Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Kommanditisten auf Mitteilung von Jahresabschlüssen mit Eintritt eines Nacherbfalls
Normenkette
BGB § 2111; HGB § 166 Abs. 1; BGB § 242
Tenor
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil des 12. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 23. Juni 1981 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, Auskunft über ihre Gewinne und Verluste durch Vorlage von Bilanzen aus der Zeit vor dem 31. Dezember 1954 zu erteilen. Insoweit wird die Berufung der Klägerin und ihrer während des Revisionsverfahrens verstorbenen Schwester Hedwig gegen das Urteil der Kammer 13 für Handelssachen des Landgerichts Hamburg vom 3. Januar 1980 zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens werden zu 1/4 der Klägerin und zu 3/4 der Beklagten zu 1 auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin hatte den Rechtsstreit gemeinsam mit ihrer Schwester Hedwig begonnen. Diese ist während des Revisionsverfahrens verstorben und von der Klägerin beerbt worden. Die Klägerin und ihre Schwester hatten schon vorher gemeinsam ihren im Jahre 1958 verstorbenen Bruder Johannes beerbt. Die Klägerin nimmt für sich in Anspruch, aus eigenem Recht und als Erbin ihrer beiden vorgenannten Geschwister Nacherbin des Kaufmanns Albert S. sen. und damit Kommanditistin der F. A. S. KG - der Beklagten zu 1 und Revisionsklägerin, nachfolgend als "Beklagte" bezeichnet - geworden zu sein. Sie verlangt von ihr - nur das ist Gegenstand des Revisionsverfahrens - Auskunft über ihre Gewinne und Verluste seit 1931 durch Vorlage der jeweiligen Jahresbilanzen, soweit sie ihr nicht bereits vorliegen, auf Grund folgenden Sachverhalts:
Albert S. sen. hatte das Gesellschaftsunternehmen gemeinsam mit seinem Bruder August S. betrieben. Er hatte unter dem 29. Oktober 1930 in einem notariellen Testament unter anderem bestimmt:
1.
Zu meinen Erben setze ich meinen Sohn Albert S. zu 7/10, meinen Neffen Willi N. ... zu 2/10 und meine langjährige Mitarbeiterin Frau Wilhelmine B. zu 1/10 ein. Ich treffe dabei die Teilungsanordnung, daß Herr N. und Frau B. lediglich Bruchteile von meinem Geschäftsanteil ... erhalten ...
...
6.
Nach dem Ableben meines Sohnes sollen seine ehelichen Nachkommen meine Erben auf dasjenige werden, was dann noch übrig sein wird.
7.
Hinterläßt mein Sohn keine ehelichen Nachkommen, so sollen an deren Stelle meine Nacherben werden:
1.
meine Schwester Frau Alma G., an deren Stelle im Falle ihres Ablebens ihre ehelichen Nachkommen (Anm.: zu denen die Klägerin gehört), mit 35 %,
2.
meine Schwester Frau Elisabeth D., an deren Stelle im Falle ihres Ablebens ihr Pflegesohn Raymund B. tritt, mit 10 %,
3.
mein zu 1 genannter Neffe N. mit 25 %,
4.
meine zu 1 genannte Mitarbeiterin Frau B. mit 15 %,
5.
mein Bruder August S. mit 15 %.
Dabei treffe ich die Teilungsanordnung, daß die zu 2. bis 5. genannten Nacherben, soweit vorhanden, lediglich Bruchteile des Geschäftsanteils an der Firma F.A. S. erhalten ...
August S. hatte gleichfalls Nacherben eingesetzt und zur (nicht befreiten) Vorerbin seine Ehefrau Ida bestimmt. Albert S. sen. starb am 18. März 1931, sein Bruder am 17. Juli 1932. Im Jahre 1936 wurde das Ausscheiden von Albert S. jun. aus der Gesellschaft im Handelsregister eingetragen. Durch Vertrag vom 5. September 1939 wurde jedoch das Unternehmen "auch nach außen hin im Handelsregister wieder formell in eine offene Handelsgesellschaft umgewandelt, indem ... Albert S. wieder in das Geschäft eintrat" .
