Leitsatz (amtlich)
a) Der Gesellschaftsvertrag einer Kommanditgesellschaft kann vorsehen, daß über die Erhöhung der Kapitalbeteiligungen durch Mehrheitsbeschluß der Gesellschafter entschieden wird. Eine solche Regelung ist auch ohne Festsetzung einer Obergrenze für die Kapitalerhöhung zulässig, wenn es sich um eine Gesellschaft handelt, die auf den Beitritt weiterer Kommanditisten zugeschnitten ist, der Beschluß nur das Recht zur erhöhten Kapitalbeteiligung begründet und dieses Recht jedem Kommanditisten entsprechend der Höhe seiner bisherigen Beteiligung eingeräumt wird.
b) Sieht in einem solchen Fall der Gesellschaftsvertrag allgemein die Schriftform für die Wirksamkeit von Vertragsänderungen und -ergänzungen vor, wird der vertragsändernde Beschluß über die Kapitalerhöhung schon durch seine Aufnahme in das privatschriftliche Protokoll über die Gesellschafterversammlung wirksam. Dies gilt nicht für die Wirksamkeit der verpflichtenden Erklärung des Kommanditisten, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen.
Normenkette
HGB § 119; BGB §§ 127, 125
Verfahrensgang
LG Itzehoe |
Schleswig-Holsteinisches OLG |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 17. Januar 1974 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revisionsinstanz – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist neben einer größeren Zahl von anderen Kommanditisten Gesellschafter der Klägerin, einer GmbH & Co. KG, die sich mit dem Erwerb, der Bebauung und Verwaltung von Grundstücken befaßt. Anfang 1969 hatte sich die finanzielle Lage der Klägerin in einer Weise entwickelt, daß die Fortführung der von ihr in Angriff genommenen Bauvorhaben nur gesichert werden konnte, wenn ihre Eigenkapitalbasis um 1,7 Mio. DM verbreitert wurde. Dementsprechend wurde in die Tagesordnung der auf den 10. Mai 1969 einberufenen Gesellschafterversammlung ein Punkt d): „Beschlußfassung über die Erhöhung des Kommanditkapitals” aufgenommen. Der Einladung war eine Kapitalbedarfs- und Liquiditätsberechnung mit dem Endbetrag von 1,7 Mio. DM beigefügt.
Der Gesellschaftsvertrag vom 31. März 1966, der in § 5 Abs. 6 eine Vollmacht für die persönlich haftende Gesellschafterin zur Aufnahme von Kommanditisten bis zu einem Gesamtbetrag des Kommanditkapitals von 4 Mio. DM enthält, schreibt in § 18 Abs. 1 die Schriftform für Änderungen und Ergänzungen des Vertrags vor und bestimmt in § 7 Abs. 1:
„Beschlüsse der Gesellschaft werden in allen Angelegenheiten, auch solchen von besonderer Bedeutung, auch hinsichtlich weiterer Kapitalerhöhungen, mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt, soweit das Gesetz nicht zwingend eine andere Mehrheit vorschreibt.”
Nach § 7 Abs. 3 ist jeder Gesellschafter berechtigt, sich in Gesellschafterversammlungen durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Bevollmächtigten vertreten zu lassen.
Das vom Geschäftsführer der Komplementär-GmbH unterzeichnete Protokoll vom 27. Mai 1969 über die Gesellschafterversammlung am 10. Mai 1969, deren formelle Ordnungsmäßigkeit nicht im Streit ist, hat der Beklagte am 28. Mai 1969 mit der Bitte erhalten, ein Exemplar unterzeichnet zurückzusenden; dieser Bitte kam er nicht nach. Das Protokoll geht unter Punkt d) auf den Kapitalbedarf der Klägerin ein, der wiederum mit 1,7 Mio. DM beziffert wird. Es folgt die Wiedergabe des mit Stimmenmehrheit – auch den Stimmen des Beklagten – gefaßten Gesellschafterbeschlusses über die Erhöhung des Kommanditkapitals um 1,7 Mio. DM = 41,7 %. Des weiteren hält das Protokoll fest, daß der Beklagte mit 41,7 % = 125.100 DM – fällig 1970 – an der Erhöhung teilnehme.
