Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Steuerberater bei Aufdeckung fehlerhafter Buchführung durch Betriebsprüfung
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Substantiierungslast dessen, der Schadensersatz von seinem Steuerberater wegen fehlerhafter Buchungen fordert.
2. Der Beginn der Verjährungsfrist des § 68 StBerG ist je nach Schadensart unterschiedlich; im Falle einer Betriebsprüfung steht erst mit deren Abschluß fest, ob es bei einer vermeidbaren Steuermehrbelastung bleibt, so daß erst dann der Schaden „entstanden” ist im Sinne von § 68 StBerG (Abweichung BGH, 14.07.1982, IVa ZR 10/81, VersR 1982, 1053; vergleiche BGH, 20.01.1982, IVa ZR 314/80, BGHZ 83, 17, 21).
3. Bis zum Bekanntwerden des Senatsurteils über die Belehrungspflicht (Abweichung BGH, 20.01.1982, IVa ZR 314/80, BGHZ, 83, 17) verletzte ein Steuerberater seine Sorgfaltspflicht nicht schuldhaft, wenn er seinen Mandanten wegen Irrtums über seine Belehrungspflicht nicht auf die drohende Verjährung einer Schadensersatzforderung gegen sich selbst hinwies.
Normenkette
StBerG § 68; BGB § 276 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
OLG München (Urteil vom 23.03.1984; Aktenzeichen 8 U 5123/82) |
LG Passau (Urteil vom 02.11.1982; Aktenzeichen 3 O 171/81) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 23. März 1984 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe des über den Aufrechnungsbetrag von 1.312,60 DM hinausgehenden Betrages (76.200,- DM) abgewiesen worden ist.
Die Anschlußrevision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt vom Beklagten Schadensersatz, nämlich Ersatz von Steuermehrbelastungen, von Zinsschaden und von Überarbeitungskosten wegen Verletzung von dessen Vertragspflichten als Steuerberater; der Beklagte beruft sich u.a. auf Verjährung.
Zur Aufgabe des Beklagten gehörte es, die Buchführung für das Unternehmen des Klägers, die Jahresabschlüsse und sämtliche Steuererklärungen zu fertigen. Neben dem Handel im eigenen Namen verkaufte der Kläger als Agentur von einer anderen Firma (im folgenden: PP.) bezogene Artikel in deren Namen und auf deren Rechnung. Für deren bei ihm lagernden Warenbestand hatte er eine aufgrund der monatlichen Agenturabrechnung nach dem jeweiligen Lagerbestand errechnete Kaution zu leisten. Der Beklagte buchte die Wareneingangsrechnungen der Firma PP. mit den von dieser Firma vorgeschriebenen Verkaufspreisen jeweils auf das Konto „Warenerlöse” und belastete das Konto „Kautionsforderungen” mit den gleichen Beträgen im Soll. Eingangsrechnungen anderer Lieferanten für das eigene Geschäft des Klägers wurden ebenfalls über „Warenerlöse” mit den voraussichtlichen Verkaufspreisen gebucht. Die Tageseinnahmen aus PP.-Waren und eigener Ware wurden über das Konto „Kautionswarenabrechnung” im Haben gebucht. Die Aufteilung von PP.-Ware und eigener Ware wurde erst am Jahresende nach Erhalt der Provisionsabrechnung der Firma PP. vorgenommen. Dabei war nicht mehr nachprüfbar, ob die auf den Eingangsrechnungen vermerkten und schon verbuchten Verkaufspreise tatsächlich erzielt worden waren.
Die monatlichen Agenturabrechnungen ergaben zu den Bilanzstichtagen Ende 1973 bis Ende 1975 Kautionsforderungen des Klägers gegen die Firma PP., die höher als der Wert des tatsächlichen Warenbestandes waren. Erst bei dem Jahresabschluß 1976 wurde das Konto „Kautionsforderungen” vom Beklagten abgestimmt. Trotz verschiedener Korrekturbuchungen blieb aber eine Differenz von gut 195.000,- DM, die als Privatentnahme gebucht wurde.
Am 31. März 1980 fand die Schlußbesprechung der beim Kläger für die Jahre 1973 bis 1977 vom Finanzamt durchgeführten Betriebsprüfung statt. Nach dem Betriebsprüfungsbericht hatte der Beklagte die Kautionsforderungen des Klägers mit überhöhten Werten bilanziert. Die trotz weiterer Berichtigungsbuchungen nicht mehr aufklärbare Differenz wurde zum Teil als Ausfallrisiko behandelt und der Rest in Höhe von jeweils 11.047,- DM jährlich den Entnahmen 1971 bis 1976 zugerechnet. Die deshalb für die Jahre 1973 bis 1976 zu zahlende Steuermehrbelastung hat der Kläger mit 16.118,- DM errechnet.
