Verfahrensgang
OLG Celle (Urteil vom 26.02.1993) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 26. Februar 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt die Zustimmung des Beklagten zur Freigabe eines hinterlegten Grundschuldbriefs.
Mit Vertrag vom 8. Mai 1980 verpachtete der Beklagte ein Grundstück in B. mit Geflügelmastställen auf die Dauer von 30 Jahren an die C.-F. C. G. GmbH (im folgenden C.-F.). Dieser stand ein Kündigungsrecht nach zehn Jahren zu. Sie war berechtigt, auf ihre Kosten auf dem Pachtgrundstück einen weiteren Geflügelmaststall zu errichten. Der Pachtvertrag enthält folgende Regelungen:
„§ 9
Besicherung von Neu- und Erweiterungsbauten
Die Pächterin ist berechtigt, auf dem Pachtgrundstück Neu- und Erweiterungsbauten vorzunehmen. Die Kosten dafür trägt die Pächterin.
Da diese Bauten in das Eigentum des Verpächters übergehen, wird der Verpächter für diese Werte zugunsten der Pächterin eine dingliche Sicherheit in Form einer Grundschuld nebst bis zu 15 % Jahreszinsen auf dem Pachtgrundstück bestellen.
Diese Grundschuld wird ohne die persönliche Haftung des Eigentümers bestellt … Es soll also nicht der Verpächter persönlich haften, sondern ausschließlich das Pachtgrundstück …
Von demjenigen Betrag, der von der Pächterin für Neubauten aufgewendet wird und der dem Verpächter genau nachzuweisen ist, gilt pro Pachtjahr 1/30 als getilgt …
Die Pächterin ist berechtigt, zum Zwecke der Erlangung einer entsprechenden Finanzierung die für sie eingetragenen Grundschulden nebst Zinsen an eine Bank abzutreten.
§ 10
Pachtende
Das Pachtobjekt ist bei Beendigung der Pachtzeit in ordnungsgemäßem Zustand zurückzugeben. Einrichtungen, mit denen die Pächterin das Pachtobjekt versehen hat, können von ihr entfernt werden. In diesem Fall ist die Pächterin verpflichtet, den Zustand bei Pachtbeginn auf ihre Kosten wieder herzustellen. Auf Verlangen des Verpächters sind diese jedoch dem Verpächter zum Zeitwert zu überlassen …”
Zugunsten der C.-F. wurde am 17. Oktober 1980 auf dem Pachtgrundstück eine Briefgrundschuld in Höhe von 2 Millionen DM nebst 15 % Jahreszinsen im Grundbuch eingetragen. Zum Zweck der Finanzierung der Errichtung des weiteren Geflügelmaststalls trat die C.-F. die Grundschuld am 15. September 1981 an die K.sparkasse B. ab.
Im September 1984 brachte die C.-F. als Kommanditistin im Wege der Sacheinlage ihren Geschäftsbetrieb „mit allen Aktiva und Passiva” in die neu gegründete klagende Kommanditgesellschaft ein. Am 22. November 1984 übertrug die C.-F. der L. & Co. AG (im folgenden L. & Co.) im Wege der Verschmelzung ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten.
Am 16. März 1990 kündigte die Klägerin den Pachtvertrag. Dieser wurde daraufhin zum 30. September 1990 beendet. Der Beklagte verlangte erfolglos die Beseitigung der von der Pächterin errichteten Bauten. Nach Vertragsende verpachtete er das Grundstück weiter.
Die K.sparkasse B. hinterlegte am 18. Juni 1991 den Grundschuldbrief unter Verzicht auf Rückgabe bei dem Amtsgericht Bremervörde.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Grundschuld sichere einen ihr als Rechtsnachfolgerin der C.-F. zustehenden Ausgleichsanspruch in Höhe von 1.333.333 DM wegen der baulichen Maßnahmen auf dem Pachtgrundstück. Daraus ergebe sich ihr Anspruch auf den hinterlegten Grundschuldbrief. Vorsorglich stützt sie den Klageanspruch auf eine Abtretung der L. & Co. vom 13. Juni 1991.
Der Beklagte hält sich nicht für ausgleichspflichtig. Er beziffert den Zeitwert der Aufbauten der Pächterin auf höchstens 600.000 DM.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte den Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe Anspruch auf Abgabe der Freigabeerklärung aus § 812 BGB, weil der Beklagte seine aufgrund der Hinterlegung bestehende Rechtsstellung auf Kosten der Klägerin als der wahren Berechtigten erlangt habe.