Die Parteien haben in der Folge über die Einzahlung des nach dem Protokoll vom Beklagten übernommenen Betrags ergebnislos korrespondiert und verhandelt. Der Beklagte bestreitet, daß er sich verbindlich zur Einzahlung verpflichtet habe. Er greift im übrigen die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses über die Erhöhung des Kommanditkapitals vor allem damit an, daß er nicht in der richtigen Form erfolgt sei und außerdem gegen § 181 BGB verstoße, denn der Mitgesellschafter B. habe an der Abstimmung zugleich für sich und in Vertretung anderer Kommanditisten teilgenommen.
Die Klägerin hat auf der Grundlage des behaupteten Einlageanspruchs von 125.100 DM nach Abzug von 8.150 DM, die dem Beklagten als Spesenersatz und Vergütung für seine Beiratstätigkeit zustehen, 116.950 DM nebst 10 % Zinsen seit 1. Januar 1971 eingeklagt.
Das Landgericht hat der Klage in der Hauptsache stattgegeben, unter Abweisung im übrigen aber nur 10 % Zinsen auf 6.950 DM seit 1. Januar 1971, auf weitere 60.000 DM seit 1. Januar 1972 und auf weitere 50.000 DM seit 5. Mai 1972 zugesprochen. Die Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Mit der Revision, der die Klägerin entgegentritt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klagabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
I. Bei Bestehen der Einlageforderung gegen den Beklagten wäre die Klägerin berechtigt, Leistung an sich zu verlangen. Zwar hat sie den Anspruch auf Zahlung der Kommanditeinlage an das Bankhaus Hermann L. KG & Co. als ihren Gläubiger abgetreten, was auch zulässig war (BGHZ 63, 338). Sie ist aber von dem Bankhaus wirksam ermächtigt worden, den Anspruch in eigenem Namen zu verfolgen. Entgegen der Ansicht der Revision fehlt es auch nicht an einem berechtigten eigenen Interesse der Klägerin, den Anspruch im Wege der Prozeßstandschaft für das Bankhaus geltend zu machen. Denn hierfür genügt schon, daß die Partei einen zuvor von ihr abgetretenen Anspruch verfolgt.
II. Das Berufungsgericht ist in nicht angreifbarer Weise davon ausgegangen, daß auf der Gesellschafterversammlung am 10. Mai 1969 eine Kapitalerhöhung um 1,7 Mio. DM beschlossen wurde, wodurch allerdings noch kein Kommanditistverpflichtet worden sei, seinen Anteil entsprechend zu erhöhen. Hierfür habe es zusätzlich einer Erklärung jedes einzelnen Kommanditisten bedurft, ob und in welcher Höhe er seinen Anteil aufstocke. Diese Auslegung, bei der Kapitalerhöhung zwei Schritte zu unterscheiden, ist möglich und hält sich im Rahmen des vorgetragenen Sachverhalts.
1. Der Gesellschafterbeschluß hat danach den Sinn, dasRecht auf Erhöhung der Einlage zu eröffnen, im konkreten Fall verbunden mit der Möglichkeit, insoweit neue Kommanditisten zuzulassen, als die Altgesellschafter das Recht auf Kapitalerhöhung nicht wahrgenommen haben (S. 10 des Prot. v. 27. 5. 1969).