Weiter ergab die Betriebsprüfung, daß der Kläger in den Jahren 1973 bis 1977 insgesamt einen erheblichen Betrag zuviel an Steuern bezahlt hatte. Dieser Betrag wurde ihm aufgrund der Berichtigungsbescheide vom 24. September und 8.Oktober 1980 erstattet. Die vom Kläger für überhöhte Steuerzahlungen für die Jahre 1973 bis 1976 bis zum Jahr 1980 aufgewendeten Bankzinsen errechnete der nach dem Beklagten für den Kläger tätige Steuerberater in einem Gutachten. Im Auftrag des Klägers hatte dieser schon das Kautionskonto abgestimmt und bei der Betriebsprüfung mitgewirkt. Seine Honorare stellte dieser Steuerberater dem Kläger mit Rechnungen vom 30. Mai und 6. Dezember 1979 sowie vom 17. Dezember 1980 in Rechnung.
Danach machte der Kläger über die Steuermehrbelastung von 16.118,- DM hinaus als Zinsschaden 44.449,84 DM und schließlich als Überarbeitungskosten (Mehraufwendungen für den neuen Steuerberater) 31.564,- DM, insgesamt 92.131,84 DM nebst Zinsen als Schadensersatzforderung mit der am 28. April 1981 eingereichten und sechs Tage später zugestellten Klage geltend. Der Beklagte meint, die Klage sei nicht substantiiert begründet. Etwaige Ansprüche seien verjährt. Hilfsweise hat er mit einer Gegenforderung von 1.312,60 DM aufgerechnet.
Das Landgericht hat nach einem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten der Klage nur in Höhe von 36.000,- DM stattgegeben. Beide Parteien haben Berufung eingelegt. Mit seiner Berufung hat der Kläger seine Gesamtforderung dem Gutachter folgend auf 82.000,- DM (14.000,- DM Steuermehrbelastung, 44.000,- DM Zinsschaden und 24.000,- DM Überarbeitungskosten) ermäßigt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat es den Verurteilungsbetrag auf 4.487,40 DM herabgesetzt und dabei berücksichtigt, daß der Kläger die Klageforderung inzwischen in Höhe von 50.000,- DM an die Firma PP. und den darüber hinausgehenden Betrag an seinen neuen Steuerberater abgetreten hatte.
Der Kläger wendet sich mit seiner Revision in Höhe von noch 76.200,- DM gegen die Klageabweisung. Der Beklagte hat Anschlußrevision wegen seiner Verurteilung eingelegt.
Entscheidungsgründe
Die Anschlußrevision des Beklagten, mit der er das Bestehen eines Schadensersatzanspruches überhaupt verneinen will, ist nicht begründet. Dagegen führt die Revision des Klägers, die sich gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verjährung wendet, im begehrten Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
I.
1. Das Berufungsgericht führt aus, der Beklagte habe seine Pflicht verletzt, eine ordnungsgemäße Buchführung zu erstellen. Der Klageanspruch sei schlüssig begründet. Nachdem der Beklagte das Kautionskonto zum Jahresende 1976 abgestimmt und die trotz der Korrekturbuchungen verbliebene Differenz von gut 195.000,- DM als Privatentnahme gebucht habe, seien durch den späteren Steuerberater des Klägers weitere 116 Umbuchungen vorgenommen und bei der Betriebsprüfung anerkannt worden. Die Aufstellung darüber habe der Beklagte nicht mit konkreten Einzelangaben bestritten. Er habe ebensowenig konkret bestritten, daß zahlreiche, mit dem Kautionskonto nicht im Zusammenhang stehende Geschäftsvorfälle dort gebucht und andere, dieses Konto betreffende Vorgänge nicht erfaßt worden seien. Dadurch sei die Kautionsforderung um über 87.000,- DM zu hoch ausgewiesen worden. Ferner seien verschiedene Fehler im Zusammenhang mit der Buchung von Eigenwaren auf diesem Konto vorgekommen. Zwar habe das Finanzamt von der verbleibenden Differenz einen erheblichen Betrag als Ausfallrisiko gewinnmindernd anerkannt. Der nicht mehr aufklärbare Betrag sei jedoch mit jährlich 11.047,- DM in den Jahren 1971 bis 1976 den Entnahmen zugerechnet worden. Im übrigen sei das Vorliegen von Buchungsfehlern durch die in erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachten bewiesen. Wegen der Mängel der Buchführung seien auch die Jahresabschlüsse und Steuererklärungen falsch gewesen.