2. Die Revision rügt diese Ausführungen mit Recht als fehlerhaft.
Die Klägerin sei Rechtsnachfolgerin der C.-F. geworden; anderenfalls seien die Rechte der C.-F. jedenfalls infolge von deren Verschmelzung mit der L. & Co. auf diese übergegangen und von dieser der Klägerin abgetreten worden. Die Grundschuld über 2 Millionen DM sichere eine Entschädigung der Pächterin jedenfalls in Höhe des Zeitwerts der baulichen Einrichtungen bei Rückgabe. Die Klägerin sei nach § 952 Abs. 2 BGB Eigentümerin des Grundschuldbriefs.
Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Im Fall der Hinterlegung zugunsten mehrerer Gläubiger steht dem wirklichen Inhaber des Rechts gegen die anderen Prätendenten ein materiell-rechtlicher Anspruch aus § 812 BGB auf Einwilligung in die Freigabe zu (BGHZ 35, 165, 170; 109, 240, 244; BGH, Urteil vom 7. März 1972 – VI ZR 169/70 = NJW 1972, 1045). Dieser setzt nicht voraus, daß der klagende Prätendent bei der Hinterlegung als Berechtigter benannt worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 28. April 1952 – IV ZR 122/51 = LM Nr. 1 zu § 142 BGB; Bülow/Mecke/Schmidt, HinterlO 3. Aufl. § 13 Rdn. 11 f.).
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ergibt sich der Anspruch der Klägerin jedoch nicht aus § 952 Abs. 2 BGB. Die Klägerin ist nicht Eigentümerin des hinterlegten Grundschuldbriefs. Gemäß § 952 Abs. 2, Abs. 1 BGB steht das Eigentum am Grundschuldbrief dem Gläubiger der Grundschuld zu. Dies ist die K.sparkasse B. Unstreitig sind die Zahlungen an diese auf deren Forderung, nicht auf die Grundschuld geleistet worden. Für eine konkludente Abtretung der Grundschuld an die Forderungsprätendenten bei der Hinterlegung, wie sie die Revisionserwiderung annehmen will, ist dem Sachvortrag der Parteien nichts zu entnehmen. Sie würde zudem daran scheitern, daß die für die Abtretungserklärung des Grundschuldgläubigers erforderliche Schriftform gemäß § 1192 Abs. 1, § 1154 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gewahrt wäre.
II.
Das Berufungsurteil läßt sich bei dem derzeitigen Sach- und Streitstand auch nicht auf andere als die vom Berufungsgericht genannten Gründe stützen.
1. Die Klägerin hat allerdings einen schuldrechtlichen Rückgewähranspruch gegen die K.sparkasse B. Das Berufungsgericht hat sich mit dem Parteivortrag nicht unter diesem Gesichtspunkt befaßt. Dies kann der Senat, der das Parteivorbringen frei und selbständig auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom 12. März 1991 – XI ZR 85/90 = NJW 1991, 1683), nachholen, weil weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind.
a) Der C.-F. stand gegen die K.sparkasse B. aus der mit dieser getroffenen Sicherungsabrede ein vertraglicher, durch den Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingter Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld zu. Diesen Anspruch hat die C.-F. mit der Einbringung ihres Geschäftsbetriebs auf die Klägerin übertragen. Die aufschiebende Bedingung für die Rückgewähr ist mit der Tilgung der gesicherten Verbindlichkeiten bei der K.sparkasse B. eingetreten.
b) Der Anspruch auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld ist nach Wahl des Sicherungsgebers auf Abtretung der Grundschuld, deren Aufhebung oder den Verzicht auf diese gerichtet (Erman/Räfle BGB 9. Aufl. § 1191 Rdn. 27; Soergel/Konzen BGB 12. Aufl. §§ 1191, 1192 Rdn. 42). Die Klägerin hat das Wahlrecht ausgeübt; unstreitig hat sie von der Kreissparkasse Bremervörde die Abtretung der Grundschuld verlangt. Damit kann sie neben der schriftlichen Abtretungserklärung die Übergabe des Grundschuldbriefs verlangen (§ 1192 Abs. 1, § 1154 Abs. 1 Satz 1 BGB).
c) Dem Beklagten steht gegen die Kreissparkasse Bremervörde kein Anspruch aus § 1192 Abs. 1, § 1169 BGB auf Verzicht auf die Grundschuld zu. Die vorzeitige Beendigung des Pachtvertrages, aus der der Beklagte die Unzulässigkeit einer Inanspruchnahme aus der Grundschuld herleitet, kann er der K.sparkasse B. nicht entgegenhalten, weil sich dieser Tatbestand erst nach der Abtretung der Grundschuld an diese verwirklicht hat (vgl. BGHZ 85, 388, 391).
2. Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands läßt sich jedoch nicht ausschließen, daß dem Klagebegehren der Einwand des Rechtsmißbrauchs (§ 242 BGB) entgegensteht. Das könnte dann der Fall sein, wenn – wie der Beklagte geltend macht – die Grundschuld im Verhältnis zwischen ihm und der Pächterin keine Ansprüche mehr sichert.
a) Da die Grundschuld zugunsten der C.-F. gemäß § 9 Abs. 2 des Pachtvertrags bestellt worden ist, stand dem Beklagten ein Rückgewähranspruch gegen die C.-F. unter der aufschiebenden Bedingung des Wegfalls des Sicherungszwecks zu. Die gesicherten Ansprüche sind im Pachtvertrag nicht konkretisiert; sie sollten jedoch ihren Grund darin haben, daß die in § 9 Abs. 1 bezeichneten Neu- und Erweiterungsbauten auf dem Pachtgrundstück in das Eigentum des Beklagten übergingen. Daraus folgt, daß der Sicherungszweck wegfiel, wenn der C.-F. kein nach dem Pachtvertrag in Betracht kommender Anspruch aus der Errichtung der Bauten mehr gegen den Beklagten zustand. Der Beklagte hätte dann Rückgewähr der Grundschuld bzw. – für den Fall der im Pachtvertrag ausdrücklich vorgesehenen Abtretung der Grundschuld an die die Erweiterungsbauten finanzierende Bank – Abtretung des gegen den neuen Grundschuldgläubiger gerichteten Rückgewähranspruchs verlangen können. In diesem Fall würde der Abtretungsanspruch des Beklagten sich nicht nur gegen die L. & Co. als Gesamtrechtsnachfolgerin der C.-F. richten, sondern nach § 419 BGB auch gegen die Klägerin, weil diese von der C.-F. noch vor deren Verschmelzung mit der L. & Co. sämtliche Aktiva übernommen hatte. Mit der Erfüllung dieses Anspruchs ginge die materielle Berechtigung auf den Beklagten über, der Grundschuldbrief wäre an ihn freizugeben. Sollte ein solcher Anspruch des Beklagten bestehen, so könnte der Beklagte dem Verlangen der Klägerin nach Freigabe des Grundschuldbriefs den Einwand entgegensetzen, daß sie den Brief sogleich wieder an ihn herauszugeben hätte.
b) Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten schon deshalb bejaht, weil dieser das Pachtobjekt inzwischen mit allen von der Pächterin errichteten baulichen Maßnahmen an einen anderen Unternehmer verpachtet habe. Nach der Ansicht des Berufungsgerichts ist in der erneuten Verpachtung ungeachtet der zunächst vom Beklagten erhobenen Forderung nach Beseitigung der Bauten eine einverständliche Übernahme der Einrichtungen zu sehen, die zur Zahlung einer Abfindung verpflichtet. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht es ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob auf die Rechtsbeziehungen der Parteien hinsichtlich der Bauten nach der Kündigung des Pachtverhältnisses § 9 des Pachtvertrages in der Auslegung der Klägerin oder § 10 des Vertrages oder eine aufgrund ergänzender Vertragsauslegung zu ermittelnde Regelung anzuwenden ist.
Dagegen wendet sich die Revision mit Recht. Das Berufungsgericht hat in Verkennung der rechtlichen Ausgangslage zu Unrecht von einer Auslegung der einschlägigen Bestimmungen des Pachtvertrags abgesehen und dem Verhalten des Beklagten eine Bedeutung beigelegt, die ihm nicht zukommt.
