen, in denen zu solchem Zweck Absprachen getroffen worden sind, um die Konkurrenz unter den Bietern zu schwächen oder auszuschalten (pacta de non licitando), oder durch Scheingebote über Strohmänner die Konkurrenz verfälscht worden ist. Solches Vorgehen ist in aller Regel als sittenwidrig angesehen worden, weil es unter Mißachtung des Gesetzeszwecks die Beteiligten schutzlos macht, die hier auf Redlichkeit besonders angewiesen sind (RG JW 1904, 537 Nr. 5; 1933, 425, 426; RG HRR 1929 Nr. 1096, 1935 Nr. 664; Senatsurteil vom 21. Februar 1961 = a.a.O.; BGH Urteil vom 9. Dezember 1964 = a.a.O.). Der Gefahr solchen Mißbrauchs durch Einflußnahme auf den Wettbewerb ist das „Zielerprinzip” der §§ 60, 61 ZVG im besonderen Maß ausgesetzt. Diese Regelung kann den mit ihr nicht Vertrauten leicht dazu verführen, dem mit Zahlungsfristen ausgebrachten Gebot eine unzutreffende Bedeutung in der Verteilung beizulegen. In ihrer praktischen Anwendung wird oft nicht hinreichend deutlich, daß – anders als bei Geboten ohne Zahlungsfristen – Bietwillige weniger auf die Höhe des Gebots als auf die Höhe der von dem Dritten übernommenen Zahlungspflicht achten müssen, weil allein sie das Maß für das höchste Gebot und den dann zu verteilenden Erlös setzt. Wer die recht komplizierte, Mißverständnisse geradezu herausfordernde Regelung des Gesetzes besser beherrscht und auf die Unerfahrenheit der übrigen Bieter baut, kann sich das zunutzen machen (zu den Gefahren des „Zielerprinzips” allgemein Schmidt/Schmidt-Syaßen a.a.O. und Dassler/Schiffbauer/Gerhardt a.a.O. Anm. 3). Diese Gefahr kann erst durch eine Gesetzesänderung behoben werden, wie sie gegenwärtig auch angestrebt wird (vgl. BT-Drucks. 8/693 Art. 2 Nr. 5 und 21).
Es kann dahinstehen, ob sittenwidrig immer schon handelt, wer aus solchem Mißverständnis der Konkurrenz Vorteil zieht. Auch braucht der Senat sich nicht näher mit der Frage zu befassen, ob nicht trotz des Schweigens des Gesetzes jedenfalls sein Sinn dein sich für zahlungspflichtig erklärenden Dritten verbietet, einen höheren Abzug zu machen, als unter dem Gedanken einer Diskontierung der Forderung aus dem Gebot nach den durch ihre Realisierbarkeit und die Zahlungsfristen vorgegebenen Bewertungsfaktoren vertretbar ist (dazu auch OLG Hamm OLGZ 1975, 493, 494 = Rpfl 1975, 264). Daß der hier vom Beklagten gemachte Abzug von 90 % unter diesem Gesichtspunkt außer Verhältnis zu dem Gebot stand, zumal so seine Zahlungspflicht nicht einmal die nach den Versteigerungsbedingungen schon im Verteilungsverfahren zu entrichtende erste Rate von 25 % des Gebotes erreichte, hat das Berufungsgericht richtig gesehen. Ob aber bereits dieser Umstand einen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB tragen könnte, nachdem hierin für die Erteilung des Zuschlags kein Hindernis gesehen worden ist, mag immerhin zweifelhaft sein (vgl. dazu auch Schmidt/Schmidt-Syaßen a.a.O. S. 196).
b) Hier treten jedenfalls besondere Umstände hinzu, die den Vorwurf des Verstoßes gegen die guten Sitten begründet sein lassen. Denn der Beklagte hat sich selbst darum bemüht, die Kontrolle der Bieterkonkurrenz auszuschalten, um seinen Plan zu verwirklichen, mit geringem finanziellen Einsatz und zum Schaden anderer sich wirtschaftlich in den Besitz des Grundstücks zu bringen.
aa) Dazu dürfen seine Maßnahmen nicht, wie die Revision dies anstrebt, isoliert betrachtet werden. Daß er sich am Tag vor dem Versteigerungstermin durch Erwerb einer Teilgrundschuld die Stellung eines Beteiligten verschafft hat, um sich so Antragsrechte, insbesondere für ein Doppelausgebot nach § 61 ZVG, und damit die rechtliche Grundlage für seine Pläne zu verschaffen, würde ihm für sich gesehen nicht vorzuwerfen sein. Wenn das Berufungsgericht hier von einem verwerflichen „Sichhineindrängen” des Beklagten in das Zwangsversteigerungsverfahren spricht, will es damit offensichtlich auch nur sein Vorgehen im Blick auf seine unlauteren Absichten und ihre spätere Verwirklichung nach einem sittenwidrigen Gesamtplan kennzeichnen.