2. Dagegen wendet sich die Anschlußrevision zu Unrecht.
a) Der Beklagte vermißt in der Darlegung des Klägers – und weiter im Sachverständigengutachten und im Berufungsurteil – Aufschluß darüber, welche Buchungen auf welche Weise zu welchen Differenzen geführt haben. Damit überspannt er die Substantiierungslast dessen, der Schadensersatz von einem Steuerberater insbesondere wegen fehlerhafter Buchungen fordert.
Über den Einzelfall hinausgehend kann zum Umfang der Darlegungslast allgemein kaum mehr gesagt werden, als schon vom Reichsgericht (RGZ 143, 57, 65) und vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 16.5.1962 – VIII ZR 79/61 – LM ZPO § 282 Beweislast Nr. 12 = NJW 1962, 1394) gesagt worden ist. Gerade bei einer Schadensersatzforderung gegen einen Steuerberater infolge von nicht ordnungsmäßiger Buchführung darf aber nicht zu weitgehend gefordert werden, daß jeder einzelne zum Schaden führende Vorgang, jeder konkrete Buchungsfehler nachvollziehbar zu bezeichnen und darzustellen ist, wie diese jeweiligen Geschäftsvorfälle hätten richtig gebucht werden müssen und zu Schaden geführt haben (so aber OLG Düsseldorf DStR 1981, 575 f; der Senat hat seinerzeit Veranlassung gesehen, außer dem in DStR 1981, 575 Fn. 1 zitierten Satz aus seiner Begründung für die Nichtannahme darauf hinzuweisen, daß hier dahingestellt bleiben könne, „ob an die Darlegungslast … so hohe Anforderungen zu stellen sind, wie es das Berufungsgericht getan hat”). Vielmehr genügt für eine angemessene Verteidigungsmöglichkeit des Beklagten, daß der Kläger jedenfalls bei schon im System begründeten Buchführungsfehlern exemplarisch vorträgt (Senatsurteil vom 24.2.1982 – IVa ZR 296/80 unter 3. b) – VersR 1982, 496, 497 = NJW 1982, 1532). Das bedeutet, der Kläger hat eine für die Gesamtheit der Fehler stehende Auswahl so vorzutragen, daß der Gesamtvorwurf verständlich wird. Anderenfalls müßte er einem Journal ähnlich Buchungsvorgänge aufführen und sie außerdem erklären und richtigstellen, was gerade des Umfanges wegen zur Unverständlichkeit führen kann.
Hier hat der Kläger mit seinem Schriftsatz vom 19. Juni 1981 nebst Anlagen, nämlich insbesondere mit der Aufstellung seines Steuerberaters über die Umbuchungen, diese Anforderungen an die Substantiierung erfüllt.
b) Die Rügen des Beklagten zu den vom Berufungsgericht insoweit zugrunde gelegten Tatsachen gehen fehl. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beklagte „konkret bestritten hat”, ob es in diesem Zusammenhang eines – nicht gestellten – Tatbestandsberichtigungsantrages bedurft hätte, ob das Landgericht mit seinem Gutachtenauftrag Ausforschung betrieben und den Beibringungsgrundsatz verletzt hat. Die Anschlußrevision greift nämlich die Hilfsbegründung des Berufungsurteils nicht an, das Vorliegen von Buchungsfehlern sei jedenfalls bewiesen. Vielmehr beschränkt sie sich gegenüber dem Gutachten auf den bereits unter a) zurückgewiesenen Vorwurf, auch dieses hätte nicht zur Schlüssigkeit der Klage geführt.
3. Auch im übrigen bleiben die Rügen der Anschlußrevision erfolglos.
a) Den Vorwurf, der Beklagte habe fahrlässig die Buchführungsfehler herbeigeführt, begründet das Berufungsgericht in mehrfacher Weise. Mangels Trennung der Konten für die Kaution und für eigene Umsätze sei schon das auf Veranlassung des Beklagten verwendete Buchungssystem nicht brauchbar gewesen. Der Beklagte als Fachmann habe Grundaufzeichnungen des Klägers ohne diese Trennung nicht hinnehmen dürfen. Er habe gegen das „Belegprinzip” verstoßen, als er seine Buchungen lediglich auf mündliche Angaben des Klägers und nicht auf nachvollziehbare Buchungsbelege gestützt habe. Er habe seine Konten nicht allmonatlich mit den PP.-Agenturabrechnungen verglichen und danach abgestimmt. Diese habe er vom Kläger verlangen müssen.