Ida S., die Vorerbin nach August S., starb am 2. Mai 1944. Darauf wurden die Nacherben von August S. Gesellschafter, unter ihnen auch Albert S. jun., die Klägerin und ihre Geschwister. Durch Vertrag vom 28. Juli 1949 wurden die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen neu geregelt. Dabei wurde Albert S. jun., der im Kriege vermißt war, sowohl als Vorerbe nach seinem Vater wie auch als Nacherbe nach seinem Onkel von seiner Generalbevollmächtigten Frau B. vertreten. Er war nunmehr nach der Einleitung zum Vertrag zu 62,5 % beteiligt, davon zu 12,5 % als Nach- und zu 50 % als Vorerbe. Persönlich haftende Gesellschafter wurden er und Raymund B.. Die übrigen Nacherben nach August S. wurden Kommanditisten.
Durch Beschluß vom 28. Oktober 1961 wurde Albert S. jun. mit Wirkung vom 31. Dezember 1954 für tot erklärt. Er wurde zu je 1/2 von seiner Generalbevollmächtigten Wilhelmine B. und Olga K. beerbt, auf die auch die Gesellschafterstellung überging, die er als Nacherbe nach August S. erlangt hatte. Die Klägerin und ihre Schwester - ihr Bruder war schon verstorben - schieden als Nacherben nach August S. durch Anteilsübertragung an den persönlich haftenden Gesellschafter B. am 7. April 1967 aus der verklagten Gesellschaft aus. Sie erstrebten seitdem aber ihre Anerkennung als Gesellschafter-Nacherben (Kommaditisten) nach Albert S. sen. Um den Umfang der Nacherbschaft feststellen zu können, müßten sie, so machen sie geltend, die Ertragsentwicklung seit dem Tode von Albert S. sen. bis zum Eintritt des Nacherbfalls kennenlernen. Für die Zeit danach verlangen sie die Jahresabschlüsse, um die jetzige Höhe ihres Kommanditanteils und die seit dem 1. Januar 1955 auf sie entfallenen Gewinne berechnen zu können.
Das Landgericht hat die Klage, die gegen die Gesellschaft auf Auskunftserteilung und Gewinnauszahlung gerichtet ist, abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Klägerin (und ihrer bei Urteilserlaß noch lebenden Schwester) Auskunft über Gewinn und Verlust seit dem 19. März 1931 durch Vorlage der jeweiligen Jahresbilanz mit Ausnahme derjenigen für die Jahre 1944, 1948, 1952 bis 1956 und 1963 bis 1966 (die die Klägerin besitzt und deshalb nicht mehr verlangt) zu erteilen.
Mit der Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht nimmt an, die Klägerin und ihre Schwester seien als Nacherben von Albert S. sen. mit Eintritt des Nacherbfalls unmittelbar Kommanditisten der verklagten Gesellschaft geworden; deshalb hätten sie Anspruch gegen die Beklagte auf Mitteilung der Jahresabschlüsse bis zurück zum Tode des Erblassers im Jahre 1931. Die dagegen gerichtete Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit die Klägerin die Bilanzen für die Zeit vor dem Eintritt des Nacherbfalls (31.12.1954) verlangt; im übrigen ist sie unbegründet.
1.
Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin und ihre verstorbene Schwester seien Nacherben nach Albert S. sen. geworden, ist rechtlich nicht angreifbar. Der Revision ist insbesondere nicht einzuräumen, daß sich das Berufungsgericht noch ausdrücklich mit der Frage hätte befassen müssen, ob nicht die Klägerin nur Vermächtnisnehmerin sei, weil sie der Erblasser nur mit einem einzelnen Gegenstand des Nachlasses bedacht habe. Dies trifft nämlich nicht zu. Weder für Albert S. jun. noch für die im Jahre 1940 verstorbene Mutter der Klägerin, Frau Alma G., läßt sich eine derartige Einschränkung feststellen. Die Bestimmung, daß einzelne Erben oder Nacherben "lediglich Bruchteile des Geschäftsanteils an der Firma" erhalten sollten, ist sowohl in Nr. 1 wie auch in Nr. 7 des Testaments nur für andere Personen getroffen worden.
2.