a) Ein Beschluß über die Abänderung des Gesellschaftsvertrags erfordert nicht zwingend Einstimmigkeit, er kann auch mit Mehrheit gefaßt werden (BGHZ 8, 35, 39; 20, 363, 369). Hierzu muß allerdings im Gesellschaftsvertrag für jeden einzelnen Beschlußgegenstand, für den das Prinzip der Einstimmigkeit beseitigt werden soll, ein dahingehender Vertragswille eindeutig feststellbar sein, § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags genügt diesen Anforderungen. Zweifel können insoweit allenfalls bestehen, als keine Obergrenze für die Kapitalerhöhung bestimmt ist (vgl. Fischer in Großkomm. HGB § 119 Anm. 14 unter Hinweis auf RGZ 91, 166; 151, 327; 163, 385; BGHZ 8, 39 – s. auch die Entscheidung RGZ 87, 262, 265 f, auf die RGZ 91, 166 verweist). Eine solche Bestimmung ist aber dann entbehrlich, wenn – wie im vorliegenden Fall – es sich um eine Massengesellschaft handelt, die auf den Beitritt weiterer Kommanditisten eingerichtet ist, der Beschluß nur das Recht zur Teilnahme an der Kapitalerhöhung begründet und dieses Recht jedem Altkommanditisten entsprechend der Höhe seiner bisherigen Beteiligung eingeräumt wird. Wegen der Eigenart der Gesellschaft als Kapitalsammelbecken ist davon auszugehen, daß hier die Möglichkeit einer betragsmäßig nicht begrenzten Kapitalerhöhung durch Mehrheitsbeschluß und die damit möglicherweise eintretende Verschiebung der Beteiligungsverhältnisse dem Vertragswillen der Gesellschafter entspricht. Diese werden auch nicht einer unbegrenzten Nachschußpflicht unterworfen, die für sie unübersehbar wäre. Es nicht zu einer „schrankenlosen Unterwerfung” kommen zu lassen, ist aber der maßgebende Gesichtspunkt, der sonst in aller Regel gegen die Zulässigkeit derartiger Mehrheitsbeschlüsse spricht.
b) Unstreitig hat bei dem Kapitalerhöhungsbeschluß ein Gesellschafter für sich und in Vertretung anderer Gesellschafter mitgestimmt. Das Berufungsgericht verwirft ohne nähere Begründung die Auffassung des Beklagten, daß diese Stimmabgabe gegen § 181 BGB verstoßen habe; zumindest wäre ein unzulässiges Insichgeschäft dadurch geheilt worden, daß die betreffenden Gesellschafter ihren Erhöhungsbetrag eingezahlt haben. Dem ist im Ergebnis beizutreten. Die unbeschränkte Vollmachterteilung an einen Mitgesellschafter zur Stimmabgabe in einer bestimmten Gesellschafterversammlung, für die vertragsändernde Beschlüsse angekündigt worden sind, enthält, wenn nicht ausnahmsweise den Umständen etwas anderes zu entnehmen ist, die stillschweigende Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGBo Denn es wäre sowohl vom Standpunkt des Vollmachtgebers wie des Bevollmächtigten unvernünftig, beider Stimmabgabe dadurch in ihrer Wirksamkeit zu gefährden, daß sie gegen § 181 BGB verstößt. Für einen Ausnahmefall ist aus dem Sachverhalt nichts ersichtlich.
c) Der Gesellschafterbeschluß bedurfte zu seiner Wirksamkeit – entgegen der Ansicht der Revision – nicht der Schriftform im Sinne der Unterzeichnung durch die Gesellschafter (§§ 127, 126 BGB). § 18 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags („Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrags sind nur wirksam, wenn sie schriftlich erfolgen”) ist im Hinblick auf § 7 Abs. 1, der Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit zuläßt, so zu verstehen, daß für Vertragsänderungen und -ergänzungen durch Beschlüsse in einer Gesellschafterversammlung die Protokollierung als die solchen Vorgängen angemessene Form genügt. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß mit einer vom Versammlungsleiter (oder von einer zulässigerweise von ihm damit betrauten Person) unterzeichneten Niederschrift nicht dasjenige Maß von Rechtssicherheit und Gewißheit über die Rechtsbeständigkeit der beschlossenen Vertragsänderung herbeigeführt wird, wie das der Fall wäre, wenn alle Gesellschafter nach der Beschlußfassung durch eine Unterschrift ihre Zustimmung zum Ausdruck gebracht hätten; denn durch die bloße Protokollierung eines Beschlusses wird nicht ausgeschlossen, daß ein Gesellschafter nachträglich etwaige formelle Mängel, von denen die Wirksamkeit des Beschlusses abhängt, rügt oder etwa das Zustandekommen einer ausreichenden Mehrheit bezweifelt. Ein Sitzungsprotokoll bildet aber jedenfalls für die Gesellschaft, ihre Organe und für sämtliche an der Versammlung beteiligten und unbeteiligten Gesellschafter eine gesicherte Grundlage dafür, was nach Auffassung der Versammlungsleitung und der nicht widersprechenden anwesenden Gesellschafter tatsächlich beschlossen worden ist, und ein protokollierter Beschluß steht in der schriftlich niedergelegten Fassung als neuer Vertragsbestandteil fest, wenn alle Gesellschafter die Niederschrift nachträglich erhalten haben, niemand in angemessener Frist widersprochen hat und etwaige „Anfechtungs”-Rechte verwirkt sind. Diese „mindere” Auswirkung in Kauf zu nehmen, entspricht durchaus dem Sinn und Zweck einer – wie hier – für eine Massengesellschaft bestimmten und sehr allgemein gehaltenen Schriftformklausel. Denn wäre es zur Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses zusätzlich nötig, daß jeder Gesellschafter unterschreibt, dann müßte, bevor der Beschluß in die Tat umgesetzt werden kann, die Unterschrift auch des letzten Gesellschafters abgewartet und von all denen, die mit dem Beschluß nicht einverstanden oder auch nur desinteressiert sind, in höchst umständlicher Weise erst im Prozeßwege erzwungen werden. Eine derart unpraktikable Regelung kann dem Vertragswillen der Gesellschafter nicht unterstellt werden.