Die Anschlußrevision will diesen rechtsfehlerfreien Ausführungen entgegensetzen, darin wären dienstvertragliche und werkvertragliche Elemente zu Lasten des Beklagten vermischt, eine werkvertragliche Pflicht werde zur Begründung der Verletzung eines Dienstvertrages herangezogen. Das trifft jedoch nicht zu.
b) Zu der im Berufungsurteil ebenso ohne Rechtsfehler bejahten Ursächlichkeit der Buchungsfehler für den dem Kläger insgesamt entstandenen Schaden bemerkt die Anschlußrevision lediglich, die Kausalkette sei nicht lückenlos begründet. Auch das trifft nicht zu. Vielmehr vertritt der Beklagte hier wiederum die oben unter 2. a) abgelehnte Meinung, für jede einzelne Fehlbuchung müsse dargestellt sein, auf welche Weise gerade sie zu gerade dieser Differenz und damit zu genau welcher Steuermehrbelastung geführt habe.
c) Soweit schließlich die Anschlußrevision im Berufungsurteil eine Begründung für fehlendes Mitverschulden vermißt, übersieht sie, daß in zulässiger Weise (§ 543 Abs. 1 ZPO) auf die rechtsfehlerfreien Ausführungen des Landgerichts dazu verwiesen worden ist. Ersichtlich hat das Berufungsgericht die von ihm dem Beklagten gegenüber erhobenen und oben unter 3. a) dargestellten Schuldvorwürfe als entscheidend angesehen und angesichts dessen den Umstand nicht ins Gewicht fallen lassen, daß der Kläger möglicherweise nicht immer die notwendigen Unterlagen rechtzeitig und vollständig vorgelegt hat.
4. Danach hat das Berufungsgericht der Klage mit Recht stattgegeben, soweit nach seiner Meinung (dazu näher unter II.) die Schadensersatzforderung des Klägers nicht verjährt ist, nämlich hinsichtlich des Schadens, der durch die Besteuerung für das Jahr 1976 entstanden ist. Diesen Schaden errechnet es, indem es dem Sachverständigengutachten die Mehrbelastung an Einkommens-, Gewerbe- und Kirchensteuer sowie gemäß § 287 ZPO den Zinsaufwand entnimmt und feststellt, wieviel Prozent vom Gesamtschaden der so addierte Betrag ausmacht, und indem es den entsprechenden Anteil an Überarbeitungskosten hinzurechnet. Den demgemäß errechneten Schadensbetrag von 5.800,- DM vermindert das Berufungsgericht um die Aufrechnungsforderung in Höhe von 1.312,60 DM. So gelangt es zum Verurteilungsbetrag von 4.487,40 DM nebst 4% Verzugszinsen.
II.
Der Kläger nimmt den Aufrechnungsabzug hin. Er wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, seine Schadensersatzforderungen wegen der Besteuerung in den Jahren 1973 bis 1975 seien verjährt. Seine Revision führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils, weil darin nicht den Besonderheiten des Steuerrechts Rechnung getragen ist. Diese führen nämlich dazu, daß der Verjährungsbeginn bei den einzelnen Schadensarten unterschiedlich ist.
1. Das Berufungsgericht hat zum Verjährungsbeginn aber nach den Steuerzeiträumen unterschieden.
a) Das angefochtene Urteil macht sich die Begründung des Landgerichts zum Verjährungseintritt zu eigen. Zutreffend führt das Landgericht aus, die dreijährige Verjährungsfrist des § 68 StBerG beginne bereits dann, wenn der Ersatzanspruch auch nur im Wege einer Feststellungsklage gegen den Steuerberater geltend gemacht werden könne (BGHZ 73, 363 und 83, 17 sowie weitere Senatsurteile vom 20.1.1982 – IVa ZR 283/80 und 293/80 – LM StBerG Nr. 15 und 16 = VersR 1982, 397 und 398 = NJW 1982, 1288 und 1289). Bei zu hoher Steuerbelastung infolge von unrichtigen Angaben in der Steuererklärung entstehe der Regreßanspruch spätestens mit der Bestandskraft des Steuerbescheides einen Monat nach dessen Zustellung. Für diese müsse nach dem damals geltenden § 17 VwZG die Dreitagesfrist ab Aufgabe zur Post berücksichtigt werden. Bestandskräftig geworden seien die Einkommenssteuerbescheide danach wie folgt: für 1973 im März 1974, für 1974 am 17. Mai 1976, für 1975 am 18. April 1977 und für 1976 am 27. September 1979. Jeweils drei Jahre später sei die Verjährung eingetreten. Da die Klage am 4. Mai 1981 zugestellt worden sei, könne die Verjährung nur für Ansprüche wegen der Besteuerung im Jahre 1976 nicht eingetreten sein.
