Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigungsanspruch wegen Vorenthaltung der Mietsache/Leasingsache als Masseschuld im Konkurs des Mieters/Leasingnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Ein Entschädigungsanspruch des Vermieters (Leasinggebers) aus BGB § 557 wegen Vorenthaltens der Miet-(Leasing-)sache nach Konkurseröffnung kann nur dann eine Masseschuld nach KO § 59 Abs 1 Nr 2 begründen, wenn das Miet-(Leasing-)verhältnis, auf dem er beruht, die Konkurseröffnung überdauert hat.
Normenkette
BGB § 557 Abs. 1; KO § 59 Abs. 1 Nrn. 2, 4
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 31. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Oktober 1992 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte ist Konkursverwalter über das Vermögen der s. Flugreisen GmbH (künftig: Gemeinschuldnerin). Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der Firma N. C. L. GmbH.
Zwischen dieser und der Gemeinschuldnerin kam am 28. Dezember 1988 ein Leasingvertrag über Computerhard- und -software zustande, die der Gemeinschuldnerin überlassen würden. Die monatlichen Leasingraten betrugen insgesamt 4.045,11 DM. Das Leasingverhältnis wurde durch die fristlose Kündigung der Klägerin vom 5. März 1991 beendet, nachdem die Gemeinschuldnerin Konkursantrag gestellt hatte. Die Leasinggegenstände verblieben bei der Gemeinschuldnerin. Die mit Schreiben der Klägerin vom 2. und 22. Mai 1991 geforderte Bestätigung, daß die Gegenstände herausgegeben würden, erteilte der Beklagte als damaliger Sequester nicht, sondern verwies darauf, daß sich die Klägerin an die Gemeinschuldnerin selbst wenden möge. Am 1. Juli 1991 ist über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Konkursverfahren eröffnet und der Beklagte zum Konkursverwalter bestellt worden. Nach einem an diesen gerichteten Aufforderungsschreiben vom 11. September 1991 erlangte die Klägerin die Leasinggegenstände Anfang Oktober 1991 zurück. Sie sind vom Beklagten als Konkursverwalter nicht genutzt worden.
Gestützt auf § 557 Abs. 1 BGB und eine in den Leasingvertrag einbezogene AGB-Klausel gleichen Inhalts beansprucht die Klägerin mit der vorliegenden Klage wegen Vorenthaltens der Leasingsache vom 1. Juli 1991 bis 30. September 1991 eine Entschädigung in Höhe dreier Leasingraten (= 12.135,33 DM) nebst Zinsen ab 1. September 1991 und kapitalisierte Zinsen für die Zeit vom 1. Juli 1991 bis 31. August 1991 in Höhe von 117,52 DM. Sie vertritt die Auffassung, die geltend gemachten Ansprüche seien Massenschulden im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Hiergegen richtet sich die – zugelassene – Revision der Klägerin.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, die von der Klägerin geltend gemachte Entschädigung sei nicht als Masseschuld aus der Konkursmasse zu berichtigen. Ansprüche aus § 557 BGB wegen Vorenthaltung der Leasingsache stellten nach herrschender Meinung zwar Masseschulden nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO dar, sofern das Leasingverhältnis erst nach Konkurseröffnung beendet worden sei. Gleiches gelte aber nicht, wenn – wie hier – dieses Verhältnis bereits vor Konkurseröffnung wirksam gekündigt worden sei und der Konkursverwalter das Leasingobjekt nicht für die Masse genutzt habe.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung und den Revisionsangriffen stand.
Der mit der Klage verfolgte Zahlungsanspruch könnte – vorbehaltlich des § 60 KO – nur Erfolg haben, wenn er als Masseschuld gemäß § 57 KO vorweg aus der Konkursmasse zu erfüllen wäre. Insoweit kommen hier allein die Privilegierungstatbestände des § 59 Abs. 1 Nr. 2 und 4 KO in Betracht. Deren Voraussetzungen sind indessen nicht erfüllt.
1. Nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO sind Masseschulden die Ansprüche aus zweiseitigen Verträgen, deren Erfüllung zur Konkursmasse verlangt wird oder für die Zeit nach Eröffnung des Verfahrens erfolgen muß. Zweck dieser Regelung ist es zu gewährleisten, daß derjenige, der seine vollwertige Leistung weiterhin zur Masse erbringen, sie dieser also zugute kommen lassen muß, auch ungeschmälert die dafür zu entrichtende Gegenleistung erhalten und nicht auf eine Konkursforderung beschränkt sein soll (vgl. BGHZ 72, 263, 265, 266).
a) Eine derartige Situation ist zwar gegeben, wenn bei noch laufendem Mietvertrag der Mieter nach Überlassung der Mietsache in Konkurs fällt. Solchenfalls muß der Vermieter, wie sich aus § 19 KO ergibt, bis zum Wirksamwerden einer eventuellen Kündigung oder der Beendigung des Vertrages durch Zeitablauf seiner vertraglichen Gebrauchsgewährungspflicht weiter nachkommen.
aa) Demgemäß hat er für diese nach Konkurseröffnung der Masse gegenüber zu erbringende Leistung auch Anspruch auf die volle Gegenleistung (§ 59 Abs. 1 Nr. 2 KO), nämlich den nach Konkurseröffnung fällig werdenden vertraglich vereinbarten Mietzins.
