Leitsatz (amtlich)
Zur Beendigung der Wirkung einer eigenkapitalersetzenden Gebrauchsüberlassung an einem mit einem Grundpfandrecht belasteten Grundstück, sobald der im Wege der Zwangsverwaltung erlassene Beschlagnahmebeschluß wirksam geworden ist.
Normenkette
GmbHG §§ 30, 32a a.F.; BGB §§ 1123-1124; ZVG § 152 Abs. 2, §§ 148, 22
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Wuppertal |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 29. September 1998 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 155.392,60 DM nebst Zinsforderung abgewiesen worden ist.
Unter teilweiser Abänderung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 11. August 1997 wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 155.392,60 DM nebst 4 % Zinsen von 38.848,15 DM seit dem 3. Juni 1997 sowie 4 % Zinsen von weiteren 116.544,45 DM seit dem 14. August 1997 zu zahlen.
Die in den Verfahren vor dem Landgericht und dem Berufungsgericht entstandenen Kosten tragen der Kläger zu 8 % und der Beklagte zu 92 %, die Kosten des Revisionsverfahrens der Kläger zu 19 % und der Beklagte zu 81 %
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, Zwangsverwalter über die im Grundbuch von L., Blatt unter laufender Nummer 1-3 eingetragenen Grundstücke, verlangt von dem Beklagten, der am 20. Januar 1997 zum Konkursverwalter über das Vermögen der H. GmbH V. bestellt worden ist, Mietzins aufgrund folgenden Sachverhalts:
Durch Vertrag vom 27. April 1992 mietete die H. GmbH & Co. KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Gemeinschuldnerin war, ein Gebäude und eine Freifläche auf den genannten Grundstücken an. Die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ihre Anteile an der H. GmbH & Co. KG im Oktober 1992 in die Gemeinschuldnerin eingebracht hatten, erwarben im Jahre 1993 das Eigentum an den Grundstücken. Die Mietzinsforderungen, die ab 1. Januar 1994 monatlich einschließlich 15 % Mehrwertsteuer 38.848,15 DM betrugen, sind ab November 1996 nicht mehr bezahlt worden. Die Sparkasse Ve., die seit dem 29. April 1994 Inhaberin einer auf den Grundstücken lastenden Grundschuld von 2 Mio. DM ist, erwirkte am 29. Januar 1997 einen Beschlagnahmebeschluß, der den Eigentümern am 1./3. Februar 1997 zugestellt und dem Konkursverwalter mit Schreiben vom 11. Februar 1997 bekanntgegeben worden ist.
Der Kläger macht u.a. aus dem o.g. nicht gekündigten Vertrag den Mietzins für die Monate März bis Juni 1997 (insgesamt: 155.392,60 DM) geltend. Der Beklagte verweigert die Zahlung unter Berufung auf den eigenkapitalersetzenden Charakter der Gebrauchsüberlassung.
Landgericht und Berufungsgericht haben die Klage abgewiesen. Der Kläger verfolgt sein Klagebegehren mit der Revision im Rahmen ihrer auf den o.g. Betrag beschränkten Annahme weiter.
Entscheidungsgründe
I. Da der Beklagte im Verhandlungstermin trotz dessen ordnungsgemäßer Bekanntgabe nicht vertreten war, ist über die Revision des Klägers durch Versäumnisurteil zu entscheiden (§§ 557, 331 ZPO). Das Urteil beruht inhaltlich nicht auf der Säumnis, sondern auf einer Sachprüfung (BGHZ 37, 79, 82).
II. Die Revision des Klägers ist im Umfang ihrer Annahme begründet. Dem Kläger steht der für die Monate März bis Juni 1997 in Höhe von 155.392,60 DM geltend gemachte Mietzins zu.
1. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger eine Masseforderung im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 2 KO geltend macht.
Ferner hat es zu Recht die Einziehungsberechtigung des Klägers aufgrund des den Eigentümern am 1./3. Februar 1997 zugestellten und dem Beklagten mit Schreiben vom 11. Februar 1997 bekanntgegebenen Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Ve. vom 29. Januar 1997 bejaht (§ 1124 Abs. 2 BGB, §§ 148, 152 Abs. 2, 22 ZVG).