b) Beide Vorinstanzen legen die Rechtsprechung des Senats zur Belehrungspflicht des Steuerberaters (BGHZ 83, 17, weiter Senatsurteil vom 20.1.1982 – IVa ZR 283/80 – LM StBerG Nr. 15 = VersR 1982, 397 = NJW 1982, 1288) für die Beantwortung der Frage zugrunde, ob der Beklagte sich auf die Verjährung berufen könne. Für die Steuerzeiträume 1974 und 1975 habe der Beklagte den Kläger nicht über mögliche Schadensersatzansprüche gegen sich selbst und deren Verjährung belehren müssen. Der Kläger sei ab Mai 1978 durch seinen neuen Steuerberater und ab Dezember 1979 durch einen Rechtsanwalt beraten worden. Auch für den Steuerzeitraum 1973 läßt das Berufungsgericht abweichend vom Landgericht die Verjährungseinrede zu. Zwar habe der Beklagte die Belehrungspflicht objektiv nicht erfüllt. An dieser Unterlassung treffe ihn jedoch kein Verschulden. Angesichts der bis zur grundlegenden Senatsentscheidung vom 20. Januar 1982 (BGHZ 83, 17) gegenteiligen Rechtsprechung und Lehre habe er damit die verkehrsübliche Sorgfalt nicht verletzt.
c) Die Rechtsprechung dazu, daß Verjährung erst mit der Schlußbesprechung beginne, greife hier nicht ein. Die Fehler, die zu einer erhöhten Besteuerung des Klägers geführt haben, seien nicht erst durch die Betriebsprüfung aufgedeckt worden. Vielmehr habe der neue Steuerberater des Klägers schon zuvor gegen die Steuerbescheide für 1975 und 1976 Einspruch mit der Begründung eingelegt, die Kautionsforderung sei in der vom Beklagten erstellten Buchhaltung zu hoch ausgewiesen.
2. Schadensersatzansprüche des Klägers, die erst nach dem 28. April 1978 „entstanden” sind im Sinne von § 68 StBerG, können nicht verjährt sein.
Nach der Vollendung der Verjährung darf der Schuldner die Leistung verweigern, § 222 Abs. 1 BGB. Die Vollendung der Verjährung kann im vorliegenden Fall nur durch die mit der Klageerhebung bewirkte Unterbrechung gehindert worden sein, §§ 209, 217 BGB. Die am 28. April 1981 eingereichte Klage wurde schon sechs Tage später am 4. Mai 1981 zugestellt. Dieser Zustellungszeitpunkt ist „demnächst” im Sinne von § 270 Abs. 3 ZPO. Deshalb muß die Unterbrechungswirkung rückbezogen werden auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klage.
Bei der Beantwortung der Frage, wann für den Kläger Schaden entstanden ist, sind dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen. Schaden ist dem Kläger in verschiedener Gestalt entstanden. Er hatte wegen der Differenzbeträge auf dem Kautionskonto ab dem Veranlagungszeitraum 1973 sonst vermeidbare, erheblich höhere Steuern zu zahlen. Dieser Steuermehrbetrag wurde durch die Ergebnisse der Betriebsprüfung zwar mit der Folge einer Steuerrückzahlung deutlich herabgesetzt. Er blieb aber als Restbetrag immer noch bestehen, weil die auch anläßlich der Betriebsprüfung nicht mehr aufklärbaren Differenzbeträge als Privatentnahmen und damit als zusätzlicher Gewinn behandelt wurden. Außerdem hatte der Kläger die erwähnten im Endergebnis vermiedenen Steuermehrbeträge bis zum Zeitpunkt der Steuerrückzahlung aufzubringen, also mit der Folge des Entstehens von Zinsschaden zu finanzieren. Schließlich mußte er bei der Bezahlung seines neuen Steuerberaters Überarbeitungskosten aufwenden, die vermieden worden wären, wenn der Beklagte nicht fehlerhaft gearbeitet hätte. Vom Berufungsgericht ist nicht hinreichend erkannt worden, daß der Verjährungsbeginn je nach der Schadensart verschieden ist.