bb) Auch gilt entsprechendes, wenn das Mietverhältnis nach Konkurseröffnung beendet und dem Vermieter der Mietgegenstand vom Konkursverwalter vorenthalten wird, für den hierdurch entstehenden Entschädigungsanspruch aus § 557 Abs. 1 BGB. Dieser vertragsähnliche Anspruch gewährt einen Ausgleich dafür, daß der Mieter (Konkursverwalter) die Nutzungsmöglichkeit der Mietsache gegen den Willen des Vermieters behält. Er tritt an die Stelle des entfallenen Mietzinsanspruchs und ist deshalb wie dieser als Masseschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO einzuordnen (BGHZ 90, 145, 151 m.w.Nachw.).
cc) Der reinen Miete insoweit konkursrechtlich gleichzubehandeln sind Leasingverträge der vorliegenden Art. Deren Beurteilung richtet sich in erster Linie nach Mietrecht. Demgemäß finden auf sie mangels diesbezüglicher leasingtypischen Besonderheiten insbesondere § 19 KO (vgl. dazu BGHZ 71, 189, 191 ff; Hess, KO, 4. Aufl., § 19 Rdnr. 3, 4) mit der Rechtsfolge aus §§ 57, 59 Abs. 1 Nr. 2 KO und § 557 Abs. 1 BGB (dazu Senatsurteil vom 22. März 1989 – VIII ZR 155/88 = WM 1989, 742) Anwendung.
b) Den dargestellten Erfordernissen, unter denen der Vermieter (Leasinggeber) Zahlung einer Entschädigung nach § 557 Abs. 1 BGB als Masseschuld im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO beanspruchen kann, ist im zu entscheidenden Fall aber nicht genügt. Das Leasingverhältnis, aus dem die Klägerin den geltend gemachten Anspruch herleitet, wurde bereits vor Konkurseröffnung beendet. Ein zu diesem Zeitpunkt laufender Miet-(Leasing-)vertrag, der bis zu einer eventuellen Kündigung oder einer Beendigung durch Zeitablauf zunächst weiterhin hätte erfüllt werden müssen, war also nicht mehr vorhanden. Demgemäß konnten auch keine Entgeltansprüche der Klägerin – sei es in Form von Leasingraten oder einer an deren Stelle tretenden Entschädigung nach § 557 Abs. 1 BGB – als Masseverbindlichkeiten im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO entstehen, weil diese Vorschrift – wie ausgeführt – gerade voraussetzt, daß das Miet-(Leasing-)verhältnis zur Zeit der Konkurseröffnung noch besteht, vom Konkurs also erfaßt wird und der Vermieter (Leasinggeber) daher nach Maßgabe des § 19 KO die ihm obliegende Leistung nach Konkurseröffnung zur Masse fortgewähren muß. Das entspricht – jedenfalls im Ergebnis – einhelliger Meinung (vgl. Eckert, ZIP 1983, 770, 775; Hess aaO, § 19 Rdnr. 6 und § 59 Rdnr. 87; Jäger/Henckel, KO, 9. Aufl., § 19 Rdnr. 8 und Rdnr. 44; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 10. Aufl., § 19 Rdnr. 18 a; Kilger, KO, 15. Aufl., § 19 Anm. 9 unter Hinweis auf Beyer, BB. 1951, 546).
Ob sich die Leasinggegenstände, worauf die Revision das Schwergewicht ihrer Begründung legt, nach Konkurseröffnung in der ausschließlichen Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Beklagten befunden haben und dieser mit Konkurseröffnung in die Verpflichtung der Gemeinschuldnerin aus § 556 BGB, die Leasinggegenstände zurückzugeben, eingetreten ist, ist demgegenüber unerheblich und kann daher auf sich beruhen. Masseschulden konnten dadurch nicht entstehen, zumal der Beklagte die Leasinggegenstände nicht für die Masse nutzte. Der in diesem Zusammenhang geäußerten Ansicht der Revision, der Beklagte müsse sich wegen nicht sofortiger Rückgabe der Leasingsache so behandeln lassen, als hätte er gemäß § 17 KO die „weitere” Erfüllung des Leasingvertrages verlangt, und demgemäß den geltend gemachten Anspruch aus § 557 Abs. 1 BGB als Masseschuld nach § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO erfüllen, vermag allein schon deshalb nicht gefolgt zu werden, weil das Erfüllungsverlangen des Konkursverwalters nach § 17 KO einen bestehenden Vertrag voraussetzt. Darüberhinaus kann der Konkursverwalter im Konkurs des Mieters, dem, wie hier, die Mietsache zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens überlassen war, selbst bei noch laufendem Miet-(Leasing-)vertrag dessen Erfüllung nicht gemäß § 17 KO fordern; die Fortdauer der Erfüllungspflicht des Vermieters (Leasinggebers) richtet sich in einem solchen Falle vielmehr ausschließlich nach § 19 KO.
2. Der Klageanspruch ist auch nicht nach § 59 Abs. 1 Nr. 4 KO als Masseschuld zu behandeln. Die danach erforderliche rechtlose Bereicherung der Masse wäre hier nur zu bejahen, wenn der Beklagte den Leasinggegenstand für die Masse genutzt hätte (vgl. Wolf/Eckert, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 6. Aufl., Rdnr. 433). Das war indessen unstreitig nicht der Fall.
Fundstellen
Haufe-Index 538046 |
BB 1994, 239 |
NJW 1994, 516 |
ZIP 1993, 1874 |
Lwowski / Tetzlaff 2002 2002, 399 |