Auszugehen ist davon, daß bei der Miete und Pacht von Grundstücken die Rückgabepflicht nach §§ 556, 581 Abs. 2 BGB mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarung auch die Verpflichtung umfaßt, während der Vertragsdauer auf dem Grundstück errichtete Bauten zu beseitigen (BGHZ 96, 141, 144; BGH, Urteile vom 27. April 1966 – VIII ZR 148/64 = WM 1966, 765; vom 8. Dezember 1971 – VIII ZR 150/70 = WM 1972, 389). Das gilt auch dann, wenn der Vermieter oder Verpächter der Errichtung zugestimmt hat und die Gebäude in sein Eigentum übergangen sind (BGH, Urteil vom 27. April 1966 a.a.O.; Erman/Jendrek BGB 9. Aufl. § 556 Rdn. 6; Palandt/Putzo BGB 53. Aufl. § 556 Rdn. 4). Ein Mieter oder Pächter, der nach Vertragsbeendigung zur Beseitigung der von ihm errichteten Bauten verpflichtet ist, kann, wenn er dieser Pflicht nicht nachkommt, vom Vermieter oder Verpächter keine Entschädigung für den Wert der Bauten verlangen. Wenn ein Vermieter oder Verpächter, der erfolglos die Beseitigung der Bauten verlangt hat, das Grundstück sodann in dem Zustand, in dem es sich befindet, erneut vermietet oder verpachtet, so kann in diesem Verhalten allein noch keine eine Vergütungspflicht auslösende Übernahme der Bauten gesehen werden. Anderenfalls könnte ein Mieter oder Pächter durch Nichterfüllung seiner Beseitigungspflicht den Vermieter oder Verpächter in die Zwangslage versetzen, entweder die Bauten selber zu beseitigen oder sich bei einer erneuten Vermietung oder Verpachtung des Grundstücks Vergütungsansprüchen für die Gebäude auszusetzen.
c) Im vorliegenden Fall können daher durch die Grundschuld gesicherte Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten nur dann bestehen, wenn sich aus dem Pachtvertrag in Abweichung von der dispositiven gesetzlichen Regelung eine Pflicht des Beklagten zur Übernahme der von der C.-F. errichteten Gebäude gegen Zahlung einer Vergütung ergeben sollte.
Der Senat kann die zur Beantwortung dieser Frage erforderliche Auslegung des Pachtvertrags nicht nachholen, weil hierzu noch weitere Feststellungen in Betracht kommen. Der Vertragswortlaut für sich allein läßt eine eindeutige Klärung nicht zu, so daß zur Auslegung auch die Begleitumstände und die Entstehungsgeschichte des Vertrages herangezogen werden müssen. Aus § 9 Abs. 2 bis 4 des Pachtvertrags ergibt sich zwar, daß die Vertragschließenden davon ausgingen, daß der C.-F. bei Vertragsbeendigung unter Umständen ein Anspruch auf Entschädigung für von ihr errichtete Bauten zustehen und dann durch die in Aussicht genommene Grundschuld gesichert sein sollte. Eine Regelung der Frage, in welchen Fällen der Vertragsbeendigung und unter welchen Voraussetzungen dies der Fall sein sollte, enthält der Vertragstext dagegen nicht. Insbesondere läßt sich dem § 10 Satz 2 bis 4 des Vertrags keine eindeutige Antwort auf diese Frage entnehmen, weil die genannten Bestimmungen sich nur mit „Einrichtungen, mit denen die Pächterin das Pachtobjekt versehen hat” befassen und der Vertrag, wie § 5 zeigt, zwischen Gebäuden und Einrichtungen unterscheidet.
Es liegt auch nicht nahe, aus dem Fehlen ins einzelne gehender Regelungen zu schließen, daß der in § 9 Abs. 2 bis 4 des Pachtvertrags geregelte Entschädigungsanspruch der C.-F. für von ihr errichtete Gebäude ohne Ausnahme und für jeden Fall der Vertragsbeendigung bestehen sollte. Dagegen spricht die für die C.-F. ungewöhnlich günstige Berechnungsregelung in § 9 Abs. 4, die nicht auf den wirklichen Wert der Bauten, sondern auf den Aufwand der C.-F. abstellt und nur eine lineare statt einer degressiven Abschreibung vorsieht.
III.
Das angefochtene Urteil mußte daher aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Halstenberg, Dr. Schramm, Dr. Siol, Dr. Bungeroth
Fundstellen