3. Die Steuermehrbelastung ist für den Kläger entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts als Schaden endgültig erst mit der Schlußbesprechung der Betriebsprüfung am 31. März 1980 entstanden. Sein auf dieser Belastung beruhender Schadensersatzanspruch kann deshalb nicht verjährt sein. Insoweit ist der vorliegende Fall mit demjenigen vergleichbar, in dem grundlegend zur Außenprüfung (Betriebsprüfung) entschieden wurde (BGHZ 73, 363, weiter dazu Urteil vom 18.6.1979 – VII ZR 257/78 – LM StBerG Nr. 9 = NJW 1979, 2211). Bis zum Abschluß dieser Prüfung ist immer noch möglich, daß die Steuermehrbelastung gänzlich vermieden, jedenfalls herabgesetzt wird; das wird hier an dem im Prüfungsbericht als gewinnminderndes Ausfallrisiko anerkannten Betrag von immerhin 42.000,- DM besonders deutlich. Ob als Ergebnis einer solchen Prüfung die Steuerbelastung endgültig heraufgesetzt oder aber endgültig herabgesetzt wird, ist für die Frage der Endgültigkeit des Schadens gleichgültig: In beiden Fällen ergibt sich erst aus der endgültigen Festsetzung der Steuerbelastung aufgrund der Prüfung, daß und welche Fehler des Steuerberaters zur (erstmaligen oder verbliebenen) vermeidbaren Steuermehrbelastung geführt haben. Diese Besonderheit der Schadensentstehung ist bei der Verjährung von Ansprüchen gegen Steuerberater zu berücksichtigen (vgl. zu den aus der regelmäßigen Durchführung der Besteuerung folgenden Besonderheiten außerdem das Senatsurteil vom 6.2.1985 – IVa ZR 82/83 – VersR 1985, 571, 572 = NJW 1985, 1964, 1965 jeweils re.Sp.). Soweit den Senatsurteilen vom 20. Januar 1982 und 14. Juli 1982 (IVa ZR 314/80 und 10/81 – BGHZ 83, 17, 21 und VersR 1982, 1053) eine andere Auffassung zu entnehmen ist, hält der Senat hieran nach nochmaliger Prüfung nicht fest.
Wie hoch der Schaden infolge der Steuermehrbelastung ist, muß der Tatrichter gemäß § 287 ZPO entscheiden. Ihm muß vorbehalten bleiben, ob er dabei der Schadensberechnung des gerichtlichen Sachverständigen oder der Darlegung des Klägers folgen will. Der Kläger hat den in erster Instanz in Höhe von 16.118,- DM verlangten Ersatz für mehr gezahlte Einkommen-, Gewerbe- und Kirchensteuer für die vier Jahre 1973 bis 1976 der Berechnung des Sachverständigen folgend um 2.118,- DM auf 14.000,- DM herabgesetzt. Unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des Klageantrages bestehen dagegen keine Bedenken. Die Aufteilung dieser Gesamtsumme in die Einzelposten, die für die jeweiligen Veranlagungszeiträume maßgeblich sein sollen, kann dem Gutachten ohne weiteres entnommen werden.
4. Ebensowenig ist die Schadensersatzforderung des Klägers verjährt, soweit er Überarbeitungskosten verlangt. Das ergibt die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats (Urteil vom 24.2.1982 – IVa ZR 296/80 – LM StBerG Nr. 17 = VersR 1982, 496 = NJW 1982, 1532 und vom 6.2.1985 – IVa ZR 82/83 – VersR 1985, 571 = NJW 1985, 1964). Muß die fehlerhafte Buchführung oder die sonstige Arbeit des früheren steuerlichen Beraters überprüft und korrigiert werden, um steuerliche Nachteile zu vermeiden oder herabzusetzen, dann entsteht der Schaden erst in dem Zeitpunkt, in welchem die Korrekturkosten für den Steuerpflichtigen notwendigerweise anfallen. Hier ist unstreitig, daß sämtlichen, vom Kläger geltend gemachten Honorarkosten des späteren Steuerberaters Rechnungen zugrunde liegen, die erst ab Mai 1979 – also in unverjährter Zeit – erstellt worden sind.
Für die Höhe dieser Teilforderungen gilt das unter II. 3. Ausgeführte entsprechend. Auch hier hat der Kläger dem Sachverständigen folgende die Überarbeitungskosten von 31.564,- DM um 7.564,- DM auf 24.000,- DM herabgesetzt.
5. Bei der Frage, wann für den Zinsschaden Verjährung eingetreten ist, muß differenziert werden. Dieser Schaden ist jeweils schon in dem Augenblick eingetreten, in welchem der Kläger fortlaufend in Höhe des Zuvielbetrages an Steuern bei dessen Finanzierung Zinsen aufwenden mußte (vgl. den Fall BGHZ 83, 17). Mit der Klage hat der Kläger insgesamt 44.449,84 DM an Zinsaufwand in den Jahren 1975 bis 1980 geltend gemacht. Von diesem Betrag entfallen auf die Jahre 1978 bis 1980 mehr als die Hälfte (24.223,57 DM). Danach ist wahrscheinlich gut die Hälfte des Zinsaufwandes in der unverjährten Zeit ab 28. April 1978 angefallen. Auch hier gelten im übrigen die Ausführungen zur Höhe wie unter II. 3.