Das Berufungsgericht wirft dem Beklagten vor, durch die Vielzahl seiner Erklärungen die übrigen Teilnehmer an der Zwangsversteigerung verwirrt zu haben. Darin kann ihm nicht gefolgt werden. Zutreffend weist die Revision darauf hin, daß der Beklagte in diesem Verfahren nur zwei Anträge gestellt und zwei Gebote abgegeben hat. Gleichwohl bleibt die Würdigung des Berufungsgerichts richtig, nur liegt der Akzent auf dem Inhalt der Erklärungen des Beklagten. Durch die von ihm abgegebenen beiden Gebote über zunächst 200.000 DM, dann 250.000 DM sowie durch den für eine Diskontierung unverhältnismäßigen Abzug von 90 % bei der von ihm übernommenen Zahlungspflicht schuf er den-freilich durch die gesetzliche Regelung mitbegünstigten – Eindruck, ein wertangemessenes Gebot liege vor, dessen Erfüllung von ihm lediglich teilweise abgesichert werde. Von den Beteiligten wurde nicht erkannt, daß die Ersteherin aus ihrem Gebot von 250.000 DM nicht ihnen, sondern allein dem Beklagten verpflichtet wurde.
bb) Aber auch dann, wenn man all das im Sinn der Revision nicht ausreichen lassen wollte, um die Klageforderung zu stützen, so fällt jedenfalls zu Lasten des Beklagten entscheidend ins Gewicht, daß er nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Volksbank zur Bewilligung einer Einstellung des von ihr betriebenen Verfahrens bewogen hat (§ 30 ZVG), und zwar allein zu dem Zweck, das Gebot des D. ohne Zahlungsfristen über 275.000 DM zum Erlöschen zu bringen (§ 72 Abs. 3 ZVG). Denn nur dann, wenn kein Gebot ohne Zahlungsfristen abgegeben wurde, konnte er den Kontrollmechanismus des Gesetzes ausschalten und durch einen hohen Abzug den größten Teil der Forderung gegen die Ersteherin ungestört in seine Tasche fließen lassen. Dabei baute er darauf, daß die Teilnehmer unter dem Eindruck seiner Gebote in der wiedereröffneten Bieterstunde von eigenen Geboten absehen würden. Er lief zwar Gefahr, daß D. sein Gebot wiederholen würde, sofern dieser nicht – worüber das Berufungsurteil keine Feststellungen enthält – das Versteigerungslokal bereits verlassen hatte. Aber selbst bei Anwesenheit des D. konnte er damit rechnen, daß dieser sich durch die Gebote mit Zahlungsfristen von einer Erneuerung seines Gebotes abhalten ließ. Denn nun hatte sich das geringste Gebot um die bestehen bleibende Teilgrundschuld der Volksbank von 35.000 DM und ihre Kostenforderung von 6.108,10 DM erhöht. Daher hätte D. bei Wahrung seiner Wertvorstellungen nur ein Gebot von etwa 234.000 DM ausbringen können, mithin (nominell) weniger als das vom Beklagten ausgebrachte Gebot von zuletzt 250.000 DM.