Zutreffend hat es weiter ausgeführt, daß die Gemeinschuldnerin den von dem Kläger aus dem Vertrag vom 27. April 1992 geltend gemachten Mietzins schuldet, weil ihr die Kommanditanteile der H. GmbH & Co. KG im Oktober 1992 übertragen worden sind, so daß die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag entsprechend § 142 HGB a.F. im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf sie übergegangen sind.
2. Dem Berufungsgericht kann jedoch nicht gefolgt werden, soweit es zu dem Ergebnis gekommen ist, einer Inanspruchnahme der Gemeinschuldnerin stünden die Grundsätze über die eigenkapitalersetzende Nutzungsüberlassung entgegen.
a) Das Berufungsgericht hat unangefochten festgestellt, daß die Gemeinschuldnerin spätestens Ende September 1996 mit negativer Fortbestehensprognose (dazu BGHZ 119, 201) überschuldet war, ihr zumindest aber von dritter Seite weder ein Investitionsdarlehen, mit dem sie die Grundstücke einschließlich der angemieteten Objekte und Flächen hätte erwerben können, gewährt noch das Mietobjekt zu den Konditionen überlassen worden wäre, die für sie und ihre Gesellschafter nach dem Vertrag vom 27. April 1992 maßgebend waren (vgl. BGHZ 109, 55, 58 ff.; 121, 31). Da die Gesellschafter der Gemeinschuldnerin den Mietvertrag weder gekündigt noch einverständlich aufgehoben haben, obwohl ihnen das möglich war, und da die Gesellschaft von ihnen fortgeführt worden ist, hat das zur Folge, daß sie einen Mietzinsanspruch solange nicht durchsetzen können, wie dieser nicht aus dem ungebundenen Vermögen der Gesellschaft befriedigt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1998 – II ZR 382/96, ZIP 1999, 65, 66 = WM 1999, 20 m.w.N.).
b) Wie der Senat in dem Grundsatzurteil vom 7. Dezember 1998 entschieden hat, erfahren diese Grundsätze für das zwischen den das Grundstück vermietenden Gesellschaftern und der Gesellschaft bestehende Rechtsverhältnis dann eine Einschränkung, wenn an den vermieteten Grundstücken Grundpfandrechte bestellt worden sind. Auf diesen Fall, so hat er u.a. ausgeführt, sei der Rechtsgedanke der Vorschriften der §§ 1123 Abs. 2 Satz 2, 1124 Abs. 2 BGB anzuwenden, in denen das Gesetz die Interessen des Grundstückseigentümers und des Grundpfandrechtsgläubigers angemessen ausgleiche. Für den Fall der Beschlagnahme brauche der Grundpfandrechtsgläubiger Vorausverfügungen über den Mietzins nur in den durch § 1124 Abs. 2 BGB gezogenen Grenzen gegen sich gelten zu lassen. Die infolge Anwendung der Eigenkapitalersatzregeln eintretende Undurchsetzbarkeit der Mietzinsforderung komme – ähnlich wie eine Stundungsabrede – einer Vorausverfügung über die Mietzinsforderung gleich. Die Vorschrift führe daher auch im Rahmen der Grundsätze des Eigenkapitalersatzrechts zu einem sachgerechten Ausgleich der beteiligten Interessen (aaO S. 67 f.).
c) Das Berufungsgericht konnte diese Grundsätze nicht berücksichtigen, weil sein Urteil vor der oben genannten Senatsentscheidung ergangen ist. Da der Kläger die Voraussetzungen der Beschlagnahme entsprechend §§ 152 Abs. 2, 148 und 22 ZVG herbeigeführt hat, steht ihm der Mietzins in entsprechender Anwendung des § 1124 Abs. 2 BGB – wie von ihm geltend gemacht – für die Monate März bis Juni 1997 zu. Der Klage auf Zahlung des Betrages von 155.392,60 DM war somit stattzugeben.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kraemer, Münke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 31.01.2000 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556214 |
BB 2000, 640 |
DB 2000, 564 |
DStR 2000, 527 |
BGHR |
GmbH-StB 2000, 98 |
NJW-RR 2000, 925 |
KTS 2000, 296 |
NZG 2000, 371 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 525 |
WuB 2000, 441 |
WuB 2000, 461 |
ZIP 2000, 455 |
ZMR 2000, 367 |
ZfIR 2000, 480 |
InVo 2000, 218 |
NZI 2000, 211 |
NZI 2001, 70 |
Rpfleger 2000, 285 |
GmbHR 2000, 325 |