Dagegen ist für den Zinsaufwand – oder Zinsverlust – bis zum 28. April 1978 die Verjährung eingetreten. Für diesen Teilbetrag stellt sich die Frage, ob dem Beklagten als zumindest fahrlässig anzulasten ist, daß er es unterlassen hat, den Kläger rechtzeitig auf die Schadensersatzforderung gegen sich selbst und deren drohende Verjährung hinzuweisen.
a) Mit dem Berufungsgericht und entgegen der Revision ist diese Frage zu verneinen. Der Anlage 4 zum Sachverständigengutachten vom 26. Februar 1982 (GA 142 ff.) kann entnommen werden, daß die Zinsbelastungen frühestens im zweiten Quartal des Jahres 1975 begannen. Weil danach die Verjährung dieser Schadenspositionen frühestens zum zweiten Quartal des Jahres 1978 drohte, bestand – objektiv gesehen – etwa ab Ende 1977 die Veranlassung und die Verpflichtung zur Belehrung. In diesem Zeitpunkt und später bis zum Bekanntwerden des grundlegenden Senatsurteils vom 20. Januar 1982 (BGHZ 83, 17, veröffentlicht außerdem z.B. WM 1982. 367 am 27.3.1982 oder VersR 1982, 468 am 10.5.1982, vgl. aber auch den Hinweis VersR 1982, 397 am 20.4.1982; DStR 1982, 297) verletzte ein Steuerberater aber nicht schuldhaft seine verkehrsübliche Sorgfaltspflicht (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB), wenn er seinen Mandanten nicht belehrte; in diesem Zeitraum mußte ihm die Möglichkeit des Bestehens einer solchen Pflicht nicht bekannt sein, sein Irrtum über das Nichtbestehen war ihm deshalb nicht anzulasten.
Der Bundesgerichtshof hatte sich vor dem genannten Senatsurteil mit dieser Frage nicht befaßt. Noch in der Entscheidung vom 22. Februar 1979 (BGHZ 73, 363), die erstmalig richtungweisend auf die Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen Steuerberater einging, findet sich dazu kein Hinweis, obwohl der erstmalig sich für eine Belehrungspflicht aussprechende Aufsatz (Mutze, StB 1977, 149) zitiert wird. Soweit ersichtlich, haben sämtliche in diesem Zeitraum veröffentlichten Entscheidungen von Landgerichten und Oberlandesgerichten eine Belehrungspflicht verneint (OLG Stuttgart StB 1977, 263, Berufungsurteil zu dem vorher StB 1977, 80 veröffentlichten, die Belehrungspflicht ebenfalls verneinenden Urteil der 27. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart, ebenso LG Stuttgart 27. Zivilkammer StB 1977, 82, anders, aber nicht veröffentlicht, die 10. Zivilkammer des LG Stuttgart am 10.6.1975; LG Frankfurt StB 1978, 14; LG Koblenz DStR 1978, 162; OLG Celle StB 1979, 12 = DStR 1978, 612 und StB 1979, 13; OLG Koblenz StB 1979, 195 = DStR 1979, 265; OLG Stuttgart VersR 1980, 54; OLG Hamm DStR 1981, 55, OLG Zweibrücken StB 1982, 66). Im Stichwortregister der Zeitschriften bzw. Jahresschriften „Steuerberater-Jahrbuch”, „Steuerberaterkongress Report”, „Deutsche Steuerzeitung”, „Steuer und Wirtschaft”, „Der Steuerzahler” (1977, 8 geht es um die Belehrungspflicht des Finanzamtes) und sogar „Deutsches Steuerrecht” (DStR = Organ der Bundessteuerberaterkammer) ist in den Jahrgängen 1977 bis 1980 das Stichwort „Belehrungspflicht” nicht, auch nicht bei dem Stichwort „Verjährung” zu finden. Soweit sich Autoren überhaupt mit dieser Frage befaßten, kamen sie fast alle zur Verneinung (Messmer, DStR 1977, 269; Bartelt, DStR 1978, 520, der ein unveröffentlichtes, ebenfalls verneinendes Urteil des OLG München vom 21.10.1976 zitiert; Späth, Steuerberater 1976, 233, 236 und „Die zivilrechtliche Haftung des Steuerberaters” 2. Aufl. 1979 Rdn. 179-181, sowie in zahlreichen Urteilsanmerkungen in StB und DStR; ab 1981 Palandt/Heinrichs vor § 194 Anm. 3 c). Lediglich Mutze hat 1976 die Frage als eine unter anderen, also nicht hervorgehoben und 1977 mit dem Zusatz bejaht, dazu bleibe die Entscheidung des Bundesgerichtshofes abzuwarten (StB 1976, 93, 97 und 1977, 149, 152/153).