Die Klägerin kann allerdings Gesellschafterrechte als Nacherbin nur geltend machen, wenn der Gesellschaftsvertrag eine Nachfolgeklausel enthielt. Für den - nicht vorliegenden - Gesellschaftsvertrag, der im Jahre 1931 galt, ist das jedoch mit dem Berufungsgericht anzunehmen, weil sich die jeweiligen Gesellschafter entsprechend verhalten haben: in der Zeit vor 1931, indem die beiden damaligen Gesellschafter Albert S. sen. und August S. in ihren Testamenten Erben und Nacherben unter ausdrücklicher Erwähnung ihrer Firmenanteile eingesetzt haben; in der Zeit nachher, indem die dann Beteiligten die Gesellschaft ohne weiteres mit den Erben fortgesetzt haben. Gegenteilige tatsächliche Anhaltspunkte, auf die sich die Revision berufen könnte, sind weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Parteivortrag zu entnehmen. Ist danach von einer Nachfolgeklausel im Jahre 1931 bei Eintritt des Vorerbfalls auszugehen, so kann dem Gesellschaftsvertrag von 1949, in dem allerdings nur allgemein von "Erben" eines Gesellschafters als Nachfolger die Rede ist, nicht entnommen werden, daß man damit die bereits anwartschaftsberechtigten Nacherben als Nachfolger hätte ausschließen wollen.
3.
Einen durchgreifenden Einwand dagegen, daß die Klägerin kraft Nacherbrechts die Mitgliedschaft in der Kommanditgesellschaft erworben hat, kann die Revision auch daraus nicht herleiten, daß Albert S. jun. von 1936 bis 1939 im Handelsregister als ausgeschieden geführt wurde. Wäre dieser damals wirklich aus der Gesellschaft ausgeschieden, was nicht abschließend geklärt ist, würde sich die Vorerbschaft mit Rücksicht auf § 2111 BGB zunächst am Abfindungsanspruch und später an dem unter dessen Rückumwandlung in eine Einlage neu entstandenen Gesellschaftsanteil fortgesetzt haben. Ob dabei das Gesellschaftsverhältnis, wie die Revision meint, "auf eine neue Grundlage gestellt worden" ist, kann auf sich beruhen. Zwar muß der Nacherbe solche Veränderungen, solange darin keine unentgeltliche Verfügung im Sinne des § 2113 Abs. 2 BGB liegt, gegen sich gelten lassen; die Anwartschaft auf den in seiner Substanz erhalten gebliebenen Gesellschaftsanteil verliert er dadurch aber nicht.
4.
Die Behauptung der Beklagten, der Gesellschaftsanteil, den die Klägerin beansprucht, sei schon bald nach dem Tode von Albert S. sen. durch Verluste aufgezehrt worden, ist unerheblich. Selbst wenn das Kapitalkonto bis zum Nacherbfall negativ gewesen wäre, hätte das weder die Mitgliedschaft des Vorerben noch die weitere Vererblichkeit des Gesellschaftsanteils berührt (Senatsurteil v. 21.12.1970 - II ZR 258/67 = WM 1971, 556 unter III A 4, insoweit in BGHZ 55, 267 nicht abgedruckt). Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu diesem Punkte braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Dessen weitere Auffassung, die Klägerin sei - entsprechend ihrer Ansicht - Kommanditistin geworden und habe insofern nicht die Rechtsstellung des Vorerben (als eines persönlich haftenden Gesellschafters) behalten, beruht auf einer naheliegenden, revisionsrechtlich jedenfalls nicht angreifbaren tatrichterlichen Auslegung der Nr. 9 des Gesellschaftsvertrages vom 28. Juli 1949.
5.
Als Kommanditistin hat die Klägerin seit Eintritt des Nacherbfalls Anspruch auf abschriftliche Mitteilung der jährlichen Abschlüsse einschließlich Gewinn- und Verlustrechnung (§ 166 Abs. 1 HGB). Sollte sie diese, wie die Beklagte behauptet, das Berufungsgericht allerdings nicht ausdrücklich festgestellt hat, bis zum Jahre 1966 durchweg erhalten haben, so hätte die Beklagte diesen Anspruch zwar bereits erfüllt. Dennoch kann die Klägerin eine erneute Mitteilung verlangen, soweit sie nicht mehr im Besitz der Bilanzen ist. Das ergibt sich aus § 242 BGB und dem Umstand, daß die Klägerin sie zur Durchsetzung ihrer Rechte benötigt, weil sich die Beklagte bislang beharrlich geweigert hat, mit ihr über die ihr zustehenden Gewinne aus dem früher Albert S. sen. gehörenden Anteil abzurechnen.
