Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzung eines Zeitmietvertrags mangels Widerspruchs gegen Verlängerungsklausel. Nachhaftungsbegrenzung. Ausgeschiedener Gesellschafter
Leitsatz (amtlich)
Enthält ein Mietvertrag die Bestimmung, das Mietverhältnis, das zu einem festgelegten Zeitpunkt ende, verlängere sich jeweils um ein Jahr, wenn eine der Parteien dem nicht (fristgerecht) widerspreche, so wird der ursprüngliche Mietvertrag fortgesetzt, wenn ein solcher Widerspruch nicht erfolgt, nicht aber ein neuer Vertrag geschlossen.
Normenkette
HGB § 160 Fassung: 2001-11-26; BGB § 564
Verfahrensgang
KG Berlin (Urteil vom 05.10.2000) |
LG Berlin (Urteil vom 20.01.1999) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 22. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 5. Oktober 2000 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen wurde. Es wird wie folgt neu gefaßt:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 20. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten der Rechtsmittelzüge zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 15. Januar 1976 vermietete der Kläger der P. H. & Co. oHG, deren Gesellschafter damals P. H. und seine Ehefrau E. waren, Gewerberäume in B. K.straße 151/152. Der Mietvertrag bestimmt:
„Das Mietverhältnis beginnt am 1. April 1976. … Das Mietverhältnis endet am 31. März 1996. Es verlängert sich jeweils um ein Jahr, wenn eine der Parteien nicht spätestens sechs Monate vor Ablauf der Mietzeit der Verlängerung widerspricht. …”
P. H. verstarb im Jahre 1993. Mit Wirkung vom 10. Mai 1993 trat der Beklagte als Gesellschafter in das Unternehmen ein; dies wurde am 7. März 1995 in das Handelsregister eingetragen. Am 31. März 1995 kam als neue, persönlich haftende Gesellschafterin die H. B. Verwaltungsgesellschaft mbH hinzu, der Beklagte und E. H. wurden Kommanditisten. Die nunmehrige H. B. GmbH & Co. KG (im folgenden: KG), deren am 13. Juni 1995 erfolgte Eintragung in das Handelsregister im Juni/Juli 1995 bekannt gemacht wurde, setzte das Mietverhältnis auch über den 31. März 1996 hinaus fort. Obwohl sie schon Anfang des Jahres 1996 in Zahlungsschwierigkeiten geraten war, räumte die KG das Mietobjekt erst Ende März 1998, nachdem der Kläger das Mietverhältnis am 28. Januar 1998 fristlos gekündigt hatte. Am 1. April 1998 wurde über ihr Vermögen das Konkursverfahren eröffnet.
Es verblieb ein Mietrückstand von insgesamt 227.913,48 DM. Davon entfielen 16.344,22 DM auf den März 1996 und 211.569,26 DM auf den Zeitraum August 1996 bis März 1998. Mit seiner Klage begehrt der Kläger von dem Beklagten, den Rückstand zu zahlen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat nur 16.344,22 DM, also den Mietrückstand aus der Zeit vor der Verlängerung des Mietvertrages, zugesprochen und sie im übrigen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers hat Erfolg. Der Beklagte schuldet ihm die gesamten Mietrückstände in Höhe von 227.913,48 DM (§§ 128, 160 Abs. 1 HGB).
I. Dem Berufungsgericht, dem darin zuzustimmen ist, daß die Klageforderung nach der neuen Rechtslage zu beurteilen ist (Art. 35 Satz 1 EGHGB), hat eine Nachhaftung des Beklagten gemäß § 160 HGB n.F., d.h. in der Fassung des NachhBG 1994, für Rückstände aus der Zeit von August 1996 bis März 1998 unter Berufung auf frühere Entscheidungen des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes verneint, weil für die Mietparteien kein rechtlicher Zwang bestand, das Mietverhältnis über den 31. März 1996 hinaus fortzusetzen. Da sowohl der Vermieter als auch die Mieterin frei entscheiden konnten, ob sie das Mietverhältnis am 31. März 1996 auslaufen lassen sollten oder nicht, stelle sich die „Verlängerung” des Vertrages als Abschluß eines neuen Mietvertrages dar. Diese Rechtsauffassung greift die Revision mit Erfolg an.
II. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Miete für den fraglichen Zeitraum war bereits vor dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter im Sinne des § 160 HGB n.F. begründet.
1. Nach dieser Vorschrift (Abs. 1 und 3) haftet ein aus der oHG ausgeschiedener oder in die Stellung eines Kommanditisten zurückgetretener Gesellschafter noch für die Dauer von fünf Jahren für die bis zu seinem Ausscheiden oder Zurücktreten begründeten Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Die Frist beginnt mit dem Ende des Tages zu laufen, an dem das Ausscheiden oder Zurücktreten in die Kommanditistenstellung in das Handelsregister eingetragen wird.