Zwar macht die Revision geltend, der Beklagte habe keine Möglichkeit gehabt zu verhindern, daß D. nicht doch sein Gebot erneuerte und mit ihm gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 ZVG den Zuschlag erhalten hätte. Das ist zwar richtig, rückt jedoch das illoyale Verhalten des Beklagten nicht in ein anderes Licht. Denn um die Sicherung des § 61 Abs. 1 Satz 2 ZVG wirken zu lassen, bedarf es des richtigen Verständnisses der, wie oben schon bemerkt, Irrtümer geradezu herausfordernden Regelung. Auch daß der Beklagte für solche Irrtümer nicht verantwortlich ist, entlastet ihn nicht; ebensowenig der Umstand, daß jedenfalls die klagende Bank mit dem Gesetz besser vertraut hätte sein sollen. Wer weiß, daß seine Partner die Rechtslage falsch einschätzen, handelt illoyal, wenn er sie planmäßig in eine Lage führt, in der ihr Irrtum zu ihrem Nachteil und zu seinem Vorteil erst eigentlich wirksam wird. So hat sich hier der Beklagte verhalten. Er selbst hat, um die Nachteile für die übrigen Beteiligten wissend, den Regulierungsmechanismus des Gesetzes ausgeschaltet, der die Grundlage für die ihm vom Gesetz eingeräumten Befugnisse war. Dabei hat er sich Erfahrungen über die psychologische Wirkung von Geboten mit Zahlungsfristen aus früheren Verfahren zunutze gemacht, an denen er sich nach den unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts in ähnlicher Weise geradezu gewerbsmäßig beteiligt hat (vgl. die Beiakten 9 K 3/73 AG Siegburg und 18 K 77/69 AG Bensberg). Wer auf diese Weise ein verbreitetes Mißverständnis über die Bedeutung von Ausgeboten mit Zahlungsfristen zu eigenem Vorteil und zum Nachteil der übrigen Beteiligten durch sein Intervenieren planmäßig einsetzt, handelt sittenwidrig.
c) Der Beklagte könnte bei dieser Sachlage von dem Vorwurf der Sittenwidrigkeit allenfalls entlastet werden, wenn er der redlichen Überzeugung gewesen wäre, das Gesetz erlaube ihm dieses Vorgehen (RGZ 123, 271, 278 ff; 155, 234, 238; BGH Urteil vom 20. Juni 1963 – II ZR 185/61 = LM BGB § 826 (Gb) Nr. 21; RGRK-Haager 11. Aufl. § 826 Rdz. 12). Hierüber enthält das Berufungsurteil zwar keine Ausführungen, doch kann der Senat aufgrund der Feststellungen selbst eine solche Gesinnung des Beklagten verneinen. Wenn dieser geglaubt haben sollte, im Recht zu sein, so kann solche Einstellung nur auf grober Nichtachtung der schutzwürdigen Interessen der übrigen Teilnehmer an der Versteigerung beruht haben; sie hat der Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend bemerkt, „ausgetrickst”. Daß die Rechtsordnung nicht zu „Tricks” benutzt werden kann, die anderen Betroffenen ihre Rechte faktisch nehmen, liegt für jeden, der redlich ist, auf der Hand.
4. Den Schaden der Klägerin hat das Berufungsgericht zutreffend darin gesehen, daß sie mit ihren Rechten und Kostenforderungen in der Zwangsversteigerung zum Zuge gekommen wäre, wenn der Beklagte nicht das Gebot des D. über 275.000 DM zu Fall gebracht hätte. Diesen Schaden hat der Beklagte nach den Feststellungen des Tatrichters bewußt einkalkuliert.
Die Verfahrensrügen der Revision gegen die Zurückweisung des Schriftsatzes des Beklagten vom 31. Januar 1977 nach §§ 529 Abs. 2 a.F., 523, 229 ZPO a.F. als verspätet greifen nicht durch. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 565 a ZPO).
5. Im Ergebnis ist dem Berufungsgericht auch darin zuzustimmen, daß die Klägerin sich nicht einen Teil ihres Schadens nach § 254 BGB selbst zurechnen lassen muß. Zwar muß sie sich sagen lassen, daß sie als Bankinstitut, im Versteigerungstermin zudem anwaltlich vertreten, ihre Interessen achtsamer hätte wahren können und müssen. Indes liegt hier keine Fallgestaltung vor, für die die Rechtsprechung ausnahmsweise dem nach § 826 BGB Geschädigten Fahrlässigkeit zugerechnet hat (BGHZ 57, 137, 146 m.w.Nachw.; Senatsurteil vom 3. Februar 1970 – VI ZR 245/67 = WM 1970, 633, 637). Es wäre ein von § 254 BGB nicht bezwecktes Ergebnis, wenn der Beklagte, der seinen Plan gerade auch auf dem Irrtum der Klägerin aufgebaut hat, dieser vorhalten könnte, das Opfer seiner Arglist geworden zu sein (RGZ 69, 277, 281 m.w.N.).
Unterschriften
Dr. Weber, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Kullmann, Dr. Ankermann
Fundstellen
Haufe-Index 1502234 |
BGHZ, 234 |
BGHZ, ja (zu A) |
Nachschlagewerk BGH |