Seit Ende 1977 bis zum Bekanntwerden des Senatsurteils wurde die Belehrungspflicht danach von allen veröffentlichten Gerichtsentscheidungen verneint, nur in einer von vielen Fachzeitschriften erkennbar behandelt und lediglich von einer Stimme der Literatur gegen die übrigen Autoren mit gewissem Vorbehalt bejaht. Hinzu kommt, daß dieses sich erst entwickelnde Problem nicht etwa die eigentliche berufliche Tätigkeit des Steuerberaters betrifft, sondern seine Haftpflicht dafür. Unter diesen Umständen ist schon fraglich, ob dem Steuerberater vorzuwerfen ist, daß er in diesem Zeitraum das Problem nicht gesehen hat. Jedenfalls aber verletzte er seine Sorgfaltspflicht nicht, wenn er trotz Kenntnis die Belehrungspflicht verneinte. An einen Steuerberater können in dieser Hinsicht nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie an einen Rechtsanwalt (Senatsurteil vom 14.7.1982 – IVa ZR 10/81 – VersR 1982, 1053 a.E.).
b) Danach kommt es nicht mehr darauf an, ob der vom Berufungsgericht geäußerten Ansicht gefolgt werden kann, die Belehrungspflicht eines Steuerberaters gegen sich selbst entfalle schon dann, wenn sein Mandant in der Folgezeit nicht durch einen Rechtsanwalt, sondern lediglich durch einen anderen Steuerberater vertreten wird.
c) Schließlich ist die Frage, ob in dieser Situation die Erhebung der Verjährungseinrede unzulässige Rechtsausübung ist, ebenfalls zu verneinen. Allerdings kann auch unabsichtliches, also schuldloses Verhalten des Schuldners, das dem Gläubiger verständigen Anlaß für die Annahme bietet, der Schuldner werde seinen Anspruch nur mit sachlich-rechtlichen Einwendungen bekämpfen, einer späteren Berufung auf die Verjährung entgegenstehen (RGRK/Johannsen, 12. Aufl. § 222 Rdn. 11; Staudinger/Dilcher, 12. Aufl. § 222 Rdn. 18 ff., jeweils m.w.N.). Immer aber muß der Vorwurf des treuwidrigen Verhaltens erhoben werden können, wenn in diesem Zusammenhang unzulässige Rechtsausübung bejaht werden soll; die reine Kausalität des Schuldnerverhaltens für das Verstreichen der Verjährungsfrist reicht nicht aus (Staudinger/Dilcher, aaO Rdn. 21; RGRK/Johannsen, aaO Rdn. 14). Dafür, daß dem Beklagten irgendein solches Verhalten vorzuwerfen ist, geben die bisherigen Feststellungen und der Parteivortrag keinen Anhaltspunkt. Die objektive Pflichtwidrigkeit allein kann nicht ausreichen. Anknüpfungspunkte für sich aufbauendes Gläubigervertrauen sind nicht gegeben, wenn der Schuldner (abgesehen von dem Sonderfall der Verwirkung) überhaupt nichts tut und der Gläubiger seinerseits auch kein irgendwie geartetes anderes Verhalten erwartet, sich also auch nicht auf das Nichtstun verläßt. Zumindest muß für denjenigen, dem unter Hinweis auf unzulässige Rechtsausübung die Berufung auf die Verjährungseinrede verwehrt werden soll, erkennbar sein, daß sein bisheriges Verhalten bei seinem Gegenüber ein Folgen auslösendes Vertrauen begründen kann (MünchKomm/Roth, 2. Aufl. § 242 Rdn. 291). So liegt es aber – anderes ist jedenfalls nicht vorgetragen oder festgestellt – in diesem Sonderfall aus der Übergangszeit bis zum Bekanntwerden des Senatsurteils zur Belehrungspflicht gerade nicht.
III.
Da es, wie bereits ausgeführt, an ausreichenden Feststellungen zur Höhe des jedenfalls überwiegend nicht verjährten Schadensersatzanspruches fehlt, kann die Revision des Klägers nur zur Aufhebung und Zurückverweisung führen.
Fundstellen
BGHZ, 290 |
NJW 1986, 1162 |
ZIP 1986, 309 |