Dagegen gibt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Grund, dessentwegen die Beklagte verpflichtet sein könnte, der Klägerin auch noch die Jahresabschlüsse aus der Zeit vor dem Eintritt des Nacherbfalles vorzulegen. Als Kommanditistin hat die Klägerin auf Gewinne aus dieser Zeit keinen Anspruch, weil sie den Anteil erst mit dem Nacherbfall erworben hat. Als Nacherbin kann sie solche Gewinne, soweit diese noch nicht entnommen worden und noch entnahmefähig sein sollten, nicht beanspruchen, weil sie dem Vorerben und nach dessen Todeserklärung dessen Erben gebühren (BGHZ 78, 177, 188). Zur Feststellung des Kommanditanteils selbst genügt der Klägerin die Bilanz zum 31.12.1954, deren rechnerische Korrektheit sie nicht bezweifelt hat. Verfügungen, die von dem Vorerben zugunsten der Gesellschaft oder der Mitgesellschafter unentgeltlich getroffen worden und den Nacherben gegenüber unwirksam wären (§ 2113 Abs. 2 BGB), hat die Klägerin nicht behauptet, so daß es nicht darauf ankommt, ob solche den Jahresabschlüssen überhaupt hätten entnommen werden können. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Vorerbe den Gesellschaftsanteil durch Entnahmen, sonstige Maßnahmen oder Unterlassungen im Widerspruch zu den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Verwaltung der Erbschaft (§ 2130 ff BGB) geschmälert hat und dies aus den alten Bilanzen ersichtlich sein könnte. Abgesehen davon, daß Albert S. jun. von der Beachtung dieser Grundsätze seinen Nacherben gegenüber durch das Testament befreit gewesen sein dürfte (§ 2137 BGB), würde sich ein etwaiger Ersatzanspruch der Klägerin ohnehin nicht gegen die Beklagte, sondern gegen die Erben des Vorerben richten; auch aus diesem Gesichtspunkt läßt sich mithin nicht herleiten, daß die Klägerin die früheren Bilanzen zur Wahrnehmung ihrer Rechte gegenüber der Beklagten braucht.
Allerdings ist Albert S. jun. nicht nur seit 1931 als Vorerbe nach seinem Vater, sondern seit dem Tode von Ida Sening im Jahre 1944 auch - zu 12,5 % - als Nacherbe nach August S. an der Gesellschaft beteiligt gewesen. Dieser Umstand hätte an sich geeignet sein können, der Klägerin bei der Ermittlung ihres Anteils Schwierigkeiten zu bereiten. Für Albert S. jun. sind aber schon im Gesellschaftsvertrag vom 28. Juli 1949 zwei getrennte Kapitalkonten ausgewiesen worden, ein persönliches und ein den Nachlaß Albert S. sen. betreffendes. Daß von dieser getrennten Kontoführung vor 1954 abgewichen worden wäre, behauptet die Klägerin nicht. Die von ihr beanstandete Umbuchung vom "Nachlaß" auf das persönliche Kapitalkonto ist erst zum 31. Dezember 1956 erfolgt. Sollte die Beklagte später geltend machen, diese Umbuchung sei berechtigt gewesen, so müßte sie das darlegen. Auch unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt benötigt die Klägerin darum die früheren Bilanzen nicht.
6.
Danach ist das Urteil des Landgerichts wiederherzustellen, soweit es den Anspruch der Klägerin und ihrer Schwester auf Bilanzen aus der Zeit vor 1954 abgewiesen hat, wahrend die Revision im übrigen zurückgewiesen werden muß.
Bei der Kostenentscheidung hat der Senat das Interesse der Klägerin an den Bilanzen aus der Zeit vor 1954 nur mit 1/3 desjenigen an den späteren Bilanzen bewertet.
Unterschriften
Stimpel
Dr. Schulze
Fleck
Dr. Kellermann
Brandes
Fundstellen