2. Dagegen rügt die Revision zu Recht, daß die bloße Protokollierung den Anforderungen der Schriftformklausel nicht genügt, soweit es sich um die Erklärung des Beklagten handelt, seine Einlage im Rahmen des „Kapitalerhöhungs”-Beschlusses um einen bestimmten Betrag zu erhöhen. Die besonderen Gründe, die für Mehrheitsbeschlüsse der Gesellschafter eine Niederschrift für ausreichend erscheinen lassen, können sämtlich für eine vertragsändernde Individualerklärung eines Gesellschafters, mit der er seine gesellschaftsvertraglichen Verpflichtungen erhöhen will, nicht ins Feld geführt werden. § 18 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags, wonach Vertragsänderungen der Schriftform bedürfen, ist daher hier, was auch allein dem Schutzbedürfnis des Gesellschafters entspricht und keinerlei praktische Schwierigkeiten mit sich bringt, im Wortsinne anzuwenden. Da der Gesellschaftsvertrag ausdrücklich dieWirksamkeit vertragsändernder Erklärungen an die Wahrung der Schriftform knüpft, ist der Beklagte durch seine mündliche Erklärung in der Gesellschafterversammlung und deren Protokollierung zur Zahlung einer erhöhten Einlage nicht verpflichtet worden.
3. Gleichwohl kann die Klage nach dem derzeitigen Streitstand nicht abgewiesen werden. Die Berufung auf den Mangel der Form kann im Einzelfall, wie in der Rechtsprechung in vielfältiger Weise angenommen worden ist, eine unzulässige Rechtsausübung sein. Ob das hier in Betracht kommt, läßt sich in der Revisionsinstanz nicht abschließend beurteilen, da die Parteien hierzu in den Tatsacheninstanzen nicht hinreichend Stellung nehmen konnten und das Berufungsgericht die Korrespondenz der Parteien und das sonstige Verhalten des Beklagten in der Zeit nach dem 10. Mai 1969 bisher nur teilweise und unter anderem rechtlichen Gesichtspunkt erörtert hat. Damit dies nachgeholt werden kann, ist die Sache zurückzuverweisen.
Soweit es darauf ankommt, wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, sich mit den übrigen Revisionsrügen gegen den Haupt- und Zinsanspruch zu befassen. Nicht schlüssig ist allerdings der Vortrag des Beklagten, die Klägerin habe durch „die vertretungsberechtigten Gesellschafter” auf die Einlageforderung verzichtet. Denn die Vertretungsmacht des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH hätte nicht einen Verzicht auf die gesellschaftsvertragliche Einlageforderung umfaßt.
Unterschriften
Stimpel, Dr. Schulze, Fleck, Dr. Bauer, Dr. Skibbe
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 24.11.1975 durch Kaufmann Justizassistentin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BGHZ |
BGHZ, 82 |
NJW 1976, 958 |
Nachschlagewerk BGH |
DNotZ 1976, 496 |