Im vorliegenden Fall wurde der Mietvertrag am 15. Januar 1976 geschlossen und sah die Möglichkeit, ihn zu beenden, erstmals zum 31. März 1996 vor. Da hiervon in der Folge keine der Parteien Gebrauch machte, endete der Vertrag erst Ende Januar 1998 (dazu unter 2), wobei die darüber hinausgehende Nutzung des Mietobjekts durch die KG bis Ende 1998 weitere Mietzinsansprüche des Klägers auslöste. Für diese Ansprüche haftet der Beklagte. Sein Wechsel in die Kommanditistenstellung wurde am 13. Juni 1995 in das Handelsregister eingetragen, so daß die fünfjährige Frist erst am 13. Juni 2000 endete.
2. In der Praxis sind Mietverträge über Grundstücke und Räume auf bestimmte Zeit mit Verlängerungsklausel häufig anzutreffen. Diese Verträge verlängern sich automatisch auf bestimmte oder unbestimmte Zeit, wenn sie nicht zum vereinbarten Vertragsende gekündigt werden. Unterbleibt die Kündigung, so wird das Mietverhältnis mit demselben Vertragsinhalt fortgesetzt. Die Identität des damit in die Zukunft verlängerten Vertrages bleibt erhalten (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht 7. Aufl. BGB § 564 Rdn. 12; Derleder in AK, BGB § 564 Rdn. 2; MünchKomm.-Voelskow, BGB 4. Aufl. Rdn. 6; RGRK-Gelhaar, BGB 12. Aufl. § 564 Rdn. 6; Soergel/Heintzmann, BGB 12. Aufl. § 564 Rdn. 7; a.A. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht 3. Aufl. S. 1484). Die befristete Kündigung beendet den Vertrag erst zum vertraglich oder gesetzlich bestimmten Zeitpunkt. Dies hat zur Folge, daß das Mietverhältnis bis dahin unverändert weiter besteht und es daher während dieses Zeitraums noch dem Einfluß vertraglicher Vereinbarungen über seinen Inhalt und gegebenenfalls über seine (weitere) Fortdauer unterworfen ist (BGHZ 139, 123, 127).
Im vorliegenden Fall war die Verlängerung zwar nicht vom Ausbleiben einer Kündigung abhängig, sondern vom Ausbleiben eines Widerspruchs gegen die Verlängerung. Für die rechtliche Beurteilung, ob der Vertrag fortdauert, kann diesem lediglich terminologischen Unterschied jedoch keine Bedeutung beigemessen werden.
3. Der Gesetzgeber hat mit § 160 n.F. HGB nicht lediglich eine zeitliche Obergrenze festgelegt. Er hat vielmehr eine umfassende Regelung des Problems der Nachhaftungsbegrenzung vorgenommen und dabei die Rechtsprechung zu dem alten Recht gesehen und berücksichtigt. Er wollte auch die Dauerschuldverhältnisse einbezogen wissen. Damit hat der Gesetzgeber im Interesse der Rechtssicherheit für alle Verbindlichkeiten einheitlich den Weg einer klar festgelegten Ausschlußfrist gewählt. Mit diesem Weg hat er zugleich die Interessen der Beteiligten in einer Weise berücksichtigt und ausgeglichen, die zwar fraglos gewisse Härten mit sich bringt, aber letztlich für keinen der jeweils Beteiligten als unzumutbar anzusehen ist (so auch Sen.Urt. v. 27. September 1999 – II ZR 356/98, WM 1999, 2406, 2408 = BGHZ 142, 324, 331, das das Berufungsgericht aber nicht für einschlägig hält, da es im vorliegenden Fall um ein befristetes Schuldverhältnis mit Verlängerungsmöglichkeit gehe).
Sinn dieser Regelung ist es in erster Linie zu vermeiden, daß ein ausgeschiedener Gesellschafter zu lange Zeit mit einer Haftung für Verbindlichkeiten belastet wird, obwohl er wegen seines Ausscheidens weder weiteren Einfluß auf die Gesellschaft nehmen noch von den Gegenleistungen und sonstigen Erträgen profitieren kann. Sinn ist es aber zugleich, einen Ausgleich zwischen diesem Anliegen und den Interessen der Gesellschaftsgläubiger zu schaffen. Allein schon im Hinblick auf diese Zweckrichtung sind Dauerschuldverhältnisse ohne Differenzierung nach gewissem oder ungewissem Verlauf in der Zukunft als Verbindlichkeiten im Sinne von § 160 Abs. 1 HGB anzusehen. Bei Dauerschuldverhältnissen ist die Rechtsgrundlage für die einzelnen Schuldverpflichtungen bereits in dem Vertrag selber angelegt, mit der Folge, daß diese Schuldverpflichtungen mit dem Vertragsschluß als entstanden anzusehen sind, auch wenn einzelne Verpflichtungen erst später fällig werden (Sen.Urt. aaO m.w.N.).
4. Handelt es sich bei einem Mietvertrag mit Verlängerungsklausel um die Fortsetzung des alten Vertrages, wenn die Kündigung nicht erfolgt oder ein Widerspruch gegen die Verlängerung unterbleibt, so liegt nichts anderes vor, als ein Dauerschuldverhältnis mit für die Zukunft ungewissem Verlauf.
III. Da die Höhe der Mietrückstände unstreitig ist, kann der Senat die Sache selber entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO a.F., § 563 Abs. 3 ZPO n.F.).
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke
Fundstellen
BGHZ |
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